Norddeutsches Handwerk 2/2021

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Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen

Kammerbeitrag Wofür eigentlich? Sinnlose Verschwendung oder bedarfsgerechter Service für die Mitglieder? STEFAN PIETSCH

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Die Sache mit der Pflichtmitgliedschaft

Seit wann gibt es die Idee vom Wirtschaftsbereich Handwerk? Sie wissen schon, die rund 130 Berufe, die sich als kulturelle Einheit verstehen, die als Rückgrat der lokalen Wirtschaft, dem Mittelstand, identitätsstiftende Werte über alle Handwerke hinweg teilen: Lehrlinge ausbilden, Gesellen beschäftigen und in inzwischen wieder mehr gewordenen Gewerken die Meisterqualifikation als Garant für Qualität vorhalten. In seinem Aufsatz „Gedanken über die Identität des Handwerks“ (erschienen in: Quo vadis Handwerk? Identität des Handwerks im Wandel. Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien, 2011) kommt Rainer S. Elkar zu folgendem Schluss: „Ohne Kammern war die Konstruktion einer Vorstellung vom ‚ganzen‘ Handwerk und eine gesamtkorporative Vertretung nicht möglich. Würde man die Kammern abschaffen, so würde man sehr wahrscheinlich auch das Handwerk ‚als Ganzes‘ auflösen.“ Warum aber braucht eine moderne Interessenvertretung diesen Blick auf das Ganze? Dazu HWK-Hauptgeschäftsführerin Ina-Maria Heidmann: „Während Verbände und Innungen die

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Interessen einer Branche vertreten, gewährleistet ausschließlich die Pflichtmitgliedschaft in der Handwerkskammer die Interessenvertretung für das gesamte Handwerk. Die gesetzliche Mitgliedschaft sorgt dafür, dass Betriebe aller Größen und Branchen auf eine starke Mitgliederorganisation zählen können. Ein Wirtschaftsbereich, der mit einer Stimme spricht und sich nicht auseinanderdividieren lässt, setzt einfach mehr durch.“ Müsste jeder Handwerksbetrieb seine Wünsche und Forderung selbst gegenüber der Landes- und Bundespolitik oder den Behörden vorbringen, käme er wahrscheinlich nie zum Zuge und die Interessen der kleineren Betriebe würden ohne gesetzliche Interessenvertretung komplett unter die Räder kommen. Das macht eine Aufgabe der Pflichtmitgliedschaft undenkbar.

Ina-Maria Heidmann

Zur Person

Die Juristin mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Steuerrecht machte 1995 den Schritt in die Handwerksorganisation: Als Hauptabteilungsleiterin der Handwerkskammer Dresden. Seit dem 01. Juli 2011 ist Heidmann Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen. In beiden Kammern stellte Sie die Haushalte auf die kaufmännische Buchführung um und brachte sie damit auf Augenhöhe mit den Betrieben. Dies ermöglicht mehr Transparenz und ein Controlling von denen, die den Beitrag bezahlen.

Das Handwerk regelt seine Angelegenheiten selbst

Foto: HWK

ugegeben, dieser Titel für die Ausgabe 2 des neuen NH-Magazins ist nicht ganz ohne. Immerhin blickt die gesamte Wirtschaft schon bald auf ein Jahr Corona zurück. Für das Handwerk bedeutet dies stellenweise Umsatzeinbußen, wegbrechende Aufträge, Investitionen in Hygienekonzepte, nur schleppend ausgezahlte Soforthilfen und in einigen Fällen sogar Lockdown. Und jetzt kommt die Kammer mit dem Thema „Beitrag“. Muss das sein? Um es gleich vorwegzunehmen: ja. Denn wie nie zuvor zeigt sich ganz besonders in dieser für uns alle schwierigen Situation die Stärke der modernen Mitgliederorganisation Handwerkskammer. Aber dazu später mehr.

Über die Zukunft des Südniedersächsischen Handwerks entscheiden keine Fremden, sondern Handwerker selbst. Auch der Kammerbeitrag wird im Übrigen Jahr für Jahr von den gewählten Mitgliedern der Vollversammlung, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bedarfsgerecht festgesetzt. Das Ehrenamt entscheidet, stellt die Weichen, erteilt Arbeitsaufträge und die Kammermitarbeiter setzen diese um. „Ohne Selbstverwaltung würden viele Aufgaben, die das Handwerk heute selbst regelt, an den Staat zurückfallen“, so Heidmann. „Im schlimmsten Fall würde dies für die 7.700 Mitgliedsbetriebe, die rund 44.000 Beschäftigten und die ca. 3.300 Auszubildenden noch mehr Regulierung und Bürokratie bedeuten.“ In den Handwerkskammern werden das notwendige Wissen, die Kompetenzen und die Nähe zu den Betrieben gebündelt. Nur sie sind in der Lage, die spezifischen Anliegen der Handwerksunternehmen branchenneutral zu erfüllen und gleichzeitig

NDH 02/2021


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