Raymond Zurschmitten

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Raymond Zurschmitten



Impressum
Alle Angaben in diesem Buch wurden vom Autor nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und von ihm und vom Verlag mit Sorgfalt geprüft. Inhaltliche Fehler sind dennoch nicht auszuschliessen. Daher erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag übernehmen Verantwortung für etwaige Unstimmigkeiten.
Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.
© 2025 Weber Verlag AG, 3645 Thun / Gwatt
Text und Bilder: Raymond Zurschmitten
Weber Verlag AG
Verlagsleitung: Annette Weber-Hadorn
Projektleitung: Madeleine Hadorn
Covergestaltung: Lorena Hadorn, Bettina Ogi
Layout und Satz: Bettina Ogi
Bildbearbeitung: Adrian Aellig
Lektorat: Alexandra Widmer
Korrektorat: Laura Spielmann
Der Weber Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2025 unterstützt.
ISBN 978-3-03818-790-5 www.weberverlag.ch mail@weberverlag.ch
Auslieferung EU
Brockhaus Commission GmbH Postfach 1220
D-70803 Kornwestheim info@brocom.de
Bergbauernfamilien arbeiten unter schwierigen Bedingungen: viel Handarbeit, steile Böden, lange Winter und ein unterdurchschnittliches Einkommen. Eine zusätzliche Erschwernis stellen die oft fehlenden Erschliessungen dar. Die langen Arbeitstage Jahr für Jahr erfordern Idealismus und eine grosse Liebe zur Natur.
Dabei leisten Bergbauernfamilien eine wichtige Arbeit. Sie erzeugen naturnahe und hochwertige Produkte, fördern die Artenvielfalt und verhindern durch die Beweidung der hochgelegenen Flächen Hangrutsche und Verwaldung. Die so gepflegten Landschaften kommen auch dem Tourismus zugute.
Was sind das für Menschen, die in diesem Umfeld leben? Diese Frage gab den Anstoss für das gesamte Projekt. Nach einer breit angelegten Recherche kontaktierte ich ausgewählte Bergbäuerinnen und -bauern und fragte sie für mein Buch an. Die Resonanz war überaus positiv: Grosszügig gewährten sie mir Einblick in ihren Alltag und die vielfältigen Arbeiten, denen sie tagtäglich nachgehen. Dank ihrer Offenheit und Gastfreundschaft konnte ich meine Ideen überhaupt erst in die Realität umsetzen und als Resultat dieses Buch vorlegen.
Das Herzstück des Buches bilden Porträts von einzelnen Bergbauernbetrieben, ihren Tieren, den Besonderheiten der Bewirtschaftung und der sie umgebenden Natur. Die Fotografien stehen im Zentrum der Porträts, ergänzende Texte erläutern situativ gesetzte Schwerpunkte und die spezielle Situation dieser Bergbäuerinnen und Bergbauern.
Die Auswahl der Bergbauernbetriebe ist nicht repräsentativ. Ich habe mich bewusst entschieden, ganz unterschiedliche Betriebe zu porträtieren – es war mir ein Anliegen, die Vielfalt der Möglichkeiten zur Bewirtschaftung im Berggebiet aufzuzeigen. Und vielleicht gelingt es mir, damit auch das Interesse derjenigen zu wecken, die bisher noch keine engen Berührungspunkte mit der Berglandwirtschaft hatten. Im Besonderen möchte ich mit diesem Buch Jugendliche und junge Erwachsene inspirieren. Vielleicht können sie sich nach der Lektüre vorstellen, selbst einmal auf einem Bergbetrieb zu arbeiten? Es gibt immer wieder Bergbetriebe, die keine Hofnachfolge in Aussicht haben und auf der Suche nach einer geeigneten Lösung sind.

