Behörden Spiegel Dezember 2025

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Bund, Länder und Kommunen stehen im direkten Konkurrenzkampf um Beschäftigte. „Und dieser Wettbewerb ist hart“, betonte Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), bei der Bekanntgabe der Forderungen. Die Arbeitsbedingungen einschließlich der Bezahlung seien auf Landesebene aber deutlich schlechter. „Das können wir den Ländern nicht durchgehen lassen“, kündigte er an. Deshalb hätten die Gewerkschaften beschlossen, sich bei der Forderungsaufstellung für die Einkommensrunde der Länder – mit Ausnahme von Hessen, das einen eigenen Tarifvertrag hat – eng an denen für Bund und Kommunen aus diesem Jahr zu orientieren. Nachwuchskräfte sollen ebenfalls profitieren. Für sie wird eine Entgeltsteigerung um 200 Euro sowie die unbefristete Übernahme im erlernten Beruf gefordert. In den anstehenden Verhandlungen möchten die Gewerkschaften zudem gegen unterschiedliche Arbeitsbedingungen in Ost und West vorgehen, Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte – die bisher keinen Tarifschutz haben – verbessern und eine Erhöhung aller Zeitzuschläge um 20 Prozent erreichen. Auch ein zusätzlicher freier Tag für Gewerkschaftsmitglieder findet sich im Forderungskatalog.

Gleiche Bedingungen für alle „Die Beschäftigten der Länder stehen jeden Tag für unseren Staat ein“, machte Werneke deutlich. Gleichzeitig seien sie Angriffen ausgesetzt. „Wir erwarten von den Ländern, dass das Engagement der Beschäftigten gesehen wird.“ Von den drei staatlichen Ebenen – Bund, Ländern und Kommunen – seien die Länder finanziell am besten aufgestellt. Höhere Steuereinnahmen hätten die Spielräume insbesondere der Länder erweitert. „Das muss sich auch bei den Gehältern zeigen, denn der Öffentliche Dienst steht im Wettbewerb um die besten Fachkräfte – bei zugleich mehreren Hunderttausend unbesetzten Stellen.“ Volker Geyer, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbunds und Tarifunion (DBB) untermauerte die Forderungen nach einer fairen

Eine Frage der Gerechtigkeit

Einkommensrunde der Länder

gestartet

(BS/Ann Kathrin Herweg) Eine Steigerung der Entgelte um sieben Prozent, mindestens aber um 300 Euro – so lauten die Kernforderungen für die aktuelle Einkommensrunde der Länder. Die Gewerkschaften fordern zudem mehr Wertschätzung für Landesbeschäftigte, einen attraktiveren Arbeitgeber Staat und eine zeitgleiche und systemgerechte Übertragung des Verhandlungsergebnisses auf den Beamtenbereich.

EntgeltgruppeErfahrungsstufe 123456

EG 15 385,30413,14427,86480,12519,69534,84

EG 14 350,24375,60396,40427,86476,06489,90

EG 13 324,08347,69365,45399,95447,64460,63

EG 12 293,54313,19354,79391,33438,51451,22

EG 11 284,52302,67323,34354,79400,46412,03

EG 10 274,99292,80313,19333,99373,57384,33

EG 9b 246,41263,58274,76305,67331,96341,48

EG 9a 246,41263,58267,31274,76305,67314,30

EG 8 232,37249,13258,45267,31277,09283,15

EG 7 219,51235,88248,20257,52264,98271,50

EG 6 216,06232,27241,30250,53256,59263,11

EG 5 208,18224,13233,17241,76248,66253,32

EG 4 199,45215,55226,84233,17239,50243,56

EG 3 197,09212,83217,35224,58230,46235,43

EG 2 185,00199,73204,25208,77219,16230,01

EG 1 170,41172,55175,12177,70184,12

Geforderte Steigerung der monatlichen Entgelte für Tarifbeschäftigte der Länder – außer Hessen – um sieben Prozent (Angaben in Euro). Die blau markierten Entgeltgruppen und -stufen profitieren von der Mindesterhöhung um 300 Euro. Tabelle: BS/eigene Berechnung unter Verwendung der Entgelttabelle

und leistungsgerechten Bezahlung damit, dass die Arbeitgeberin Verwaltung auch im Konkurrenzkampf mit der Wirtschaft mithalten müsse. Die sicheren Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst glichen keine Inflation aus und zahlten keine Mietsteigerung. Geyer sieht die Einkommensrunde erst dann als beendet an, wenn die Ergebnisse auf die Beamten übertragen sind. „Dass die bayerische

Landesregierung schon vor Beginn der Verhandlungen ankündigt, das Ergebnis nur nach sechsmonatiger Verzögerung auf die Landesbeamtinnen und -beamten übertragen zu wollen, ist das vollkommen falsche Signal.“ Das habe nichts mit Wertschätzung zu tun, sondern sei ein Schlag ins Gesicht derer, die den Staat am Laufen hielten.

Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wis-

senschaft (GEW), verwies auf die Dringlichkeit, die Lehrkräfte-Entgeltordnung weiterzuentwickeln. Viele Bundesländer seien in diesem Bereich auf Seiten- und Quereinsteiger angewiesen, trotzdem blieben Stellen unbesetzt. Der dramatische Lehr- und Fachkräftemangel an den Schulen und Kitas bringe die übrigen Beschäftigten ans Limit. „Da muss dann zumindest das Gehalt stimmen – auch und gerade um viel mehr junge Menschen für die Bildungsberufe zu gewinnen.“ Außerdem appellierte sie an die Arbeitgeberseite, sich den problematischen Arbeitsbedingungen der rund 300.000 studentischen Beschäftigten zu widmen, diese zu verbessern und endlich tariflich zu regeln: „Wir wollen den TV Stud, verankert im Tarifvertrag der Länder (TV-L)!“

Für die Sicherheit

Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bemängelte bei der Forderungsaufstellung, dass die Polizei zuletzt bei Infrastrukturprojekten leer ausgegangen sei. Polizeibeamtinnen und -beamte seien es leid, zu verstehen, dass viel Geld da sei, aber weder in die Instandsetzung maroder Polizeigebäude noch in erforderliche Ausrüstung investiert werde. Genau für diese Menschen werde nun verhandelt.

„Wenn die Arbeitgeber glauben, überall anderswo mit Spendierhosen unterwegs sein zu können und beim Öffentlichen Dienst plötzlich sparen wollen, werden wir ihnen zeigen, dass das so nicht läuft!“, betonte Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Einigung aus eigener Kraft Werneke hofft auf eine schnelle Einigung und ein Entgegenkom-

Wenn Bürokratie zum Geschäftsmodell wird

Eine Kolumne von Dr. Gisela Meister-Scheufelen

Der Anspruch staatlicher Regulierung ist klar: Sie soll den Ordnungsrahmen für ein friedliches Zusammenleben, für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen schaffen. In der Praxis jedoch entstehen zunehmend Regelwerke, deren Nutzen in keinem Verhältnis zu ihrem Aufwand steht. Problematisch wird es, wenn Bürokratie selbst – ohne dass dies Gesetzesziel wäre – neue Geschäftsmodelle hervorbringt, die ohne volkswirtschaftlichen Mehrwert sind. Jeder denkt jetzt erst einmal an Steuerberater. Über 40 Prozent aller Steuererklärungen stammen von Steuerberatern, weil das Steuerrecht so kompliziert ist, dass der Steuerpflichtige seine Steuererklärung nicht selbst machen kann.

Ein Beraterdschungel

Seit Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung boomt der Beratungsmarkt, um die Verarbeitungsverzeichnisse, Löschkonzepte oder Auftragsverarbeitungsverträge behördengerecht zu

erarbeiten. An der Geschäftstätig keit der Unternehmen, die diese Nachweise erbringen müssen, hat sich dadurch nichts geändert –außer steigender Betriebskosten für den Berater. Externe Geldwäschebeauftrag te, Energieberater, Beratung für Nachweise nach dem Lieferkettengesetz und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, Sicherheitsbeauftragte in den Betrieben – vom Leiterbeauftragten ganz abgesehen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Hinzu kommt eine boomende Prüfbürokratie. Warum muss ein Dienstwagen nicht wie jeder andere Wagen nur alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung, sondern jährlich noch zur UVVPrüfung (Unfallverhütungsvorschriften)?

Dr. Gisela Meister-Scheufelen ist zentin, Autorin und ehemalige Vorsitzende des Normenkonlrats Baden-Würt-

Foto: BS/privat

gen beauftragen, der gegen Rechnung bestätigt, dass er das entsprechende Fenster eingebaut hat, obwohl diese Details bereits aus der Rechnung für das Fenster hervorgehen.

Innovationshemmnis

Außerdem haben Sachverständige Hochkonjunktur. Zahlreiche Gutachten in Bauverfahren verteuern das Bauverfahren und verzögern die Baugenehmigung. Wer gern eine Förderung für energieeffizientes Bauen haben möchte, muss extra einen Sachverständi-

Peter Leibinger, Familienunternehmer und BDI-Chef, meinte: „Inzwischen geben wir in Europa mehr Geld für Compliance aus als für Forschung.“

Es sind nicht nur eine wachsende Prüfbürokratie und ein Beratungsund Sachverständigenmarkt entstanden, sondern auch eine Art „Kollateralbürokratie“. Anwälte bieten sich Firmen an, die nicht erbetene Newsletter an ihre E-

men der Länder. Es sei eine Unsitte, dass die Arbeitgeberseite in Tarifverhandlungen immer erst spät ein Angebot mache. Sollte das auch in diesen Verhandlungen der Fall sein, ist Werneke bereit, zu Streiks aufzurufen.

In der Einkommensrunde für Bund und Kommunen konnte im Frühjahr in den drei angesetzten Verhandlungsterminen kein Ergebnis erzielt werden, erst ein Schlichtungsverfahren führte zu einer Einigung. Im Gegensatz zu den Verhandlungen für Bund und Kommunen gebe es bei den Verhandlungen für die Länder jedoch kein Schlichtungsabkommen. Die Verhandlungsparteien seien darauf angewiesen, aus eigener Kraft zu einer Lösung zu kommen.

Harte Verhandlungen

Weit weniger optimistisch fiel die erste Reaktion des hamburgischen Finanzsenators Dr. Andreas Dressel aus. Als Vorsitzender der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vertritt er die Arbeitgeberseite. „Mit ritualisierten astronomischen Forderungen nicht erfüllbare Erwartungen zu wecken, die am Ende zu großen Enttäuschungen bei vielen Beschäftigten führen, ist nicht zielführend!“, kritisiert er. Die Beschäftigten der Länder verdienten Wertschätzung, nicht zuletzt durch angemessene Lohnerhöhungen. Die geforderten Lohnerhöhungen sieht er jedoch als überzogen an. Die TdL rechnet damit, dass die geforderten Lohnerhöhungen um sieben Prozent, mindestens aber 300 Euro, die Länder allein in einem Jahr mit rund vier Milliarden Euro belasten würden. Inklusive der geforderten Übertragung auf die Beamten ergäben sich damit Kosten in Höhe von rund 12,6 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kämen weitere Kosten für die geforderten strukturellen Verbesserungen. „Ich hatte gehofft, dass die Lohnforderung sich näher am realistisch Machbaren orientiert. So allerdings sehe ich jetzt äußerst schwere Verhandlungen auf uns zukommen“, erklärte Dressel. Die Verhandlungen beginnen am 3. Dezember, die weiteren Termine sind für den 15. und 16. Januar sowie den 11. bis 13. Februar 2026 festgelegt.

Mail-Adresse erhalten, um wegen Verstoßes gegen den Datenschutz abzumahnen und vom Absender Schadensersatz zu verlangen. 300 Euro Schadensersatz, 400 Euro Anwaltskosten. Warum ist diese Entwicklung weder für den Wirtschaftsstandort noch für unsere Gesellschaft förderlich? Wenn gut bezahlte Fachkräfte mit Compliance beschäftigt sind, statt in der Forschung, Entwicklung, Produktion oder in der Kundenbetreuung tätig zu sein, geht dies zulasten von Investition, Innovation und notwendiger Transformation. Überbürokratisierte Genehmigungsverfahren bremsen die Dynamik der Wirtschaft und führen dazu, dass Unternehmen für Innovationen länger brauchen als ausländische Wettbewerber. Hinzu kommt, dass in Zeiten von Fachkräftemangel die Fehlallokation dieses wichtigen Humankapitals besonders schmerzlich ist. Die Kosten für Beratungen, Prüfungen, Gutachten und Abmahnungen, die durch Regulatorik und zu komplexe Gesetze verursacht werden,

erhöhen die Preise. Sie verringern die Kaufkraft der Verbraucher, schaden dem Mittelstand und der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Am Ende zahlt die gesamte Gesellschaft. Die eigentliche Schutzfunktion von Gesetzen tritt in den Hintergrund, während Ressourcen für juristische Auseinandersetzungen und Risikoabsicherung gebunden werden. Dadurch sinkt die Akzeptanz. Gesetze verlieren ihre Funktion als Problemlöser. Sie werden vor allem als Belastungsfaktor wahrgenommen. Wir benötigen einen Kulturwandel sowohl bei der Politik als auch bei der Verwaltung. Mehr Vertrauen, mehr Eigenverantwortung, mehr Pragmatismus. Wir benötigen den Kulturwandel aber auch beim Bürger. Der Staat ist keine Vollkaskoversicherung. Er ist auf die Entscheidungsfreude, den Mut und die Risikobereitschaft der Gesellschaft angewiesen. Franklin Roosevelt meinte: „Angst lähmt eine Gesellschaft; Mut und Vertrauen befreien sie.“

MODERNE VERWALTUNG MEISTERN

Bürokratiebelastung

(BS/sr) Dass Bürokratie immer ein Mehr mit sich bringt und gerade von der Wirtschaft als Belastung wahrgenommen wird, ist allgemein bekannt. Doch wie groß ist diese Belastung? Gemeinsam mit dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat der Behörden Spiegel eine Umfrage mit über 1.000 Teilnehmenden durchgeführt, um genau das zu prüfen. Das größte Problem haben die Unternehmen demnach mit zeitaufwendigen Nachweispflichten. Weitere Erkenntnisse aus der Umfrage finden Sie im Folgenden grafisch aufbereitet.

Auswirkungen der Bürokratie auf Unternehmen

und

bei Behörden Zeitaufwendige Dokumentations- und Nachweispflichten

Schl ank er Sta at starke Steuerung

Die

Bürokratielast hat in Deutschlands Unternehmen keinen guten Ruf. Dabei soll sie im Kern ein Schutzmechanismus gegen Willkür und Korruption sein, ein System, das Gleichbehandlung, Transparenz und Verlässlichkeit sichert. Doch im Laufe der Jahrzehnte ist daraus ein immer dichteres Geflecht geworden. Zu viele Vorschriften, zu viel Papier, zu viele Prozesse, die sich gegenseitig bedingen. Was einst Ordnung schaffen sollte, ist zu einem System geworden, das sich häufig selbst im Weg steht. Wie lässt sich dieses Geflecht entwirren? Welche Rolle kann die Digitalisierung dabei übernehmen, und wo liegen ihre Grenzen? Mit diesen Fragen hat sich der Bundeskongress Bürokratieabbau des Behörden Spiegel befasst – und gezeigt, dass der Weg zu schlankeren Verfahren nicht allein in neuen Technologien liegt, sondern in einem grundlegenden Umdenken.

Digitalisierung beginnt beim Prozess

Entscheidend sei dabei die kritische Analyse bestehender Prozesse. Alexander Baufeld, Bereichsleiter IT-Governance bei der Bundesagentur für Arbeit, formulierte: „Die analoge Welt eins zu eins in die digitale Welt zu übertragen, funktioniert nicht. Wenn der Prozess vorher schon schlecht war, wird er auch digital schlecht sein.“ Digitale Werkzeuge und KI könnten nur dann wirklich entlasten, wenn sie auf klaren, funktionierenden Abläufen basierten. Ein erster Schritt sei daher die genaue Analyse: "Welche Schritte sind wirklich notwendig? Welche Querverweise, Doppelungen oder veralteten Regelungen blockieren den Arbeitsfluss?"

Datenqualität als Beschleuniger Beim Einsatz der KI zur Unterstützung des Onboardings von neuen Beschäftigten in Leipzig zeigte sich anfangs eine Überforderung durch die Vielzahl unterschiedlicher und teilweise widersprüchlicher Dokumente. Daniel Krüger, IT-Innovationsmanager Koordination KI & Automation für die Stadt Leipzig, erläuterte: „Viele Daten waren doppelt, veraltet oder widersprüchlich.“ Erst durch die gezielte Einbindung der Beschäftigten, die ihr Fachwissen systematisch in FAQs zusammenführten, und durch die Anpassung der Datenstruktur sowie der Abfrageparameter konnte die KI zuverlässig arbeiten und die relevanten Informationen präzise extrahieren.

Erst aufräumen

Technik hilft, wenn Prozesse, Daten und Rollen zuvor geordnet sind (BS/Carla Menzel) Digitalisierung soll Verwaltung entlasten, doch Technik allein reicht nicht. Der erste Bundeskongress Bürokratieabbau zeigt, dass echte Effizienz nur entsteht, wenn Prozesse neu gedacht und die Menschen dahinter aktiv darin eingebunden werden.

betonte: „Die Technik allein reicht nicht. Nutzerinnen und Nutzer müssen sich darauf einstellen, selbst aktiv zu werden – wie beim Ikea-Selfcheckout.“

Viele Antragstellende seien an Fax, Papierformulare oder persönliche Vorsprachen gewöhnt gewesen und hätten zunächst nicht auf die digitalen Prozesse umsteigen wollen. „Anwälte riefen an und fragten, wie sie ohne Fax eine Eingangsbestätigung bekommen sollen“, berichtete Mazanke.

Die Skepsis der Bürgerinnen und Bürger bestätigt auch eine Studie von Professor Sven Müller-Grune von der Hochschule Schmalkalden. Viele Menschen nahmen digitale Verwaltungsangebote nicht automatisch als Erleichterung wahr, da sie an gewohnten Papierprozessen festhalten. Frank Schönborn (tbb) zog daraus die Schlussfolgerung: „Damit Bürokratierückbau spürbar wird, muss Digitalisierung auch in den Köpfen der Menschen ankommen – sonst bleiben Effizienzgewinne auf dem Papier.“

Digitale Modernisierung als politischer Schwerpunkt

Engelhard Mazanke, Direktor des Landesamts für Einwanderung, betonte: „Wenn wir eine effiziente Verwaltung wollen, müssen wir Veränderungen aushalten.“ Foto: BS/Bildschön

Zu Beginn hätten die Belegschaft Sorge geäußert, die KI könnte ihre Aufgaben überflüssig machen. Krüger berichtete: „Nach sechs Monaten erkannten sie jedoch, dass die KI sie entlastet und ihnen Freiraum für Aufgaben gibt, die sie gerne erledigen.“ Auch Baufeld betonte, dass digitale Projekte nur erfolgreich seien, wenn die Beschäftigten mitgenommen würden. Schulungen, Pilotprojekte und klare Kommunikation hälfen, Berührungsängste abzubauen und Akzeptanz zu schaffen.

Trotz aller Effizienzgewinne sei KI kein Allheilmittel. Dr. Dirk Woywod, Managing Director der Rulemapping Solutions: „Die KI liefert nur Wahrscheinlichkeitsaussagen, aber sie kann keine rechtsverbindliche Entscheidung über, zum Beispiel, einen Bauantrag treffen.“ Entscheidend sei das Reasoning, also das strukturierte Ableiten von Entscheidungen aus Daten, Regeln, Urteilen und Erfahrungswissen. Menschliche Ermessensspielräume und qualitative Bewertungen blieben zentral, die KI unterstützte lediglich bei Routineaufgaben und Datenextraktion.

Das Problem an der Wurzel packen Laut den Expertinnen und Experten gelingt Bürokratieabbau durch

des DBB.

Digitalisierung nur, wenn man das System an seinen Wurzeln verstehe – bei den Gesetzen, den Prozessen und den Daten. KI sei dabei kein Ersatz für Verwaltung, sondern ein Instrument für bessere Organisation. Wo sie sinnvoll eingesetzt werde, könne Verwaltung nicht nur effizienter, sondern auch verständlicher und bürgernäher werden. Bürokratie neu zu denken, bedeute also nicht, sie abzuschaffen, sondern sie so zu gestalten, dass sie wieder das erfülle, was sie ursprünglich sollte: Ordnung schaffen, ohne zu lähmen.

Nutzende abholen Ein Beispiel, wie Digitalisierung Verwaltung effi zienter machen kann, liefert das Einbürgerungs-

verfahren in Berlin: Bis Ende 2023 lagen rund 40.000 Anträge unbearbeitet in den Bezirksämtern – oft in jahrzehntealten Papierakten. Heute ist das Verfahren komplett digitalisiert: E-Akten, automatische Checklisten und ein 100 Prozent digitaler Antrag sorgen dafür, dass Entscheidungen schneller und transparenter fallen. Doch Engelhard Mazanke, Direktor des Landesamts für Einwanderung Berlin,

„Wir haben jetzt eine politische Rückendeckung auf höchster Ebene, ein engagiertes Team und die Strukturen, um echten Fortschritt zu erreichen. Das gab es vorher nicht.“

Schwerpunkt

Dr. Dominik Böllhoff, Leiter der Abteilung Staatsmodernisierung und Bürokratierückbau im BMDS

Dr. Christian Ege, Staatssekretär a. D., und Dr. Dominik Böllhoff, Leiter Staatsmodernisierung und Bürokratierückbau im BMDS, im Gespräch über Verwaltungsmodernisierung und Bürokratieabbau.

In der laufenden Legislaturperiode haben Digitalisierung und Bürokratierückbau laut Dr. Dominik Böllhoff, Leiter der Abteilung Staatsmodernisierung und Bürokratierückbau im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung, deutlich an politischer Relevanz gewonnen. Der neue Begriff auf Wunsch des Kanzlers, „Bürokratierückbau“, mache deutlich, dass es nicht um Symbolpolitik, sondern um spürbare Entlastung für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen gehe. Böllhoff nannte drei zentrale Steuerungsinstrumente: die Modernisierungsagenda des Bundes, das Entlastungskabinett und die föderale Modernisierungsagenda. So sollen konkrete Projekte koordiniert, Fortschritte messbar gemacht und klare Reduktionsziele für jedes Ressort festgelegt werden. „Wir haben jetzt eine politische Rückendeckung auf höchster Ebene, ein engagiertes Team und die Strukturen, um echten Fortschritt zu erreichen. Das gab es vorher nicht“, so Böllhoff. Für ihn ist Bürokratierückbau kein einmaliger Akt, sondern ein langfristiger Modernisierungsprozess, der die Koordination zwischen Bund und Ländern, eine ressortübergreifende Zusammenarbeit und konsequente Umsetzung erfordere. Nur so lasse sich Verwaltung effizienter gestalten und spürbare Entlastung schaffen, erklärte Böllhoff

„Mit Experimentierklauseln können wir Räume schaffen, um neue Ansätze zu erproben, bevor wir sie festschreiben“, erklärte Dr. Anna Sinell vom DigitalService Bund. Alle Fotos: BS/Bildschön

„Wir brauchen keinen kleineren Staat, sondern einen verlässlichen Staat“, sagte Andreas Hemsing, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik

Margret Mergen, die stellvertretende Vorsitzende des Normenkontrollrats BW, empfiehlt Kommunen, mehr Aufgaben abzugeben.

Ob beim Bürger- oder Kindergeld, die Mehrheit der Anträge, die bei deutschen Ämtern eingehen sind falsch. Das beschäftige die Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter in einem Maße, welches sich der Staat nicht länger leisten könne –wie Dr. Frank Nägele, Beauftragter für den Strukturwandel der Landes regierung des Saarlands, mitteilte. Politisch ist das erkannt. Im Rah men der Modernisierungsagenda strebt die Merz-Regierung an, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 16 Milliarden Euro und den Er füllungsaufwand für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung um mindestens zehn Milliarden zu senken. Das bedarf eines Neu-Denkens, wie Gesetze in der Bundesrepublik entwickelt und verabschiedet werden. Dr. Anna Sinell, Bereichsleitung Instrumente der Verwaltungsdi gitalisierung, Digitalservices des Bundes, befasst sich mit der Ge staltung legislativer Prozesse. Ihre Bilanz über die Transformations fähigkeit der Gesetzgebungspra xis in den vergangenen Dekaden fällt ernüchternd aus. „Die Art und Weise, wie wir Gesetze erarbeiten, hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert“, stellte sie fest. Staatliches Handeln, z. B. das Verabschieden von Gesetzen, sei von

Eine effektive Möglichkeit zum Rückbau von Bürokratie ist die Bündelung von Aufgaben. Die Auswirkungen überbordender Bürokratie treffen in besonderem Maße die Beschäftigten auf kommunaler Ebene. Sie müssen Bundes- und Landesrecht umsetzten, haben aber selbst kein Mitspracherecht beim Verfassen oder der Änderung von Vorgaben. Gleichzeitig sind sie es, die im direkten Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern stehen und so auch unmittelbar mit deren Kritik an komplexen Verfahren konfrontiert sind. Vor allem aber müssen sie mit wenig Personal die verschiedenen Fachbereiche abdecken und in allen über das nötige Know-how verfügen.

Margret Mergen, stellvertretende Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg, rät Kommunen daher, bestimmte Aufgaben abzugeben und auf Landratsebene zusammenzuführen. Das könne zu

Bürokratierückbau muss für Dr. Dominik Böllhoff, Abteilungsleiter im BMDS, zu einer spürbaren Entlastung der Bürger führen.

Die Bedeutung von Bürokratieabbau für die Wirtschaft beleuchtete Dr. Ralf Sieg vom

Raum für Experimente

Bürokratieabbau braucht Zusammenarbeit und Flexibilität (BS/jb/mk) Die Bundesregierung hat sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben. DDer Verantwortungsbereich des neuen Ministeriums für Digitalisierung und Staatsmodernisierung (BMDS) bezeugt das, an der Umsetzung harpert es.

Gesetzgebung in Deutschland erfolgte über Jahre ohne Einbeziehung der Ebene, die sie letztendlich zur Anwendung brachte. Dem Bürokratieabbau war das nicht zuträglich.

Foto: BS/Bildschön

„Wir

müssen weg von durchgepeitschten Gesetzen.“

Dr. Gisela Meister-Scheufelen, ehemalige Vorsitzende des Normenkontrollrats BadenWürttemberg

dung der Anwenderseite in die Gesetzgebungsprozesse. Auch Dr. Gisela Meister-Scheufelen, ehemalige Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg, fordert einen Praxischeck. Die Verwaltung müsse in die Gesetzgebung künftig stärker miteingebunden werden. Ein Problem hierbei sei unter anderem aber die inzwischen sehr kurze Zeit für die Entwicklung der Gesetze. „Wir müssen weg von durchgepeitschten Gesetzen“, fordert Meister-Scheufelen deshalb.

überwiegend entkoppelt. Ihre Forderung ist klar: Methoden aus der Innovationsforschung in die Gestaltung von Gesetzen einbeziehen. Da-

darin, den Kreis der Beteiligten der Gesetzgenese über die juristische Fachexpertise hinaus zu erweitern. Expertinnen und Experten aus der

Nutzenden-Forschung, der Informatik, dem UI-Design und der Data-Science sollen zu praktisch anwendbaren Gesetzen beitragen. Darüber hinaus schlägt Andreas Fachvorstand Tarifpolitik beim dbb, eine frühere Einbindung der Länder vor. Eine weitere wesentschraube zur Schaffung von Gesetzen, die nicht nur gut gemeint sind, sondern tatsächlich bzgl. ihrer Anwendbarkeit spürbare Verbesserungen schaffen, ist aus Sinells Sicht die frühzeitige Einbin-

(Rück-)Schritte wagen

Was Verwaltung tun kann

(BS/akh) Veränderung fällt schwer – besonders in einem über lange Zeit gewachsenen System wie der öffentlichen Verwaltung. Doch wo Behörden Neues ausprobieren, aktiv umdenken und ihre Freiräume bei der Umsetzung von Gesetzen gekonnt nutzen, wird der Weg hin zu spürbarer Entlastung Realität.

erheblichen Erleichterungen und Zeitersparnissen führen, wenn z. B. die Beschäftigten kommunaler Standesämter nicht mehr sämtliche Schulungen zu Änderungen im Namensrecht etc. selbst belegen müssten, sondern entsprechende Anliegen zentral beim Landratsamt geklärt würden. Auch darüber hinaus benötigen Kommunen die Unterstützung durch andere Verwaltungsebenen. Mergen nennt hier beispielsweise den Bereich der Digitalisierung. Diese scheitere nicht am Können oder am Wollen, sondern an Schnittstellen. Sie wünsche sich bei Themen wie Registermoderni-

Vertreter und Vertreterinnen aus Verwaltung, Wirtschaft und Interessenverbänden diskutierten beim Bundeskongress Bürokratieabbau in Berlin über die größten Stellschrauben bei der Staatsmodernisierung.

sierung (RegMo) oder Datenschutz mehr Angebote von Bund und Ländern und eine Kostenübernahme durch ebendiese. Das Einer für alle-Prinzip (EfA) sei ein guter Ansatz, allerdings nur, wenn Kommunen nicht mit den finanziellen Belastungen allein gelassen würden. Mit Engagement und Haltung „Die Handlungsfähigkeit des Staates steht auf dem Spiel“, warnt Andreas Hemsing, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik des Deutschen Beamtenbunds und Tarifunion (DBB). Vermeidbare Bürokratie binde zu viel Zeit und Arbeitskraft, die dringend gebraucht

werde. Er wünscht sich, das Beschäftigte wieder mehr Zeit für die Menschen und für ihre Kernaufgaben haben. Hemsing bricht eine Lanze für die Beamten und Angestellten, die mit großem Engagment ihren Aufgaben nachgingen, Regeln befolgten und so den Staat am Laufen hielten. Der Frust von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber Staat und Bürokratie treffe oft ebendiese motivierten Beschäftigten, bedauert er. Entlasten statt Belasten dürfe daher auch im Sinne der Beschäftigten nicht als Motto verstanden werden, sondern als Auftrag. Innerhalb der gegebenen Vorgaben kann und muss Verwaltung Frei-

Aus eins mach viele Eine weitere, „Deutschland gemachte“ Hürde steckt in der Umsetzung europäischer Gesetzgebung. Die Tendenz geht hier hin zu „aus eins mach viele“. Laut Walter Nussel (CSU), Beauftragter für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung und Vorsitzender des Bayerischen Normenkontrollrats, herrscht in Deutschland ein Kontrollwahn, der zu dieser Überregulierung führt. In anderen Ländern, wie beispielsweise Italien, ist das sogeannte Gold-Plating – also das Hinzufügen zusätzlicher, oft unnötiger Bestimmungen – bereits seit 2012 verboten. Auch Bundeskanzler Merz hat sich im Juni dieses Jahres deutlich gegen diese Methode ausgesprochen.

räume gezielt dazu nutzen, selbst ihren Teil zum Bürokratierückbau zu leisten. Gleichzeitig bleibt sie auf die Politik angewiesen. Diese muss nicht nur durch bessere Rechtsetzung die notwendigen Voraussetzungen schaffen, sondern auch Haltung zeigen. „Zu oft erleben wir, dass Menschen sich dann, wenn es ums Umsetzen geht, politisch wegducken“, kritisiert Dr. Frank Nägele, Beauftragter für den Strukturwandel der Landesregierung des Saarlands Er fordert mehr Sicherheit für die, die Regelungen umsetzen. Es gebe bereits Häuser, die Bürokratie aktiv zurückbauten und z. B. die Prüfungstiefe aus Förderanträgen herausnähmen, lobt der Landesbeauftragte: „Aber nur, wenn oben drüber jemand sitzt und sagt: ‚Ich bin es, der die Verantwortung hat, ich habe das mitentschieden und ich werde euch an der Stelle immer unterstützen‘.“

Fehler müssten Teil des Lernprozesses sein und Mitarbeitende sollten ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen, sagt die Berliner Staatssekretärin und Chief Digital Officer Martina Klement.

