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Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft
„WIR BRAUCHEN EINE STARKE
ZIVILGESELLSCHAFT“
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Viele Menschen fliehen nach wie vor vor Hunger und Krieg. Einige schaffen es bis nach Österreich. Eva Fahlbusch ist die Geschäftsführerin des Vereins Vindex – Schutz und Asyl, der Geflüchteten eine psychosoziale Beratung anbietet. Mit der marie spricht sie über die Rettung des Vereins, über die strenge Abschottungspolitik der EU und wie sie Personen bei sich zuhause aufgenommen hat.
Text: Daniel Furxer, Fotos: Verein Vindex
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SPENDENKONTO: Vindex – Schutz und Asyl e. V. Raiffeisenbank Bodensee-Leiblachtal IBAN: AT0537 4310 0008 8272 89 BIC: RVVGAT2B431 Es war ein richtiger Schock für Eva Fahlbusch, als die Stiftung, die Vindex bisher finanziell unterstützte, letztes Jahr bekanntgab, dass sie die Förderung nicht verlängern würde. „Sie hat ihren Förderschwerpunkt geändert und wir haben da leider nicht mehr reingepasst. Auch eine Anfrage unsererseits bei der Vorarlberger Landesregierung um Unterstützung wurde abgelehnt. Wir standen finanziell vor dem Aus“, schildert Eva Fahlbusch. In der Not wurde ein Komitee für die Rettung von Vindex ins Leben gerufen. Ein Kalender wurde produziert und sehr gut verkauft, viele Menschen haben sich gemeldet und Geld gespendet. „Die Zivilgesellschaft hat schlussendlich das gemacht, was die Landesregierung hätte tun sollen. Sie haben schnell und unkompliziert geholfen“, so Fahlbusch. Der Verein ist nun für das heurige Jahr 2021 so gut wie abgesichert.
Die Aufgaben für den Verein Vindex, der seit April 2013 existiert, sind auch unter Corona nicht weniger geworden. Beratung ist zentral für Menschen, die in einem gesellschaftlichen Umfeld ankommen, in dem sie sich nicht zurechtfinden. „Es fängt alles mit einer Tasse Kaffee oder Tee an,“ erläutert Fahlbusch. „Wir sind eine kleine Beratungsstelle und so können wir einen sehr unbürokratischen und persönlichen Kontakt zu den Leuten pflegen, die zu uns kommen.“ Zwei Personen sind fix angestellt, bei Nähworkshops werden Näherinnen auf Honorarbasis bezahlt. „Das ist das Menschliche, das so dringend nötig ist. Und das braucht es in Vorarlberg unbedingt. Leider mussten wir die Villa Vindex aus finanziellen Gründen aufgeben. Hier haben sich Geflüchtete und Nicht-Geflüchtete getroffen und ausgetauscht. Durch die Renovierungsarbeiten haben sich ganz viele Leute kennengelernt und ehrenamtlich angepackt. Menschen mit und ohne Asylstatus haben tatkräftig mitgeholfen. Es war ein unkomplizierter Begegnungsraum.“
Aufstehen gegen die Abschottungspolitik
Für dieses Jahr plant Eva Fahlbusch wieder Vindex-Veranstaltungen, wenn diese von Neuem durchführbar sind. Der Geschäftsführerin geht es auch darum, Themen aufzugreifen und die Menschen zu sensibilisieren. „Was Frontex, die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, jetzt plant, ist ein Wahnsinn. Sie wollen mit Wärmebildkameras geflüchtete Menschen noch besser aufspüren und in ihre Länder zurückschieben. Frontex arbeitet auch eng mit Staaten wie Libyen zusammen, damit die Menschen es gar nicht erst bis zu uns schaffen. Auf diese verstärkte Abschottungspolitik wollen wir noch mehr hinweisen.“
Die Abschottungspolitik habe keinen Sinn, so Fahlbusch weiter. „Unser Planet ist groß genug. Es gibt genügend zu essen und es gibt genügend Platz zum Leben. Die Frage ist nur, ob wir reichen Länder teilen wollen.“ Wirtschaftliche Interessen stünden
Vindex Vorstand mit Frauen aus vier verschiedenen Ländern (Tschetschenien, Österreich, Iran und Deutschland). Eva Fahlbusch mit Amer aus Syrien, der vor kurzem Vater geworden ist. Eva ist zur Tante auserkoren worden.

oft über menschlichen Bedürfnissen. Dazu kommen geopolitische, strategische Entscheidungen, wie diese zum Beispiel bei Afghanistan und bei Tschetschenien gegenüber Russland der Fall sind.
Ein wichtiger Punkt ist für Vindex, das humanitäre Bleiberecht wieder auf Länderebene zu holen. „Es braucht eine Vermenschlichung dieser Politik. Wenn die Mitentscheidung wieder auf Länderebene stattfindet, wird es gewiss nicht einfacher, aber die Politiker vor Ort wissen um die Schicksale dieser Menschen und können konkret eingreifen. Auch Vindex könnte sich in so einem Fall persönlich einbringen. Kanzler Sebastian Kurz kann in der Asylpolitik nur so handeln, weil es für ihn keine persönliche Betroffenheit gibt und er keinen Einblick in die persönlichen Geschichten dieser Menschen hat. Das sind dann reine Schreibtischentscheidungen. Mein Appell an die Bundesregierung lautet nach wie vor: Nehmen wir endlich geflüchtete Menschen aus Lesbos bei uns auf!“, so Fahlbusch.
Menschlich helfen
„Bei mir stand einmal eine somalische Frau im Büro, die nicht mehr weiterwusste. Draußen schneite es und keine Einrichtung nahm sie auf. Rein rechtlich hatte sie keinen Anspruch, in Vorarlberg in Betreuung zu wohnen, da sie in einem anderen Bundesland versorgt wurde. Aber ihre somalische Freundin, mit der sie geflüchtet war, befand sich hier in Vorarlberg. Und darum wollte sie verständlicherweise auch hier sein. Die Frau war einfach fertig mit der Welt und wusste keine Lösung. Ich habe sie dann für fünf Monate in meiner Wohnung aufgenommen.“ Das sind die menschlichen Lösungen, von denen Fahlbusch zu Beginn gesprochen hat. „Bei mir haben schon viele Menschen auf der Couch geschlafen“, fügt Fahlbusch hinzu und zeigt auf, was möglich ist. Sie habe 07 schon so viele bereichernde Gespräche mit Irakern, Afghanen oder Tschetschenen geführt und dabei festgestellt, dass sie gar nicht so fremd sind. „Wir kannten die gleichen Kinderfilme oder auch die Märchen der Gebrüder Grimm und haben uns auf dieser Ebene unterhalten können.“ Eines ist jedoch klar und das stellt Fahlbusch auch immer wieder fest: Keiner verlässt seine Heimat und seine Kultur freiwillig. Viele haben Heimweh und wünschen sich, dass in ihrem Heimatland friedliche Zustände herrschen. Auf die Frage, was jede und jeder einzelne tun kann, der mit dieser Asylpolitik nicht zufrieden ist, antwortet Fahlbusch: „Das Protestcamp kürzlich am Dornbirner Marktpatz war eine sehr gute Möglichkeit, sich selber einzubringen. Durch die Anwesenheit drückt man aus, dass man nicht damit einverstanden ist, mit dem, wie die österreichischen Politiker in dieser Sache handeln. Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft, die die Politiker zum Umdenken bewegt.“