Der Betrieb Bannerlen/Rotihalten befindet sich im Engelbergertal. Er wird nach den Bio-Richtlinien bewirtschaftet und weist zwei Standorte auf:
Der zwei Hektar grosse Talbetrieb liegt auf 550 m ü. M. und ist vom öffentlichen Verkehr aus zu Fuss in 20 Minuten erreichbar. Hier werden über die Wintermonate Rinder in Aufzucht gehalten.
Der Sömmerungsbetrieb Rotihalten ist zehn Hektar gross. Dieser Alpbetrieb liegt auf 900 m ü. M. und ist nur im Sommer bewohnt.
Vom Talboden aus kann Rotihalten lediglich mit der Luftseilbahn oder in 45 Minuten Fussmarsch erreicht werden. Zum Betrieb gehören auch elf Hektar Wald.
Die Standorte befinden sich in den Bergzonen 1 und 2.
Der Winter dauert hier von November bis März, die Vegetationszeit die restlichen sechs bis sieben Monate.
Der Betrieb ist seit Generationen der Haupterwerb der Bergbauernfamilie. Als Nebenerwerb kommen die Direktvermarktung der Produkte und im Winter vor allem die von Klaus geleisteten Zimmermannsarbeiten hinzu. Die anspruchsvollen und schwierig zu koordinierenden Tätigkeiten sind eine Herausforderung, auch für die karg ausfallende gemeinsame Freizeit.

← Alpbetrieb im Engelbergertal.
↑ ÖV-Haltestelle Rotihalten.

Die Familie setzt sich aus Rita, Klaus und dem dreijährigen Ramon zusammen. Grosse Unterstützung erfahren sie von Ritas Eltern Sepp und Marie-Therese, die immer mithelfen oder auf Ramon aufpassen. Gelegentlich helfen auch andere Familienmitglieder, Freunde oder Verwandte aus. Angestellte haben sie keine.
Zum Tierbestand: Über den Winter leben im Talbetrieb der Familie Zumbühl
19 Rinder (vorwiegend Braunvieh). An eigenen Tieren halten sie 20 Burenziegen mit ihren Gitzi, was im Winter eine Fütterung von circa 40 Tieren bedeutet. Zudem halten sie 15 bis 20 Legehennen.



← Burenziegen-Herde.
↑ Aufzuchtkälber im Winterquartier.

Im Frühling werden die Ziegen via Transportseilbahn auf die Alp befördert.

Speziell an diesem Betrieb ist, dass die bewirtschafteten Wiesen zum Teil so steil sind, dass sie mit modernen Heumaschinen nur teilweise befahren werden können. Das Bewirtschaften solcher Wiesen wird «Wildheuen» genannt. Die entsprechenden Hänge heissen «Planggen». Diese Wildheuplanggen sind heute wertvolle Lebensräume für viele seltene Pflanzen und Tiere, liefern eine besonders schmackhafte Milch und leisten einen wichtigen Beitrag zum Lawinenschutz.
Während vor zehn bis 15 Jahren das Heu in Netze (sogenannte «Burdi») gepackt, mit Seilwinden zum Stall transportiert, im Winter zu Ballen gepresst und mit der Transportseilbahn hinunter ins Tal gefahren wurde, können diese Arbeiten dank des Bewirtschaftungswegs und entsprechender Maschinen stark vereinfacht werden.

Da der Alpbetrieb keine Zufahrt hat, müssen die Materialien über die eigene Transportseilbahn herangeschafft werden.

Sepp am Mähen der sehr steilen Wiesen.

Zu den schönen Arbeiten gehört sicher das Heuen. Körperlich anstrengend ist die Bewirtschaftung der sehr steilen Wiesen. Allein das Stehen und Laufen sind hier nicht zu unterschätzen.
Als besondere Heumaschine verfügt der Betrieb über einen sogenannten Twister (eine Art Heuschieber), der die Arbeiten in den nicht allzu steilen Hängen stark erleichtert.
Der Arbeitstag beginnt im Winter um 6 Uhr, im Sommer um 7 Uhr, und dauert jeweils bis 19 Uhr. Es gibt Sommertage, an denen erst um 22 Uhr Feierabend ist.
Die Familie kann im Frühling oder im Herbst ein paar Tage Ferien machen. Stellvertretungen sind so einfacher zu organisieren. Die Finanzierung dieser Ferien hängt auch von den bisher getätigten Investitionen ab.

↖ Klaus schiebt das Heu mit dem Twister den Steilhang hinunter.




Trotz der Unterstützung durch die Mechanisierung bleibt beim Heuen viel Handarbeit.