Dr. Ralf

Sieg (l.), Leiter Präsidialbüro des Hessischen Rechnungshofs, diskutierte mit Harald Felling (r.), CEO von init, über Bürokratieabbau als Standortfaktor für die Wirtschaft. Fotos: BS/Bildschön
Hessischen Rechnungshof (li. außen).

Barrierefreiheit ist daher weit mehr als eine gesetzliche Verpflichtung oder technische Vorgabe: Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen ihre Rechte wahrnehmen und ihre Angelegenheiten souverän regeln können – und somit gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind. Besonders die öffentliche Verwaltung trägt Verantwortung, da sie mit ihren Strukturen und Angeboten maßgeblich bestimmt, wie zugänglich und inklusiv das gesellschaftliche Leben gestaltet wird. Weil Barrierefreiheit eine Aufgabe aller Ebenen ist, hat der Bund auf Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vor drei Jahren die Bundesinitiative Barrierefreiheit ins Leben gerufen. Diese soll Barrierefreiheit in Deutschland langfristig voranbringen. Unter ihrem Dach werden Maßnahmen umgesetzt, um Barrieren im öffentlichen und privaten Bereich abzubauen. Im Mittelpunkt stehen gesetzgeberische Maßnahmen, barrierefreie Mobilität, Gesundheit, Wohnen und Bauen sowie digitale Barrierefreiheit. Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung spielen eine zentrale Rolle, um das Thema in der Gesellschaft zu verankern. Auch die Barrierefreiheit im Geschäftsbereich der Bundesregierung zu verbessern, gehört zu den Zielen der Initiative.

„Eine Verwaltung, deren Gebäude zugänglich und gut orientierbar sind, zeigt: Wir heißen alle willkommen.“

Zugängliche Verwaltung

Wenn wir über Barrierefreiheit sprechen, denken wir oft zuerst an bauliche Maßnahmen wie stufenlose Eingänge oder Aufzüge, kontrastreiche Leitsysteme oder Sanitäranlagen. Doch Barrierefreiheit umfasst weit mehr: Sie reicht von

Barrierefreiheit ist für alle da

Für eine moderne Verwaltung

(BS/Regine Laroche) Stellen Sie sich vor, ein Formular, eine Stufe am Eingang oder ein unbeschrifteter Button auf einer Webseite entscheiden darüber, ob Sie Ihren Behördengang eigenständig bewältigen können – oder ob Sie auf fremde Hilfe angewiesen sind oder möglicherweise sogar scheitern. Für viele Bürgerinnen und Bürger ist das Realität. Es gibt Barrieren, die sie im Alltag von selbstständiger Lebensführung abhalten oder diese gar vollständig verhindern.

Eine der Aufgaben der Bundesinitiative Barrierefreiheit ist es, für mehr Information zu sorgen. Die bundesweite Kampagne „Deutschland wird barrierefrei. Mit Dir.“ widmet sich der Frage, was jede und jeder Einzelne für mehr Barrierefreiheit tun kann.

Grafik: BS/BMAS

Extremistische Strömungen in der Gesellschaft machen nicht vor der Verwaltung halt. Im Grundgesetz ist das System der „wehrhaften Demokratie“ angelegt. Dieses hat – nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts 2017 in dem Verbotsverfahren gegen die NPD –die Aufgabe, sicherzustellen, dass „Verfassungsfeinde nicht unter Berufung auf die Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt und unter ihrem Schutz, die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören“.

Das gilt in besonderem Maße für den Schutz der freiheitlichdemokratischen Grundordnung gegen ihre Aushöhlung von innen durch Extremisten im Öffentlichen Dienst. Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz verlangen deswegen schon für die Berufung in ein Beamtenverhältnis von den Bewerberinnen und Bewerbern die Gewähr, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Das gilt sowohl für die erst-

baulichen und kommunikativen bis hin zu digitalen Aspekten öffentlicher Angebote. Die bauliche Barrierefreiheit ist jedoch häufig der erste Berührungspunkt. Sie ist nicht nur für Menschen mit Behinderungen wichtig, sondern auch für ältere Menschen oder Familien mit kleinen Kindern. Eine Verwaltung, deren Gebäude zugänglich und gut orientierbar sind, zeigt: Wir heißen alle willkommen. Damit erfüllt sie nicht nur gesetzliche Pflichten aus dem Behindertengleichstellungsgesetz, sondern nimmt auch eine Vorbildrolle im öffentlichen Raum ein.

Die richtigen Worte Ebenso entscheidend ist die kommunikative Barrierefreiheit. Denn wie heißt es so schön: Information

ist die Währung der Demokratie. Einfache Sprache, klare Formulare, leicht orientierbare Beschilderung und mehrsprachige Informationen sorgen dafür, dass Verwaltungsprozesse nachvollziehbar und zugänglich für alle sind. Auch Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen profitieren von Formaten wie Untertiteln, Gebärdensprachvideos oder Audioversionen. Hier hat die Verwaltung die Chance, Standards zu setzen und ein breites gesellschaftliches Bewusstsein für inklusive Kommunikation zu fördern. Ein

Erfolg der letzten Jahre ist, dass immer mehr Behörden Informationen in Leichter Sprache und Gebärdensprache anbieten. Das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) arbeitet zudem an einem Projekt,

das für mehr Barrierefreiheit durch KI-Anwendungen sorgen kann. Mit der fortschreitenden Digitalisierung gewinnt auch die digitale Barrierefreiheit zunehmend an Bedeutung. Öffentliche Stellen sind gesetzlich verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten.

Diese Verpflichtung basiert auf dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes sowie entsprechenden Landesgesetzen. Doch die Umsetzung hinkt in vielen Fällen hinterher. Die Bundesinitiative Barrierefreiheit möchte auch hier beratend unterstützen. Wichtige Ansprechpartner sind etwa die Bundesfachstelle Barrierefreiheit und die entsprechenden Überwachungsstellen. Ein weiterer Aspekt der digitalen Barrierefreiheit ist die Beschaffung barrierefreier Software innerhalb

Wehrhafte Demokratie und Verwaltung

Eine Kolumne von Ralph Heiermann

malige Berufung in das Beamtenverhältnis als auch während des Beamtenverhältnisses.

Verschärfte Verfahren

Das Bundesministerium des Innern hat angesichts der gegenwärtig (anders als in den 1970er Jahren) viel stärker von rechts drohenden Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im März 2022 den „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ vorgestellt. Dieser enthält im Sinne einer Best Practice einen Katalog von 13 Maßnahmen, zu denen auch die Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem Öffentlichen Dienst gehört. Nach den Angaben des BMI wird der Aktionsplan konsequent umgesetzt und habe auf „vielen Feldern bereits wichtige Fortschritte gebracht“.

Ein wichtiges Instrument für die Bekämpfung extremistischer Bestrebungen im Öffentlichen Dienst bleibt das Disziplinarrecht, das im Zuge dieses Aktionsplans auf Bundesebene zum 1. April 2024 geändert worden ist, um zügigere

Verfahren zu gewährleisten. Dass disziplinarrechtliche Konsequenzen nicht erst drohen, wenn die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht verletzt ist, sondern schon dann, wenn Äußerungen einer Beamtin oder eines Beamten diese Schwelle noch nicht überschreiten und „nur“ als Verletzung der beamtenrechtlichen Wohlverhaltenspflicht angesehen werden können, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2025 (Az. 2 A 6.24)

In Vorbildfunktion

Ein beamteter Professor im Geschäftsbereich des BND, tätig an einer Hochschule des Bundes, veröffentlichte im Jahr 2021 das Buch „Kulturkampf um das Volk. Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen“. Nach Einholung eines Gutachtens und Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens erließ der BND eine Disziplinarverfügung, mit der dem Beamten die Dienstbezüge für die Dauer von zwei Jahren um ein Zehntel gekürzt wurden.

der Verwaltung. Diese hat großen Einfluss darauf, wie die Verwaltungen als Arbeitgeber für Menschen mit Behinderungen aufgestellt sind – auch mit Blick auf die Gewinnung qualifizierter Fachkräfte. Auch wenn der Markt nicht immer barrierefreie Software bietet: Wenn öffentliche Verwaltungen bei ihren Ausschreibungen konsequent auf das Merkmal Barrierefreiheit achten, kann die dadurch entstehende Marktmacht einiges bewirken. Beim Thema Vergabe können vom Bundeministerium des Innern (BMI) bereitgestellte Bausteine und Leitfäden der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik unterstützen. Auch die Einbindung der Schwerbehindertenvertretungen ist an dieser Stelle grundlegend und wichtig. Führungsaufgabe Entscheidend ist es, sich vor Augen zu führen: Barrierefreiheit ist kein zusätzliches „Nice-to-have“, das dann angegangen werden kann, wenn alles andere erledigt ist. Sie ist ein Zeichen von wirtschaftlicher Stärke und Modernität und muss von Beginn an mitgedacht werden. Auch deswegen findet sie sich als Ziel in der neuen Modernisierungsagenda des Bundes wieder. In Behörden und Dienststellen von Bund, Ländern und Kommunen sollte sie verstärkt als Führungsaufgabe wahrgenommen werden und es sollte daher mehr in den Kompetenzaufbau aller Mitarbeitenden investiert werden: Dies zahlt sich mittel- bis langfristig aus – auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels.

Unter dem Motto „Deutschland wird barrierefrei. Mit Dir.“ läuft aktuell eine große bundesweite Kampagne der Bundesinitiative Barrierefreiheit. Mehr dazu unter: www.deutschland-barrierefrei.de

Regine Laroche ist Referatsleiterin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und zuständig für die Bundesinitiative Barrierefreiheit.

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In dem Buch hatte der Beamte zu deutschen Staatsangehörigen mit türkischen Wurzeln geäußert, so die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es sich bei diesen teilweise um „Türken mit einem deutschen Pass“ handele, die „in ehrlicher Weise“ ihre Identität lebten und als Patrioten für ihre Heimat einstünden – „dies ist die Türkei“. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu festgestellt, dass der Beamte „eine bewertende Abstufung deutscher Staatsangehöriger“ vornehme. Damit beeinträchtige der Professor das für die Ausübung der Dienstpflichten erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und der Studierenden darin, dass er

seinem dienstlichen Auftrag und der damit verbundenen Vorbildfunktion gerecht werde. Von dieser Pflicht werde er nicht durch die vom Grundgesetz geschützte Wissenschaftsfreiheit freigestellt. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Beamte vornehmlich mit der Aus- und Fortbildung von Anwärtern und Beamten des gehobenen Dienstes betraut sei. Das Urteil erscheint auf den ersten Blick sehr streng, ist aber gerade mit Blick auf die Aufgabe des beamteten Professors, nämlich den Nachwuchs für die Verwaltung aus- und fortzubilden, konsequent. Das Grundgesetz kennt keine Abstufungen deutscher Staatsangehörigkeit.

Dr. Ralph Heiermann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht und besitzt eine Kanzlei in Hannover. Er berichtet an dieser Stelle regelmäßig über arbeitsrechtliche Entwicklungen in der Verwaltung und die aktuelle Rechtsprechung.

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Aktuelles aus dem Arbeitsrecht

Und wieder verfassungswidrig

Anrecht auf angemessene Besoldung

(BS/sr) Eine Aufgabe, die der Bund seit fünf Jahren vor sich herschiebt, beschäftigt nun auch die Berliner Landesverwaltung. Es geht um die angemessene Besoldung der Beamtinnen und Beamten. Große Teile der Berliner Landesbeamten sind verfassungswidrig besoldet worden – und das mehr als zehn Jahre lang: zwischen den Jahren 2008 und 2020. So lautet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Das Urteil erging, nachdem dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Bundesverwaltungsgericht mehrere Fälle von Beamten des Landes Berlin vorgelegt worden waren, um zu prüfen, ob ihre Besoldung zu gering ausfiel.

95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen verfassungswidrig war. Der Gesetzgeber des Landes Berlin hat nun verfassungskonforme Regelungen bis zum 31. März 2027 zu treffen.

Kein Einzelfall

Nach dem Urteil von 2020 muss die Besoldung mindestens 15 Prozent über der Grundsicherung liegen, um verfassungskonform zu sein.

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Nach einer Prüfung in drei Schritten kam der zweite Senat des BVerfG zu dem Schluss, dass im Prüfraum 2008 bis 2020 die Besoldung von

Die Meinung der Jugend

Stärkung der Beteiligung

(BS/sr) Es ist wichtig, dass sich alle Bevölkerungsgruppen in der politischen Diskussion vertreten fühlen. Bürgerbeteiligung ist dafür ein wesentliches Instrument. Doch eine Gruppe, die dabei nicht vergessen werden sollte, sind Kinder und Jugendliche, deren Bedürfnisse und Willen auch bei Themen, die sie betreffen, bisweilen nur gering ist.

Es bleibt zu hoffen, dass das Land Berlin hier schneller Ergebnisse und Fortschritte vorweisen kann als es beim Bund der Fall ist, der eine Anpassung seit 2020 vor sich herschiebt. Auch Volker Ge, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbunds (DBB), hält eine schnelle Umsetzung für wichtig und begrüßt daher die knappe Frist, die in dem Urteil gesetzt wurde. Gleichzeitig kritisiert

Geyer den Umstand, dass Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes ihr Anliegen erneut bis zum Bundesverfassungsgerichtshof nach Karlsruhe bringen mussten, um Recht zu bekommen. „Wertschätzung sieht anders aus“, betonte er. Auch wenn die Kläger aus der Landesverwaltung Berlin nun Gewissheit haben, liegen dem BVerfG und anderen Gerichten noch viele Klagen aus anderen Bundesländern vor. Mit dem Urteil zur Berliner Besoldung hat das BVerfG aber seine Prüfkriterien aus dem Jahr 2020 konkretisiert. Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), konstatierte: „Dieses Urteil ist richtungsweisend für alle Beamtinnen und Beamten in

der Bundesrepublik Deutschland, denn die Prüfungsmaßstäbe des Gerichts wirken auch in die Besoldungen der anderen Bundesländer.“ Weiter erklärte er, dass die GdP weiter klagen werde, solange die Alimentierung der Beschäftigten bei Polizei, Feuerwehr und Sicherheitsbehörden nicht amtsangemessen sei. Geyer bekundete ebenfalls, dass das Urteil des BVerfG ein weiteres Warnsignal an die Dienstherren sei und ergänzte mit Blick auf die anstehende Einkommensrunde der Länder: „Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten ist kein Selbstbedienungsladen für Politikerinnen und Politiker mit Haushaltsproblemen. Alle Dienstherrn müssen in ihrem eigenen Interesse eine amtsangemessene Alimentation sicherstellen. Dazu gehört für uns auch eine zeit- und wirkungsgleiche Übertragung der Tarifergebnisse auf die Besoldung und Versorgung.“

Ebenenübergreifende Wirkung Jedoch könnte die Entscheidung des BVerfG auch noch einen längeren Schatten auf die Ausgestaltung des Gesetzes des Bundes, welches das Bundesinnenministerium verfassen muss, werfen. Denn der Zeitpunkt des Urteils ist aus Sicht des BMI ungünstig, hatte es nach Assage von Verdi doch bereits angekündigt, demnächst einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Anpassung der Besoldung in das Kabinett einbringen zu wollen.

Eine Lücke, die das Land Berlin mit der Etablierung des Landeskompetenzzentrums für Beteiligung und Demokratiebildung in der Kinderund Jugendhilfe schließen möchte. Dort sollen innovative Ansätze zur Beteiligung nicht nur erarbeitet werden, sondern auch die vielen verschiedenen Projekte des Bundeslandes zusammenlaufen, um diese sichtbarer zu machen und weiterzuentwickeln. „Unser Ziel ist es, Kinder und Jugendliche nicht nur zu beteiligen, sondern sie darin zu bestärken, ihre Lebenswelt aktiv mitzugestalten“, betont Thomas Glaw, Leiter des neuen Landeskompetenzzentrums.

Start ins neue Jahr Für das kommende Jahr sind dabei bereits mehrere Projekte geplant, welche die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen stärken sollen. So wird das Kompetenzzentrum die gesamtstädtische Koordination der U16/U18-Wahl im kommenden Jahr übernehmen. Immer neun Tage vor einer Wahl haben Minderjährige hier die Chance, ihre Meinung zu bilden und zu äußern und können lokale Politiker erreichen. Zudem werden in Zusammenarbeit mit dem Paritätischen Landesverband Berlin und dem Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg auch Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zu partizipativer Demokratiearbeit und innovativen

Beteiligungsformaten fortgebildet. In einem weiteren Projekt soll eine gesamtstädtische Befragung zu den Bedürfnissen junger Berlinerinnen und Berliner entwickelt werden, um auf Grundlage der Ergebnisse weitere Projekte zu entwickeln.

Mitreden

Ziel ist es, als zentrale Anlaufstelle für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei allen sie betreffenden Themen zu fungieren. Ein Recht, das aus dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz hervorgeht. Ein solches Gesetz existiert auch in anderen Bundesländern. Auch wenn die Etablierung und der Ausbau der Jugendbeteiligung ein guter Weg sind, so gilt für Glaw: Erst wenn die Beteiligung im Alltag ankommt, wurde ein wirklicher Schritt nach vorne gemacht. Damit die Beteiligungsangebote auch Wirkung zeigen, fordert der Deutsche Bundesjugendring, dass Jugendbeteiligung mit dem klaren Ziel der Einflussnahme junger Menschen auf die Politik gestaltet wird. Beteiligung allein mit dem Ziel der Demokratiebildung stellt die Interessen junger Menschen hintan und läuft Gefahr, wirkungslos und unehrlich zu sein. Ernsthafte und wirksame Jugendbeteiligung hat immer den positiven Effekt politischer Bildung. Demokratie wird unmittelbar erlebbar, Teilhabe wird praktisch und gesellschaftliches Engagement gestärkt.

„Die Einzigen, die reden dürfen, während ich schreibe.“
Jackie

Am 26. Juni 2025 beschlossen die demokratischen Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus einstimmig das neue Landesorganisationsgesetz sowie die für die Verwaltungsreform nötigen Verfassungsänderungen – und damit eine grundlegende Verwaltungsreform für das Land Berlin. Die Reform wird im Januar 2026 in Kraft treten und verfolgt insbesondere drei Ziele: klare Zuständigkeiten, eine verbesserte gesamtstädtische Steuerung und starke Bezirke.

Eindeutige Zuständigkeit

Aktuell wird in Berlin zum ersten Mal überhaupt ein Aufgabenkatalog erstellt, in dem sich tatsächlich sämtliche Aufgaben der Berliner Verwaltung wiederfinden – auch die der zwölf Bezirke. Anhand dieses Katalogs können wir nicht nur Zuständigkeiten eindeutig festlegen und damit Doppelzuständigkeiten auflösen. Wir sind dann auch in der Lage, Verwaltungsprozesse zu beschleunigen, indem wir klare Grundlagen für die Prozessoptimierung und Digitalisierung schaffen. Wenn man so will, haben wir die Berliner Verwaltung damit einmal auf den Kopf gestellt. Und der Prozess ist noch längst nicht vorbei: Derzeit läuft ein großangelegtes Implementierungsprojekt, mit dem wir sicherstellen wollen, dass die Reform nicht beim Parlamentsbeschluss stehen bleibt, sondern auch mit Leben gefüllt wird und wirklich in der Praxis ankommt. Es gibt also noch viel zu tun!

Ein halbes Jahr nach der Abstimmung im Berliner Abgeordnetenhaus bietet sich jedoch eine

Von Berlin lernen

Drei Thesen zur Verwaltungsmodernisierung

(BS/Martina Klement) Gut ein Vierteljahrhundert wurde in Berlin darüber diskutiert, wie sich das komplexe Verwaltungsgeflecht aus Senat und Bezirken modernisieren lässt. Zahlreiche Reformbemühungen scheiterten im Laufe der Jahre. Viele hielten die Berliner Verwaltung für nicht reformierbar. Zum Glück war das ein Irrtum.

Wenn die Bundesregierung schon ihren Sitz in Berlin hat, kann sie sich auch vor der eigenen Haustüre anschauen, wie Verwaltungsmodernisierung gelingen kann.

Foto: BS/JFL Photography

Die meisten Flächenländer haben bereits ein Konnexitätsprinzip in Bezug auf die Finanzierung der kommunalen Aufgaben. Das bedeutet, vereinfacht gesagt: Jene Ebene des Staates, die neue Aufgaben schafft, muss sicherstellen, dass dafür ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen.

2025 – Deutschland hat sich im Bürokratiedschungel verfangen.

Ganz Deutschland? Nein, in einem kleinen, unauffälligen Büro kämpfen drei ungewöhnliche Helden für eine Verwaltung, die Zukunft hat:

gute Gelegenheit, um eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Denn nicht nur in Berlin hat die Verwaltung dringenden Reformbedarf. Auch auf Bundesebene zeigt sich, dass wir die die Verwaltung grundlegend modernisieren müssen, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden zu können. Angesichts knapper Kassen und des demografischen Wandels, der auch vor dem Öffentlichen Dienst nicht halt macht, müssen Aufgaben in der Verwaltung priorisiert werden. Das gilt auch für den gesamten Gesetzgebungsprozess, der sich künftig stärker an der Umsetzbarkeit und Wirkung orientieren sollte. Die besten gesetzgeberischen Ideen helfen uns nämlich nicht weiter, wenn sie sich in der Praxis nicht umsetzen lassen oder nicht den gewünschten Effekt erzielen.

Praxisorientierte Gesetzgebung

Das heißt: Gesetze sollten gemeinsam mit denjenigen erarbeitet werden, die diese am Ende auch umsetzen müssen. In Berlin sind das die Bezirke, für den Bund vor allem die Kommunen. Das alles muss recht-

Vera, Effizienz-Queen

Die größte und glänzendste Büroklammer denkt voraus, hat immer einen Plan –meistens sogar mehrere –und verliert sich manchmal im Perfektionismus.

zeitig stattfinden. Konkret: Es muss einen ebenenübergreifenden Dialog schon im Erarbeitungsprozess geben. Und nicht erst, wenn die grundlegenden Entscheidungen längst getroffen sind. Es muss Schluss sein mit der Praxis, dass den betroffenen Verwaltungsebenen erst am Ende des Prozesses die Möglichkeit gegeben wird, sich zu komplexen Gesetzesvorhaben zu äußern. Auch vor diesem Hintergrund lohnt es sich, darüber nachzudenken, Institutionen wie den Deutschen Städtetag zu stärken. Wir müssen auf alle Fälle das Silodenken überwinden. Damit einhergehend kann eine Reform der Gesetzgebungsprozesse auch einen wichtigen Beitrag zur Entbürokratisierung leisten. Wenn wir Gesetzesvorhaben aufgabenkritisch betrachten – also von der Wirkung her denken – vermeiden wir unnötige zusätzliche Anforderungen. Das gilt besonders bei der Umsetzung von EU-Recht: Deutschland muss nicht immer den kompliziertesten Weg wählen. Erst recht nicht 16 unterschiedliche Wege in den Bundesländern – wie beispielsweise beim Datenschutz.

BürokratEASY

Alex, Rebell mit Menschenverstand Der Pragmatiker ist klein, clever und immer bereit, Regeln ein wenig flexibel auszulegen, wenn sie dem Fortschritt im Weg stehen.

Wer bestellt, muss auch bezahlen Auch Berlin führt dieses Prinzip nun ein: Wenn die Bezirke neue Aufgaben wahrnehmen sollen, müssen diese auch die notwendigen Ressourcen dafür bekommen. Entscheidend ist aber, dass durch eine Kostenschätzung erst mal überhaupt festgestellt wird, welche Kosten durch die neue Aufgabe entstehen. Nur dann kann man auch seriös prüfen, ob die Aufgabe für die erzielte Wirkung wirklich notwendig ist und wie die Ausgestaltung sein muss.

Konnexität muss deswegen nicht immer automatisch bedeuten, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Auch durch konsequente Aufgabenkritik und Priorisierung kann sichergestellt werden, dass für neue Aufgaben tatsächlich genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir müssen uns im Rahmen solcher Prozesse auch trauen, Aufgaben einfach mal wieder abzuschaffen – vor allem dann, wenn kein praktischer Nutzen mehr für eine oder gar für beide Seiten entsteht.

Inventur macht uns schlauer Um uns von den unnötigen Aufgaben trennen und Zuständigkeiten klar regeln zu können, müssen wir zuerst ein Verständnis dafür entwickeln, was wir überhaupt machen. In Berlin hat sich gezeigt: Die ministerielle Ebene hat bislang oftmals gar keinen Überblick darüber, wel-

Klara, Madame Regeltreu Die traditionsbewusste Büroklammer liebt Regeln, Fristen, Formulare, klare Dienstwege und den guten alten Stempel.

che Aufgaben tatsächlich vorhanden sind und von wem sie wahrgenommen werden – geschweige denn, wie die dazugehörigen Prozesse organisiert sind. Auf Bundesebene ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum anders – auch dann, wenn es bisher noch niemand bemerkt haben sollte. So entsteht Bürokratie, weil jedes Gesetz erst mal mit neuen Datenerhebungen und Statistiken einhergeht, statt politikfeldbezogen ganzheitlich und wirkungsorientiert zu planen und zu steuern. Deswegen sollten wir auch auf Bundesebene eine Inventur durchführen und uns einen Überblick über die vorhandenen Aufgaben verschaffen. Das ist ein aufwendiger Prozess, keine Frage. Aber wenn man es tatsächlich ernst meint mit dem Thema Bürokratieabbau, dann braucht es dafür auch die nötige Basiskenntnis. Anders gesagt: Wenn wir den Maschinenraum umbauen wollen, müssen wir auch wissen, wo die Energie verbraucht wird. Unsere Erfahrung aus Berlin zeigt uns, dass jede ernsthafte Reform genau an diesem Punkt beginnt. Und abschließend: Wenn wir in Deutschland endlich eine moderne Verwaltung haben und Bürokratie abbauen wollen, dann muss jeder bereit sein, in seinem Verantwortungsbereich aufzuräumen und dabei auch Änderungen in Kauf zu nehmen. Und zwar auch, wenn das vielleicht bedeutet, Kompetenzen an der einen oder anderen Stelle abzugeben. Denn wir wirklich etwas verändern wollen, muss klar sein: Es kann eben nicht mehr alles bleiben, wie es ist. Ich hoffe, dass wir in Bund, Ländern und Kommunen endlich gemeinsam den Mut aufbringen, Dinge wirklich zu ändern – anstatt nur darüber zu reden.

Martina Klement ist Staatssekretärin für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung und Chief Digital Officer der Senatskanzlei Berlin.

Foto: BS/Stefanie Herbst

Charly, Guter Geist der Bürokratiebefreiung Niemand hat ihn je gesehen, doch seine Präsenz ist überall spürbar. Er flüstert den Klammern geheime Tipps zu.

Vom Drama zur Lösung
Die 10. Untätigkeitsklage innerhalb von 6 Wochen.

Die Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz

Drehbahn 36

20354 Hamburg

Postfach: 30 28 22, 20310 Hamburg

Vermittlung: 040/115

Durchwahl: 040/428 43 – [vierstellige Zahl]

E-Mail: poststelle@justiz.hamburg.de

Homepage: www.justiz.hamburg.de

SBV/BJV Schwerbehindertenvertretung

Die Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz

Vorsitz: Roman Galiardt -37-2618

Vertreter: Christian Daniels -4261

PR/BJV Personalrat

Vorsitz: Anne Blohm -3271

Vertreter: Dr. Thomas Vogt -37-2170

GB Gleichstellungsbeauftragte

Florian Bremer-Gast -3649 N.N.

J Amt für Justizvollzug und Recht

Jakob Nicolai -3164

Vertreter: Andreas Gross -3163

VzJ Vorzimmer Amtsleitung J Tina Rehbeck -1529

J1 Justizvollzug Andreas Gross -3163

J1/11 Assistenz Abteilungsleitung J1 N.N.

J2 Zivilrecht, Strafrecht und Rechtspflege

Marcus Rogge -2151

Assistenz Abteilungsleitung J2 N.N.

J3 Öffentliches Recht, Rechtsprüfung, Stiftungsangelegenheiten, Justiziariat und Rechtliche Betreuung

Dr. Thomas Baehr -3000

J3/01 Assistenz Abteilungsleitung J3 Martina Strauer -3494

S/TR Terminreferentin Senatorin

Sarah Calhau-Felix -1601

SV Staatsrat

Dr. Holger Schatz -3138

VzSV Vorzimmer Staatsrat

Katrin Hering -3139

und

Theresa Beyer -2188

Vertreterin: Berit Valanto -3620

Z Zentralamt

Dr. Jill Wölber -1631

Vertreter: André Basten -2149

VzZ Vorzimmer Amtsleitung Z Birgit Onnen -1632

Z1 Verwaltung

Daniel Singh -4186

Z2 Personal Kitty Brehmer -2048

Marianne Schürheck -3065

Z3 IT und Digitalisierung

André Basten -2149

Z4 Justizkasse Hartwig Olszewski -5300

Z5 Bau- und Gebäudemanagement

Dr. Ingolf Meyer-Larsen -3087

IR Innenrevision und Compliance Stelle Bert Hinsch -4743

BehDSB Behördliche Datenschutzbeauftragte

Dr. Manuela Gürtler-Bayer -3486 Petra Link -4280

FS Fachkräfte für Arbeitssicherheit Holger Schmidt -2183

V Amt für Verbraucherschutz

Susanne Friederichs -37-3396

Vertreter: Oliver Brune -37-3101

VzV Vorzimmer Amtsleitung V N.N.

