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Chefredakteur Walter Hämmerle über die Kooperation mit Cognion

„Das ist ein Startpunkt und kein Endpunkt“

Die Wiener Zeitung und der Forschungsverbund Cognion streben eine strategische Partnerschaft zur Sicherung der Tageszeitung an.

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••• Von Anna Putz

Das für Anfang Juni angekündigte Konzept der Wiener Zeitung zum Fortbestand ebendieser wurde diesen Montag vor heimischen

Medienjournalisten präsentiert.

Walter Hämmerle, Chefredakteur der weltweit ältesten Tageszeitung, und Christian Helmenstein, Geschäftsführer des

Cognion Forschungsverbands, legten offen, eine strategische

Partnerschaft anzustreben. „Wir rennen nicht gegen, sondern für etwas“, sagt Hämmerle bei der Pressekonferenz. Und das sei der Fortbestand der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt. Man habe ein „gutes Konzept erarbeitet“ und wolle dadurch den „Kompetenzverbund zusammenhalten“, heißt es weiter seitens des

Chefredakteurs. Christian Helmenstein, der neben seiner Tätigkeit bei Cognion Chefökonom der Industriellenvereinigung ist, sagte, sofern „die Republik Österreich eine strategische

Partnerschaft in Betracht“ ziehe, habe man vor, ein Angebot vorzulegen.

„Win-Win-Situation“

Durch den Wegfall der Pflichtinserate mit Ende des kommenden Jahres steht der Fortbestand der Zeitung auf der Kippe. Das soll sich durch die strategische Partnerschaft ändern. Diese sei laut Hämmerle eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, auch für die Republik.

Diese angestrebte Partnerschaft des Cognion Forschungsverbands, der sich laut Helmenstein vollständig über Auftrags- oder Programmforschung finanziere, und der Wiener Zeitung sei laut Hämmerle „nicht vom Himmel gefallen“. Man sei in der Vergangenheit bereits betreffend der Digitalisierung des Amtsblatts in Kontakt gewesen.

Zwar befinde man sich, so Helmenstein, noch in einer „frühen Phase der strategischen Kooperation“, dennoch habe es bereits ein „außerordentlich konstruktives“ Gespräch mit dem Bundeskanzleramt diesbezüglich gegeben. Zudem habe man bereits einen Letter of Intent sowie eine Anbotsabsicht vorgelegt. Seitens Cognion bestehe jedenfalls Fortführungsinteresse sowohl für den digitalen als auch analogen Arm des Medienhau-

ses. Eine Festlegung des Bundeskanzleramts betreffend die Partnerschaft liege zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.

Da dem Forschungsverbund bislang die gewünschten rechtlichen und wirtschaftlichen Einblicke in das Unternehmen fehlen, würde als nächster Schritt eine Due-Diligence-Prüfung anstehen. Einen Anteilskauf schließt Helmenstein zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus; jedoch nehme man hier eine „passive Rolle ein“, die aktive habe das Bundeskanzleramt inne.

Das Internet „umdrehen“

Die Parterschaft soll auf zwei Säulen errichtet werden: Zum einen sei es die digitale Veröffentlichung von Daten sowie eine „Hardcore-Qualitäts-Tageszeitungsredaktion“. Dennoch befinde man sich am Beginn eines Nachdenkprozesses, so Hämmerle weiter. Anderen Medienhäusern solle durch die Partnerschaft keine Konkurrenz gemacht werden, fügt Helmenstein hinzu.

Die ersten Ergebnisse eben dieses Prozesses seien zahlreiche Ideen, die in einem nächsten

Schritt weiterentwickelt werden sollen. Auf Nachfrage erläuterte Helmenstein drei mögliche Zugänge, die derzeit besprochen werden. Der erste sehe vor, Akteuren aus der Wissenschaft redaktionellen Platz einzuräumen. So wolle man den wissenschaftlichen Diskurs um weitere Stimmen ergänzen. Eine weitere Idee von Helmenstein sei, das Internet „umzudrehen“: Man wolle weniger angebotszentriert agieren und sich mehr nach den Interessen der Nachfrager richten. Die Redaktion solle dennoch weiterhin als Gatekeeper fungieren. Überdies könne sich Cognion vorstellen, das Archiv der Wiener Zeitung mittels Algorithmen „semantisch auszuwerten“. Eine Kommerzialisierung von Daten schwebe dem Ökonomen nicht vor, vielmehr würde die Datenanalytik bei der Wiener Zeitung in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Der Chefredakteur meinte betreffend das Fortbestehen der Zeitung, dass er selbst „1 zu 10 gegen uns gewettet hätte“ und: „Das Licht war aus, die Tür fast zugeschlagen.“ Nun würde sich aber eine „Wachstumsperspektive“ bieten, so Hämmerle. Erfreut darüber würde sich auch die Redaktion zeigen – laut Hämmerle sei der Vorschlag dort auf große Unterstützung gestoßen.

Es scheint, als ob in den Räumlichkeiten der Wiener Zeitung das Licht wieder an und die Tür wieder offen sei. „Das ist ein Startpunkt und kein Endpunkt“, betont Hämmerle.

© APA/Helmut Fohringer

Zukunftssichernd Am Montag präsentierten Christian Helmenstein (l.) und Walter Hämmerle ihr Konzept einer strategischen Zusammenarbeit.

Infobox

Wiener Zeitung

Die seit 1703 bestehende Tageszeitung im Besitz der Republik Österreich muss ab Ende 2022 ohne Plichtinserate auskommen. Das BKA schrieb kürzlich den Posten des Geschäftsführers des Mediums aus.