Mähen am frühen Morgen – im Hintergrund die ersten Sonnenstrahlen auf den Gegenhang Altzellen.
Zu den selbst hergestellten Produkten gehören verschiedene Sirupe, Konfitüren/Gelees, Salze, Nussmischungen, Eier, Heuschnaps und Tee. Eine externe Stelle stellt das Trockenfleisch oder die Trockenwürste aus hofeigenem Fleisch her.
Die Produkte werden im eigenen Hofladen und bei lokalen Detailhändlern vermarktet. Sie können ebenfalls via Internet bestellt werden.
Ihre Kunden stammen aus der ganzen Welt. Meistens sind sie auf der Durchreise nach Engelberg – der Hofladen liegt nämlich direkt an der Hauptstrasse nach Engelberg.


Persönliches: Rita und Klaus stammen aus einer Bauernfamilie. Da sie den elterlichen Betrieb übernommen haben, war die Wahl des Standortes gegeben.
Neben dem Landwirtschaftsbetrieb gehen die beiden noch verschiedenen Engagements nach: Rita ist im Vorstand der Theatergesellschaft Wolfenschiessen und Klaus in der Feuerwehr Wolfenschiessen und im Vorstand der Ürtekorporation Altzellen.
Die Frage der Nachfolge ist noch nicht aktuell. Wenn der Sohn Ramon möchte, kann er den Betrieb weiterführen – die Zeit wird es zeigen.
↑ Produkte der Familie Zumbühl mit der vor kurzem gewonnenen Goldmedaille.
← Hofladen in Grafenort.

Der Betrieb der Familie Haueter befindet sich im Simmental im Berner Oberland. Er hat zwei Standorte:
Der Betrieb in Oberwil liegt auf 850 bis 1300 m ü. M. Er ist 21 Hektar gross und in die Bergzonen 2 und 3 eingeteilt.
Die Alp Morgeten liegt auf 1650 m ü. M. und ist Sömmerungsgebiet, d. h. dort befinden sich die traditionellen Sömmerungs- und Gemeinschaftsweiden. Diese Bezeichnung erfolgt aufgrund der sogenannten Produktionskataster, bei denen landwirtschaftlich genutzte Flächen in verschiedene Zonen und Gebiete eingeteilt werden. Dazu gehören neben dem Sömmerungsgebiet auch das Berggebiet mit den Bergzonen 1 bis 4 sowie das Talgebiet mit Tal- und Hügelzone.


Kühe und Ziegen auf dem Weg zu den Weiden auf der Alp Morgeten auf 1650 m ü. M.
Familie: Betriebsleiter sind Alex (Landwirt) und Jarka Haueter (Bäuerin mit Meisterprüfung). Sie werden von ihren Kindern Johanna und Ferdinand sowie von Alex’ Eltern Christian und Marianne tatkräftig unterstützt. Während Alex im Sommer zeitweise auf dem Talbetrieb tätig ist, sind Jarka und Christian den ganzen Sommer auf der Alp Morgeten.
Christian unterstützt neben dem Alpbetrieb auch das 20 Millionen teure Solarprojekt Morgeten, das er mit Erfolg vorantreibt.


↑ Grossfamilie Haueter.
← Die Ziege Ursula wird von Johanna gemolken.

Hier oben werden auch ein Alprestaurant und eine Alphütte mit fünf Doppelzimmern und zwölf Schlafplätzen betrieben. Restaurant und Hütte werden beide von Jarka Haueter geleitet und beschäftigen zwei zusätzliche Personen.
Das ganze Jahr über sind beide Kinder eine wertvolle Hilfe. Im Talbetrieb helfen im Sommer ein Zivildienstleistender und eine zusätzliche Person aus.

← Gaststube.
↑ Gästezimmer der Alp Morgeten.


Der Tierbestand setzt sich aus 38 Kühen zum Melken, fünf Mutterkühen, 20 Jungtieren und zehn Kälbern zusammen. Hinzu kommen vier Ziegen, zwölf Schweine, 30 Hühner und zehn Hasen. Das Besondere an diesem Betrieb ist, dass hier behornte Simmentalerkühe und schwarze Alpenschweine der Rasse Alpina Nera (ProSpecieRara) gehalten werden.
↑ Franziska mit ihren Zwillingskälbern.
↗ Huhn inmitten von Kühen und Kälbern.
→ Rinder und Kühe auf dem Weg zur Nachtweide.