V01 Steuerung, Leitungsunterstützung, Bußgeld- und Rechnungsstelle

Thorsten Wahle -37-2398

V1 Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

Frank Glauser -37-3595

V2 Arzneimittel, Medizinprodukte, Chemikaliensicherheit und Produktsicherheit

Oliver Brune -37-3101

V3 Ministerial- und Rechtsangelegenheiten

Ursula Höfer -37-3949

V4 Staatliche Arbeitsschutzaufsicht

Magdalena Kaminski -37-3146

Hamburger Vergabetag 2026 15.–16. Januar

Der Treffpunkt für öffentliche Einkäufer, Vergaberechtler und -berater sowie Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden

Aktuelle Informationen und Anmeldung Online unter: www.hamburger-vergabetag.de

24.–25. Februar

Tag der Beteiligungsverwaltung 2026

Vom passiven Verwalten zum aktiven Steuern

DER Treffpunkt für das Beteiligungsmanagement, öffentliche Unternehmen, Politik und Aufsichtsrat

Aktuelle Informationen und Anmeldung Online unter: www.beteiligungsverwaltung.org

Foto: BS/Senatskanzlei

Behörden

Behörden Spiegel: In NordrheinWestfalen wird aktuell gegen Influencer ermittelt, die durch Steuerhinterziehung einen Steuerschaden von 300 Millionen Euro verursacht haben sollen. Gibt es bei Influencern mehr Steuerschlupflöcher als bei anderen Berufsgruppen?

Florian Köbler: Es gibt nicht unbedingt mehr Schlupflöcher, aber die Influencer-Branche hat strukturelle Besonderheiten, die Steuerhinterziehung erleichtern. Anders als klassische Selbstständige arbeiten Influencer oft ohne feste Betriebsstätte, ohne Geschäftsadresse und häufig grenzüberschreitend. Das macht sie für die Finanzverwaltung schwer greifbar. Hinzu kommt: Viele verdienen bereits mit Anfang 20 mehrere zehntausend Euro im Monat – haben aber nicht einmal eine Steuernummer. Das ist vorsätzliche Steuerhinterziehung mit hoher krimineller Energie. Die vermeintlichen Schlupflöcher entstehen durch die Digitalität und Mobilität der Geschäftsmodelle. Influencer verschieben ihren Wohnsitz nach Dubai oder in andere Niedrigsteuerländer, betreiben aber de facto ihr Geschäft weiterhin von Deutschland aus. Sie nutzen ausländische Briefkastenfirmen, nehmen Zahlungen über internationale Plattformen entgegen und verbuchen Einnahmen in Kryptowährungen. All das erschwert die Nachverfolgung.

Behörden Spiegel: Worin liegen die besonderen Probleme bei der Besteuerung von Influencern und wie kann ihnen begegnet werden?

Köbler: Die Probleme sind vielfältig und technisch anspruchsvoll. Erstens: Influencer haben keine festen Arbeitsplätze. Zweitens: Viele nutzen Künstlernamen oder Pseudonyme, wodurch die Identifizierung erschwert wird. Drittens: Werbeinhalte in sogenannten „Stories“ verschwinden nach 24 Stunden automatisch. Damit fehlen klassische Beweismittel.

Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube verfügen über sämtliche Transaktionsdaten, die Influencer werden aber häufig von Drittanbietern direkt bezahlt. Hier brauchen wir dringend eine ge -

Neuer Budget-Plan für die EU Mehrjähriger Finanzrahmen (BS/amm) Die Europäische Kommission hat für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2028 bis 2034 zwei Billionen Euro vorgeschlagen.

Damit soll sich das EU-Budget um 700 Milliarden Euro im Vergleich zum Zeitraum 2021 bis 2027 erhöhen. Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung ab, ebenso Schweden und die Niederlande. Daneben kritisieren die EU-Parlamentarier vor allem die geplanten strukturellen Änderungen bei der Agrar- und Regionalförderung. Nun reagiert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und schlägt Änderungsoptionen vor. So heißt es in einem Schreiben der Kommission: Es solle mehr Mitspracherechte für die Regionen geben, außerdem seien Garantien für die Agrarwirtschaft geplant und eine verstärkte Einbeziehung des Parlaments bei der Zuweisung von Geld aus dem EU-Budget. Stimmen die Mitgliedsstaaten dem Kompromiss zu, könnte so vereinbart werden, dass neben zweckgebundenen Mitteln für Agrarpolitik ein bestimmter Anteil an EU-Haushaltsmitteln für die Entwicklung von ländlichen Regionen reserviert wird.

„Viele

fielen früher

durchs Raster“

Finanzkriminalität in der Social-Media-Branche

(BS) Verschwindende Inhalte, fehlende Geschäftsadressen, Künstlernamen: Die Besteuerung von Influencern stellt Finanzämter vor vielfältige Herausforderungen. Wie Präventionsarbeit geleistet werden kann und sich Steuerschlupflö cher schließen lassen, erklärt der Vorsitzende der deutschen Steuergewerkschaft, Florian Köbler, im Interview mit dem Behörden Spiegel. Die Fragen stellte Anne Mareile Moschinski.

In der Influencer-Branche gibt es viele strukturelle Besonderheiten, die Steuerhinterziehung erleichtern. BS/amenic181, stock.adobe.com

setzliche Grundlage auf EU-Ebene, die Plattformen zu automatischen Datenmeldungen verpflichtet.

Behörden Spiegel: Welche Präventionsarbeit können die Finanzämter leisten?

Köbler: Prävention beginnt mit Aufklärung – aber seien wir ehrlich: Die Informationen sind längst da. Das Bundesfinanzministerium hat bereits 2020 FAQs veröffentlicht unter dem Titel „Ich bin Influencer. Muss ich Steuern zahlen?“ Das Internet ist voll mit Erklärvideos, Beratungsangeboten und Informationsmaterial. Wer heute als professioneller Influencer tätig ist und behauptet, er habe von seiner Steuerpflicht nichts gewusst, dem nehme ich das nicht ab. Trotzdem kann Prävention intensiviert werden. Grundsätzlich bräuchte es schon in der Schule mehr Finanzbildung. Auch Influencer-Agenturen sollten verpflichtet werden, ihre Klienten über steuerliche Pflichten aufzuklären.

ziehung und gibt es hier Nachbes serungsbedarf?

Köbler: Das Strafmaß richtet sich nach der Höhe der hinterzogenen Steuern. Bei Beträgen bis 50.000 Euro wird in der Regel eine Geldstrafe verhängt. Ab 50.000 Euro gilt die Tat als besonders schwerer Fall, und es droht eine Freiheitsstrafe – zunächst meist mit Bewährung. Ab einer Mil lion Euro hinterzogener Steuern ist eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung der Regelfall. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Angriff auf den Sozialstaat.

die Fallzahlen angeht: Die Steuerhinterziehung bei Influencern nimmt massiv zu. Das liegt zum einen daran, dass die Branche rasant wächst. Zum anderen liegt es daran, dass wir erst jetzt die Ermittlungsinstrumente haben, um diese Fälle systematisch zu erfassen. Früher sind viele Influencer einfach durchs Raster gefallen.

Behörden Spiegel: Wie häufig gibt es Selbstanzeigen von Influencern?

Köbler: Die Zahl der Selbstanzeigen ist in den vergangenen Monaten dramatisch gestiegen – und das ist kein Zufall. Seitdem bekannt wurde, dass in NRW und anderen Bundesländern Spezialeinheiten ermitteln, haben viele Influencer offenbar kalte Füße bekommen. Ich gehe davon aus, dass wir von mehreren hundert Selbstanzeigen bundesweit sprechen. Genaue Zahlen veröffentlichen die Finanzämter wegen des Steuergeheimnisses nicht, aber Steuerberater und Anwälte berichten von einem massiven Anstieg.

Behörden Spiegel: Einige Länder, wie z. B. NRW, haben Spezialeinheiten gegründet, die Steuersünder aus der Social-Media-Welt aufspüren sollen. Wie erfolgversprechend ist das?

Florian Köbler ist Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Foto: BS/DSTG, Philipp Arnoldt

Behörden Spiegel: Wie sind die gemeldeten Fälle von Finanzkriminalität bei Influencern im Vergleich mit anderen Berufsständen zu bewerten?

Köbler: Die absoluten Zahlen sind alarmierend, aber man muss sie in Relation setzen. Der jährliche Steuerschaden durch Schwarzar-

beit in Deutschland liegt bei rund 50 Milliarden Euro. Allein durch Umsatzsteuerkarusselle bei Großunternehmen gehen weitere zweistellige Milliardenbeträge verloren. Im Vergleich dazu scheinen die 300 Millionen Euro bei Influencern in NRW noch nicht so erheblich. Was

Beamte bleiben außen vor DBB fordert Gleichberechtigung bei der Aktiv-Rente

Die Spezialeinheiten sind bereits erfolgreich. Das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminaliät (LBF) NRW hat in kurzer Zeit über 200 Strafverfahren eingeleitet und einen Steuerschaden von 300 Millionen Euro aufgedeckt. Das zeigt: Die gezielte Spezialisierung funktioniert. Andere Bundesländer wie Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben eigene Task Forces aufgebaut. Der Erfolg liegt in der Kombination aus technischer Expertise und steuerrechtlichem Know-how. Allerdings darf man nicht naiv sein: Die Influencer-Szene lernt dazu. Schon jetzt sehen wir ausgefeiltere Verschleierungsmethoden, komplexere Firmenstrukturen und professionellere Steuergestaltung. Wir brauchen einen Dreiklang aus Prävention, Ermittlung und gesetzlichen Verschärfungen. Nur so werden wir der Steuerhinterziehung in der digitalen Welt Herr.

(BS/Hans-Jürgen Leersch) Für Rentner hat die Koalition ein Weihnachtsgeschenk: Wer auch nach Rentenbeginn weiterarbeitet, soll vom nächsten Jahr an einen monatlichen Steuerfreibetrag von 2.000 Euro erhalten. Für Beamte und Selbstständige gilt das Steuergeschenk ausdrücklich nicht. Daran regt sich Kritik.

Bei der Einbringung des Gesetzentwurfes zur Aktivrente im Bundestag zeigte sich Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in Geberlaune: „Wir bringen jetzt ein wichtiges Gesetz in das Parlament ein, das unser Land nach vorne bringt.“ Ein Hemmnis auf diesem Wachstumskurs ist jedoch der Fachkräftemangel in Firmen und Behörden. Da in den nächsten zwölf Jahren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 12,9 Millionen Menschen aus dem Erwerbsleben und damit 30 Prozent aller Erwerbspersonen ausscheiden, wird sich dieser weiter verschärfen.

Personelle Engpässe entschärfen

„Ein

entscheidender Beitrag für längeres Arbeiten wäre eine bessere personelle Ausstattung der Arbeitsschutzbehörden.“

Volker Geyer, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbunds

Auf der anderen Seite sind derzeit rund vier Millionen Menschen zwischen 67 und 70 Jahre alt. Genau dieses Potenzial will die Koalition mit der Aktivrente nutzen und Anreize für eine Weiterarbeit über die Regelaltersgrenze hinaus setzen. Damit sollen gleichzeitig personelle Engpässe entschärft werden. Zudem prognostiziert die Regierung ein Plus in den Sozialkassen, da für die Aktiv-Rentner Sozialbeiträge abgeführt werden müssen. Andererseits entstehen Steuerausfälle durch den Freibetrag, die auf bis zu 780 Millionen Euro pro Jahr beziffert werden. Aus der Opposition kommt Kritik an dem Entwurf. Der Grünen-Finanzpolitiker Sascha Müller wies Angaben der Regierung zurück, wonach 168.000 Menschen von

der Aktivrente profitieren würden.

„Die Bertelsmann-Stiftung kommt nach Feldstudien auf 30.000 Vollzeitäquivalente – viel zu wenig, um das System selbst tragfähig zu machen“, erklärte er. Der demografische Wandel führe dazu, dass jährlich 400.000 Menschen aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Diese Lücke werde mit der Aktivrente nicht geschlossen. Neben der Bertelsmann-Stiftung hält es auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für fraglich, ob die Maßnahme geeignet ist, um mehr ältere Erwerbstätige auf dem Arbeitsmarkt zu halten.

Ein Grund für Kritik ist auch die Beschränkung der Aktivrente auf Arbeiter und Angestellte. So sind Beamte und Selbstständige von der Regelung ausgeschlossen. Die Koalition begründet dies unter anderem so: Schon heute arbeite eine große Zahl von Selbständigen und Unternehmern nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze weiter. Dies zeige, dass es aktuell keiner weiteren Anreize durch eine steuerliche Förderung bedürfe, diesen

Personenkreis zur Weiterarbeit zu bewegen.

Den allseits beklagten Fachkräftemangel gibt es aber auch bei den Beamten. 2023 etwa gab es 57.000 Pensionierungen. Die Stellen können wegen der demografischen Entwicklung immer schwieriger nachbesetzt werden.

Daher kritisiert der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes (DBB), Volker Geyer , ebenfalls die Einschränkungen des Gesetzentwurfs: „Diese Ungleichbehandlung lehnen wir ab. Wenn die Regierungskoalition schon an dem Vorhaben festhält, müsste die Aktivrente wenigstens allen gleichermaßen zugänglich sein, also auch Beamtinnen und Beamten sowie Selbstständigen.“ Wichtiger als Steuervorteile sind dem Beamtenbund-Chef jedoch andere Faktoren für das längere Arbeiten: „Ein entscheidender Beitrag wäre beispielsweise eine bessere personelle Ausstattung der Arbeitsschutzbehörden, um längeres Arbeiten bei guter Gesundheit überhaupt erst zu ermöglichen.“

► BIETERFRAGEN

Antworten

Bitte an alle!

Im Rahmen einer Ausschreibung zur Behandlung von Altpapier hatte der Auftraggeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil er Bieterfragen nur selektiv beantwortete. Im Grundsatz ist er gefordert, einem anfragenden Bieter und auch allen anderen Bietern Antworten zu erteilen. Wettbewerbsrelevante Fragen eines Bieters dürfen prinzipiell nicht ausschließlich individuell beantwortet werden (VK Bund, Beschl. v. 27.01.2017 – VK 2-131/16). Die unterlassene Weiterleitung von Bieterfragen und -antworten stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar (VK Bund, Beschl. v. 10.03.2020 - VK 2–9/20). Es genügt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen hatte (BayObLG, Beschl. v. 01.08.2024 –Verg 19/23). Eine Vergabestelle darf höchstens in Einzelfällen eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn es sich nicht um zusätzliche sachdienliche Auskünfte handelt. Die Sachdienlichkeit ist dabei weit auszulegen. So können reine Verständnisfragen geklärt oder (drohende) Missverständnisse ausgeräumt werden. Ein Ausnahmefall kann dann gegeben sein, wenn ein höchst individuelles Fehlverständnis des Bieters betroffen ist. Außerdem kann eine allseitige Beantwortung unterbleiben, wenn dadurch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzt würden. Liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor, so ist die lediglich selektive Beantwortung von Bieterfragen als schwerer Verfahrensverstoß einzuordnen.

VK Sachsen, Beschl. v. 21.01.2025 (1/SVK/022-24)

► VDI-ZERTIFIZIERUNG Gleichwertiges... ...ist zu akzeptieren!

Der Auftraggeber schreibt einen Rahmenvertrag über die Beseitigung von Ölverunreinigungen auf Verkehrsflächen aus. In der Bekanntmachung wird aufgeführt: „Nachweis der einzusetzenden Reinigungsfahrzeuge mit Zertifizierung nach VDI-Richtlinie VDI 4089 oder gleichwertig. Das RAL-GZ 899 wird nicht als gleichwertig anerkannt.“ Eine Bieterin rügte diese Nichtanerkennung der Gleichwertigkeit der Zertifizierung nach RAL GZ 899 mit der nach VDI 4089. Das verstoße gegen Paragraf 34 Abs. 4 VgV sowie gegen den Wettbewerbsgrundsatz. Der öffentliche Auftraggeber müsse gleichwertige Gütezeichen akzeptieren. Es sei anerkannt, dass „gleichwertig“ nicht zwingend „identisch“ bedeute.

Ihr Nachprüfungsantrag hat Erfolg. Verlangt der öffentliche Auftraggeber ein bestimmtes Gütezeichen, so muss er den Nachweis über ein gleichwertiges Gütezeichen akzeptieren. Dabei müssen die Gütezeichen keine identischen Prüfanforderungen beinhalten (vgl. VK Westfalen, Beschl. v. 23.02.2024 – VK 2-44/23). Ob eine Gleichwertigkeit gegeben ist, muss der Auftraggeber anhand der Anforderungskataloge beider Gütezeichen prüfen. Die Beweislast für die Gleichwertigkeit tragen jedoch die Bieter. Damit diese erkennen können, worauf es dem Auftraggeber ankommt, muss er deutlich machen, welche Mindestanforderungen sie einhalten müssen. Es gelten ähnliche Maßstäbe wie bei gleichwertigen Produkten für in der Leistungsbeschreibung genannte Leitfabrikate oder bei der Zulassung von Nebenangeboten.

VK Westfalen, Beschl. v. 11.06.2025 (VK 1-20/25)

► E-VERGABE Falsche Adresse?

Ausschluss!

Zur Vergabe standen Leistungen der „Dachdeckungsarbeiten“ (Los 14) an. Die Adresse für die Einreichung der Angebote wurde präzise angegeben („Link“). Die Frist für den Eingang war der 26.03.2025, 12:30 Uhr. Ebenfalls veröffentlichte die Auftraggeberin die beabsichtigte Vergabe im Los 15 („Fassadenarbeiten“). Eine Bieterin gab jedoch ein Angebot unter dem Link für das Los 15 ab. Sie übersah, dass sie für ihr Angebot zu Los 14 die andere Adresse hätte nutzen müssen. Sie wurde wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen bzw. nicht fristgemäßer Einreichung des Angebotes ausgeschlossen und tritt dem mit einer Rüge entgegen. Sie begehrt, dass ihr zu Los 15 abgegebenes Angebot im anderweitigen Los 14 wie ein rechtzeitig vorliegendes Angebot behandelt und gewertet wird. Ein solcher Anspruch besteht zur Überzeugung der Vergabekammer nicht, denn die Antragstellerin hat es selbst verschuldet, dass ihr Angebot zu Los 14 dem Verhandlungsleiter im Öffnungstermin zu Los 14 nicht vorlag. Diesbezüglich hatte die Auftraggeberin unter Ziffer 5.1.12 der Auftragsbekanntmachung eine eigene, konkrete Adresse („Link“) für die Einreichung der Angebote für Los 14 angegeben. Einer Wertung des Angebotes steht entgegen, dass die Bieterin den Upload an einer anderen Stelle, unter der Adresse zu Los 15, vorgenommen hatte. Dass die Internetadressen für Los 14 und Los 15 über denselben Server, also über dieselbe Plattform, betrieben werden, ist dabei nicht entscheidend.

► ANGEBOTSWERTUNG Späterer Vertrag Nur Relevantes werten!

Eine Kantinenbewirtschaftung nach der Konzessionsvergabeverordnung ist gemäß der Vergabekammer neu aufzusetzen. Einer der Hauptgründe ist, dass die Auftraggeberin Zuschlagskriterien festlegen muss, mit deren Hilfe sie den wirtschaftlichen Gesamtvorteil nach Paragraf 152 III GWB abzubilden in der Lage ist. Am rechtlich zwingend erforderlichen Auftragsbezug fehlt es, wenn einzureichende Konzepte oder Musterspeisepläne im Vergabeverfahren bewertet, jedoch später in keiner Weise Vertragsinhalt werden (vgl. BayObLG, Beschl. v. 11.12.2024 – Verg 7/24). Die Bewertungskriterien verfolgen das Ziel, das Angebot mit dem höchsten wirtschaftlichen Gesamtvorteil mit Blick auf die spätere Auftragsdurchführung für den Auftraggeber zu ermitteln. Wird ein zu zahlender Essenspreis bewertet, ohne dass der spätere Auftragnehmer verpflichtet ist, die Essenspreise auch bei Auftragsdurchführung zur Anwendung zu bringen, so ist die Bewertung vom wirtschaftlichen Gesamtvorteil losgelöst und ungeeignet, diesen zu erfassen. Dies ist vorliegend bezüglich der Essenspreise, die mit 60 Prozent und damit zu einem hohen Anteil in die Gewichtung eingehen, der Fall.

In Bezug auf die Musterspeisepläne, die einzureichen waren und die zu zwölf Prozent in die Gesamtwertung einfließen sollten, ist der Auftragsbezug gleichfalls nicht erkennbar. Diese werden ebenso nicht Vertragsbestandteil, und zwar auch nicht dergestalt, dass den Musterspeiseplänen vergleichbare Speisepläne zu realisieren sind. Auch diese Grundlage der Wertung spielte erkennbar keine Rolle.

VK Bund,

► ÖFFENTLICHE AUFTRÄGE Carsharing

Keine Beschaffung

Die Stadt Leipzig hat eine Sondernutzungserlaubnis für den Betrieb von Mobilitätsstationen mit Stellflächen für Carsharing-Fahrzeuge erteilt. Die Antragsgegnerin betreibt Carsharing-Angebote nicht selbst, sondern stellt Stellflächen an den Mobilitätsstationen zur Verfügung. Die Antragstellerin hat diese Stellflächen auf Basis einer Kooperationsvereinbarung genutzt. Diese Vereinbarung sah eine unentgeltliche Bereitstellung der Stellflächen für Carsharing-Angebote an den betriebenen Mobilitätsstationen vor. Die Vereinbarung wurde ohne ein Vergabeverfahren geschlossen. Sie endet bald, weil ohnehin ein Verfahren zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession über Carsharing-Dienstleistungen durchgeführt wird. Die Stadt entschied sich, die Flächen übergangsweise einem Carsharing-Anbieter zur Verfügung zu stellen. womit eine potenzielle Marktteilnehmerin nicht einverstanden ist. Die Vergabekammer ist jedoch nicht zuständig. Es handelt sich nicht um einen öffentlichen Auftrag i. S. d. Paragrafen 103 GWB. Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die auf die Beschaffung von Leistungen gerichtet sind. Dieser Zweck kann nur vorliegen, wenn zulasten des Vertragspartners (des Unternehmers) eine einklagbare Erfüllungsverpflichtung besteht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.07.2018 – Verg 1/18). Bei der streitigen Verteilung der Stellplätze ist im Gegensatz zur Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession lediglich eine Zweckbindung geregelt. Ein Anspruch auf Durchführung ist aus dem Vertrag nicht ersichtlich.

VK Sachsen, Beschl. v. 01.08.2025 (1/SVK/025-25)

Beschl. v. 17.06.2025 (VK 2-35/25)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Kanzlei Dr. Noch) jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

Gestärkte Tarifbindung mit Lücken

Kritik am Bundestariftreuegesetz (BS/sr) Auf dem Papier ist die Kampfansage der Bundesregierung gegen das Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen zu begrüßen. Die zur Diskussion geladenen Experten der Bundestagsparteien sehen jedoch einiges an Nachbesserungsbedarf oder lehnen den Plan vollends ab.

Zu den ablehnenden Parteien gehört die, CDU-geladene, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), welche vor allem den erhöhten Bürokratieaufwand kritisiert. Der Mehraufwand, welcher mit dem Gesetz einhergehe, ignoriere die angespannte wirtschaftliche Situation und widerspreche „dem klaren Bekenntnis der Koalitionspartner zu einem nachhaltigen Bürokratieabbau“, erklärt die Vereinigung in einem schriftlichen Statement. Daneben kritisierte der BDA auch, dass Haustarifverträge keine Berücksichtigung in dem Gesetzesentwurf fänden. Auch der auf AfD-Vorschlag geladene Verein „Zentrum – Die alternative Gewerkschaft“ sieht eine Schwäche des Gesetzes in seiner Orientierung an der jeweils branchenstärksten Gewerkschaft. Das erklärte Ziel, die Tarifbindung zu stärken, erreiche die Regierung aber nur, „wenn es eine pluralistische Gewerkschaftslandschaft gibt“, sagte der Zentrum-Vorsitzende Oliver Hilburger Der ebenfalls auf CDU-Vorschlag

geladene Verband Dienstgeberseite Caritas forderte hingegen, dass auch bessere Sozialleistungen in der Bewertung der Tarifverträge berücksichtigt werden müssten.

Denn besonders im Sozial- und Gesundheitsbereich der Kirchen gebe es häufig geringere Gehälter, aber bessere Sozialleistungen.

Zu viele Ausnahmen

Die anderen geladenen Sachverständigen sehen eher Nachbesserungsbedarf bei der Abschaffung von Ausnahmen. So kritisierten sowohl der auf Vorschlang der SPD geladene Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als auch die auf Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen geladenene Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), dass der Schwellenwert mit 50.000 Euro viel zu hoch angesetzt worden sei und fast ein Viertel aller Aufträge des Bundes im Baubereich ausklammere. Neben den bestehenden Lücken in der Abdeckung der geplanten Tarifbindung kritisieren die geladenen

Gewerkschaften aber vor allem die mangelnde geplante Überprüfung, ob Unternehmen tatsächlich tarifgerechte Löhne auszahlen. Schließlich seien Nachunternehmer und Verleiher von der Dokumentationspflicht ausgenommen, wie der DGB in seiner Stellungnahme erklärte. Auch die Kontrollen seien nicht Wirkungsvoll ausgestaltet. Die von der Fraktion Die Linke nominierte Sozialwissenschaftlerin Karen Jaehrling vom Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen monierte „Schwachstellen bei der Kontrolldichte und Kontrollstrategie“. Im Gegensatz zum Gesetzentwurf sähen Tariftreuegesetze auf Länderebene unangemeldete Kontrollen vor. „Papier ist geduldig“, sagte Jaehrling. Zudem hielten die Länder im Verhältnis mehr Personal für Kontrollen vor als die im Gesetzentwurf vorgesehenen acht Stellen.Der Gedanke einer vertrauensbasierten Regelung sollte dennoch durch Kontrollmöglichkeiten rückversichert werden.

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Gute Nachbarn und Freunde

Berliner Gespräch mit dem tschechischen Botschafter

Jiří Čistecký

(BS/ps) Im Oktober 2024 kommt Jiří Čistecký als Botschafter nach Deutschland, wo er vor 25 Jahren Botschaftssekretär in der tschechischen Vertretung in Bonn und Berlin war. Nach Stationen in Moskau, Istanbul, Wien und Prag ist er diesmal diplomatischer Frontmann der Tschechischen Republik – und findet sein Haus auf dem Berliner Hausvogteiplatz gut bestellt vor.

Brutalistisches Bauwerk: Die Botschaft der Tschechischen Republik in der Berliner Wilhelmstraße wurde von 1974 bis 1978 nach

„Ich

möchte mich jetzt erst einmal um den Ausbau wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen und den Dialog mit den Bürgern hier kümmern. Deutsche und Tschechen haben seit dem Mauerfall in den 90ern gelernt, miteinander zu sprechen und einander zu verstehen, das war wegen der schwierigen gemeinsamen Historie nicht immer einfach. Dieses Verständnis müssen wir weiterhin pflegen“, sagt Čistecký Das dürfte nicht schwer sein, denn die Beziehungen zwischen Berlin und Prag sind freundschaftlich und gut. „Tschechien ist wirtschaftlich von Deutschland abhängig, es freut mich aber, dass wir nicht immer nur die ewigen Zulieferer und -arbeiter sind, sondern auch innovative Partner“, so der Botschafter. So habe z. B. Siemens ein Forschungszentrum in Mähren, BMW in Westböhmen und Škoda sei technologischer Partner und Investor für deutsche Unternehmen, vor allem im Bereich Energieerzeugung, grüne Technologien, Dienstleistung, Chemie und Maschinenbau.

als Partner, nicht mehr als Rivalen. Foto: BS/Peter Slama

Die industrielle Struktur und das Konsumverhalten sei in beiden Ländern ähnlich. Das biete Chancen für innovative Firmen zur Skalierung und Verbesserung ihrer Technologien. Deutschland stehe in Tschechien für hohe Qualität bei den Bionahrungsmitteln, grünen Technologien oder im Ingenieur-

wesen, erklärt Čistecký. Auch „die Rüstungsindustrie ist nicht nur in Deutschland im Aufstieg, sondern auch unser Markt bietet viele Möglichkeiten für die deutschen Exporteure, wie etwa die Lieferung von Leopard-Panzern für unsere Armee“.

Ambivalentes Verhältnis zur EU

Eine der wichtigsten Grundlagen der bilateralen Verbindungen sind die Verträge über gute Nachbarschaft vom 27. Februar 1992 und die deutsch-tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung vom 21. Januar 1997. Hierin versichern beide Seiten, diese im Geist guter Nachbarschaft fortzuentwickeln und nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen zu belasten.

Überdies kooperiert man intensiv in der EU, beim grenzüberschreitenden Verkehr mit Bayern und Sachsen, auf dem westlichen Balkan sowie bei der Unterstützung der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Was die „EUphorie“ anbelangt, so halte sich auch in Tschechien die Begeisterung für Europa in Grenzen: „Unsere Bevölkerung“, führt Čistecký aus, „ist nicht grundsätzlich gegen die EU, was auch die aktuellen Ergebnisse der Parlamentswahlen zeigen, bei denen die anti-europäischen Parteien leer ausgegangen sind. Die Begeisterung und das Vertrauen sind jedoch deutlich gesunken.“ Viele Tschechen seien ambivalent: weder stark EU-freundlich noch komplett ablehnend. Vor allem junge tschechische Bürger seien sich aber der Vorteile und positiven Aspekte der EU-Mitgliedschaft bewusst.

