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Mekka der Jazzmusik
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Die aktiven Jazzclübler, mit Obfrau Martha Bösch (Foto Mitte vorne), ObfrauStellvertreter Walter Weber (3. von links vorne) und Gründungsmitglied Helmut Gassner (2. von rechts vorne).
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Text: Frank Andres, Fotos: Lucas Hämmerle, Jazzclub Lustenau Er ist eine musikalische Institution in Vorarlberg. Und das seit 1975. Doch wer sind die Menschen, die hinter den Kulissen die Fäden beim Jazzclub Lustenau ziehen? Die marie hat drei der Macher:innen im ehemaligen Zollhaus, der Heimat des Jazzhuus, zu einer Plauderstunde getroffen.
Was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn sie den Namen Lustenau hören? Kilbi? Die Fußballklubs FC und Austria? Der blaue Platz? Millennium Park? Andere Ideen? Nein? Dann helfe ich Ihnen ein wenig auf die Sprünge. Es gibt ihn seit 1911 und kommt aus der Tube. Klingelt's? Genau: der weltberühmte Lustenauer Senf der Familie Bösch. Es gibt in der größten Marktgemeinde Österreichs aber nicht nur kulinarische, sondern auch musikalische Leckerbissen zu erleben. Denn nur einen Steinwurf vom „Senfer“ entfernt, im ehemaligen Zollhaus, befindet sich das „Jazzhuus“. Die erste Adresse für Freunde gepflegter, hochkarätiger Jazzmusik. Doch viele werden wahrscheinlich nicht wissen, wer für diese Erfolgsgeschichte verantwortlich zeichnet. Ich gebe es zu, ich wusste es auch nicht. Deshalb begab ich mich auf Spurensuche und traf drei Mitglieder, die den Verein bestens kennen: Martha Bösch (Obfrau), Walter Weber (Obfrau-Stellvertreter) und Helmut Gassner (Gründungsmitglied).
Lässiger Abend
Es ist das Jahr 1975. Im Saal des Gasthaus Linde steht Vibraphonist Jupp Zeltinger mit seiner Band auf der Bühne. Es ist das erste Konzert des Jazzclub Lustenau. Die heutige Obfrau Martha Bösch erinnert sich, als ob es gestern gewesen wäre. „Ich war damals 16 Jahre alt. Die Stimmung und die Musik waren großartig. Es war ein lässiger Abend.“ Und auch einer der Gründungsväter des Vereins und Mitorganisator der Konzert-Premiere, Helmut Gassner, schwelgt in Erinnerungen. „Es gab damals keine Notausgänge. Im Saal wurde noch geraucht. Der Boden hat beim Konzert gewackelt.“ Und die Stimmung, so sagt der heute 70-Jährige, sei absolut friedlich gewesen. „Obwohl der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war, gab es keinen Stress und keine Schlägerei.“
NÄCHSTE KONZERTE:
Freitag, 18. November 2022, 20.30 Uhr
Madeleine Joel & the Hildeguards „ALLES oder NICHTS – eine Hommage an Hildegard Knef“
Freitag, 16. Dezember 2022, 20.30 Uhr
Marc Perrenoud Trio („Weihnachtsjazz“)
Wo? Rheinstraße 21, Lustenau Achtung: Sichert Euch einen Platz durch rechtzeitiges Erscheinen: keine Vorbestellungen, keine Reservationen!

Konzerte im Wochentakt
Trotz des großartigen Premierenabends veranstaltet der Jazzclub in den ersten drei Jahren aber nur wenige Konzerte. Das ändert sich 1979. Da gibt es bereits zehn Auftritte von Jazz-Stars wie John Scofield, Chet Baker oder Joe Henderson. Die erste Hochblüte erlebt der Verein 1987. In diesem Jahr übersiedelt der Jazzclub vom Gasthaus Linde in das ehemalige Zollhaus. „Da veranstalteten wir fast jeden Freitag ein Konzert“, erzählt Walter Weber (57), seit 1984 beim Jazzclub Lustenau und heute Obfrau (!)-Stellvertreter. Lustenau wird zum Mekka der Jazzmusik. Es folgen legendäre Auftritte von Michel Petrucciani, Wayne Shorter, Wolfgang Muthspiel oder Archie Shepp.
INFOBOX
www.jazzclub.at
Konzerte seit 1975: über 650 400 Mitglieder, davon 20 „aktiv“ Mitgliedsbeitrag: 10 Euro, regelmäßige Informationen und 5 Euro Ermäßigung bei allen Konzerten Obfrau: Martha Bösch Kontaktadresse für Bands per e-Mail: walter.weber@unisg.ch

Publikum hautnah dabei
Aber wie schafft es ein kleiner Verein solche Jazzgrößen nach Lustenau zu locken? Für Walter Weber gibt es dafür gleich mehrere Gründe. Lustenau liege zuerst einmal geographisch gut, in der Mitte von Jazz-Metropolen wie Paris oder Wien. „Wenn Musiker zum Beispiel auf der Durchreise sind, und einen Tag spielfrei haben, spielen sie gerne ein Konzert im Jazzclub.“ Zudem sei die Atmosphäre im „Jazzhuus“, in dem maximal 100 Besucher Platz finden, etwas ganz Besonderes. „Auf unserer kleinen Bühne werden selbst große Stars manchmal richtig nervös. Im Unterschied zu den großen Konzerten spüren sie bei uns das Publikum hautnah. Zudem ist die Akustik im Saal großartig“, betont Walter Weber. Und der letzte, aber vielleicht wichtigste Grund für einen Konzert-Halt von Jazzmusikern in Lustenau, ist für den Jazzfan Walter Weber die Betreuung der Gastmusikanten. „Wir haben einen eigenen Flügel, der bei jedem Konzert gestimmt wird, einen Kontrabass und ein Schlagzeug. Das bedeutet, die Musiker brauchen wenig Equipment mitzuschleppen.“
Eigener Geschmack zählt
Seit dem Anfang des Jazzclub Lustenau vor 47 Jahren hat der Verein über 650 Konzerte veranstaltet. Doch deren Anzahl hat sich in den letzten Jahren verringert. „Im Verein sind wir alle ehrenamtlich tätig. Da stößt man zwangsweise an seine Grenzen. Heute veranstalten wir nicht mehr wöchentlich, sondern nur mehr einmal pro Monat ein Konzert. Und wir konzentrieren uns darauf, Musiker zu engagieren, die wir selbst gerne hören. Das klingt etwas arrogant, aber wir sind damit bisher nicht schlecht gefahren“, erklärt Walter Weber. Und der Erfolg gibt dem Jazzclub Lustenau recht.