Franziska säugt ihre Zwillingskälber, wird deshalb nicht gemolken und logiert so in einem separaten Stall.
Von den Arbeiten werden auf der Alp das Zäunen, die Pflege der Weiden, die Zubereitung des Brennholzes und das Käsen von Hand ausgeführt. Zu den maschinellen Arbeiten zählen das Heuen, das Ausbringen von Mist und Gülle sowie der Transport von Material.
Alle Arbeiten werden gerne gemacht. Nach Feierabend ist es auf der Alp besonders schön, den Kuhglocken zuzuhören.
Im Talbetrieb zählt das Heuen im Steilhang mit Rechen und Gabeln zu den besonders anstrengenden Arbeiten.
→ Jarka mistet den Rinderstall aus.
↓ Tränke der Simmentalerkühe – auch auf der Weide hat es immer Brunnen mit Wasser.


Die Arbeiten dauern im Sommer von 5.15 bis 20 Uhr (im Restaurant oft bis 23 Uhr), im Winter von 6 bis 19 Uhr.
Die Bauernfamilie ist regelmässig eine Woche pro Jahr in den Ferien, dies meist im Winter. Als Stellvertretung helfen der Sohn und die Tochter auf dem Betrieb aus.
Christian selbst war einmal im Sommer für 14 Tage in den Ferien: Zum 50. Geburtstag erhielt er als Geschenk eine Stellvertretung. So konnte er in die Mongolei reisen. Sonst waren ihm solche Ferien im Sommer unbekannt.



← Alex beobachtet seine Herde.
↑ Interessiertes Ausmisten des Kuhstalls durch Christian.
↑ Jarka beim Melken der Kühe.

Speziell ist, dass alle Milchprodukte direkt vermarktet werden. Auf der Alp werden an die vier Tonnen Käse produziert. Die Vermarktung geschieht auch mittels Patenschaften, zum Teil verbunden mit Leasingverträgen einer Kuh.
Im Winter wird alle Milch zu Ghee verarbeitet (ca. eine Tonne). Dieses aus Butter gewonnene Fett enthält so gut wie kein Milcheiweiss und nur sehr wenig Wasser und gilt als besonders wertvoll.
Vom Fleisch werden 80 % direkt vermarktet.
Auf der Alp Morgeten hat es zudem zwei besondere Installationen: Seit 1996 wird dort ein Wasser-Kleinkraftwerk betrieben. Dieses produziert den Strom für den gesamten Stromverbrauch der drei Senntümer der Alp. Es ist auch mit der dortigen Wasserversorgung verbunden, wodurch das Wasser mit diesem Strom auf die drei Standorte gepumpt werden kann.


↖ Tägliche Pflege des Ziegenkäses.
↑ Mit dem Käsetuch trennt Jarka die Molke vom Käsebruch.
↑ Gepresst und geformt ergibt der Käsebruch den festen Alpkäse.

Kühe auf dem Weg zur Nachtweide, im Hintergrund der Hinterwach und der Berg Nase.

Persönliches: Die Mitglieder der Familie Haueter sind seit dem 12. Jahrhundert Bauern. Der Betrieb wurde jeweils familienintern vererbt. Eine Auswanderung, zum Beispiel nach Kanada, wäre keine Alternative gewesen.
Ausserhalb des Betriebs gehen Alex und Jarka verschiedenen Engagements nach: Alex ist Präsident der Genossenschaft Bunschen und Chef des Gemeindeführungsorgans.
Jarka betätigt sich als Kassiererin der Milchproduzentengesellschaft und der Wegunterhaltsgenossenschaft.
Christian war zudem vier Jahre im Gemeinderat sowie auch Gründungsmitglied der Kleinbauernvereinigung. Heute ist er beim Solarprojekt Morgeten sehr engagiert.
Die Nachfolge ist geregelt und wurde durch frühzeitige Abgabe von Verantwortung gefördert.

↖ Gaststube der Alp Mittlist Morgeten.
↑ Johanna lenkt die Kuh Nutella zurück zur Herde.