Sondergesetz regelt Integration Bei der Parlamentswahl Anfang Oktober dieses Jahres konnte der europäische Gedanke die Tschechen nicht so recht überzeugen. Stärkste Kraft wurde nämlich die rechtspopulistische ANO des ExRegierungschefs Andrej Babiš. Der 71-jährige Unternehmer will zusammen mit der gleichfalls NATOund EU-kritischen Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) und der Motoristé sobě, einer klimaschutzfeindlichen Autofahrerpartei, die sich zu Autos, Kohle, Tschechischer Krone bekennt und die EU

ebenso ablehnt wie Ukraine-Hilfen, regieren. Den Koalitionsvertrag hat Milliardär Babiš schon mal unterschrieben. Europa droht ein weiterer unbequemer Partner, ein weiteres Problemkind im Stile Ungarns und der Slowakei. Die Verfassung lässt dem Präsidenten Petr Pavel weitgehend freie Hand, wem er den Regierungsauftrag erteilt. Aber das ist eine andere Geschichte. Wahl hin oder her, die größte Flüchtlingswelle in ihrer Geschichte mit über 360.000 Ukrainern bewältigen die 10,5 Millionen Böhmen, Mähren und Schlesier seit Beginn des russischen Ukrainekriegs erfolgreich. „Gemessen an der Bevölkerungsgröße gehören wir zu den solidarischsten Aufnahmeländern in Europa und haben schnell auf die Flüchtlingsströme reagiert“, erklärt Čistecký. „Viele helfen den Flüchtlingen mit Unterkünften, Spenden oder Freiwilligenarbeit. Dank des Sondergesetzes „Lex Ukrajina“ von 2022 erhielten die Geflüchteten sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Bildungssystem und zur Gesundheitsversorgung, sodass die meisten berufstätig seien. Ab dem dritten Quartal 2023 hätten die Einnahmen aus Versicherungsbeiträgen und Steuern von Flüchtlingen die Ausgaben für ihre Unterstützung überstiegen. Eher Partner als Rivalen Mit 23 Jahren kommt Jiři Čistecký, Absolvent der Wirtschaftsuniversität Prag, 1994 in den diplomatischen Dienst seines „neuen“ Staates Tschechien, der damals – seit der „Scheidung“ von der Slowakei 1993 – gerade ein Jahr alt ist. Über 31 Jahre ist das jetzt her und jede Menge Wasser die Moldau und Spree herabgeflossen. Persönlich ist er wohl ein gestandener diplomatischer Fahrensmann im Dienste Tschechiens, der über unser Image in seiner Heimat einiges zu sagen hat. „Tschechen sehen Deutsche einerseits mit Respekt – Wohlstand, Ordnung, Verlässlichkeit –, andererseits mit einer gewissen Distanz – Arroganz, historische Last.“ Vor allem jüngere Generationen nähmen Deutsche heute viel entspannter und positiver wahr: eher als Nachbarn und Partner, denn als Rivalen. Laut einer neuen Umfrage des STEM-Instituts 2025 schätzten 73 Prozent der Befragten Deutsche als angenehme oder

Behörden

zumindest neutrale Nachbarn ein. Alterslos und sympathisch dürfte freilich der berühmte und auch hierzulande geschätzte tschechische Humor des braven Soldaten Schwejk Josef sein.

„Hier eine Anekdote, die auch viel über das Verhältnis von Stadt und Land aussagt“, findet Botschafter Čistecký: „Ein deutscher Autofahrer fährt durch Südböhmen und stoppt an einer Kreuzung im Dorf, wo ein Tscheche auf der Bank vor dem Wirtshaus sitzt. Der Deutsche fragt: Sagen Sie bitte, wie komme

Rezept des Botschafters

Vanillekipferl

Vanillekipferl werden zu Weihnachten in fast jeder Familie gebacken und wenn es eine Umfrage über das beliebteste Weihnachtsgebäck gäbe, würden die Kipferl gewinnen. Sie werden heimlich in Schachteln verpackt, in denen sie mindestens 14 Tage vor den Feiertagen ruhen sollen. Doch manchmal werden sie dabei „gestört“ und schon mal probiert, bevor die erste Kerze am Baum angezündet ist.

Zutaten:

300 g Mehl, 40 g Puderzucker, 100 g gemahlene Walnusskerne, 200 g Butter, 2 Eigelb, Zitronenschale, 2 Päckchen Vanillezucker, Puderzucker zum Bestreuen

ich am schnellsten nach Prag? Der Tscheche überlegt lange und sagt schließlich: Am besten… fahren Sie gar nicht hin.“ Ein letztes Wort des Botschafters: „Ich möchte mich bei all jenen bedanken, die durch ihre Tätigkeit im alltäglichen Leben – abseits der politischen und medialen Aufmerksamkeit – einen unersetzbaren Beitrag dazu leisten, dass Tschechen und Deutsche gute Freunde und verlässliche Partner sind.“ Danke, Herr Botschafter. Schöne Weihnachten.

Zubereitung:

Das Mehl sieben, Zucker, Nüsse, zerlassene Butter, Eigelb und geriebene Zitronenschale dazugeben und rasch zu einem glatten und kompakten Teig kneten, in Folie wickeln und über Nacht in den Kühlschrank legen. Den Teig etwa 1 cm stark ausrollen und gleich große Stücke abschneiden. Diese leicht wie Hörnchen (Kipferl) formen und auf einem mit Backpapier belegten Backblech bei 150° C etwa zehn Minuten backen, bis sie gold-rosa werden. Die Kipferl aus dem Ofen nehmen, etwa zwei Minuten ruhen lassen und sie dann noch heiß in Vanille- und Puderzucker wälzen. Die Vanillekipferl brauchen ein paar Tage zum Ruhen, also am besten als erste Weihnachtsplätzchen backen.

Traditionell sollen Vanillekipferl 14 Tage vor dem Verzehr ruhen. Wie Jiří Čistecký berichtet, wird diese Ruhe aber gerne mal zum Probieren gestört. Foto: BS/Juefrateam, stock.adobe.com

In Tschechien ist Weihnachten („Vánoce“) ein Familienfest. Der 24. Dezember, der „Štědrý den“ genannt wird, ist der Mittelpunkt. Viele fasten tagsüber oder essen nur sehr wenig, denn der Volksglaube besagt: Wer fastet, sieht am Abend ein goldenes Schweinchen – ein Zeichen für

Glück im kommenden Jahr. Am Abend gibt es traditionell frittierten Karpfen mit Kartoffelsalat und oft auch Fischsuppe. In vielen Familien wird der Karpfen schon Tage vorher lebend gekauft und in der Badewanne gehalten – ein Erlebnis, besonders für Kinder.

einem Entwurf der Architekten Vera Machonina, Vladimir Machonin und Klaus Pätzmann erbaut.
Foto: BS/Jörg Zägel
Laut Jiří Čistecký sehen vor allem die jüngeren tschechischen Generationen Deutschland

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Dezember 2025

www.behoerdenspiegel.de

„Einlebendiges Wohn- und Dienstleistungsquartier, in dem die Natur eine große Rolle spielt“. So beschreibt die Stadt Speyer auf ihrer Webseite das Entwicklungskonzept für die örtliche Kurpfalz-Kaserne. Der Gebäudekomplex, der vor mehr als 50 Jahren zu militärischen Zwecken errichtet wurde, sollte von der Stadt als modernes Baugebiet mit urbaner Mischung erschlossen werden. „Spiel, Sport und Begegnung“ sollten hier möglich sein – so hieß es weiter in der Beschreibung des Nutzungskonzepts. Dafür sollte das Areal aus dem Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in kommunale Trägerschaft überführt werden. Seit Kurzem liegen die ambitionierten Stadtentwicklungspläne auf Eis: Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) stoppte den Verkauf der Kaserne, um zu prüfen, ob die Liegenschaft in Zukunft wieder einer militärischen Nutzung zugeführt wird.

Pläne für zivile Nachnutzung liegen auf Eis

Damit steht die Stadt nicht allein da: Die Kurpfalz-Kaserne in Speyer ist Teil einer Liste von insgesamt 200 ehemaligen Militärstandorten, die nun wieder in den Aufmerksamkeitsfokus des Bundes gerückt sind. Ende Oktober verkündete das BMVg einen Umwandlungsstopp für die ehemaligen Militär-Liegenschaften, da wegen der geplanten Aufstockung der Bundeswehr in Zukunft auch wieder mehr Militärstandorte nötig seien. Die in vielen Kommunen bereits angelaufenen Planungen für eine zivile Nachnutzung sind damit vorerst vom Tisch. 187 der genannten Standorte befinden sich im Besitz der BImA, 13 weitere werden von der Bundeswehr

betrieben. Die genannten Liegenschaften sollen Teil einer „strategischen Liegenschaftsreserve der Bundeswehr“ werden und somit kurzfristig bei Bedarf von der Bundeswehr genutzt werden können. Janine Friedmann, die Sprecherin der Stadt Speyer, erklärt, dass

„Wir hätten uns eine direkte Information seitens des Bundes oder der BImA gewünscht.“

Janine Friedmann, Sprecherin der Stadt Speyer

der Bedarf an Wohn- und Gewerbeflächen in Speyer groß sei. „Der Wegfall der potenziellen Stadtentwicklungsflächen ist deshalb sehr bedauerlich“, ergänzt sie. Die Kurpfalz-Kaserne habe als eines der letzten größeren, zum Teil bereits versiegelten Areale „eine ausgezeichnete Grundlage für eine nachhaltige Nachnutzung“ geboten. Bereits seit mehreren Jahren laufen die Kaufverhandlungen mit der BImA für das knapp 24 Hektar große Gelände. Ebenso lange werden in der Stadtverwaltung die Pläne für eine zivile Nachnutzung ausgearbeitet. Die Stadt kritisiert vor allem das Vorgehen des Bundes. „Wir hätten uns eine direkte Information seitens des Bundes oder der BImA gewünscht“, erklärt Sprecherin Friedmann. Stattdessen habe man erst durch eine eigenständige Auswertung von öffentlichen Mit-

Rolle rückwärts

(BS/Anne Mareile Moschinski) Deutschlands Verteidigungspolitik steht vor neuen Herausforderungen: Die geplante Aufstockung der Bundeswehr bringt in vielen Kommunen langfristige Stadtentwicklungskonzepte zum Scheitern. Dringend benötigter Wohnraum steht auf dem Spiel.

teilungen von dem Umwandlungsstopp erfahren. „Für eine verlässliche Stadtentwicklung braucht es transparente Entscheidungen und einen partnerschaftlichen Austausch auf Augenhöhe zwischen Bund und Kommune“, kritisiert die Stadtsprecherin weiter. Matthias Steffan, der Oberbürgermeister der Stadt Schwetzingen, sieht das ähnlich. „Unser Wunsch wäre gewesen, über die Pläne des Bundes nicht erst auf Nachfrage, sondern aktiv und frühzeitiger informiert zu werden“, erklärte er gegenüber dem Behörden Spiegel. Nun ist es aus seiner Sicht wichtig, dass die betroffenen Kommunen vor einer endgültigen Entscheidung zumindest angehört werden. Auch sollten Planungen, die bereits fortgeschritten sind, bei der Entscheidung des Bundes berücksichtigt werden. In Schwetzingen ist die ehemalige Tompkins-Kaserne von dem Umwidmungsstopp betroffen. Die Nachricht habe die Stadt zu einer Zeit erreicht, als die Planungen für eine zivile Nutzung bereits „sehr weit fortgeschritten“ gewesen seien, so Steffan.

Forderung nach einer „Infrastrukturwende“

Seit 2022 befand sich die Stadt in einem engen Abstimmungsprozess mit der BImA, 2023 gab es eine gemeinsame Absichtserklärung sowie einen städtebaulichen Entwurf für einen neuen Wirtschafts- und Gewerbestandort auf dem TompkinsGelände. Dass alle Mühen nun vorerst im Sand verliefen, sei „unerfreulich“, sagt Steffan. Die Stadt habe dringend eine Entwicklungsfläche für die Ansiedlung von Unternehmen und Gewerbe gebraucht. „Wir sind uns der Tragweite der Entscheidung sehr bewusst und wissen,

dass in vielen Fällen bereits Planungen bestehen, betroffene Flächen zivil zu nutzen“, erklärte dazu Nils Hilmer, Staatssekretär im BMVg. Wo immer dies möglich sei, werde man versuchen, bestehende zivile Planungen zu berücksichtigen. Mit der Umwandung von alten Militärstandorten für zivile Zwecke

„Die Kommunen können diese riesigen Investitionen nicht alleine bezahlen, da sie finanziell ohnehin schon stark belastet sind.“

Pressestatement des Deutschen Städteund Gemeindebunds (DStGB)

war in den frühen 1990ern begonnen worden, nach Aussetzung der Wehrpflicht in den 2010er-Jahren wurde die Umwandlung fortgesetzt. Zur Aussetzung der Umwidmung und den „massiven Folgen“ der Zeitenwende äußert sich auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). In einer Pressemitteilung schreibt er, dass die Städte und Gemeinden nun parallel dringend eine „Infrastrukturwende“ benötigten. Ihnen fehlten nicht nur Liegenschaften für die Stadtplanung, es müssten auch Kitaplätze für die Kinder der Soldatinnen und Soldaten geschaffen werden. Zudem brauche es strukturelle Verbesse-

rungen bei Straßen, Brücken und Bahnanbindungen.

„Die Kommunen können diese riesigen Investitionen nicht alleine bezahlen, da sie finanziell ohnehin schon stark belastet sind“, schreibt der DStGB. Hinzu komme: Wenn Bauprojekte für die Bundeswehr schneller genehmigt würden, dann müsse dies auch für die notwendigen Bauprojekte der Kommunen gelten. Beschleunigung dürfe nicht „am Kasernentor enden“. Wenn sich die Bundeswehr künftig stärker auf die Verteidigung fokussiere, habe dies zur Folge, dass sie bei Katas trophen wie Hochwasser nicht mehr so umfassend helfen könne wie bisher. Der DStGB mahnt deshalb an: Nicht nur die Verteidigungsfähigkeit, auch der Bevölkerungsschutz vor Ort müsse dringend gestärkt werden.

Platz für 10.000 Bewohnerinnen und Bewohner sowie Raum für 5.000 Arbeitsplätze – das bietet das Heidelberger Patrick-Henley-Village. Auch hier plante die Stadt seit Jahren, das Gelände anzukaufen. Seit Langem gebe es Verhandlungen mit der BImA, teilte der Pressesprecher der Stadt, Christian Beister, mit. Das Patrick-Henley-Village sei die letzte große Entwicklungsfläche, die Heidelberg habe. Die Stadt stehe derzeit in engem Kontakt mit dem BMVg, um die Entwicklungsperspektive für das Gelände „beizubehalten“. Wie viel zusätzlicher Wohnraum bundesweit auf dem Spiel steht, ist derzeit noch unklar. Für Christian Schuchardt, den Geschäftsführer des Deutschen Städtetags, ist jedoch klar: „Der Umwandlungsstopp wird für die betroffenen Kommunen eine riesige Herausforderung.“ Wo die Menschen fest mit neuen Wohnungen gerechnet hätten, sei das „ziemlich bitter“.

BFoto: BS/

VIER Fragen– VIER Antworten

Interview mit Guido Déus, Oberbürgermeister von Bonn

ehörden Spiegel: Wie bewerten Sie die Rolle Bonns als Bundesstadt und welche Erwartungen haben Sie an Bund und Land, damit Bonn auch künftig ein politisches Zentrum bleibt?

Guido Déus: Die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum ist nicht nur wegen unserer Geschichte richtig, sondern heute ein wichtiger Resilienzfaktor für den Bund. Es gibt in Bonn viele geeignete Liegenschaften des Bundes – und noch viel wichtiger: ein großes Reservoir an Fachkräften.Um die bestehenden Ministerien und Bundesämter ist ein beeindruckendes Cluster in den Feldern Cyber-Sicherheit, Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit gewachsen. Bonn ist als UN-Stadt und Sitz internationaler Organisationen einzigartig in Deutschland. Mit der Zusatzvereinbarung wollen wir gemeinsam diese Alleinstellungsmerkmale von Bonn und der Region im Interesse des Bundes weiterentwickeln. Auf dem Weg zur Zusatzvereinbarung sind wir in der letzten Legislaturperiode schon weit gekommen. Jetzt müssen wir sie schnellstmöglich zum Abschluss bringen.

Die Spannbreite der Themen beim Wettbewerb für innovative Verwaltungsprojekte reicht von Digitalisierung über Organisationsentwicklung bis hin zu Bürgerbeteiligung und Fachkräftegewinnung. Verwaltung wird hier nicht mehr als Bewahrer des Status quo verstanden, sondern als aktiver Gestalter gesellschaftlicher Veränderung. Digitalisierung als Daueraufgabe Viele eingereichte Projekte verdeutlichen, dass Digitalisierung längst nicht mehr als Einzelprojekt, sondern als strukturelle Daueraufgabe verstanden wird. Von digitalen Lernplattformen für Einsatzkräfte über smarte Stadtentwicklung bis hin zu datenbasiertem Mobilitätsmanagement – Verwaltungen vernetzen zunehmend klassische Verwaltungsprozesse mit neuen digitalen Werkzeugen. Auffällig ist dabei, dass der Wandel nicht mehr allein in IT-Abteilungen stattfindet. Digitalisierung wird zur gemeinsamen Aufgabe von Verwaltung, Politik, Bildung und Bürgerschaft. In vielen Projekten wurde der Einsatz agiler Methoden wie Scrum oder Kanban als entscheidender Erfolgsfaktor genannt: Sie ermöglichen ein iteratives Vorgehen, kürzere Entscheidungswege und mehr Flexibilität im Umgang mit komplexen Aufgaben.

Nachhaltigkeit als Leitmotiv Neben der Digitalisierung prägt das Thema Nachhaltigkeit viele der eingereichten Projekte. Verwaltung versteht sich zunehmend als Treiberin einer ökologischen Transformation – sei es durch innovative Konzepte für städtisches Grün, nachhaltige Mobilität oder ressourcenschonende Beschaffung.

Bundesstadt mit Rückenwind

Wie Bonn seine Rolle im Bund festigt und seine Stärken behält

(BS) Guido Déus (CDU) ist seit September Oberbürgermeister von Bonn. Wie er die Stärken der Stadt erhalten, Mobilität verbessern und eine Kultur des Miteinanders im Rat schaffen will, erklärt er im Interview. Die Fragen stellte Julian Faber.

Behörden Spiegel: Welche Schritte wollen Sie anstoßen, damit Mobilität in Bonn effizienter, sicherer und klimafreundlicher wird?

Déus: Wir brauchen für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis ein Mobilitätskonzept aus einem Guss und dafür möchte ich ein durch die Uni Bonn

und die Hochschule Bonn/RheinSieg erstelltes Verkehrskonzept, bei dem alle Verkehrsteilnehmer angemessen berücksichtigt werden. Darüber hinaus brauchen wir Park & Ride-Anlagen an den Stadtgrenzen und einen verlässlichen und gut aufgestellten ÖPNV. Dies dient dem Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern in Bonn gute Anreize zum Umstieg zu bieten. Ein weiteres wichtiges Vorhaben, das ich direkt angegangen bin, ist die Adenauerallee. Hier habe ich die Verwaltung beauftragt, zu prüfen, wie die Adenauerallee wieder vierspurig – mit einem sicheren Radverkehr – umgestaltet werden kann.

Behörden Spiegel: Wie wollen Sie die politische Kultur im Bonner Stadtrat prägen, und welche Form der Zusammenarbeit streben Sie an?

Déus: Aktuell arbeiten wir an einer Kooperationsvereinbarung mit CDU, SPD und FDP. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis um den Jahreswechsel

Verwaltung im Aufbruch

Wie Projektmanagement den öffentlichen Sektor modernisiert (BS/Sebastian Wieschowski*) Nie zuvor war professionelles Projektmanagement in der öffentlichen Verwaltung so sichtbar wie heute. Das zeigt sich besonders deutlich an den Einreichungen für den „Roland – Deutscher Verwaltungspreis Projektmanagement 2025“. Insgesamt wurden 24 Projekte aus ganz Deutschland eingereicht, die eines gemeinsam haben: Sie machen Wandel in der Verwaltung sichtbar – und zeigen, wie sich Behörden mit professionellen Methoden für die Zukunft aufstellen.

herum entweder eine Kooperation oder vielleicht sogar eine Koalition stehen haben, die Gesprächsatmosphäre ist gut. Grundsätzlich geht es mir um eine gute und transparente Kommunikation mit allen Bonner Stadtverordneten. Mein Anspruch ist es, den Rat immer vollumfänglich zu informieren, denn die Politik braucht vor allem bei wichtigen Sachthemen diese Informationen für ihre Diskussion und die politische Entscheidung.

Behörden Spiegel: Wenn Sie fünf Jahre vorausblicken: Woran würden Sie Ihren eigenen Erfolg als Oberbürgermeister messen?

Déus: Ich habe einen klaren Plan und den möchte ich in die Tat umsetzen. Mein besonderer Fokus liegt auf dem sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt, dazu gehören ausreichender Wohnraum, angemessene Kinderbetreuung, gute Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen, Generationengerechtigkeit und eine Mobilität, die alle Menschen und alle Verkehrsmittel in den Blick nimmt. Ich möchte, dass sich die Menschen in unserer Stadt zu jeder Zeit und überall sicher fühlen können. Und natürlich gehört auch der Klimaschutz zu meinen Schwerpunkten.

dent Prof. Dr. Peter Thuy zeigen die diesjährigen Einreichungen, dass Projektmanagement in der Verwaltung kein Nischenthema mehr ist, sondern eine Schlüsselkompetenz für den Umgang mit Transformation, Fachkräftemangel und Digitalisierung.

Der Fachkräftemangel als Innovationstreiber

Ein weiteres zentrales Thema in den Einreichungen ist der Fachkräftemangel. Viele Verwaltungen reagieren darauf mit innovativen Konzepten zur Personalentwicklung, Qualifizierung und Organisationskultur. Dabei wird deutlich: Projektmanagement ist nicht nur Werkzeug, sondern auch Haltung. Verwaltungen nutzen Projektarbeit zunehmend, um Kompetenzen aufzubauen und Eigenverantwortung zu fördern. Mitarbeitende werden in Veränderungsprozesse aktiv eingebunden – von der strategischen Planung bis zur praktischen Umsetzung. Diese partizipative Herangehensweise steigert nicht nur die Motivation, sondern führt auch zu tragfähigeren Ergebnissen, weil Wissen und Erfahrung aus unterschiedlichen Verwaltungsebenen in die Projekte einfließen.

Erfolgsfaktoren: Agilität, Interdisziplinarität, Kompetenzaufbau

Aus der Gesamtschau der Bewerbungen lassen sich drei Erfolgs-

Auffällig ist, dass Nachhaltigkeit dabei nicht nur ökologisch, sondern auch sozial gedacht wird. Projekte zur Förderung von Gleichstellung, Diversität oder regionaler Ernährungspolitik zeigen, dass Nachhaltigkeit in der Verwaltung immer stärker mit gesellschaftlicher Verantwortung verknüpft wird. Diese breite Definition von Nachhaltigkeit verlangt nach interdisziplinären Teams, die über Ressortgrenzen hinweg arbeiten –ein Ansatz, der in nahezu allen erfolgreichen Projekten zu beobachten ist.

faktoren ableiten, die über alle Verwaltungsebenen hinweg gelten:

1. Agilität: Flexibles, ergebnisorientiertes Handeln ersetzt starre Hierarchien und fördert Innovationsfähigkeit.

2. Interdisziplinarität: Projekte, die verschiedene Fachrichtungen und Organisationseinheiten zusammenführen, erzielen nachhaltigere Wirkungen.

3. Kompetenzaufbau: Projektmanagement-Kompetenzen werden zur zentralen Voraussetzung für erfolgreiche Verwaltungsmodernisierung. Diese Faktoren zeigen, dass Verwaltung heute in Projekten denkt –und dass Projektmanagement längst ein integraler Bestandteil moderner Verwaltungsführung geworden ist.

Der Wandel in der Verwaltung ist nicht allein technisch oder organisatorisch – er ist kulturell. Viele der eingereichten Projekte zeigen, dass eine neue Führungskultur entsteht, die auf Vertrauen, Transparenz und Kooperation basiert. Projektarbeit fördert eigenverantwortliches Handeln und lässt Mitarbeitende über Hierarchie- und Amtsgrenzen hinweg zusammenarbeiten. Verwaltung wird so zunehmend zur lernenden Organisation – eine Voraussetzung, um in komplexen Transformationsprozessen handlungsfähig zu bleiben. Ein wiederkehrendes Thema in vielen Bewerbungen ist die Frage der Verstetigung: Wie lässt sich ein erfolgreiches Projekt in den dauerhaften Verwaltungsalltag integrie-

ren? Hier zeigt sich, dass Projektmanagement längst mehr ist als ein Werkzeug für Einzelvorhaben: Es wird zur strategischen Steuerungsebene. Portfoliomanagement, klare Governance-Strukturen und ein professionelles Berichtswesen gewinnen an Bedeutung, um gute Ideen in nachhaltige Veränderungen zu überführen.

Der Roland als Plattform für Modernisierung

Der „Roland – Deutscher Verwaltungspreis Projektmanagement“ macht diese Entwicklung sichtbar. Er wurde ins Leben gerufen, um Best-Practice-Beispiele aus Bund, Ländern und Kommunen zu würdigen und zu zeigen, wie professionelles Projektmanagement Verwaltung leistungsfähiger, transparenter und bürgernäher macht. Bemerkenswert ist dabei die zunehmende Vernetzung zwischen Kommunen, Landesverwaltungen und Institutionen. Viele Projekte entstehen im Verbund, teilen Erfahrungen und entwickeln gemeinsam Standards. Damit verändert sich auch das Selbstverständnis des öffentlichen Sektors –weg von isolierten Zuständigkeiten, hin zu einer kooperativen Verwaltung, die Wissen teilt und voneinander lernt.

Die eingereichten Projekte verdeutlichen, dass erfolgreiche Modernisierung kein Zufall ist, sondern das Ergebnis klarer Strukturen, methodischer Kompetenz und einer lernenden Verwaltungskultur. Laut GPM-Präsi-

Ausblick auf den Roland 2026 Nach Abschluss der Bewerbungsphase im Jahr 2025 befindet sich der „Roland – Deutscher Verwaltungspreis Projektmanagement“ derzeit in der entscheidenden Bewertungsphase. Die Jury sichtet die eingereichten Projekte und wählt daraus die Favoriten aus, die zu vertiefenden Interviews in ihren jeweiligen Institutionen eingeladen werden. Diese Gespräche dienen dazu, die Projekte in ihrem praktischen Umfeld kennenzulernen und den Transfer in den Verwaltungsalltag zu bewerten. Auf dieser Grundlage werden die Gewinnerinnen und Gewinner ermittelt, die im Juni 2026 im Rahmen des Zukunftskongresses Staat & Verwaltung in Berlin auf der Hauptbühne ausgezeichnet werden. Die bisherige Resonanz aus der Jury zeigt, dass der Roland weit mehr ist als ein Preis: Er ist ein Seismograf für Modernisierung und ein Spiegelbild der Vielfalt an Innovationsansätzen in der Verwaltung. Projektmanagement erweist sich dabei als verbindendes Element zwischen Strategie und Umsetzung – als Methode, mit der Verwaltungen den Wandel planvoll gestalten, Komplexität beherrschbar machen und ihre Zukunftsfähigkeit sichern.

Aktuelle Informationen finden Sie unter: https://www.gpm-ipma.de/ roland-bs.

*Sebastian Wieschowski ist PRManager in der Marketing und PRAbteilung der GPM.

Von Grün zu Schwarz: Im Bonner Rathaus wurden die Karten im September neu gemischt. Foto: BS/Bundesstadt Bonn

Behörden Spiegel: Was sind die zentralen Ziele des Projektes und welchen Ansatz verfolgen Sie damit konkret?

Sina Hilgers: Ziel des Projekts Verwaltung 2.030 war die Weiterentwicklung kommunaler Verwaltungsstrukturen für eine effiziente, zielgerichtete und integrierte Umsetzung der Agenda 2030. Dafür wurde untersucht, wie klassische Verwaltungs-, Entscheidungs- und Haushaltsprozesse besser an den aktuellen querschnittlichen Herausforderungen ausgerichtet werden können. Die Wichtigkeit des Themas zeigt sich in der aktuellen Diskussion zur Verwaltungsmodernisierung und zum Bürokratieabbau – z. B. der Initiative für einen handlungsfähigen Staat. Im Forschungsprojekt wurde ein Steuerungsmodell entwickelt und in der Stadt Detmold als Praxiskommune erprobt. Das Vorhaben wurde neben der LAG 21 NRW als Koordination gemeinsam mit der Stadt Detmold, dem DifuInstitut und der KPMG umgesetzt.

Behörden Spiegel: Welche methodischen Bausteine und strukturellen Komponenten liegen Ihrem Modell zugrunde und wie wurde diese Piloterprobung konkret umgesetzt?

Hilgers: Das entwickelte Steuerungsmodell beschreibt, wie die Transformationsbereiche Verwaltung, Entscheidung und Finanzen ineinandergreifen, um kommunale Nachhaltigkeitsziele effizient umzusetzen. Dabei orientiert sich das Modell an bestehenden Planungs- und Entscheidungsprozessen. Grundlage ist eine bereits verabschiedete kommunale Nachhaltigkeitsstrategie. In Detmold bestanden durch den Strategieerstellungsprozess ein verwaltungsinternes, fachübergreifendes Kernteam und eine Steuerungsgruppe (Mikrokosmos der Stadtgesellschaft), welche in dem Modell aufgegriffen wurden. Kernelement ist eine inhaltlich ausgerichtete und interdisziplinäre Denk- und Arbeitsweise. Diese wird u. a. durch das Kernteam, das nach inhaltlichem Bedarf temporär durch agile Strukturen erweitert werden kann, gewährleistet. Auch Entscheidungen sollen künftig stärker intersektoral vorbereitet und diskutiert werden: Statt Themen nacheinander in Fachausschüssen zu beraten, werden sie

Steuerungsmodell für Kommunen

(BS) Sina Hilgers, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Programm Nachhaltigkeitsstrategien bei der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e. V. (LAG 21), erklärt, wie das deutsche Projekt Verwaltung 2.030 Entscheidung und Finanzen,auch im Hinblick auf diekommunale Umsetzung der Ziele der globalen Agenda 2030, verzahnt. Die Fragen stellte Julian Faber.

z. B. in Transformationsausschüssen gemeinsam behandelt.

Im Finanzbereich wurde die Idee des Globalbudgets aufgegriffen, das alle Mittel zur Zielerreichung eines Handlungsfeldes einer nachhaltigen Kommunalentwicklung bündelt und pauschal verwaltet. Zentrale Elemente des Modells konnten im Rahmen eines Reallabors durch Integration in laufende Prozesse

Von der Raumplanung über Klimaanpassung bis zur Verwaltungsmodernisierung:

Für LAG 21 berät Sina Hilgers Kommunen zu den verschiedensten Herausforderungen.

Foto: BS/LAG 21

Behörden Spiegel: Wie messen Sie den Erfolg Ihres Modells? Welche Wirkung konnten Sie in der Pilotgemeinde beobachten?

Hilgers: Zur Evaluation der Reallaborphase und Weiterentwicklung des Modells wurden mögliche Umsetzungsbarrieren und die Praxistauglichkeit mit Detmolder und externen Akteurinnen und Akteuren aus Verwaltung, Politik, Kämmerei, Zivilgesellschaft und Wissenschaft reflektiert. Dabei wurden die Grundüberlegungen des Modells in allen drei Transformationsbereichen validiert. Die thematische Bündelung im Transformationsausschuss vermeidet Überschneidungen, stärkt interdisziplinäres Arbeiten und ermöglicht schnellere und zielgerichtetere Entscheidungen. Beim Globalbudget bestätigten sich Potenziale für mehr Transparenz, Akzeptanz und Steuerungskraft. Ratsmitglieder sahen darin ein geeignetes Instrument, um Ressourcen zu priorisieren und gezielter einzusetzen. Dabei müssen die klassische Zuständigkeitsverteilung neu geregelt und auftretende Ziel-

konflikte ausdiskutiert werden. Das fachübergreifend agierende Kernteam kann hierbei ein erster Schritt sein. Insgesamt stärkt das Modell die Effizienz, Wirkungsorientierung, Transparenz, Kooperation und die gemeinsame Verantwortung für gesamtstädtische Ziele.

