medianet 27.08.2021

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Freitag, 27. August 2021

medianet.at

„Alles ist eine Frage der Einordnung“

© APA/AFP/Anthony Wallace

Seit über 30 Jahren berichtet Antonia Rados aus Kriegsgebieten und sprach mit medianet über den Job der Krisenreporterin.

••• Von Anna Putz

E

s gibt sicher Menschen“, sagt Antonia Rados, „die mutiger als ich sind.“ Die gebürtige Klagenfurterin, die für ihre Reportagen und Berichte aus Krisengebieten bekannt und ausgezeichnet ist, erlebte in den vergangen Jahrzehnten Kriege am Ort des Geschehens, interviewte Diktatoren und schrieb Bücher über ihre Erfahrung als Krisenreporterin. Es ist ein Job, in dem man Interesse für die Lebenswelten anderer Menschen mitbringen sollte, betont Rados. Ein Job, in dem sich Neugier und Vorsicht die Waage halten sollten, so die 68-Jährige.

Mit medianet sprach die Krisenreporterin über den Wandel, den der Beruf durchmachte, die Rolle von Social Media und die Afghanistan-Berichterstattung. Ein entbrannter Wettkampf Das Berufsbild des Krisenreporters sei heute ein „massiv“ anderes, als noch vor 30 Jahren. „Früher war der Beruf exklusiver“, meint Rados. Aufgrund von Social Media und anderen Tools wurde Kommunikation zwar einfacher, aber auch „um einiges unsicherer und chaotischer“. Ein weiterer Grund für den Wandel sei, dass die Propaganda von Armeen oder radikalen Gruppierungen von selbst einen Weg in die Berichterstattung fin-

det. „Es ist ein Wettkampf darum entstanden, wie die Leute die Welt sehen. Und alle nehmen daran teil, nicht nur die Kriegsreporter“, schildert Antonia Rados. Rados selbst sieht sich in ihrem Beruf „als eine Art Augenzeu­ge“: jemand, der neutral ist und das Gesehene berichtet. Die Lebensrealitäten anderer Menschen abzubilden, ist laut Rados das Dilemma des Berufs. Diese seinen meist „ganz anders, als man es sich vorstellt“, weniger extrem als angenommen, sondern vielschichtiger. „Realitäten sind komplex und ändern sich alle fünf Minuten“, fährt Rados fort. Der Faktor Nähe ist einer, der in der Kriegsberichterstattung für sie eine entscheidende Rolle

spielt. Dass wie bei deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern das Korrespondenten-Studio in Neu-Dehli für die AfghanistanBerichterstattung zuständig ist, verurteilt und kritisiert Rados nicht; ihre Auffassung sei aber, dass „Kriegsreportagen aus keinem Studio gemacht werden können“. Für Rados selbst steht fest: „Wenn man glaubwürdig sein will, muss man dort sein und vor Ort berichten.“ Information ist ein Virus Während früher Reporter und Journalisten entschieden, welche Bilder aus Kriegsgebieten um die Welt gehen, sind es heute oftmals Algorithmen der Social Media-Plattformen. Diese haben,


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