Cognion

Der Forschungsverbund wurde von Helmenstein als „Spinoff“ des IHS gegründet. Man finanziere sich vollständig aus Auftrags- und Programmforschung von über 100 Auftraggebern. Das Institut hat seinen Sitz im 6. Bezirk.

Wir rennen nicht gegen, sondern für etwas – den Fortbestand der ältesten Tageszeitung der Welt.

Walter Hämmerle

Chefredakteur Wiener Zeitung

Thinktank für eine bessere Welt

Experten der europäischen Kreativbranche widmen sich beim Creative Incubator den großen Themen der Zeit.

••• Von Britta Biron

Vor knapp einer Woche startete der diesjährige Creative Incubator des Art Directors Club of Europe. Das Ziel der 20 Masterclasses und 40 Live-Sessions, die bis Anfang November teils in Präsenz, teils online stattfinden, ist ambitioniert: Man will kreative Methoden und Strategien für eine bessere Zukunft erarbeiten. medianet hat mit Jamshid Alamuti, Programmdirektor des ADCE Creative Incubator, und Patrik Partl, Vizepräsident des Creative Clubs Austria und Geschäftsführer von Brokkoli Advertising Network, der erstmals als Mentor dabei ist, gesprochen.

medianet: Das Motto der diesjährige Session lautet Collective Creative Culture. Was genau ist damit gemeint? Der Incubator legt durch richtig gestellte Fragen die Basis, um Antworten zu entwickeln. Sie sollen Inspiration sein, aber gern auch Provokation. Hauptsache, es kommt etwas in Gang, und es werden neue Zugänge geöffnet.

Jamshid Alamuti

Programmdirektor ADCE Creative Incubator

Jamshid Alamuti: Covid-19 hat die Aufmerksamkeit von anderen Themen stark abgezogen. Die Menschheit sieht sich auch abseits der Pandemie mit globalen Herausforderungen konfrontiert. Diesen müssen wir uns jetzt wieder mit voller Konzentration annehmen. Dazu braucht es ein kollektives Umdenken. Der Incubator legt durch richtig gestellte Fragen die Basis, um Antworten zu entwickeln. Die sollen eine Inspiration sein, aber gerne auch Provokation. Hauptsache, es kommt etwas in Gang und es werden neue Zugänge geöffnet.

medianet: Wie werden die konkreten Themen erarbeitet? Alamuti: Wir arbeiten in drei Phasen: Als erstes stellen wir alles infrage; ich nenne das Unpacking, De-Construct oder Breaking. Danach geht es um das Re-build. Dabei definieren wir alles neu und in eigenen Worten und integrieren die Inputs der Teilnehmer. Erst in der dritten Phase geht es um konkrete Anwendungen und Execution, wo wir uns fragen, was wir wirklich damit machen können.

medianet: Apropos praktische Umsetzung. Wie sieht es da mit Ergebnissen aus früheren Creative Incubator-Workshops aus? Alamuti: Wir hatten unterschiedliche und teilweise überraschende Ergebnisse, die wir nicht erwartet hatten. Nur ein Jahr nachdem das erste White Paper publiziert wurde, hatten wir bereits Anfragen von Investoren aus Asien. Die waren an potenziellen Firmen interessiert, um unsere Ideen umzusetzen, und waren bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Aus unseren Incubator-Programmen sind einige neue Firmen hervorgegangen. Teilnehmer haben sich durch die Veranstaltung kennengelernt und wurden gemeinsam zu Entrepreneuren. Ich selbst habe zwei neue Start-ups gegründet und ein Teilnehmer aus Wien eine eigene Agentur. Viele Absolventen haben ihren Job gewechselt, um die neu gewonnen Perspektiven in die Tat umzusetzen. Auch auf Kundenseite haben wir Transformationsprozesse ausgelöst. Wahrscheinlich ist noch viel mehr in Bewegung gekommen, als wir selbst wissen.

Der diesjährige Creative Incubator ist eine wertvolle Chance, unser aller Zukunft nachhaltig mitzugestalten.

Patrik Partl

Vizepräsident Creative Club Austria medianet: Erfolgt zu den ADCE Creative Incubator-Programmen eine Evaluierung, z.B. indem Feedbacks der Teilnehmer gesammelt werden? Alamuti: Ja, das machen wir regelmäßig, sogar während des Programms. Wir können das Programm im laufenden Betrieb optimieren und das Feedback sowie die Ergebnisse direkt in die Gestaltung einfließen lassen. Wir arbeiten quasi am lebenden Organismus. Nur durch starke Information können wir gemeinsam die Antworten auf die wirklich brennenden Fragen unserer Zeit gefunden werden.

medianet: Der Event setzt auf Diversität. Wie wichtig ist die? Alamuti: Wir beobachten, dass Menschen sich oft mit ihresgleichen beschäftigen. Wir wollen heterogenen Backgrounds und Kulturen zusammenbringen und sie dazu motivieren, gerade aufgrund ihrer Unterschiede ihre Energien zu bündeln, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.

© Art Directors Club of Europe (3)

Weltverbesserung ist das große Ziel der europäischen Kreativszene.

Patrik Partl: Die Teilnehmer profitieren enorm von frischen Perspektiven aus der internationalen Kreativwelt und globalem Networking. Die heterogene Zusammensetzung ist ein Appell, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf Neues einzulassen. Es geht um den Kern der Kreativität und wie sie Menschen bewegen und auf ein gemeinsames Ziel einschwören kann.

medianet: Welche Erwartungen haben Sie? Alamuti: Wir wollen etwas wirklich Großes in Bewegung setzen. Die Teilnehmer plus die rund 30 Mentoren und zehn Coaches sind bereits ein kleines Kollektiv. Im besten Fall sind sie der Anfang einer großen Bewegung über alle Kontinente hinweg.

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