Behörden Spiegel: Welche Hindernisse und Widerstände sind Ihnen bei der Umsetzung begegnet – etwa in der Verwaltung, Politik oder Haushaltsplanung – und wie lässt sich das Modell auf andere Kommunen übertragen und/oder weiterentwickeln?

Hilgers: Es zeigte sich: Veränderungen in Verwaltung und Politik brauchen Zeit, Ressourcen und Vertrauen. Das Steuerungsmodell kann als Blaupause für weitere Kommunen genutzt werden, dabei sind die im Projektleitfaden genannten Umsetzungsvoraussetzungen zu beachten. Die Erprobung kann zunächst im Rahmen einer Experimentierklausel gemäß Paragraf 129 GO NRW stattfinden. Das Modell kann auch durch punktuelle

Übertragung einzelner Elemente wie Transformationsausschüsse, Kernteams oder Globalbudgets implementiert werden. Transparente Kommunikation, sichtbare Führung und die Einbindung der Stadtgesellschaft sowie der Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen erleichtern dabei den Einstieg. Auf diese Weise lassen sich Nachhaltigkeitsstrategien oder gegebenfalls auch sektorale Konzepte systematisch umsetzen und weiterentwickeln sowie das Nachhaltigkeitsniveau in Kommunen schrittweise erhöhen. Das Projekt leistet einen Beitrag zur aktuellen Diskussion um eine effiziente und handlungsfähige Verwaltung, die die Forcierung von Entscheidungsprozessen und die Einhaltung von Standards gleichzeitig gewährleistet.

Behörden Spiegel: Wenn Sie auf die nächsten fünf bis zehn Jahre blicken, wie sollte sich Verwaltung weiterentwickeln, damit die Agenda 2030 wirklich in allen Kommunen gelingt?

Hilgers: Zur stärkeren Umsetzung der Agenda 2030 auf kommunaler Ebene brauchen wir agile, fachübergreifende Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen mit transparenten, frühzeitigen und mandatierten Beteiligungsprozessen. Kluge, wirkungsorientierte Finanzentscheidungen und messbare Zielsetzungen sind ebenso wichtig wie ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein aller Akteure der Stadtgesellschaft. Nur gemeinsam können wir kurz- und mittelfristige Maßnahmen hin zu einer gerechten Zukunftsvision wirksam umsetzen. Dafür brauchen Kommunen, die als Brennglas globaler Herausforderungen wirken, eine ausreichende Finanzierungsausstattung.

… sah ich mir von der Schäl Sick –also umgangssprachlich vom rechten Rheinufer – den Kölner Dom an, hell erleuchtet in einer dunklen Nacht. Ich muss gestehen: Ich liebe diesen Blick.

Die Kehrseite der Medaille dieses Anstrahlens ist das Phänomen der Lichtverschmutzung – jener ungebetene Partygast, der erst um Mitternacht auftaucht und mit grell leuchtenden Scheinwerfern die ganze Nacht über durch die Nachbarschaft leuchtet – nur dass diese Nachbarschaft hier unser aller schöner Nachthimmel ist.

Lichtverschmutzung hellt den Himmel so sehr auf, dass wir Sterne kaum mehr sehen können.

Das künstliche Licht überstrahlt alles. Gerade in dicht besiedelten Kommunen mit intensiver Beleuchtung wird der Sternenhimmel oft vollständig vom Licht der Laternen verdrängt.

Eine Generation kennt keine Sterne mehr

Die Kinder unserer Großstädte wachsen in einer Welt auf, in der der Nachthimmel kaum sichtbar ist. Was geschieht mit einer Generation, die keine vollständige Dunkelheit mehr erlebt? Sie hat ein Defizit von Wahrnehmung und Bewusstsein. Dieser Mangel an Naturerfahrungen führt wissenschaftlich belegt zu negativen Folgen wie z. B. eingeschränkten so-

zialen Fähigkeiten, verminderter Empathie und Konzentrationsproblemen.

Diese fehlende Sicht auf den Nachthimmel hat darüber hinaus gesundheitliche und ökologische Folgen: Künstliches Licht stört den Biorhythmus von Menschen und Tieren, beeinflusst die Produktion des Schlafhormons Melatonin und kann das Wachstum von Pflanzen negativ beeinträchtigen.

Licht und Schatten

Foto: BS/privat

Auf der anderen Seite steht das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Straßenbeleuchtung gilt als einfaches Mittel, um Sicherheit zu schaffen. Heller soll es sein, damit Menschen sich wohler fühlen, damit Einbrecher abgeschreckt und dunkle Ecken entschärft werden. Millionen Euro werden in LED-Umrüstungen gesteckt, oft begründet mit Klimaschutz und Sicherheit zugleich. Dabei geraten die Schattenseiten dieser Modernisierung leicht in

Vergessenheit. Helle, kaltweiße Beleuchtung stört Insektenleben und unsere Gesundheit.

Beleuchtung mit Augenmaß Öffentliche Beteiligung bei Lichtkonzepten fi ndet kaum statt. Nachtsicherheitskonzepte werden selten öffentlich diskutiert, obwohl gerade hier Ängste und Bedürfnisse der Bevölkerung stark ausgeprägt sind. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht dabei mitreden, ob ihre Nächte künftig taghell erleuchtet sein sollen, oder nicht. Kommunen stehen hier in der Verantwortung, ihre Beleuchtungskonzepte zu überdenken. Statt ungerichteter, zu heller Straßenbeleuchtung mit bläulichem LED-Licht sollte die Beleuchtung auf warmer Farbtemperatur basieren, die weniger blendet und den Nachthimmel weniger beleuchtet. Zeitliche Steuerungen und Bewegungsmelder können helfen, das Licht nur dann einzuschalten, wenn es

wirklich benötigt wird. Auch die Ausrichtung der Leuchten nach unten, um Lichtstreuung in die Atmosphäre zu vermeiden, ist entscheidend. Licht kann schützen, doch es ersetzt nicht, was wirklich schützt: soziale Präsenz, Menschlichkeit und eine lebendige Nachbarschaft. Die Herausforderung für Städte liegt darin, dieses komplexe Zusammenspiel zu verstehen und nicht nur die Leuchtstoffröhre aufzurüsten, sondern den öffentlichen Raum als ganzen anzunehmen. Denn Sicherheit ist mehr als eine technische Größe – sie ist ein politischer und gesellschaftlicher Wert, der im Dunkeln nicht einfach grell beleuchtet werden kann.

Vielleicht sollten Städte, die über Nachhaltigkeit reden, auch über Dunkelheit reden. Warum nicht Nachtzonen schaffen, in denen Lampen gedimmt oder ausgeschaltet sind? Es wäre ein leiser Schritt zurück zum echten Sternenhimmel.

Lichtblick für die Verwaltung? Ausgerechnet aus dem ländlichen Detmold kommen neue Innovationen für mehr Effizienz. Foto: BS/inextremo96, pixabay.com
Schwerpunkt
Neulich …
Kolumne Hartmann
Rolf Hartmann war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim.

Auf diese Nachricht haben viele Städte und Gemeinden gewartet: Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lag die Zahl an Erstanträgen für Asyl in Deutschland im ersten Halbjahr 2025 bei 61.336 – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Rückgang um fast 50 Prozent. Für die Kommunen bedeutet das erstmals seit zehn Jahren wieder eine spürbare „Atempause“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deut schen Städte- und Gemeindebun des (DStGB), André Berghegger. Die Belegung kommunaler Erstauf nahmeeinrichtungen liege vielerorts nur noch bei 60 bis 70 Prozent. Ein Gewinn für die Verwaltung: Perso nal, das bislang in der Flüchtlings koordination gebunden war, kann schrittweise in andere Aufgaben bereiche zurückkehren.

Erleichterung mit Verzögerung Dennoch planen viele Kommunen keinen Personalabbau. Die Erfah rungen der letzten Dekade haben deutlich gemacht, wie schwer es ist, qualifiziertes Personal im Asyl- und Sozialbereich zu reaktivieren. Viele Landkreise halten Strukturen des halb bewusst vor: „Wir dürfen den Fehler nicht wiederholen, nach je der Krise alles abzubauen“, mahnt Kölns Dezernentin für Allgemeine Verwaltung und Ordnung Andrea Blome. Auch das Bundesinnenmi nisterium rät zu einer „behutsamen Anpassung“ und stellt für 2026 wei tere Bundesmittel in Aussicht, um Übergangsphasen zu finanzieren. Die Bundeszentrale für politische Bildung schätzt die asylbedingten Ausgaben der Kommunen für das Jahr 2024 auf rund 15 Milliarden Euro – drei Milliarden weniger als im Vorjahr. Besonders die Kosten für Unterbringung, Sozialleistungen und Sprachförderung gehen zurück. Trotzdem bleibt die strukturelle Belastung hoch. Viele Kommunen haben langfristige Verträge für Unterkünfte abgeschlossen, die laufende Kosten verursachen. Zudem steigen die allgemeinen Sozialausgaben weiter: „Das Fass der kommunalen Handlungsfähigkeit läuft nach wie vor über, auch wenn weniger Wasser dazukommt,“ erklärt Berghegger Lehren aus der Krise Gleichwohl gibt die Entwicklung Städten und Gemeinden eine erste Gelegenheit zur Analyse. Die

Zwischen Entlastung und Ernüchterung

Kommunalverwaltungen weiter an Belastungsgrenze

(BS/Julian Faber) Die Zahl der Asylanträge sinkt bundesweit deutlich. Doch was wie eine Atempause für Kommunen wirkt, entpuppt sich allenfalls als vorübergehende Linderung: Personalengpässe, Integrationslasten und überfällige Verwaltungsreformen verstetigen den Ausnahmezustand – und die nächste Krise kommt bestimmt.

führer Christian Schuchardt. Das Gesetzespaket aus elf EU-Rechtsakten legt Verfahrens-, Anerkennungs- und Verteilungsstandards fest und soll ab Juni 2026 anwendbar sein.

Effizientere Verwaltungsverfahren werden stets gefordert – doch werden sie realisiert, zeigt sich, wie schwer der Staat sich mit solchen Beschleunigungen wirklich tut. Foto: BS/studio v-zwoelf, stock.adobe.com

größten Herausforderungen liegen demnach weniger in der Zahl der Geflüchteten als in mangelnder Planbarkeit, kurzfristiger Finanzierung und fehlender Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Richtig bleibe, dass Städte und Gemeinden „mehr finanzielle Unterstützung von Land und Bund bekommen“ und der „Reformprozess bei der Rückführung vorangetrieben“ werden müsse, so Christoph Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städtetages NRW. Auch Sozialverbände raten davon ab, Förderprogramme zu kürzen: „Integration ist kein temporäres Projekt, sondern eine Daueraufgabe“, so ein Sprecher des Paritätischen Gesamtverbandes.

„Was wir brauchen, sind praktikable Verfahren, nicht symbolische Ankündigungen.“

Martin Sommer, Landrat des Kreises Steinfurt

Mit dem Rückgang der Zahlen gerät auch die Rückkehrpolitik wieder stärker in den Fokus. Während die Bundesregierung Rückführungsabkommen mit mehreren Her -

kunftsländern vorbereitet, plädiert Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) weiterhin für europäische Rückkehrzentren außerhalb der EU, „um illegale Migration dauerhaft zu begrenzen“. Die Kommunen sehen solche Debatten mit gemischten Gefühlen: „Was wir brauchen, sind praktikable Verfahren, nicht symbolische Ankündigungen“, sagt beispielsweise der Landrat des Kreises Steinfurt, Martin Sommer. Der Deutsche Städtetag (DST) ruft die Bundesregierung dazu auf, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) möglichst zeitnah in nationales Recht zu überführen, „damit Migration innerhalb der EU besser gesteuert werden kann“, so DST-Hauptgeschäfts-

Resilienz statt Routine Ausnahmesituationen wie jene der vergangenen Jahre bergen jedoch auch die Chance, längst überfällige Entwicklungen zu erzwingen. Die Soziologie nennt dieses Phänomen kriseninduzierte Innovationen. Dieses Prinzip greift auch in der Verwaltung. Resilienz ist wohl der wichtigste Gewinn der letzten Dekade: „Wenn wir eines können, dann ist es Krise“, sagt der Leiter der Berliner Landesbehörde für Migration, Engelhard Mazanke Auf Geflüchtete aus der Ukraine habe sein Haus auf Grundlage der Erfahrungen ab 2015 schnell reagieren können: „Jede Person mit gültigem Pass konnte online einen Antrag stellen. Zeitnah, automatisiert und fälschungssicher konnten so Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erteilt werden.“ Angesichts der anhaltenden Stagnation und einer hohen Nachfrage nach Arbeitskräften eine pragmatische und zielgerichtete Lösung. Doch eine effiziente Verwaltung produziert noch immer mehr Verunsicherung als Euphorie: „Da ist doch gar kein Stempel drauf! Das muss das Hauptamt nochmal prüfen! Ich brauche die Gleichwertigkeitsbescheinigung der IHK“, zitiert aus einem Telefonat mit einer Kitaleitung nach einem Gespräch mit einer ukrainischen Bewerberin. Bei den Einbürgerungen sei die Situation sogar noch defizitärer: Über 40.000 offene Verfahren, nicht wenige davon 20 Jahre alt und in Papierform, verteilt auf alle zwölf Bezirke. Keine zentrale Steuerung, keine Digitalisierung, keine E-Akte. „Das ist ein Beispiel dafür, wie schwer es uns fällt, aus der Nutzerperspektive zu denken.“ Trotz sinkender Zugangszahlen bleibt eine spürbare Entlastung der Kommunen bisher ein fernes Traumbild. Ohne tiefgreifende Modernisierung der Verwaltungsprozesse und eine verlässliche Verstetigung der Finanzierung durch Bund und Länder drohen sich die strukturellen Probleme lediglich in der nächsten Krise fortzuschreiben.

Der Anteil der Sozialausgaben ist in den Kommunen in den vergangenen drei Jahrzehnten von 25 auf fast 38 Prozent gestiegen. Parallel legten die Verwaltungskosten im untersuchten Zeitraum 1992 bis 2022 zu: Sie machen momentan 20 Prozent des Gesamthaushalts aus. Die Aufwendungen für Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenbau, Abwasser- und Müllentsorgung schrumpften hingegen von 34 auf 20 Prozent. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Nur jeder fünfte Euro floss in Infrastrukturprojekte Vor allem die Ausgaben für Sozialhilfe und Kinderbetreuung stiegen in dem Zeitraum an. „Die Bürger zahlen den Ausbau der Sozialleistungen der vergangenen Jahrzehnten heute mit kaputten Straßen und maroden Schulen“, erklärte IW-Finanzexperte Björn Kauder. Die Studie konkretisiert weiter: Nur jeder fünfte Euro wurde 2022 in Infrastrukturprojekte investiert, 1992 war es noch jeder dritte Euro gewesen. Auch hat der Anteil der Sachinvestitionen abgenommen, von 21 Prozent im Jahr 1992 auf zwölf Prozent im Jahr 2022.

Mehr Ausgaben für Soziales und Verwaltung

Studie analysiert die kommunale Finanzlage

(BS/Anne Mareile Moschinski) Eine Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Schluss: Städte und Gemeinden haben in den vergangenen 30 Jahren sukzessive immer mehr Geld für soziale Leistungen und Verwaltung ausgegeben. Im Gegenzug schrumpfte das Budget für Infrastruktur-Investitionen enorm.

„Die Bürger zahlen den Ausbau der Sozialleistungen der vergangenen Jahrzehnte heute mit kaputten Straßen und maroden Schulen.“

Björn Kauder, IW-Finanzexperte

Das Resümee der Ökonomen: Ein großer Teil der kommunalen Ausgaben werde durch politische Entscheidungen von höherer Ebene bestimmt, deshalb müssten die Ausgaben auch von ebendiesen Ebenen ausfinanziert werden. „Für ein Ende der kommunalen Fi-

In den vergangenen drei Jahrzehnten haben die Kommunen immer weniger Geld in ihre Infrastruktur investiert. Der Einsturz der Carola-Brücke in Dresden löste 2024 eine Debatte über das Thema aus. BS/pureshot, stock.adobe.com

nanzkrise bedarf es ausfinanzierter Leistungen für Soziales und Jugend sowie einer Eindämmung der Verwaltungsaufgaben“, schreiben die

Autoren. Es herrsche in Städten und Gemeinden erhebliches Sparpotenzial, insbesondere durch eine effizientere Verwaltung.

Der Brandbrief, den die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus 13 Landeshauptstädten an Bundeskanzler Friedrich Merz und mehrere Ministerpräsidentinnen und -präsidenten Ende Oktober sandten, untermauert die Ergebnisse der Studie. Darin fordern die Kommunalpolitiker, die Grundsätze der kommunalen Finanzausstattung neu zu justieren. So würden aktuell Aufgaben ohne „angemessenen finanziellen Ausgleich“ übertragen, was die kommunalen Haushalte immer weiter belaste. Mit knapp 25 Milliarden Euro hatte die Neuverschuldung der Städte und Gemeinden 2024 ihren Höchststand seit der Wiedervereinigung erreicht. Forderung nach finanzieller Entschädigung

Der Appell der Stadtoberhäupter gleicht dem der Ökonomen: Gesetze, die den Kommunen Einnahmen entziehen oder zusätzliche Ausgaben aufbürden, sollten nur beschlossen werden, wenn es finanzielle Entschädigungen gibt. Auch müsse es nachträgliche Entschädigungen für bereits beschlossenen Maßnahmen, wie die Pendlerpauschale oder die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie, geben.

Natürlich sind Schulwege nicht nur in der dunklen Jahreszeit mit Risiken verbunden, doch gerade jetzt können die schlechten Lichtverhältnisse ein zusätzliches Risiko darstellen. Besonders dramatisch wird es, wenn Kinder in Unfälle verwickelt sind. Rund 27.260 Kinder unter fünfzehn Jahren verunglückten 2024 im Straßenverkehr. Die meisten davon auf dem Schulweg. Gefahr auf die letzten Meter Ein besonders hohes Risiko findet sich für die Kinder auf den letzten Metern des Schulweges und wird ausgerechnet durch Eltern verursacht, die ihre Kinder sicher zur Schule bringen wollen. Denn nach Untersuchungen des Auto Clubs Europa (ACE) zur Sicherheit von Schulwegen in Deutschland ignorieren 41 Prozent der erfassten „Elterntaxis“ die Verkehrsregeln, während sie ihr Kind an der Schule absetzen. Die häufigsten Vergehen, die festgestellt wurden, sind das Parken im Halteverbot, vor Einfahrten, auf den Gehwegen oder in zweiter Reihe. Dadurch werde unter anderem die Sicht anderer Verkehrsteilnehmender eingeschränkt und das Risiko bei Straßenquerungen für Schülerinnen und Schüler erhöht. Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verband Bildung und Erziehung bringt etwa ein Drittel der Eltern ihre Kinder zur Schule. Zwar sind es nur knapp 13 Prozent, die dies wöchentlich oder häufiger tun, aber das bedeutet immer noch eine erhebliche Anzahl an zusätzlichen Fahrzeugen, die für komplizierte Verkehrssituationen sorgen. Der Anteil an Eltern, die ihr Kind mit dem Auto zur Schule bringen, steigt dabei signifikant, je mehr Einwohner die Stadt hat. Besonders Kinder vor dem 14. Lebensjahr könnten komplexen Verkehrssituationen noch nicht richtig einordnen und verhielten sich evtl. nicht richtig, heißt es in der ACE-Studie. Es gilt also, das durch Elterntaxis verursachte Chaos zu vermeiden.

Beratung und Verkehrsberuhigung

Dabei gibt es verschiedene Lösungsansätze, die hier zu einem Erfolg führen können. Zum einen

Nicht umsonst gilt Kunstlicht seit 2011 gemäß dem Bundesimmissionsschutzgesetz als schädliche Umwelteinwirkung. Vor allem nachtaktive Insekten beeinträchtigt das künstliche Licht bei Paarung, Verhalten und Orientierung. Da etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden Insekten nachtaktiv ist, trägt die Dauerbeleuchtung zum dramatischen Insektensterben bei. Als wichtiger Teil der Nahrungskette bedroht der Verlust dieser Arten auch viele weitere Tiere wie Vögel oder Fledermäuse und letztlich die menschlichen Lebensgrundlagen.

Gesetzlicher Meilenstein

In Baden-Württemberg findet sich deshalb seit 2021 ein Paragraf im Naturschutzgesetz, der Vorgaben zur Beleuchtung macht. Dazu gehört, dass 1. Kommunen prüfen müssen, ob Beleuchtungsanlagen im Außenbereich sich schädlich auf Insekten auswirken,

Keine Reise im Dunkeln

Sicherheit von Schulwegen in der kalten Jahreszeit

(BS/sr) Die kalte Jahreszeit ist für viele Beschäftigte eine triste Zeit: Sie kommen im Dunkeln zur Arbeit und gehen im Dunkeln auch wieder nach Hause. Zudem erhöht sich noch die Gefahr auf den Straßen. Etwas, das für die schwächsten Teilnehmer des Straßenverkehrs, die auch schon früh unterwegs sind, umso mehr gilt. Wie gefährlich Schulwege in Deutschland jedoch tatsächlich sind, ist vielen Leuten nicht bewusst.

ist da die Schaffung von gut beleuchteten und gekennzeichneten Querungsmöglichkeiten für die Kinder auf ihrem Schulweg. Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass tatsächlich 99 Prozent der in der ACE-Studie betrachteten Schulwege über eine ausreichende Beleuchtung verfügen und immerhin 92 Prozent über Tempo-30-Zonen. Jedoch sind diese Maßnahmen keine Garantie für

einen sicheren Schulweg. Für eine Ausgestaltung von Maßnahmen existiert zum Beispiel in BadenWürttemberg bereits seit 2022 das Landesprogramm „MOVERS – Aktiv zur Schule“, das Schulen und Kommunen konkret bei der Erstellung von Schulwegeplänen, der Verbesserung von Schulwegen oder bei der Einrichtung von Schulstraßen unterstützt. Dazu findet gemeinsam mit den Mobili-

täts-Beratenden des Landes eine Begehung und Beratung vor Ort statt. In dem Termin werden konkrete Lösungsansätze erarbeitet, die im Anschluss mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Daneben hat das Land seit einigen Monaten auch die Einrichtung von Schulstraßen und Schulzonen für Kommunen erleichtert. Bei Schulstraßen handelt es sich dabei um Straßen, die für den allgemeinen

Straßenlaternen, die kein Licht nach oben abstrahlen, haben gleich mehrere entscheidende Vorteile. Foto: BS/progressman, stock.adobe.com

Verkehr zwischen 7:30 und 15:00 Uhr gesperrt sind. Dadurch können auch keine Elterntaxis mehr in die Straßen einfahren. Bei den Schulzonen handelt es sich hingegen um verkehrsberuhigte Bereiche, die unabhängig von der Uhrzeit gelten. Diese Verkehrsberuhigung sichert zwar das direkte Umfeld der Schule besser, kann aber zu einer Verlagerung der Elterntaxi an den Rand und die Nachbarschaft dieser Zonen führen.

Viel zu tun

Eine erfolgversprechende Maßnahme – neben dem allgemeinen Ausbau der Verkehrssicherheit –scheint daher die Verringerung der Zahl der Elterntaxis zu sein. Hierzu ist es jedoch erforderlich, dass Eltern die Schulwege ihrer Kinder auch tatsächlich als sicher einschätzen können. Aktuell schätzen nach der Forsa-Umfrage aber immerhin fast 20 Prozent der Eltern die Schulwege als „eher unsicher" oder „unsicher" ein. Nach der ACEStudie sind sogar 36 Prozent der betrachteten Schulwege mangelhaft oder gefährlich. Was kann also noch getan werden? Für die Eltern sind demnach die bereits beschriebenen, gut sichtbaren und für Kinder begreifbaren Querungsstellen wie Ampeln, Fußgängerüberwege oder Mittelinseln sowie Tempo 30 oder verkehrsberuhigte Zonen wichtig. Daher empfiehlt unter anderem der ADAC, das Kinder in den kalten Monaten helle und oder reflektieren Materialien tragen. So kann die Sichtbarkeit nach Angaben des ADAC auf bis zu 140 Meter erhöht werden.

Schulwegplanung

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bereits bei der Planung eines Schulweges etwaige Gefahrenstellen zu vermeiden oder zu beseitigen. Dazu existieren bereits mehrere Online-Angebote, die dabei helfen, Schulwege ohne gefährliche Bereiche wie Unfallhäufungsstellen, unübersichtliche Kreuzungen oder fehlende Gehwege zu planen und die auch Querungshilfen, Schülerlotsen -Angebote oder Ampelanlagen aufzeigen.

Weniger Licht, mehr Leben

Natur schützen und Geld sparen

(BS/Brigitte Heinz) Strahlende Schaufenster, Industriegebiete oder beleuchtete historische Denkmäler – die Nacht erstrahlt hell in unseren Kommunen. Doch das hat verheerende Folgen für Menschen, Tiere und selbst Pflanzen.

sondern auch eine Chance für Kommunen, aktiv zum Schutz der Artenvielfalt beizutragen und zugleich die Lebensqualität in ihrer Gemeinde oder Stadt zu erhöhen.

Durch den Einsatz moderner, insektenverträglicherer Beleuchtung werden Energieverbrauch und Lichtverschmutzung reduziert – das spart Kosten, schützt die Natur und stärkt das ökologische Bewusstsein in der Bevölkerung. Kommunen, die frühzeitig handeln, übernehmen eine Vorreiterrolle, wenn sie den wissenschaftlichen Maßstäben für weniger insektenschädliche Beleuchtung folgen.

usw.) nicht überschritten werden. In Anwohnerstraßen sind drei Lux mittlere Leuchtdichte ausreichend und auf Parkplätzen maximal zehn Lux. Verbindlich festgeschriebene Beleuchtungsstärken gibt es nicht. Die Reduzierung der Beleuchtungsstärke schützt nicht nur Insekten und andere Tiere, sondern spart auch Strom.

• Ausrichtung der Leuchten: Licht sollte dahin gelenkt werden, wo es gebraucht wird: auf Gehwege, Straßen und Plätze. Jede Leuchte sollte zum Boden hin ausgerichtet und der Lichtkegel nur so groß, wie tatsächlich benötigt sein.

Maßstäbe für Beleuchtung

2. Fassaden aller baulichen Anlagen in den Sommermonaten gar nicht und in den Wintermonaten nur bis 22 Uhr beleuchtet werden dürfen, 3. Kommunen bestehende Straßenbeleuchtung nach anerkannten Regeln der Technik für insektenfreundliche Beleuchtung bis zum Jahr 2030 um- oder nachrüsten müssen. Diese gesetzlichen Vorgaben zur weniger schädlichen Beleuchtung sind nicht nur eine Verpflichtung,

• Notwendigkeit prüfen: Ist eine Beleuchtung überhaupt notwendig oder kann sie ab einer bestimmten Uhrzeit abgeschaltet werden? Bei neuen Anlagen sollten Kommunen auf intelligente Systeme setzen, die sich nach Bedarf an- und ausschalten.

• Beleuchtungsstärke verringern:

• Richtige Lichtfarbe wählen: Der blaue Lichtanteil hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie viele Insekten angelockt werden. Bernsteinfarbene LEDs mit einer Farbtemperatur von circa 1.800 Kelvin sind deshalb besonders schonend.

• Leuchten abschirmen: Die Leuchten sollten kein Licht oberhalb der Horizontalen abstrahlen. Das verhindert Blendwirkung bei Passanten und das Abstrahlen von Licht in die Atmosphäre.

• Abgedichtete Leuchten verwenden: Die Leuchten sollten über eine Abdichtung verfügen, sodass Insekten und Spinnen nicht eindringen können.

anpassen. Das bedeutet etwa, dass sie ihre Geschwindigkeit reduzieren müssen, wenn die Sichtverhältnisse schlecht sind. Wer das nicht macht, handelt in der Regel auf eigenes Risiko. Schließlich ist die Dunkelheit der Nacht kein regelwidriger Zustand. Kommunale Haftungsrisiken bestehen daher nur bei von ihnen geschaffenen Gefahrenstellen wie etwa Baugruben, die sie entsprechend sichern müssen. Kommunen wie beispielsweise Gütersloh gehen inzwischen mit gutem Beispiel voran und schalten die Straßenbeleuchtung nachts ganz ab.

Mit weniger Licht leisten Kommunen aber nicht nur einen Beitrag zum Schutz der Artenvielfalt und der menschlichen Gesundheit. Im Biosphärenreservat Rhön zeigt sich, dass eine Reduktion der Lichtverschmutzung den Tourismus fördern kann. Über den Sternendörfern der Rhön ist die Milchstraße wieder sichtbar und zieht Menschen aus ganz Deutschland an.

An Hauptstraßen sollte eine mittlere Leuchtdichte von 7,5 bis 15 Lux (je nach Verkehrsaufkommen, erlaubter Höchstgeschwindigkeit

• Sicherheit durch homogene Ausleuchtung: Helligkeitsunterschiede entlang der Wege, Straßen und Plätze sollten möglichst gering ausfallen, da sich sonst dunkle und blendende Bereiche abwechseln. Auch für Menschen bedeutet eine homogene Ausleuchtung mehr Sicherheit durch weniger Blendung.

Mythos Beleuchtungspflicht Eine gesetzliche Beleuchtungspflicht besteht nur an Fußgängerüberwegen auf Anordnung der Straßenverkehrsbehörden oder wenn polizeiliche Gründe vorliegen. Diese müssen jedoch im konkreten Fall begründet festgestellt werden. Die Spielräume, wie Verkehrswege beleuchtet werden, sind für die Kommunen also sehr groß. Das muss genutzt werden, um schädliche Beleuchtung zu vermeiden.

Auch Bedenken wegen Haftungsrisiken, die in Kommunen oft herrschen, sind meist unbegründet. Denn Verkehrsteilnehmende müssen ihr Verhalten grundsätzlich an die vorherrschenden Bedingungen

Brigitte Heinz ist Diplom-Biologin und leitet das landesweite Projekt „Die Nachtretter“ beim BUND Baden-Württemberg.

Foto: BS/BUND Baden-Württemberg

Kiel. Förde. Zukunft gestalten.

Die Landeshauptsadt Kiel mit ihren 250.000 Einwohner*innen ist eine dynamische, weltoffene und wachsende Großstadt.

Das Dezernat für Finanzen, Personal, Ordnung und Feuerwehr mit seinen rund 1.000 Mitarbeitenden im Personal- und Organisationsamt (Amt 01), im Amt für Innovation und Zentrale Services (Amt 04), im Ordnungsamt (Amt 10), in der Feuerwehr (Amt 13), im Stadtamt (Amt 24), im Hafenamt (Amt 73), im Amt für Finanzwirtschaft (Amt 90) und im Referat Betriebliche Gesundheit und Arbeitsschutz (Referat DIII.BG) steuert die städtischen Haushalts-, Personal- und Organisationsprozesse, sichert die Finanzwirtschaft und verantwortet zentrale Verwaltungsdienste sowie digitale Dienstleistungen. Außerdem sorgt es für öffentliche Sicherheit und Ordnung, den Feuerwehrdienst, die Hafenverwaltung sowie die interne Arbeits- und Gesundheitsvorsorge.

Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir voraussichtlich ab dem 01.01.2026 eine überzeugende Persönlichkeit als Stadträtin / Stadtrat (w/m/d) für das Dezernat für Finanzen, Personal, Ordnung und Feuerwehr

Die Planstelle der Stadträtin/des Stadtrates ist nach der Besoldungsgruppe B 4 des Schleswig-Holsteinischen Besoldungsgesetzes (SHBesG) ausgewiesen.

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Gestalten Sie das Stadtbild Winterbergs – Ihre Expertise im Hochbau ist gefragt!

Die Stadt Winterberg mit rund 13.000 Einwohner*innen liegt im Herzen des Sauerlands und ist als Tourismus- und Freizeitstandort weit über die Region hinaus bekannt. Als Fachbereichsleitung übernehmen Sie die Verantwortung für ein engagiertes Team von rund 40 Mitarbeitenden. Der Fachbereich Bauen, Stadtentwicklung und Infrastruktur vereint drei neu gebildete Sachgebiete, die die gesamte Bandbreite kommunaler Bau- und Infrastrukturaufgaben abdecken: „Bauen und Stadtentwicklung“, „Gebäudemanagement“ sowie „Tiefbau“ (inkl. Baubetriebshof mit ca. 25 Mitarbeitenden). Für die kommenden Jahre sind interessante Hochbauprojekte mit einem Volumen im zweistelligen Millionenbereich geplant, darunter der Erweiterungsbau des Geschwister-Scholl-Gymnasiums sowie der Neubau zweier moderner Feuerwehrhäuser.

Für unsere Verwaltung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und gestaltungsmotivierte Persönlichkeit als Fachbereichsleitung Bauen, Stadtentwicklung und Infrastruktur (w/m/d)

Diese attraktive Position wird, abhängig von Ihren Voraussetzungen, bis A 14 LBesG NRW bzw. für tariflich Beschäftigte bis EG 14 TVöD-VKA vergütet. Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Josefine Harig, Alexander Wodara oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Zukunft gestalten – Verantwortung übernehmen: Für eine engagierte, moderne und bürgernahe Stadt Bad Bentheim!

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Die niedersächsische Stadt Bad Bentheim liegt im Landkreis Grafschaft Bentheim, direkt an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden. Rund 16.500 Einwohnerinnen und Einwohner, eine lebendige Wirtschaft, vielfältige Kultur- und Freizeitangebote, eine gute verkehrliche Anbindung sowie eine hohe Lebensqualität prägen unsere Stadt. Tradition und Fortschritt schließen sich hier nicht aus. Bad Bentheim mit seinen „drei B´s“: Bad, Burg und Bühne ist Gesundheits- und Tourismusstandort. Die Stadt verfügt über leistungsstarke Gewerbebetriebe. Mit der Energieversorgung Bad Bentheim und weiteren Gesellschaften, an denen die Stadt mehrheitlich beteiligt ist, verfolgt sie das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung. Rat und Verwaltung treiben die Stadtentwicklung auf der Grundlage einer Nachhaltigkeitsstrategie voran. Im Zuge einer Altersnachfolge suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und gestaltungserfahrene Führungspersönlichkeit als Erste Stadträtin / Erster Stadtrat (w/m/d)

Die Besoldung richtet sich nach A 16 NBesG, ergänzt um eine Dienstaufwandsentschädigung. Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Elisa Heinen, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Kiel. Förde. Zukunft gestalten. Das Dezernat für Bildung, Jugend und Kultur der Stadt Kiel mit seinen rund 2.200 Mitarbeitenden gestaltet die Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen und entwickelt Bildungsmöglichkeiten und die Vielfalt kultureller Angebote weiter.

Dazu tragen u. a. bei: 57 allgemeinbildende Schulen, 4 Regionale Berufsbildungszentren (RBZ) und vielerlei Ganztagsangebote, 167 Kitas, Familienzentren und Kindertagespflege, 28 Mädchen-, Kinder- und Jugendtreffs, 180 Spiel- und Bolzflächen sowie eine starke Kinder- und Jugendbeteiligung, der Allgemeine Sozialdienst, die Kinderund Jugendhilfedienste mit Hilfen zur Erziehung, die Schulsozialarbeit mit weiteren Angeboten in Schulen und eine neue Infrastruktur zur Umsetzung von Inklusion, ein „6-Sparten-Theater“, einschließlich eines künftig modernisierten Konzertsaals, ein neues Zentrum für Zeitgeschichte, die Volkshochschule, die Stadtbüchereien, die Musikschule, die Stadtgalerie, die Kieler Museen sowie andere Kulturhäuser und eine generell vielfältige freie Kulturszene.

Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir ab dem 01.05.2026 eine überzeugende Persönlichkeit als Stadträtin / Stadtrat (w/m/d) für das Dezernat für Bildung, Jugend und Kultur

Die Planstelle der Stadträtin/des Stadtrates ist nach der Besoldungsgruppe B 4 des Schleswig-Holsteinischen Besoldungsgesetzes (SHBesG) ausgewiesen. Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Elisa Heinen oder Julia Schwick gerne zur Verfügung. Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Gestalten Sie ein zukunftsfähiges Finanzmanagement in Osnabrück!

Osnabrück, das heißt: offen, sozial, vielseitig, naturverbunden, überraschend, bodenständig, attraktiv, überschaubar, wachsend – eben Lebensqualität auf den ersten und zweiten Blick! Fast 170.000 Einwohnerinnen und Einwohner fühlen sich hier zu Hause – und als Teil einer Stadt, die glücklich macht. Als Arbeitgeberin setzen wir Schwerpunkte auf Vielfalt und Verlässlichkeit, Kollegialität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir sagen stolz: »Wir sind bei der Stadt!« – und freuen uns auf Sie als neue Kollegin und neuen Kollegen.

Der Fachbereich Finanzen und Controlling mit seinen sechs zugeordneten Fachdiensten versteht sich als Dienstleister in Fragen der öffentlichen Finanzen für die Osnabrücker Bürgerinnen und Bürger sowie für die rund 3.300 Mitarbeitenden. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine motivierende Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung

Finanzen (w/m/d)

Diese verantwortungsvolle Position wird nach A 16 NBesG bzw. EG 15 TVöD vergütet. Die unbefristete Vollzeitstelle kann grundsätzlich bei sich einander ergänzenden Arbeitszeiten in Teilzeit besetzt werden.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Yanna Schneider, Alexander Wodara und Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

Bauen. Bewahren. Lüneburg gestalten.

Bauen Sie an der Zukunft einer Stadt mit Geschichte!

Mit rund 78.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist die Hansestadt Lüneburg das wirtschaftliche und kulturelle Oberzentrum Nordostniedersachsens. In attraktiver Lage zwischen Hamburg und Hannover verbindet Lüneburg historische Vielfalt mit moderner Urbanität, hoher Lebensqualität und einer lebendigen Kulturszene. Das Dezernat VI umfasst die Stabsstelle Bauverwaltung und die drei Fachbereiche Stadtentwicklung, Tiefbau und Grün, Gebäudewirtschaft. Das Dezernat steht für nachhaltiges Wachstum, den Erhalt des historischen Stadtbildes und die Weiterentwicklung lebenswerter Quartiere im Einklang mit Klima und Natur. Auch unsere Stadtverwaltung befindet sich im Wandel – wir gestalten Innovation inmitten unserer historischen Altstadt mit mehr als 1.500 Baudenkmalen.

Unterstützen Sie uns hierbei zum nächstmöglichen Zeitpunkt als Stadtbaurätin oder Stadtbaurat (w/m/d)

Die Wahl erfolgt auf Vorschlag der Oberbürgermeisterin für eine Amtszeit von acht Jahren. Die Dienstbezüge richten sich nach Besoldungsgruppe B 4 NBesG zzgl. einer Dienstaufwandsentschädigung.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Sanny Martinez oder Julia Schwick gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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Als Interimsmanager*in schaffen Sie in kurzer Zeit einen Mehrwert.

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Vieles ist aktuell in Bewegung. Der demographische Wandel fordert von öffentlichen Verwaltungen und kommunalen Unternehmen neue Herangehensweisen und Lösungsansätze für anstehende Aufgaben.

Für Kundenprojekte in allen Funktionsbereichen des öffentlichen Sektors suchen wir erfahrene und ambitionierte Persönlichkeiten als

Interimsmanagerin / Interimsmanager (w/m/d)

Als Interimsmanager*in übernehmen Sie bei unseren Kunden kurzfristig Verantwortung, um dringende Aufgaben und Projekte effizient und erfolgreich umzusetzen.

Was Sie mitbringen sollten:

Erfahrung: Mehrjährige Berufs- und Führungserfahrung in verantwortungsvoller Position, idealerweise im öffentlichen Sektor oder in projektnahen Aufgabenstellungen.

Flexibilität: Bereitschaft, sich schnell in neue Themenfelder und Organisationen einzuarbeiten.

Kompetenz: Fundiertes Wissen in den Bereichen Verwaltung, Prozessoptimierung, Digitalisierung oder strategisches Management.

Persönlichkeit: Ausgeprägte Kommunikations- und Führungskompetenz sowie eine hohe soziale und interkulturelle Sensibilität.

Verfügbarkeit: Offenheit für zeitlich befristete Einsätze mit wechselnden Aufgabenstellungen.

Interessiert?

Für einen ersten vertraulichen Kontakt steht Ihnen unter der Rufnummer 0178 8894251 zfm-Geschäftsführer Edmund Mastiaux zur Verfügung.

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

Schlagen Sie die Brücke zwischen Politik und Verwaltung – mit juristischem Feingefühl und strategischem Blick! Unsere Stadt liegt im Herzen einer wirtschaftsstarken Region zwischen zwei Großstädten in NRW und verbindet urbanes Leben mit naturnaher Umgebung. Dank einer hervorragenden Verkehrsanbindung, vielfältigen Bildungs- und Freizeitangeboten sowie einer modernen Infrastruktur bietet sie ideale Voraussetzungen für Arbeit, Familie und Erholung.

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und kommunikationsstarke Persönlichkeit als

Volljuristin oder Volljurist als Leitung Bürgermeisterbüro (w/m/d)

In dieser Funktion übernehmen Sie eine zentrale Beratungs- und Steuerungsfunktion innerhalb der Stadtverwaltung und berichten direkt an den Bürgermeister. Die Eingruppierung erfolgt je nach Qualifikation bis zur Besoldungsgruppe A 16. Alternativ ist ein Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst mit entsprechender Entgeltgruppe möglich.

Sie verfügen über politisches Gespür, ein gutes Verständnis kommunaler Prozesse und ein wertorientiertes Handeln im Sinne demokratischer Grundprinzipien.

Interessiert?

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Yanna Schneider oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.

Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung

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D igitalisierung ist kein Selbstläufer. Sie macht Verwaltungen schneller, bürgerfreundlicher und effizienter. Sie schafft aber zugleich neue Verletzlichkeiten. Wie real diese Risiken sind, zeigte der Cyber-Angriff auf die Gemeinde Petersberg in Hessen am 7. Februar 2024 mit eindrucksvoller Klarheit.

Von einem Moment auf den anderen war die komplette Verwaltung arbeitsunfähig. Bildschirme blieben dunkel, Außenstellen standen still, Bürgerdienste waren nicht nutzbar. Während einige Bereiche im März wieder anliefen, blieben besonders sensible Prozesse wie Zahlungsverkehr oder Gebühreneinzug deutlich länger gestört. Erst Ende April konnte die Verwaltung wieder auf einen einigermaßen regulären Betrieb zurückschalten.

Petersberg hatte Glück im Unglück. Die Datensicherung war kurz vor dem Angriff aktualisiert worden und die Täter hatten keinen Zugriff darauf. Dadurch konnten nahezu alle Daten wiederhergestellt werden. Ohne diese Sicherung wäre der Schaden ungleich größer gewesen.

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt.

Foto: BS/privat

Bedeutung des Internen Kontrollsystems

Lessons learned aus Petersberg

Die Gemeinde reagierte entschlossen. IT-Forensiker wurden hinzugezogen, um die Schwachstelle zu identifizieren und zu schließen. Gleichzeitig nutzte Petersberg die Krise als Modernisierungsschub. Veraltete Anwendungen wurden durch sicherere Produktgenerationen ersetzt, interne Abläufe wurden überprüft, Sicherheitsmechanismen verstärkt. Der Angriff war damit Auslöser für ein „Change-Management“ und Ausgangspunkt für einen sichereren, moderneren IT-Betrieb.

Der Fall macht aber auch deutlich, wie groß die strukturellen Herausforderungen für Kommunen sind. Viele Verwaltungen arbeiten mit komplexen, historisch gewachsenen Systemlandschaften. Fachverfahren stammen von unterschiedlichen Anbietern, Schnittstellen sind teilweise jahrelang unverändert und Sicherheitsupdates werden nicht immer zeitnah eingespielt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Angriffe auf kommunale IT stetig zu. Zudem werden sie immer professioneller, automatisierter und oft mit hoher krimineller Energie ausgeführt.

Lessons learned…

I. Cyber-Vorfälle sind keine Seltenheit mehr. Sie sind Teil der digitalen Realität inerhalb der kommunalen Arbeit.

II. Digitale Sicherheit ist keine technische Nebensache, sondern ein strategischer Bestandteil kommunaler Leistungsfähigkeit vergleichbar mit Brandschutz, Notfallplanung oder Haushaltssteuerung.

Sechs zentrale Empfehlungen:

1. Nehmen Sie Datensicherungen ernst. Backups sind die Rückfallebene, ohne die digitale Verwaltung nicht überlebensfähig ist.

2. Halten Sie die Systeme aktuell. Veraltete Software ist das bevorzugte Einfallstor für Angriffe. Updates und Patches sind kein lästiger Mehraufwand, sondern ein Sicherheitsfaktor.

3. Üben Sie die Krise. Notfallhandbücher helfen nur, wenn sie gelebt werden. Nur reale Tests zeigen, ob Wiederanlaufpläne funktionieren und welche Abläufe nachgeschärft werden müssen.

4. Sensibilisieren Sie die Mitarbeitenden. Viele Angriffe beginnen mit einer einzigen fehlerhaften Entscheidung, den Inhalt einer E-Mail zu öffnen. Bewusstsein ist einer der wirksamsten Schutzmechanismen.

5. Nutzen Sie moderne Technologien. Sicherheit ist immer auch eine Frage von Standards. Nicht

Kommunen im Würgegriff

Toxischer Finanz-Cocktail in Niedersachsen

Cybersicherheit ist schon lange kein Nischenthema mehr, doch gerade wenn das Personal fehlt, kann das schwere Folgen für Kommunen haben. Foto: BS/Mono, stock.adobe.com

nur Ihre Fachsysteme sollten aktuell und sicher sein. Nutzen Sie z.B. auch sichere Authentifizierungsverfahren.

6. Bündeln Sie Fachwissen, Reaktionsfähigkeit und Kosten in einer IKZ. Gemeinsame Standards und Abwehrzentren, kooperative Vergabe und geteilte Notfallkonzepte professionalisieren den Support und die Widerstandsfähigkeit. Der Cyber-Angriff auf Petersberg war ein Weckruf. Er zeigt, wie verwundbar Verwaltungen sein können. Er zeigt aber auch, wie viel möglich ist, wenn eine Kommune

(BS/jf) Niedersachsens Kommunen geraten zunehmend unter finanziellen Druck. Der Kommunalbericht 2025 offenbart Rekordschulden, stagnierende Einnahmen, wachsende Aufgaben und Investitionsrückstände – insbesondere bei den Schulen. Gleichzeitig fehlt das Personal, um Projekte vorranzutreiben. Für Verwaltung und Politik wächst damit der Handlungsdruck, die Leistungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung zu sichern.

Niedersachsens Kommunen mussten im vergangenen Jahr fast vier Milliarden Euro Finanzdefizit ausgleichen – der höchste Wert seit Jahren. Foto: BS/Martina Berg, stock.adobe.com

Es ist ein ernüchterndes Fazit, das der Niedersächsiche Landesrechnungshof (LRH) in seinem aktuellen Kommunalbericht zieht: „Während die Schulden ungebremst wachsen, bleiben Innovationen aus“, warnt Präsidentin Sandra von Klaeden. Die Lage vieler Städte, Gemeinden und Landkreise habe sich „dramatisch verschlechtert“ – ein Befund, der mittlerweile nicht mehr nur einzelne Bundesländer sondern die gesamte Rebuplik durchzieht. Für 2024 weist der Bericht ein Defizit der kommunalen Haushalte von rund vier Milliarden Euro aus, die Gesamtverschuldung stieg auf über 17 Milliarden Euro. „Der Griff zum Kredit wird für viele Kommunen zum Dauerinstrument“, so von Kleaden. Damit sin-

ken die Handlungsspielräume der Kommunen weiter.

Wachsende Lücken, sinkende Spielräume Besonders deutlich wird dies bei Betrachtung des Investitionsstaus: Die Rückstände summieren sich in den Kreisen auf 6,8 Milliarden Euro, 60 Prozent davon entfallen auf die Bildungsinfrastruktur. Marode Gebäude, energetische Sanierungslasten und fehlende Ausstattung bilden die größten Baustellen. Wie der LRH ausführt, berichten 81 Prozent der der Kreise von fehlendem Personal in Bau- und Vergabestellen – wodurch selbst vorhandene Mittel nicht zeitgerecht verbaut werden können. Verstärkt wird das Problem durch langfristige Finanzierungsver-

pflichtungen wie das Bedienen von Liquiditätskrediten.

Steigende Sozialausgaben, Personalkosten und und stagnierende Steuereinnahmen verschärfen die Lage weiter. Viele Kommunen verschieben Projekte deshalb seit Jahren und riskieren, dass sich Instandhaltungslasten weiter aufbauen.

Demografie als Brandbeschleuniger Der LRH betont zudem, dass der demografische Wandel mittlerweile alle Regionen Niedersachsens erreicht hat. Wachsende Städte wie Hannover, Osnabrück oder Oldenburg benötigen dringend zusätzliche Infrastruktur beispielsweise beim ÖPNV, während ländliche Regionen unter Abwanderung und Einnahmeausfällen leiden. Diese räumliche Divergenz erschwert landesweit eine gleichmäßige Finanzaustattung und zwingt zur Priorisierungen, die der Bevölkerung oft nur schwer vermittelbar sind. „Die kommunale Selbstverwaltung ist ein tragendes Prinzip unseres Staates – sie darf aber nicht zur bloßen Pflichterfüllen degradiert werden“, kommentiert Frederick Meyer (CDU), Bürgermeister Isenbüttels die Diganose des LRH. Auch im Bereich der Schuldigitalisierung zeigt sih ein gemischtes Bild: Zwar verfügen fast alle berufsbildenden Schulen inzwischen über leistungsfähige Breitbandanschlüsse, doch fehlt es weiterhin vielerorts an den passenden Endgeräten und Systemadministrationen. Dadurch bleibt das Potenzial digitaler

Lernformen unausgeschöpft – eine Problematik, die bereits der vorrangegangene Kommunalbericht hervorgehoben hat.

Der Engpass der Modernisierung Ohne ausreichend Personal können Städte und Gemeinden in Niedersachsen weder modernisieren noch investieren – diese Diagnose zieht sich wie ein roter Faden durch die Prüfungsergebnisse des LRH. Vergabeverfahren dauern länger, Fördermittelrufe stocken, und im operativen Betrieb fehlen qualifizierte Fachkräfte zur Umsetzung komplexer Projekte. Darüberhinaus mahnt der Bericht zu mehr Transparenz und strategischer Steuerung bei Digitalisierungsprojekten der Verwaltung. Zwar habe sich die Nutzung der E-Akte in nahezu allengeprüften Kommunen verbessert, doch bleibe die Steuerung allzu oft fragmentiert und kostenintensiv.

Handlungsspielräume sichern

Der Kommunalbericht 2025 macht deutlich: Niedersachsens Städte und Gemeinden stehen unter erheblichen Druck. Von Klaeden betont: „Der Wandel ist längst Realität – mit spürbaren Auswirkungen auf Finanzen, Personal und Leistungsfähigkeit der Kommunen.“ Damit Verwaltungen handlungsfähig bleiben, braucht es stabile Personalstrukturen, zielgerichtete Investitionen und Förderprogramme. Klar ist: Nur wer seine Strukturen stärkt, kann langfristig gestalten.

entschlossen reagiert. Digitalisierung ist die große Chance und kann der „Game-Changer“ sein. Doch sie wird nur dann zu einem echten Erfolg, wenn wir auch ihre Risiken ernst nehmen und diese konsequent begrenzen.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2025, Hessischer Landtag, Drucksache 21/2980 vom 21. November 2025, S. 73 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter https://rechnungshof. hessen.de abrufbar.

Signalwirkung

Klagen zur Grundsteuer (BS/amm) Voraussichtlich bis 10. Dezember wird der Bundesfinanzhof (BFH) über drei Grundsteuerklagen entscheiden. Das Urteil dürfte wegweisende Folgen haben.

Die drei Klagen, über die das oberste deutsche Finanzgericht entscheidet, kommen aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin, die alle bei der Grundsteuerberechnung das sogenannte Bundesmodell anwenden. Gegen die seit Januar dieses Jahres geltende neue Grundsteuer-Regelung haben bislang insgesamt hatten mehr als 2.000 Grundstückseigentümer geklagt, drei Fälle kamen nun bis vor den BFH. Dabei dürfte das Urteil Signalwirkung haben, die Finanzgerichte haben bereits anhängige Verfahren bis zur Entscheidung des BFH ausgesetzt. Im Grundsatz geht es vor allem darum, ob die Kläger die Beurteilung ihrer Grundstücke hinnehmen müssen oder ob diese so grob daneben liegt, dass sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Der Gesetzgeber hatte Kriterien für die Neubewertung von rund 36 Millionen Grundstücken finden müssen. Pauschalisoerungen sind bei Massenverfahren wie Steuerbescheiden erlaubt mit dem Risiko, dass nicht jedes Grundstück zu 100 Prozent richtig eingeordnet wird.

Der Eigentümer-Verband Haus und Grund und der Bund der Steuerzahler unterstützen die Kläger und sehen in der neuen GrundsteuerBerevhnung eine übermäßige und damit rechtswidrige Belastung. Diese gehe aus ihrer Sicht so weit, dass das Grundsteuergesetz des Bundes verfassungswidrig sei.

Behörden Spiegel: Frau Krebs, was zeichnet das Projekt in Körperich aus?

Anna Carina Krebs: Es handelt sich um die erste serielle Turnhallensanierung in Rheinland-Pfalz. Das Gebäude aus dem Jahr 1971 gehörte zu den energetisch schlechtesten 25 Prozent in Deutschland. Nach der Sanierung wird es auf den Effizienzstandard 40 EE kommen und rund 94 Prozent weniger Energie verbrauchen. Damit wird die Halle technisch auf Neubau-Niveau gebracht – bei deutlich kürzerer Bauzeit und, aufgrund der attraktiven Förderkulisse, geringeren Kosten als bei einer konventionellen Sanierung.

Behörden Spiegel: Wie funktioniert serielle Sanierung in der Praxis?

Krebs: Die Fassaden- und Dachelemente werden im Werk vorgefertigt – inklusive Dämmung, Fenster und Leitungsführungen. Vor Ort werden sie nur noch montiert. In Körperich besteht die neue Gebäudehülle aus regionalem Holz, gefertigt von einem Holzbaubetrieb aus der Umgebung. Die Montage der 28 Fassadenelemente dauert unter perfekten Bedingungen rund zehn Arbeitstage. Das verkürzt die Bauzeit erheblich und reduziert Beeinträchtigungen für Schule und Kita.

Behörden Spiegel: Das Projekt verbindet Energieeffizienz mit Kreis-

Es sei höchste Zeit für einen Neustart in der Finanzierung des Verkehrssystems, ist Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, überzeugt. Das Sondervermögen sei zwar ein wichtiger Schritt, denn es helfe den Investitionsstau abzubauen. Es reiche aber noch lange nicht aus, um Schienen, Brücken, Straßen sowie den ÖPNV zukunftsfähig zu machen. „Bislang wird lediglich einer prognostizierten Verkehrsentwicklung hinterhergeplant. Für die Zukunft sollte die Bundesregierung politische Ziele setzen und daran die Planung und Finanzierung ausrichten – orientiert am Ziel der Klimaneutralität und mit den Grundsätzen Erhalt vor Neubau und Schiene vor Straße“, erläutert Zimmer „Aufbauend auf der Analyse mittelund längerfristiger Finanzierungsbedarfe und -optionen in den Berei-

Sanierung im Rekordtempo

Turnhallen effizient erneuern

(BS) Mit der überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) stehen Kommunen unter Zugzwang: Bis 2033 sollen 25 Prozent der energetisch schlechtesten Nichtwohngebäude saniert werden. Besonders betroffen sind Schulen, Kitas und Turnhallen. In Körperich in der Südeifel wird derzeit eine dieser Hallen seriell saniert – als Pilotprojekt für Rheinland-Pfalz. Anna Carina Krebs, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Südeifel, erläutert im Interview mit Scarlett Lüsser, wie sich Effizienz, Ressourcenschonung und Förderpraxis vereinen lassen.

laufwirtschaft. Wie wurde das umgesetzt?

Krebs: Beim Projekt wurde nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip geplant. Alle Materialien können sortenrein zurückgebaut und wiederverwendet werden. Zusätzlich werden Bauteile des Bestands integriert: Das Holz des alten Daches dient künftig als Unterkonstruktion für die neuen Module, die alte Stehfalzeindeckung wird als Wandverkleidung eingesetzt. So können Rohstoffe und die sogenannte graue Energie eingespart werden, die bereits im Gebäude steckt. Das ist ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich vernünftig.

Behörden Spiegel: Bauen im Bestand steckt voller Überraschungen. Konnten Sie die Sanierung wie geplant umsetzen?

Krebs: Nein, aus der ursprünglich angedachten Minimallösung mit Weiternutzung der Turnhalle

während der Sanierung wurde nach detaillierter Bestandsanalyse eine Maximallösung. Das Dach musste instandgesetzt und auch die Wärmeversorgung, der Hallenboden und die Leitungen mussten erneuert werden. Damit war klar, dass die Nutzung während der Sanierung nicht möglich ist. Dennoch bleibt der Zeitgewinn gegenüber einer herkömmlichen Sanierung beachtlich. Die Halle soll im Sommer 2026 wieder genutzt werden können.

Behörden Spiegel: Wie wurde das Vorhaben fi nanziert?

Krebs: Die Verbandsgemeinde Südeifel hat verschiedene Fördermittel kombiniert. Insgesamt stammen rund drei Viertel der Investitionssumme aus Bundes- und Landesprogrammen. Das Land RheinlandPfalz unterstützt mit Mitteln aus dem Kommunalen Investitionsprogramm für Klimaschutz und Innovation sowie aus dem Klimabündnis Bauen RLP. Der Fördermix

Anna Carina Krebs ist die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Südeifel. Foto: BS/Verbandsgemeinde Südeifel

munen sollten deshalb im Vorfeld der seriellen Sanierung eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Sie liefert die technischen und wirtschaftlichen Begründungen, um Leistungen rechtssicher zusammenzufassen. Das erleichtert den Einstieg in diese neue Bauweise erheblich.

Behörden Spiegel: Welche Lehren ziehen Sie aus dem Projekt?

für serielle Sanierungsprojekte. Teilen Sie diese Einschätzung?

Krebs: Ja, das öffentliche Vergaberecht ist auf klassische, gewerkeweise Abläufe ausgerichtet. Serielle Sanierung erfordert dagegen eine gewerkeübergreifende Planung. Kom-

Konkrete Ziele statt zielloser Mittel

Infrastruktur braucht mehr als nur Investitionen

(BS/sl) Ein gut funktionierendes Verkehrssystem ist ein Thema, das maßgeblich die Zukunft unseres Landes mitgestaltet.

Viel Hoffnung wurde in das Sondervermögen gesteckt. Doch das könnte nicht reichen. In einer neuen Studie der Agora Verkehrswende und des Dezernats Zukunft zum öffentlichen Finanzbedarf für Infrastruktur, ÖPNV und Automobilwirtschaft wurde herausgearbeitet, was für ein solches Verkehrssystem und dessen Finanzierung getan werden muss.

chen Verkehrsinfrastrukturen des Bundes, ÖPNV und Automobilwirtschaft“ spreche der Sachverständigenrat in einem Eckpunktepapier acht Empfehlungen für die Jahre bis 2035 aus. Um das Verkehrssystem zukunftsfähig zu machen, brauche es u. a. eine konkrete Zukunftsvision, auf die sich Bund und Länder einigen und dann darauf hinarbeiten müsten. Dazu müsse sich die Politik auch auf konkrete Investitionsprojekte einigen und diese einbeziehen. Auch das herkömmliche Verfahren zur Auswahl

Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur

von Infrastrukturvorhaben müsse reformiert und transparenter gemacht werden.

Um diese Pläne umzusetzen, müssen auch zusätzliche Finanzierungsquellen erschlossen und gewichtet werden. Ein paar Beispiele wären die staatliche Kreditaufnahme, zusätzliche Nutzungsgebühren oder die Beteiligung von Nutznießenden des ÖPNVs an der Finanzierung. Für den Sachverständigenrat ist besonders die Schiene ein wichtiger Teil für eine zukunftsfähige Infrastruktur. Deshalb müsse das Investiti-

onsvolumen dafür stetig gesteigert und ein Eisenbahninfrastrukturfond geschaffen werden. Zusätzlich sei eine Reformierung des Trassenpreissystems unerlässlich. Auch müsse das ÖPNV-Angebot deutlich ausgebaut werden. Um das Ziel, annähernd doppelt so viele Fahrgäste zu befördern, innerhalb der kommenden 15 Jahre zu erreichen, müssten deutlich mehr öffentliche Mittel in dieses Angebot investiert werden. Dazu könne z. B. „der Bund über eine Aufstockung und stärkere Dynamisierung der Regiona-

Dr. Olaf Joachim

Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen

Krebs: Serielle Sanierung ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein, um kommunale Bestandsgebäude fit für die klimaneutrale Zukunft zu machen. Sie verlangt sorgfältige Vorbereitung, eine enge Abstimmung mit den Förderstellen und die Bereitschaft, sich auf neue Abläufe einzustellen. Wenn das gelingt, kann der kommunale Gebäudebestand schneller transformiert werden – ökologisch, wirtschaftlich und sozialverträglich.

Schwerpunkt

lisierungs- und GVFG-Mittel sowie eine Förderung von E-Bussen und automatisierten Fahrzeugen beitragen“. Zudem müsse die Transformation der Automobilwirtschaft hin zur Elektromobilität angekurbelt werden. Das könne durch eine temporäre Anschubfinanzierung beim Kauf von E-Pkws unterstützt werden. Im gleichen Zug könne man auch die heimische Wirtschaft stärken, indem die europäische, wettbewerbsfähige Fertigung und das Recycling von Batteriezellen gefördert würden. „Der Finanzierungsbedarf ist hoch. Um ihn abzudecken, braucht es neue oder weiterentwickelte Finanzierungsinstrumente“, heißt es in dem Eckpunktepapier. Und damit neue Instrumente wirken können, brauchen sie oft Zeit – weshalb es umso wichtiger ist, sie so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen.

Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Deutscher Bundestag

Rainer Holznagel

Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschland

www.oeffentliche-infrastruktur.de

Behörden Spiegel: Wie kann die Zahl tödlicher Unfälle im Straßenverkehr verringert werden?

Peter Schlanstein: Um die hohe Zahl tödlicher Unfälle innerorts zu reduzieren, müssen Infrastruktur und Verkehrsplanung stärker auf die Bedürfnisse ungeschützter Verkehrsteilnehmender – also Fußgänger, Radfahrende und E-Scooter-Nutzende – ausgerichtet werden. Notwendig sind breitere, barrierefreie Gehwege, geschützte Radverkehrsanlagen, gesicherte Querungshilfen und eine stadtweit konsistente Führung für alle Verkehrsteilnehmenden. Kurze Ampelwartezeiten, Mittelinseln und klare Sichtbeziehungen erhöhen die objektive und subjektive Sicherheit. Besondere Gefahrenstellen wie Kreuzungen und Haltestellenbereiche müssen entschärft werden, etwa durch Abbiegeassistenten und getrennte Ampelphasen. Zudem bedarf es der Verknüpfung von Verkehrsplanung mit Stadtentwicklung – Mobilität soll menschengerecht gestaltet werden. Der Ausbau von Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit, nicht nur vor Schulen, Kitas und Pflegeeinrichtungen, ist evidenzbasiert wirksam. Die Magistralen (Hauptverkehrslinien; Anm. d. Red.) können positiv beschildert mit 50 km/h geführt werden. Der Schlüssel liegt zum Teil im Regeldefizit sowie in der nötigen flächendeckenden Umsetzung bestehender Standards. Die Verkehrsinfrastruktur muss sich am Maßstab der Verletzlichsten orientieren – das ist auch ein Gebot sozialer Gerechtigkeit.

Die Schwächsten als Kompass

Tempolimits als wirksames Mittel

(BS) Über 100.000 Fußgänger und Radfahrer wurden 2024 im Straßenverkehr verletzt — davon über 800 tödlich. Die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e. V. (VOD) stellte den diesjährigen Verkehrsexpertentag daher unter das Thema „Schutz für Ungeschützte“. Wie die Straßen Deutschlands sicherer werden, erklärt Peter Schlanstein, geschäftsführender Vorstand des VOD, im Interview. Die Fragen stellte Lars Mahnke.

Peter Schlanstein von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (HSPV NRW), Münster ist geschäftsführender Vorstand der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD).

Grünphasen. Hier helfen barrierefreie Ampeln, Sitzgelegenheiten und Querungshilfen. Menschen mit Behinderungen stoßen auf ungenügende Bordsteinabsenkungen, unklare Wegführung

„Tempolimits, insbesondere Tempo 30 innerorts, senken nachweislich die Unfallzahlen und Schwere von Kollisionen. Bereits ein um zehn km/h geringeres Tempo kann das Todesrisiko bei Kollisionen mit Fußgängern halbieren.“

Behörden Spiegel: Wie können denn konkret Verkehrswege für die Verletzlichsten, wie Kinder oder Personen mit Behinderung, gestaltet werden?

Schlanstein: Kinder benötigen sichere Schulwege, Tempo 30 vor Bildungseinrichtungen, gut einsehbare Überwege sowie eine stärkere Verkehrsbildung. Jugendliche profitieren von Freiräumen mit klarer Verkehrsführung. Ältere Menschen leiden oft unter zu engen Gehwegen, fehlender Beleuchtung und langen

und fehlende taktile oder akustische Signale. Eine inklusive Verkehrsplanung muss diese Barrieren abbauen, Partizipation fördern und gesetzliche Standards einfordern. In Summe ist ein gerechter Zugang zum öffentlichen Raum Grundlage für sichere Mobilität – unabhängig von Alter oder Fähigkeit.

Behörden Spiegel: In welchem Umfang tragen Fußgänger selbst durch Regelverstöße – etwa beim Überqueren der Fahrbahn oder bei

Sicher zu Fuß in NRW

Rotlicht – zu gefährlichen Situationen bei und wie lässt sich dieses Verhalten wirksam adressieren, ohne zu stigmatisieren?

Schlanstein: Nach wie vor sind die Opferzahlen im Fuß- und Radverkehr erschreckend hoch. Laut Statistischem Bundesamt wurden allein 2024 in Deutschland über 28.000 Zufußgehende und 93.000 Radfahrende im Straßenverkehr verletzt, über 840 davon tödlich. Damit handelt es sich bei fast jedem dritten Getöteten um einen Menschen, der am wenigsten zu den Gefahren im Straßenverkehr beiträgt.

Fußgänger sind zwar gelegentlich durch Regelverstöße wie das Überqueren bei Rot oder an unübersichtlichen Stellen an Unfällen beteiligt. Doch in rund drei Vierteln der Unfälle mit Fußgängerbeteiligung sind Fahrzeugführende die Hauptverursacher. Die Ursachen sind meist mangelnde Infrastruktur wie fehlende Querungshilfen oder zu lange Ampelphasen, die Belange des Fußverkehrs beeinträchtigen. Um sicherheitswidriges Verhalten zu reduzieren, braucht es keine pauschale Schuldzuweisung, sondern eine Analyse der Ursachen. Nudging-Ansätze, bessere Ampelzyklen, mehr Aufklärung z. B. durch Verkehrserziehung und

NRW startet landesweite Verkehrssicherheitskampagne (BS/lm) Zum Beginn der dunklen Jahreszeit eröffneten Innenminister Herbert Reul (CDU) und Verkehrsminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) in Krefeld den landesweiten Aktionstag „Sicher zu Fuß in NRW“. Die Veranstaltung eröffnete eine Themenwoche der NRW-Initiative #sicherimStraßenverkehr, die auf die zunehmenden Gefahren für Fußgängerinnen und Fußgänger aufmerksam machen möchte.

Anlass gab die besorgniserregende Unfallbilanz auf NRWs Straßen. In der ersten Jahreshälfte 2025 verloren 46 Fußgänger sowie 27 Radfahrende ihr Leben – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Besonders betroffen sind laut Statistik Kinder und ältere Menschen.

„Ein einziger unachtsamer Moment kann alles verändern“, mahnte Reul und appellierte an alle Verkehrsteilnehmenden, aufmerksam zu bleiben, das Handy beiseitezulegen und Rücksicht zu zeigen. Krischer ergänzte: „Sicherheit im Straßenverkehr entsteht

durch gegenseitige Rücksicht. Wir unterstützen die Kommunen dabei, Fußwege attraktiv, barrierefrei und sicher zu gestalten.“

Besucherinnen und Besucher konnten in Krefeld mit Virtual-Reality-Brillen Gefahrensituationen nachempfinden, an einem Rollatortraining teilnehmen oder den Straßenverkehr durch die Augen eines Kindes erleben. Eine Schüleraktion machte zudem auf die Gefahren durch Falschparker aufmerksam. Darüber hinaus nutzten die beiden Minister die Gelegenheit, neue Partner in das landesweite Präven-

tionsnetzwerk aufzunehmen. Neben der Stadt Krefeld traten auch drei Landessektionen des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (BADS) der Initiative bei. Polizeioberrat Markus Szech, Geschäftsführer der Initiative, hob die Bedeutung der wachsenden Allianz hervor: „Es macht uns alle sehr stolz, dass die NRW Initiative #sicherimStraßenverkehr kontinuierlich wächst und mittlerweile bundesweit das größte Netzwerk im Bereich der Verkehrsunfallprävention mit nun über 40 Partnerinnen und Partner darstellt“

Social-Media-Kampagnen sowie bauliche Lösungen wie Mittelinseln können Verhaltensänderungen fördern. Es gilt, strukturelle Mängel zu beheben, nicht Verhalten zu stigmatisieren.

Behörden Spiegel: Sie sprachen von den Bedürfnissen von E-Bike- und E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrern. In dieser Gruppe steigen die Unfallzahlen stetig. Wie kann dem entgegengewirkt werden?

Schlanstein: Die Zahl der verunglückten E-Scooter-Fahrenden stieg 2024 um knapp 30 Prozent auf fast 11.000, mit 27 Todesopfern – fast ein Drittel mehr als 2023. Die meisten Verunglückten sind die Fahrenden selbst, aber auch Fußgänger sind durch unsachgemäß abgestellte Scooter oder Konflikte auf dem Gehweg gefährdet. Eine Integration in die Verkehrsinfrastruktur erfordert eigene Stellflächen, klare Führungswege, verpflichtende Beleuchtung, Helmnutzung sowie eingehaltene Promillegrenzen. Für E-Bikes braucht es klare Tempovorgaben im Mischverkehr, sichere Abbiegelösungen und die infrastrukturelle Trennung vom Fußverkehr. Städte sollten Mikromobilität nicht einfach dulden, sondern aktiv gestalten. Eine Kennzeichnungs- und eine Versicherungsnachweispflicht für Sharing-Fahrzeuge könnten die Nutzung zusätzlich disziplinieren. Eine erhöhte Kontrolldichte und bessere Ausbildung für die Polizei im Umgang mit Fahrzeugtechnik, u. a. zu Tuning-Nachweisen, würden die Entdeckungswahrscheinlichkeit erhöhen und damit die Regelakzeptanz verbessern.

Behörden Spiegel: Tempolimits haben in der Bevölkerung einen schlechten Ruf. Wie könnte sich das ändern lassen?

Schlanstein: Tempolimits, insbesondere Tempo 30 innerorts, senken nachweislich die Unfallzahlen und die Schwere von Kollisionen. Bereits ein um zehn km/h geringeres Tempo kann das Todesrisiko bei Kollisionen mit Fußgängern halbieren. Seit 2024 ist es Kommunen durch eine StVOReform erleichtert, Tempo 30 insbesondere vor sozialen Einrichtungen anzuordnen. Pilotprojekte zeigen, dass Tempolimits insbesondere bei baulicher Begleitung (z. B. Fahrbahnverengung) akzeptiert werden.

Widerstand kommt oft von Teilen der Bevölkerung, die Zeitverlust befürchten. Tatsächlich liegt dieser rechnerisch bei rund 30 Sekunden je Kilometer Fahrstrecke innerorts. In der Praxis wäre er wesentlich geringer, da der Verkehr homogener fließen würde. Öffentlichkeitsarbeit, verständliche Kommunikation der Vorteile sowie Evaluation erfolgreicher Modellkommunen fördern die Akzeptanz. Die „lebenswerte Stadt“ muss erlebbar gemacht werden, etwa durch verkehrsberuhigte Quartiere.

Behörden Spiegel: Welche Führungs- und Verkehrsverhaltensfehler von Kraftfahrzeugführern sind besonders unfallträchtig und wie können Infrastruktur, Ausbildung und Technik diesen Risiken entgegenwirken?

Schlanstein: Überhöhte Geschwindigkeit, Ablenkung durch Smartphones, fehlerhaftes Abbiegen und Missachtung von Vorfahrtsregeln zählen zu den häufigsten Ursachen schwerer Unfälle mit vulnerablen Verkehrsteilnehmenden. Besonders gefährlich: das Abbiegen von Lkw und Bussen ohne Assistenzsysteme. Abhilfe schaffen verpflichtende Assistenzsysteme, bessere Fahrerschulungen, gezielte Aufklärung sowie technische Lösungen wie getrennte Ampelphasen und Vorrangregelungen für Zufußgehende. Infrastruktur muss Fehler verzeihen: durch bauliche Trennung und klar erkennbare Verkehrsführung. Prävention beginnt bei der Ausbildung und endet nicht bei der Technik. Verkehrsüberwachung muss konsequent erfolgen – insbesondere bei Handyverstößen und beim Parken auf Gehwegen.

Behörden Spiegel: Moderne Fahrerassistenzsysteme in Pkw und Nutzfahrzeugen können dazu beitragen, schwere Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern zu verhindern. Welche Systeme sollten verpflichtend werden?

Schlanstein: Moderne Assistenzsysteme können Leben retten: Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung, Abbiegeassistenten, Totwinkelwarner und Spurhalteassistenten senken nachweislich das Unfallrisiko. Dennoch sind viele dieser Systeme bislang nicht verpflichtend – vor allem bei leichten Nutzfahrzeugen oder importierten Modellen. Die neue EU-Verordnung 2019/2144 setzt zwar Standards, lässt aber Schlupflöcher. Besonders dringend wäre eine Nachrüstpflicht für Lkw in Städten. Wichtig ist auch die Verbesserung der Systemerkennung für Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Technik ist kein Allheilmittel – aber ein unverzichtbarer Bestandteil sicherer Mobilität im urbanen Raum.

Über die Effektivität innerstädtischer Tempolimits klärte Prof. Dr.

der

sident des Wissenschaftlichen

auf.

Foto: BS/E. Koßmann
Bernhard Schlag, Prä-
Beirats
VOD, Ende November auf dem 23. VOD-Verkehrsexpertentag
Foto: BS/MH-konzept

Digitaler Staat

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Dezember 2025

Volle Leitung voraus

www.behoerdenspiegel.de

D(BS/Carla Menzel) In vielen ländlichen Regionen Deutschlands fehlt noch schnelles Internet: 2,1 Prozent der Bundesfläche sind ohne mobilen Breitbandzugang, 27 Millionen Haushalte verfügen bislang über keinen Glasfaseranschluss. Das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) will mit gezielten Initiativen den Ausbau von Mobilfunk und Glasfaser in unterversorgten Regionen vorantreiben.

as BMDS hat ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vorgelegt, mit dem Ziel, insbesondere den Glasfaserausbau in Mehrfamilienhäusern zu beschleunigen. Für jedes Gebäude soll ein ausbauendes Telekommunikationsunternehmen das Recht auf den Vollausbau aller Wohnungen eines Gebäudes erhalten. Zudem soll ein befristetes Zugangsverweigerungsrecht von zwei Jahren eingeführt werden. In dieser Zeit dürfe nur das ausbauende Unternehmen die neu gebaute gebäudeinterne Glasfaserinfrastruktur nutzen. Nach Ablauf dieser Frist sollen andere Anbieter das Netz nutzen können. Sie würden ein Entgelt zahlen, das die Investitionskosten des Ausbauunternehmens decke. Damit sollen Ausbauanreize gewahrt bleiben, während gleichzeitig ein dauerhaftes Monopol verhindert werde. Die Telekom begrüßt das geplante Vollausbaurecht und betont, dass ein Recht zum FTTH-Ausbau im gesamten Gebäude nötig sei, da sonst „der Ausbau weiter verzögert bzw. flächendeckend nicht stattfinden“ werde. Zudem seien „klare Regeln, die einen effektiven Zugang ermöglichen und kostenbasierte Entgelte festschreiben“ entscheidend, um Investitionen zu sichern.

Rebecca Lenhard (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Bundestags und Sprecherin für Digitales und Staatsmodernisierung, befürchtet, dass Unternehmen beim Vollausbau ihr Monopol innerhalb eines Gebäudes ausnutzen könnten. Nur durch fairen Zugang für alle Anbieter könnten Nutzerinnen und Nutzer echte Wahlfreiheit genießen. Parallel zum Vollausbau in Mehrfamilienhäusern skizziert das

BMDS im Konsultationspapier von September 2025 einen geordneten Übergang vom Kupfer- zum Glasfasernetz.

Die Migration soll in zwei Phasen erfolgen: Zunächst sollen Kundinnen und Kunden freiwillig auf Glasfaser wechseln. Begleitend plant das Ministerium Informationsmaßnahmen für Kunden und Kommunen, um den Übergang transparent zu machen.

„Ich werde persönlich dafür sorgen, dass der Ausbau

Chefsache bleibt und wir gemeinsam große Sprünge nach vorn machen.“

Dr. Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung

Anschließend könnte das Kupfernetz schrittweise im Rahmen eines geregelten Verfahrens nach Paragraf 34 TKG abgeschaltet werden. TK-Unternehmen, die Kupferleitungen stilllegen wollen, müssten vorab bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) anmelden, welche Anschlüsse betroffen sind, wann die Abschaltung erfolgen soll und dass alle Haushalte entweder an Glasfaser angeschlossen sind oder über alternative Breitbandanschlüsse mit vergleichbarer Geschwindigkeit verfügen.

Gleichzeitig soll die Bundesnetzagentur prüfen, dass andere Anbieter fairen Zugang zur Glasfaserinfrastruktur erhalten, damit kein

Unternehmen die Nutzung exklusiv kontrolliert und Kunden weiterhin die Wahl zwischen verschiedenen Anbietern haben. Die Telekom hält es für richtig, dass Kupferleitungen erst abgeschaltet werden, wenn die Gebäude bereits mit FTTH-Gebäudeanschlüssen ausgestattet sind. Einen Zwang zum Wechsel lehnt das Unternehmen hingegen ab: „Es ist nicht der Zeitpunkt, um unser Kupfernetz abzuschalten und eine zwangsweise Kupfer-Glas-Migration anzuordnen.“ Stattdessen solle der Ausbau freiwillig und marktgetrieben erfolgen: „Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Ausbaukosten und Ausbauhürden zu senken und überflüssige Bürokratie und Überregulierung abzubauen.“

Weiße Flecken, bunte Lösungen

Auch der mobile Breitbandausbau rückt stärker in den Fokus des BMDS. Die Studie „Analyse von weißen Flecken“ des Ministeriums liefert eine neue Datengrundlage: In Deutschland gibt es 23.500 weiße Flecken mit einer Gesamtfläche von 7.518 Quadratkilometern – das entspricht 2,1 Prozent der Bundesfläche. Die meisten dieser weißen Flecken sind kleiner als ein Quadratkilometer und machen 30 Prozent der unversorgten Fläche aus. Die größeren Gebiete nehmen die übrigen 70 Prozent ein. Besonders betroffen sind ländliche Regionen, Wälder, Höhenlagen, Grenzgebiete und Naturschutzgebiete. In den südlichen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz gibt es besonders viele unversorgte Flächen ohne Mobilfunk. Die Studie zeigt nicht nur, wo die weißen Flecken liegen, sondern macht auch deutlich, wie sie gezielt geschlossen werden sol-

len. Vorgeschlagen wird der Ausbau bestehender 4G- und 5G-Netze an den identifizierten Funklöchern, unterstützt durch finanzielle Anreize für private Anbieter, damit auch unrentable Regionen versorgt werden. Bund, Länder und Kommunen sollen ihre Ausbauprojekte enger abstimmen, um Planung und Umsetzung zu beschleunigen. Die Versorgungslücken sollen fortlaufend erfasst und öffentlich kartiert werden, um den Fortschritt transparent zu machen. Gleichzeitig sollen Informationskampagnen die Bevölkerung über die Lücken und neue Angebote aufklären und lokale Initiativen für den Ausbau fördern.

Digitale Infrastruktur als Chefsache

Das BMDS setzt zudem gezielt auf Austausch: Anfang Oktober berief Dr. Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, Delegierte der Länder, Kommunen und der Telekommunikationsbranche zu einem Spitzentreffen ein, um den Ausbau der digitalen Infrastruktur zu beschleunigen. Im Gesprächsmittelpunkt standen die Herausforderungen beim Glasfaser- und Mobilfunkausbau sowie die geplante Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze. Wildberger betont: „Ich werde persönlich dafür sorgen, dass der Ausbau Chefsache bleibt und wir gemeinsam große Sprünge nach vorn machen.“ Die Teilnehmenden verständigten sich zudem darauf, Verhandlungen über ein Memorandum of Under-standing (MoU) aufzunehmen, das erstmals verbindliche und messbare Ziele für den Infrastrukturausbau festschreiben soll. Die Gespräche sollen im ersten Quartal 2026 abgeschlossen werden. Die politische Bewertung des Vorhabens fällt unterschiedlich aus.

Zustimmung kommt unter anderem aus Baden-Württemberg: Digitalisierungsminister Thomas Strobl (CDU) bewertet die Initiative von Bundesdigitalminister Wildberger als wichtigen Schritt für eine flächendeckende Glasfaserversorgung in Deutschland. Schnelle Netze seien essenziell für Gesellschaft und Wirtschaft und der Ausbau könne durch mehr Transparenz und Messbarkeit besser gesteuert werden. Aus der Opposition kommen warnende Stimmen: Rebecca Lenhard betont, dass die jüngsten Initiativen zum Netzausbau ohne konkrete und überprüfbare Ausbauziele nur symbolischen Charakter hätten. Deutschland brauche „jetzt einen Netzausbau, der den Wettbewerb stärkt, Verbraucherinnen und Verbraucher schützt und nachhaltige Strukturen schafft. Nur so gelingt digitale Teilhabe für alle, nicht nur in den Ballungszentren, sondern überall im Land“.

Notwendiger Schritt

In der Branche selbst wird das Vorgehen grundsätzlich positiv aufgenommen, allerdings mit klaren Erwartungen. Philipp Müller, Geschäftsführer von ANGA Der Breitbandverband e. V., lobt die Dialoginitiative des Ministers als „guten und notwendigen Schritt“ und hebt hervor, dass dieser in den ersten Monaten seiner Amtszeit gezeigt habe, dass es ihm mit dem Gigabitausbau ernst sei. Gleichzeitig weist Müller darauf hin, dass noch viele Fragen offen seien. Entscheidend ist aus Sicht von ANGA, dass der Ausbau künftig messbare Fortschritte liefert. Denn nur so könne ein „bestes Netz für Deutschland“ entstehen. Mehr zu unserem Schwerpunkt Breitband lesen Sie auf Seite 34.

Bild: BS/Hoffmann

GDigitale Verwaltung

Rheinland-Pfalz 2026

enerell geht ihm diese zwar „immer noch zu langsam“, doch erste Erfolge stellten sich bereits ein und fänden Anerkennung – etwa in Form des GovDigital-Sonderpreises für die konsequente Nutzung des Einer-für-alle-Modells (EfA). Dörte Schall, Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz, untermauerte den digitalen Verwaltungsfortschritt mit Zahlen. Von 198 Maßnahmen seien im Land 20 Prozent abgeschlossen, 73 Prozent befänden sich in der Durchführung. Einen hohen Stellenwert genieße in Rheinland-Pfalz digitale Bildung, stellte Schall klar. 92 Prozent der Lehrkräfte nutzten das Bildungsportal RLP, auf dem u. a. OnlineLehrpläne, Fortbildungsangebote und eine Learning Community zu finden seien. Nicht minder wichtig

„Der Zeitpunkt, den Menschen „Probiert es aus!“ zu sagen, ist gekommen.“

Dr. Denis Alt, CIO von Rheinland-Pfalz

Haase sieht das Ranking als „guten Gradmesser”, es sei aber auch teils ungenau in der Erfassung. So würden in den Daten für den Index zum Beispiel emissionsarme Busse erfasst, aber keine Straßenbahnen, die per se emissionsarm seien.

Weniger Ziele, mehr

Eff ekte

Rheinland-Pfalz modifiziert seine Digitalstrategie

(BS/cb) Deutschlands Bürokratie werde vom Ausland oft „wie ein Tanker gesehen“, erklärt Rheinland-Pfalz‘ CIO Dr. Denis Alt: sich langsam in Fahrt setzend, dann aber stetig vorankommend. Ähnlich sieht der Staatssekretär die Digitalisierung in seinem Bundesland.

Für Dörte Schall, Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, muss letztere vor allem auch „nach innen wirken“ – also in der Verwaltung.

ist für die Ministerin die digitale Teilhabe aller Menschen, wie sie betont. Eigene „Digitalbotschafter“

sorgten dafür, dass Seniorinnen und Senioren den Umgang mit Smartphones und Tablets lernten

Foto: BS/Bildschön

oder das Anlegen einer E-Akte übten. Für den Schutz vor Hass und Hetze im Netz hat die Landesregie-

Die Wahrnehmung der Bevölkerung

Digitale Teilhabe in Stadt und Fläche

(BS/Scarlett Lüsser) Wie gut sind die rheinland-pfälzischen Gemeinden an der Smart-City-Front aufgestellt? Diese Frage versucht der im September erschienene „Smart City Index” aufzuschlüsseln – und stellt der Landeshauptstadt Mainz mit Platz 51 von 83 kein sonderlich gutes Zeugnis aus. Ganz so einfach sei es aber nicht, ist der Mainzer Oberbürgermeister, Nino Haase, der Ansicht.

„Mit nur Personalaufwuchs werden wir die Komplexität […] auf gar keinen Fall mehr in den Griff bekommen.“

rung zudem die Kampagne #ScrollNichtWeg ins Leben gerufen. KI-Ökosystem und Best Practices Im Juni 2025 hat Rheinland-Pfalz ein KI-Ökosystem beschlossen. Schall bietet an, diese „Leitlinien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung“ als Beispiel für andere Landesregierungen zur Verfügung zu stellen. Den Verwaltungsmitarbeitenden sichere und bestenfalls eigens entwickelte KILösungen, etwa zur Textzusammenfassung, an die Hand zu geben, ist auch CIO Alt ein Anliegen. Ansonsten verblieben wertvolle Informationen „irgendwo bei ChatGPT und Co“. War Alt auf der letztjährigen Veranstaltung noch zögerlich, den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz neue digitale Lösungen zu präsentieren, da diese möglicherweise noch nicht ausgereift seien und für Frust sorgen könnten, zeigte er sich im Rahmen des diesjährigen Kongresses zuversichtlicher: Der Zeitpunkt, den Menschen „Probiert es aus!“ sagen zu können, sei gekommen. Für die nahe Zukunft setze Rheinland-Pfalz auf Reduktion. Das Digitalprogramm für 2026 reduziere die Anzahl der digitalen Projekte bewusst, damit die verbleibenden Ziele möglichst alle erfolgreich umgesetzt werden könnten. erklärt Schall

Nino Haase, Oberbürgermeister von Mainz

Dennoch ist für ihn klar: Um die Digitalisierung in der Verwaltung voranzutreiben, dürfe man sich nicht auf alles gleichzeitig stürzen. Stattdessen sei eine Priorisierung wichtig, beispielsweise auf Umsetzungen, von denen auch die Bürgerinnen und Bürger etwas hätten, wie z. B. Apps oder direkte Anwendungen, was zudem Sichtbarkeit erzeuge. „Wir sind uns alle darüber einig: Mit nur Personalaufwuchs werden wir die Komplexität der Gesetzgebung und der zusätzlichen Leistungen auf gar keinen Fall mehr in den Griff bekommen; es geht nur darum, dass wir unsere Prozesse nicht als gottgegeben ansehen, sondern sagen, die müssen wir verändern und auf neue Technik anpassen.“ Hier sieht er auch den Unterschied zwischen Bürokratie und Bürokratismus. Erstere sei der notwendige rechtliche Rahmen, Letzterer hingegen sei alles darüber Hinausgehende, was entstehe, wenn gerade die führenden Entscheiderinnen und Entscheider

Für CIO und Staatssekretär Dr. Denis Alt ist Vernetzung „eine Stärke von Rheinland-Pfalz“.

übervorsichtig seien. Auch hier sei eine Standardisierung dringend notwendig, denn dadurch ließen sich solche überbordenden Maßnahmen eindämmen. Das sei auch keine Frage der Politik, sondern des Managements in den Behörden. Der designierte Verbandsbürgermeister der Verbandsgemeinde Leinigerland, Daniel Krauß, spricht für die Gemeinden in der Fläche im ländlich geprägten RheinlandPfalz. Zwar seien die Gemeinden ein „bunter Flickenteppich“, doch seien besonders der Austausch zwischen den Kommunen und der Blick über den Tellerrand zu anderen Bundesländern wichtig. Für ihn stehen und fallen gelungene Digitalisierungsprojekte auch mit den beteiligten Akteurinnen und Akteuren: „Und

auch wenn das bekannt ist, muss man trotzdem einfach loslaufen, um überhaupt voranzukommen.“

Insgesamt zieht Krauß die Bilanz, dass es in der Fläche zwar etwas schleppend laufe, aber dennoch vorangehe.

Berichte aus der Praxis Auch Sarah Brühl möchte die Digitalisierung auf dem Land vorantreiben. Aus diesem Grund engagiert sie sich schon seit zehn Jahren für das von Fraunhofer IESE ins Leben gerufene Äquivalent zu Smart Citys: Digitale Dörfer. Sie berichtet von mehreren Phasen, deren Ergebnisse unterschiedlich gute Weiternutzung erfahren hätten. Was immer noch genutzt werde und sich großer Nachnutzung in Rheinland-Pfalz er-

Dass es zwischen Digitalisierungsinnovationen und Bürokratieabbau auch unterhaltsam zugehen kann, zeigte die Reaktion des Publikums in Mainz mehrfach.

freut, seien die beiden Webanwendungen „DorfNews“ und „LösBar“ sowie die App „DorfFunk“. DorfNews und -Funk können individuell an die Bedürfnisse der nutzenden Kommune angepasst werden und bieten ähnliche Funktionen. Sie dienen als Kommunikationsplattform der Gemeinde für die Bürgerinnen und Bürger. Dagegen ist LösBar ein Chatportal, welches die Einwohnerinnen und Einwohner eine Gemeinde direkter mit der Verwaltung verbindet. Hier können Probleme, aber auch positives Feedback gemeldet werden. Ein einfacher Weg ohne viele Hürden. Zusätzlich gebe es seit 2020 ein Netzwerk für digitale Dörfer, über dass sich interessierte Kommunen austauschen, Lernprozesse und Hilfe teilen und auch Kooperationen und Arbeitsgruppen ins Leben rufen könnten. Es sei wichtig, die wenigen Ressourcen, die den Kommunen zur Verfügung stünden, effektiv zu nutzen. Dies gelinge durch Vernetzung und Wissenstransfer besonders gut, erklärt Brühl

Oberbürgermeister Nino Haase skizziert, wie digitaler Fortschritt dort ankommen soll, wo er Bürgerinnen und Bürger erreicht: in den Kommunen. Alle Fotos: BS/Bildschön

Mainz'

Maximilian Walz, Vice President Technology Transformation & Strategic Incubation bei der Deutschen Telekom, führte aus, wie die Cloud-Souveränität in Europa gefördert werden soll.

Digitalisierung sollte wirkungsorientiert gesteuert werden. Diesen Ansatz bestärkte Susanne Burmeister, Referatsleiterin für die Digitalisierung der Vorgangsbearbeitung im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung.

Dr. Markus Bremkamp, Geschäftsführer bei AB-DATA und Vorstand im VOIS-Verein, erläuterte, wie durch das VOIS-Konzept eine BaukastenPlattform für Software-Lösungen im Kontext kommunaler Aufgaben entstehen soll.

„Die Ausgangslage ist klar: steigende Komplexität, steigende Anforderungen, aber sinkende Kapazitäten“, stellt Brunzel fest. Klassische Reformrezepte griffen angesichts dieser Dynamik zu kurz. Statt weitere Digitalisierungsinseln zu schaffen, müsse es darum gehen, „Komplexität aus den Verwaltungsmechanismen herauszunehmen, zu pauschalisieren und zu vereinfachen“.

Als theoretische Grundlage verwies Brunzel in Mainz auf Heinrich Reinermann, der sich bereits in den 1980er-Jahren mit Fragen einer radikalen Veränderung der Verwaltung auf der Basis neuer technologischer Möglichkeiten beschäftigt hatte. Datenzentrierung galt für ihn als Schlüssel für eine solche Entwicklung. In der Praxis setzte sich jedoch auf der Basis der neuen technischen Möglichkeiten erst einmal die parallele Entwicklung einer Vielzahl dezentraler Fachverfahren durch – ein Ansatz der damals teilweise sehr innovativ war und heute aber behindert“, so Brunzel. Heute müsse sich die Verwaltung stärker in ihrer Gesamtperspektive „wirkungsorientiert“ausrichten– Prozesse und Strukturen sollten sich an Ergebnissen, nicht an Zuständigkeiten orientieren.

Daten als Basiskomponente

Im Zentrum dieser Neuorientierung steht für Brunzel das Konzept einer datenzentrierten Verwaltung. „Verwaltungsinformatik muss anfangen, sich auf Daten statt Dokumenten zu fokussieren“, betonte er. Daten dürften nicht länger als Nebenprodukt verstanden werden, sondern als Basiskomponente jeder Verwaltungsmodernisierung. Dies erfordere zugleich ein neues Verständnis von Datenqualität und Datenpflege, das in allen Verwaltungsebenen verankert werden müsse. Nur so könne der volle Nutzen datengetriebener Verfahren tatsächlich gehoben werden.

Die Vorstellung, die Landschaft aus mehreren tausend Fachverfahren –von denen viele ohnehin am Ende ihres Lebenszyklus stünden noch

Deutschland digital neu denken

Von Dokumenten zu Daten

(BS/fst) Die digitale Transformation der Verwaltung erfordert mehr als neue Technik – sie verlangt ein Umdenken in Strukturen, Prozessen und Verantwortlichkeiten. Weg von Akten, Formularen und Portalen, hin zu Daten, Plattformen und Wirkung: Dieser Paradigmenwechsel prägte den Vortrag von Dr. Marco Brunzel, Dozent an der HWR Berlin sowie der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, auf dem Kongress Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz.

Mit viel Leidenschaft vermittelte Dr. Marco Brunzel der Zuschauerschaft bei Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz, dass sich der Umgang mit Datensätzen in einer zukunftsgerichteten Verwaltung nachhaltig verändern muss. Foto: BS/Bildschön

enger miteinander zu verknüpfen, sei eine Illusion, so Brunzel. „Das ist Flickwerk, keine Modernisierung.“ Stattdessen müsse Verwaltung beginnen, in Kategorien plattformbasierter Leistungsnetzwerke zu denken: offen, interoperabel und so gestaltet, dass sie über organisatorische und föderale Grenzen hinweg wirken können. In einem früheren Aufsatz für die AWV („Deutschland Digital 2030“) beschreibt Brunzel Daten als „neue Kategorie öffentlicher Infrastrukturen“.

Einen praxisorientierten Blick auf diese Entwicklung ergänzte Lars Klein, Diplom-Informatiker und Low-Code-Experte bei S&D Software

Am Rednerpult erläuterte Dr. Stefan Puderbach, Referatsleiter für den Bereich Digitalisierung im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, wie Rheinland-Pfalz den Einsatz von KI strategisch gestaltet.

nach Maß. Er machte deutlich, dass klassische Softwareentwicklung zunehmend an ihre Grenzen stoße: „Wir haben in den Kommunen oft hunderte Einzellösungen, die kaum miteinander sprechen. Das bindet Ressourcen und verhindert Tempo.“

Low Code als Impuls

Low-Code-Plattformen könnten hier ein strukturelles Gegengewicht schaffen, weil sie „visuelle, leicht erlernbare Entwicklungsprozesse“ nutzbar machten und gleichzeitig eine „einheitliche Sprache für Oberflächen, Logik und Daten“ bereitstellten. Klein betonte, dass Low Code nicht nur Geschwindigkeit bringe, sondern auch Fachberei-

che befähige: „Wenn die Verwaltung schneller iterieren will, müssen wir sie näher an die Entwicklung heranführen – modellieren, wo es geht, und nur dort programmieren, wo es nötig ist.“ Gerade im öffentlichen Sektor könne dies ein Weg sein, komplexe Vorhaben „endlich handhabbar und anschlussfähig“ zu machen.

Für die Umsetzung forderte Brunzel eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Organisation, IT, Recht und Politik. Kooperation, Moderation und verfestigte Strukturen der verwaltungsübergeifenden Zusammenarbeit seien ebenso wichtig wie technische Standards, um digitale

Daten bleiben zentrale Säule für wirksame Smart-City-Projekte. Wie mithilfe Datensätzen digitale Infrastrukturen aufgebaut werden können, erläuterte Sarah Brühl, Projektkoordinatorin beim Netzwerk Digitale Dörfer Rheinland-Pfalz aus der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain.

„Um

das wirklich umsetzen zu können, müssen wir die besten und kreativsten Köpfe aus unterschiedlichen Verwaltungen an einen Tisch bringen, es vernünftig moderieren – und dann entstehen häufig kluge und praxistaugliche Ideen.“

Dr. Marco Brunzel

Verwaltungsvorhaben erfolgreich zu gestalten.Damit knüpfte Brunzel an die staatstheoretische Zäsur an, in der zu Beginn des 19. Jahrhunderts Verwaltungsstrukturen entstanden. Während Freiherr vom Stein die funktionale Gliederung – inspiriert von Adam Smiths Arbeitsteilung – als Effizienzgewinn verstand, gehe es heute um die Neuausrichtung staatlichen Handelns entlang vernetzter Wertschöpfung. Diese beruhe nicht mehr auf hierarchischen Routinen, sondern auf datengetriebenen, plattformbasierten Strukturen. Daten müssten als strategische Ressource verstanden werden, auf deren Grundlage Planung und Services integriert erfolgen.

Zugleich betonte Brunzel die Bedeutung von Gestaltungsorientierung in Forschung und Lehre. Verwaltung brauche neue Narrative, die Digitalisierung als kulturellen Wandel begreifen. Nur so könne der öffentliche Sektor Strukturen aus der Logik der Daten heraus entwickeln und die Transformation aktiv gestalten. In seinem Gastbeitrag auf Seite 33 dieser Ausgabe führt Dr. Marco Brunzel seine Anforderungen spezifischer aus

Frank Beutell, Produktmanager der Deutschen Verwaltungscloud für die Föderale IT-Kooperation, stellte das umfangreiche Portfolio an CloudServices vor, welche sich unter dem Schirm der Deutschen Verwaltungscloud angesammelt haben. Alle Fotos: BS/Bildschön

Kommunen stehen heute unter erheblichem Digitalisierungsdruck und benötigen effiziente Lösungen zum Beispiel für flächendeckendes WLAN, verlässliche Schulnetze oder die sichere Anbindung von Verwaltungsstandorten.

Der neue Rahmenvertrag von ProVitako bietet hierfür eine bedarfsgerechte Lösung für kommunale

Anforderungen: eine zentrale Beschaffungslösung mit attraktiven Sonderkonditionen und rechtlicher Sicherheit.

Der vierjährige Vertrag umfasst das vollständige Portfolio von HPE Networking wie Switche, Access Points, Firewalls sowie die passenden Managementlösungen – ergänzt um Bechtle-Dienstleistungen von der Anforderungsdefinition über die Implementierung bis hin zur Unterstützung beim Betrieb.

Bessere Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit

„Als zentrale Beschaffungsstelle für den öffentlichen Markt ermöglichen wir unseren Mitgliedern mit dem neuen Rahmenvertrag in Zusammenarbeit mit Bechtle und HPE erneut eine einfache, transparente und zukunftssichere Beschaffung moderner Netzwerktechnologie auf der Basis eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens. So gestalten wir die kommunale IT-Beschaffung effizient, bilden sie digital ab und verbessern die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder. Bereits der vorherige Vertrag mit den Partnern war ein voller Erfolg. Das noch einmal fast dreifache maximale Vertragsvolumen zeichnet deutlich diese Erfolgsgeschichte“, betont Karl-Josef Konopka, Vorstand der ProVitako e.G. Übernahme erweitert Portfolio

Ein besonderes technologisches Highlight ergibt sich im neuen ProVitako-Rahmenvertrag durch die jüngste Übernahme von Juniper Networks durch HPE. Der Zusammenschluss zweier Technologieführer schafft eines der weltweit leistungsfähigsten Portfolios im Be-

Neuer ProVitako-Rahmenvertrag

Effiziente Beschaffungswege für Netzwerklösungen für Kommunen

(BS) Mit einem Marktvolumen von 283 Millionen Euro setzt der neue ProVitako-Rahmenvertrag für Netzwerklösungen neue Maßstäbe in der öffentlichen Beschaffung. Gemeinsam mit HPE Networking als Technologiepartner und Bechtle als IT-Dienstleister haben ProVitako-Mitglieder die Möglichkeit, ihre Netzwerk-Infrastrukturen unter Einhaltung vergaberechtlicher Vorgaben effizient zu modernisieren und langfristig zu betreiben. Im neuen Rahmenvertrag wird das Volumen des bisherigen Vertrags verdreifacht und die langjährige Partnerschaft zwischen ProVitako, Bechtle und HPE erfolgreich fortgesetzt.

reich Netzwerkkonnektivität und -Sicherheit. Die Verbindung von HPE Arubas bewährter Expertise im Campus-Edge-Bereich mit Junipers führender Kompetenz in Datacenter, Cloud- und KI-Technologien schafft ein neues Maß für Automatisierung, Transparenz und Sicherheit. Im Besonderen für den öffentlichen Sektor eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten, Netze noch effizienter zu betreiben, Ausfallzeiten zu minimieren und den Verwaltungsbetrieb zu vereinfachen. „Der ProVitako-Rahmenvertrag war und ist Basis dafür, dass wir

zahlreiche Kommunen, Schulen, Krankenhäuser sowie Ver- und Entsorger auf Basis einer verlässlichen Beschaffungsgrundlage bei ihrer Digitalisierungsreise erfolgreich, zielgerichtet und schnell unterstützen können. Wir freuen uns, zukünftig auch in den Bereichen DataCenter-Netzwerk und Firewalls die öffentliche Hand zu stärken“, erklärt Jan-Lukas Wennemar, Vertriebsleiter Öffentlicher Sektor, HPE Networking. Als erfahrener IT-Dienstleister und zertifizierter HPE-NetworkingPlatinum-Partner begleitet Bechtle seit vielen Jahren öffentliche Auf-

traggeber bei der Planung, Umsetzung und dem Betrieb kommunaler Netzwerk- und IT-Infrastrukturen. Über den ProVitako-Rahmenvertrag können Kommunen nicht nur Hardware und Software beziehen, sondern auch auf umfangreiche Beratungs-, Projekt- sowie Betriebsleistungen von Bechtle zugreifen und Lösungen mit Services aus einer Hand beziehen. „Als bundesweit vertretener ITDienstleister sind wir immer nah an unseren kommunalen Kunden, kennen deren Anforderungen und setzen Lösungen nicht nur um, sondern entwickeln sie

Personalmanagement

gemeinsam mit ihnen. Wir halten zahlreiche Rahmenverträge, mit denen wir Kommunen ganzheitlich bei ihrer digitalen Transformation unterstützen und Lösungen – vom Endgerät über IT-Sicherheit bis zu Netzwerk- und Infrastrukturkomponenten – verfeinert und mit passgenauen Dienstleistungen anbieten können“, so Frank Wrede, Geschäftsführer des Bechtle IT-Systemhauses Westfalen-Niederrhein, das federführend in der Steuerung des Rahmenvertrags agiert. Die Vorteile für Kommunen bei der Beschaffung über den ProVitako-Rahmenvertrag liegen auf der Hand: Die Nutzung eines geprüften Rahmenvertrags sorgt für maximale Rechtssicherheit, beschleunigt Beschaffungsprozesse und entlastet Verwaltungen erheblich. Gleichzeitig profitieren alle teilnehmenden Organisationen von attraktiven Konditionen, hoher Planungs- und Investitionssicherheit sowie einem breiten technologischen Angebot, das stets auf dem neuesten Stand ist. Die Beschaffung erfolgt dabei einfach, sicher und ohne Ausschreibung entweder über klassische Bedarfsmeldungen oder flexibel im Streckengeschäft. So haben kommunale Einrichtungen die Möglichkeit, ihre individuellen Anforderungen einfach und zeitnah umzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um Einzelprojekte oder größere IT-Vorhaben handelt. Erfahrenes Partnernetzwerk Durch die langjährige Zusammenarbeit von ProVitako, HPE Networking und Bechtle steht Kommunen und kommunalen IT-Dienstleistern ein erfahrenes Partnernetzwerk mit technologischer und organisatorischer Expertise aus zahlreichen kommunalen IT-Projekten zur Seite. Der neue ProVitako-Rahmenvertrag schafft damit die Grundlage für moderne, sichere und leistungsfähige Netzwerke. Mit HPE Aruba, HPE Juniper und Bechtle als starken Partnern liefert das Konsortium zukunftsfähige Lösungen für die kommunale IT.

ZUKUNFTSKONGRESS BAYERN

5. Februar 2026 | München

Zwischen IT-Fachkräfteengpass und Digitalisierungsdruck

INNOVATION MIT TAKT UND TEMPO

Der neue Sound für die digitale Verwaltung

Die Zukunft der Verwaltung ist digital. Nur: Wer gestaltet sie eigentlich? Während Kommunen über Bürgerportale, KI und Cyber-Sicherheit sprechen, bleiben IT-Stellen unbesetzt. Der Fachkräfteengpass ist längst kein abstraktes Problem mehr: Projekte verzögern sich, Wissen geht verloren und die digitale Selbstbehauptung vieler Verwaltungen hängt am seidenen Faden. Ohne funktionierende IT keine Daseinsvorsorge, keine Sicherheit, keine Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern. Die neue Publikation der KGSt, „IT-Fachkräfte finden, fördern, binden“, macht deutlich: Der Mangel an IT-Fachkräften ist kein Schicksal, sondern eine Gestaltungsaufgabe. Sie zeigt, wie Verwaltungen IT-Fachkräfte gewinnen, entwickeln und binden können – und wie IT-Personalarbeit Teil moderner Verwaltungsstrategie wird. Im Wettbewerb um IT-Fachkräfte hilft kein Abwarten. Verwaltungen müssen zeigen, was sie auszeichnet: Sinn, Stabilität, Verantwortung. Entscheidend ist, diese Stärken glaubwürdig zu kommunizieren – mit zielgruppengerechter Ansprache und modernen Wegen der Personalgewinnung. Authentisches Employer Branding, Kooperationen mit Bildungseinrichtun-

Ein Kolumnenbeitrag von Nadine Weischer Referentin im Programmbereich Personalmanagement der KGSt. Sie wird zu diesem Thema auch auf dem Zukunftskongress Bayern am 5. Februar 2026 in München sprechen. Foto: BS/KGSt

gen oder Active Sourcing schaffen Reichweite und Resonanz. Fachkräftesicherung gelingt nur, wenn Wissen wächst. Ausbildung, duales Studium und Weiterbildung sind Investitionen in die Zukunft. Entwicklung wird planbar, wenn Fachkarrieren, Lernräume und klare Kompetenzprofile entstehen. So wächst eine Kultur, in der Qualifizierung selbstverständlich und berufliche Entwicklung möglich wird – unabhängig von Hierarchie. Wer Mitarbeitende halten will, muss ihnen Gestaltungsspielraum geben. IT-Fachkräfte suchen Verantwortung, Flexibilität und Wertschätzung. Moderne Führung schafft Vertrauen statt Kontrolle, Kooperation statt Silos, Orientierung statt Vorgaben. Eine offene, verlässliche Arbeitskultur wird zum stärksten Bindungsfaktor. Fachkräftesicherung endet nicht beim Personalmanagement. Pro-

zesse, Strukturen und Verantwortlichkeiten müssen sich an neue Anforderungen anpassen. IT-Aufgaben verändern sich – Routinebetrieb tritt zurück, strategische Themen wie Informationssicherheit, Architekturplanung und Datenmanagement gewinnen an Gewicht. Verwaltungen, die Rollen klar definieren, Verantwortung teilen und Entscheidungswege vereinfachen, werden handlungsfähiger – und attraktiver für Fachkräfte.

Auch interkommunale Kooperationen, gemeinsame IT-Teams oder Ausbildungsverbünde zeigen, dass Vernetzung Ressourcen sichert und Handlungsspielräume erweitert.

Der Mangel an IT-Fachkräften ist ein Gradmesser für prozessuale, strukturelle und kulturelle Modernisierung. Wer handeln will, braucht keine kurzfristigen Projekte, sondern eine Strategie, die Personal, Organisation und Technologie zusammendenkt. Zukunftsfähige Verwaltungen entstehen dort, wo Menschen, Strukturen und Aufgaben gemeinsam weiterentwickelt werden.

(v.l.n.r.:) Romana Higgen (Vertriebsleiterin Gesundheitswesen, Forschung & Lehre, Wohlfahrt) und Jan-Lukas Wennemar (Vertriebsleiter Public Sector) von HPE Networking sowie Frank Wrede (Geschäftsführer), Moritz Limbach und Thorsten Beuchel (Leiter Public Sector) vom Bechtle IT-Systemhaus Westfalen-Niederrhein setzen die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen des neuen ProVitakoRahmenvertrags fort. Foto: BS/Bechtle

Eineentsprechende Bewertung

in diesem Kontext erfordert zunächst ein klares Begriffsverständnis von „souverän“ und „resilient“.

Digitale Souveränität lässt sich über drei Dimensionen definieren: Datensouveränität: Das Ausmaß der Kontrolle über die Verarbeitung und Speicherung von Daten.

Digitale Souveränität und Cyber-Resilienz

US-, Open-Source- oder europäische Closed-Source-Stacks?

(BS/Dr. Dirk Fischer) Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD fordert unter dem Abschnitt „Digitales“ eine Strategie zur Gewährleistung digitaler Souveränität und Cyber-Resilienz. Insbesondere im Bereich Kritischer Infrastrukturen mit systemrelevanten Anwendungsfeldern, beispielsweise Regierung, Äußere und Innere Sicherheit, Katastrophenschutz, Energieversorgung und Finanzsystem, sind bei der Digitalisierung maximale Anforderungen an Souveränität und Resilienz zu stellen. In der Praxis sind vor diesem Hintergrund aktuell zwei generische Digitalisierungsoptionen zu beobachten: US-Stacks oder Open-Source-Stacks, jeweils betrieben in deutschen Rechenzentren. Welche Vor- und

mension der Geschäftskontinuität bestehen jedoch Risiken: Die wiederkehrenden Zolldrohungen der USA gegenüber der Europäischen Union und ihren Mitgliedsländern zeigen ein kommerzielles und somit haushaltsbudgetäres Risiko bei der Beschaffung beziehungsweise Vertragsverlängerung.

Mit Bezug auf Souveränität sind US-Stacks auch in deutschen Rechenzentren kritisch zu bewerten: Der Datensouveränität stehen der US Cloud Act, FISA 702, Executive Orders und National Security Letters der USA entgegen. Bezüglich der Betriebssouveränität ist auch beim Hosten auf deutschen Re-

Deutschland braucht eine Strategie, um im weiteren Digitalisierungsprozess höchste Anforderungen an Souveränität und Resilienz zu erfüllen. Foto: BS/AdobeStock, vegefoxCOM

chenzentren bei Softwareupdates und -upgrades die Abhängigkeit zu den US-Mutterkonzernen gegeben. Der Softwaresouveränität stehen die vornehmlich proprietären Softwarekonzepte der Hyperscaler entgegen.

Open-Source-Stacks: Chancen und Risiken

Open-Source-Stacks hingegen können beim Hosting in deutschen Rechenzentren ein hohes Maß an europäischer Datensouveränität und Betriebssouveränität ermög-

Etablierte US-basierte Lösungen für Videokommunikation haben per Definition Einschränkungen im Bereich Souveränität. OpenSource-basierte Lösungen können je nach Aufstellung des IT-Fachpersonals versus Abhängigkeit zur Entwickler-Community Einschränkungen in Bezug auf die Resilienz aufweisen.

Der öffentliche Sektor konkurriert hierbei mit der Privatwirtschaft um dieselben Talente, bietet jedoch vergleichsweise geringere Gehälter. Zur Gewährleistung der Resilienz sollte auf die Auswahl europäischer Hersteller mit entsprechender personeller Aufstellung und fachlicher Historie geachtet werden. Denn die IT-Sicherheit und Ausfallsicherheit eines Produkts lassen sich nicht durch ehrenamtliches Community Development gewährleisten, sondern erfordern tiefgehendes Fachwissen in der Entwicklung hochsicherer Produkte und gründliche, automatisierte Testroutinen.

Auch der Erhalt der Wertschöpfungskette als dritte Dimension der Resilienz erfordert das Vorhandensein entsprechender europäischer Personalien im Bereich der OpenSource-Softwareentwicklung. Das Verlassen auf eine freiwillig tätige Community aus Entwicklern gefährdet die Zuverlässigkeit der Wertschöpfungskette. Insbesondere im Anwendungsfeld Kritischer Infrastrukturen kann dies bei Open-Source-Lösungen einen hohen Risikofaktor darstellen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welche alternative Digitalisierungstaktik bietet sich noch für Kritische Infrastrukturen?

Eine dritte Option: europäische Closed-Source-Stacks

Eine mögliche Alternative sind proprietäre europäische Lösungen, das heißt Closed-Source-Stacks. Beispiele aus dem Verteidigungssektor zeigen, dass deutsche und europäische Unternehmen in der Lage sind, innerhalb kurzer Zeit hochsichere State-of-the-Art-ITSysteme zu entwickeln. Diese sind nicht immer Open-Source-basiert, bieten dafür aber hohe Resilienz und gewährleisten Daten- und Betriebssouveränität.

lichen. Dies erfordert jedoch, dass entweder europäische Hersteller entsprechender Lösungen gewählt werden, um Datenhoheit sowie Updates und Upgrades innerhalb Europas sicherzustellen, oder dass die Software innerhalb des öffentlichen Sektors eigenständig angepasst und weiterentwickelt wird. Letzteres setzt das Vorhandensein entsprechender Personalressourcen im öffentlichen Sektor voraus. Der IT-Fachkräftemangel stellt hier ein Risiko dar. Laut Bitkom e. V. fehlen in Deutschland weiterhin mehr als 100.000 IT-Fachkräfte.

Ihre europäische Lösung für eine vertrauenswürdige Videokommunikation im öffentlichen Sektor.

Anwendungsbeispiel: europäische Videokommunikationslösung Eine europäische Herstellerlösung wie Pexip Secure Meetings demonstriert exemplarisch, dass hohe Anforderungen an Souveränität und Resilienz auch mit proprietären Lösungen erfüllt werden können: Daten- und Betriebssouveränität werden durch flexible Self-Hosted-Optionen ermöglicht. SoftwareSouveränität besteht in relevantem Ausmaß, da über Open-APIs und -SDKs funktionelle Anpassungen sowie Integrationen mit Drittanbieterlösungen möglich sind. In Bezug auf die Resilienz ist die Lösung nach höchsten militärischen Standards zertifiziert und mittels Distributed Architecture für intelligente Redundanz konzipiert. Als Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt die Firma Pexip den Zöllen des Europäischen Binnensystems. Zudem ist Pexip Secure Meetings als isoliertes Videokommunikations Produkt im wirtschaftlichen Bedarfsfall leichter austauschbar als eine komplette Software-Suite – ein Vorteil für die Geschäftskontinuität im Sinne der Resilienz. Das Beispiel verdeutlicht, dass insbesondere für den Einsatz in Kritischen Infrastrukturen europäische Closed-Source-Lösungen eine sinnvolle Alternative darstellen. Sie ermöglichen im Sinne des Koalitionsvertrags hohe Cyber-Resilienz bei gleichzeitiger Gewährleistung von Daten- und Betriebssouveränität.

Dr. Dirk Fischer ist Country Manager für den DACH-Markt bei Pexip.
Foto: BS/Pexip

Im Rahmen des Bayerischen Anwenderforums erhielt das Gesundheitsamt Bamberg den Award in der Kategorie Kommune. Prämiert wurde die mit dem Unternehmen HiSolutions entwickelte Digitalisierungsstrategie – als „herausragendes Projekt der digitalen Transformation“, wie es seitens der Jury heißt.

„Corona war eindeutig der Grund, der bei uns die Digitalisierung voranbrachte.“
Dr. Susanne Nick, Leiterin des Fachbereichs Gesundheitswesen im Landratsamt Bamberg

Eine Wertschätzung, die die Preisträgerinnen und Preisträger natürlich freut und die Mühen entlohnt: „Wir hatten als komplettes Team die vergangenen Jahre viel Energie und Zeit in die Entwicklung der Digitalisierungsstrategie und die Umsetzung der ersten Projekte gesteckt“, blickt Dr. Susanne Nick, Leiterin des Fachbereichs Gesundheitswesen im Landratsamt Bamberg, zurück. Das Lenkungsteam habe zudem „versucht, immer möglichst alle Mitarbeitenden mit

Corona als Chance

Wie ein Gesundheitsamt aus der Krise Digitalisierung machte

(BS/cb) Im bayerischen Bamberg läuft die Digitalisierung mitunter ausgezeichnet – buchstäblich. Das dortige Gesundheitsamt hat den Bavarian Best Practice Award 2025 gewonnen. Ein Preis, der vor allem zeigt: Wenn es in schwierigen Lagen schnell gehen muss, kann es das auch.

einzubeziehen. Dass wir den Preis gerade für die Gemeinschaftsleistung erhalten haben, macht uns stolz und bestärkt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Pakt für den ÖGD lieferte Mittel

Dabei habe es vor wenigen Jahren noch ganz anders ausgesehen.

Auch im Gesundheitswesen sei die etablierte Kommunikation mittels Post oder Fax passiert, erklärt Nick Dies habe viele Medienbrüche zur Folge gehabt, gemeldete oder angefragte Daten hätten händisch in die Fachanwendung übertragen werden müssen – „dies kostete Zeit und war zum Teil auch fehleranfällig bei der Übertragung“, so die Fachbereichsleiterin. Die Initialzündung zur Digitalisierung sei dann gezwungenermaßen gekommen: „Corona war eindeutig der Grund, der bei uns die Digitalisierung voranbrachte.“

In kürzester Zeit habe das Amt einen „immensen Personalaufwuchs“ erlebt, zugleich seien die Mitarbeitenden „mit Erregermeldungen in bislang unbekannter

Über kurz oder Lang

Bündeln statt Basteln

Eine Kolumne von Christina Lang

In der öffentlichen Verwaltung gibt es zwei Arten von Fragen: die schnellen und die hartnäckigen. Die schnellen drehen sich um kurze Abstimmungen, Fachfragen oder Fristen: Dinge, die sich oft innerhalb der eigenen Zuständigkeit verbessern lassen. Die hartnäckigen hingegen gehen ans Grundsätzliche: Wie arbeiten wir eigentlich zusammen? Wer macht was? Wo braucht es die Kommunen, wo die Länder und wo den Bund? Genau diese Fragen entscheiden darüber, ob wir den Staat endlich digital fit bekommen. Deshalb geht es heute um einen Ansatz, der Begeisterung und Bauchgrummeln zugleich auslösen kann: Bündelung.

Föderalismus ist ein Gewinn Unser Föderalismus ist ein demokratischer Schatz: Er sichert Vielfalt, schützt vor Machtkonzentration, schafft Nähe zu den Menschen und berücksichtigt regionale Besonderheiten. Doch dieser Vorteil kann zur Last werden, wenn jede Ebene ihre digitalen Herausforderungen grundsätzlich eigenständig lösen muss. Aktuell tragen Länder und Kommunen die Hauptverantwortung für die Digitalisierung zentraler Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge. An vielen Orten ist die Belastung zu hoch. Finanzieller Spielraum und Fachkräfte fehlen. Trotzdem müssen die notwendigen Investitionen

Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService. Foto: BS/DigitalService

gestemmt werden. Hinzu stehen vielerorts komplexe rechtliche, technische und organisatorische Hürden im Weg. Die Folgen kennen Sie aus dem Arbeitsalltag: Unterschiedliche Zugänge zu derselben Leistung, Medienbrüche im Vollzug, aufwendige Nachweise, die Bürgerinnen und Bürger frustrieren. Die Verwaltung wird trotz „digital“ nicht spürbar entlastet. Im Gegenteil: Der Frust wächst – auf beiden Seiten.

Wir müssen bündeln und modularisieren Nehmen wir beispielsweise das Elterngeld, eine der Fokusleistungen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes. Der Status quo? Vier verschiedene Online-Dienste, fünf Fachverfahren und am Ende für die Antragstellenden trotzdem noch Papier. Wir müssen ehrlich sein: Die bisherigen Bestrebungen – ein Land entwickelt, andere nutzen diese Lösung nach – treffen in der Praxis oft auf große rechtliche und technische Hürden. Digitalisierung bleibt so ineffizient, teuer und unnötig kompliziert.

Wir unterstützen deshalb die Forderung nach Bündelung und Modularisierung: Die großen, wiederkehrenden Aufgaben prozessual vereinheitlichen, einmal sauber digital bauen und dann überall nutzbar machen: skalierbare Komponenten statt paralleler Eigenentwicklungen. Ein souveräner, interoperabler DeutschlandStack kann hier die zentrale Infrastruktur und wiederverwendbare Komponenten liefern. Darunter fallen sichere Cloud-Dienste, standardisierte Schnittstellen und vor allem skalierbare Antragsmodule. Länder und Kommunen können diese in ihre bestehenden Fachverfahren integrieren und sich auf die Schaffung der erforderlichen Schnittstellen konzentrieren, statt

Menge konfrontiert“ worden. Digitale Lösungen seien daher notwendig gewesen, um die Arbeitsabläufe weiterhin überhaupt möglich zu machen, so Nick Allerdings: keine Digitalisierung ohne Digitalisierungsbudget. Durch den damals zeitgleich angelaufenen „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ (ÖGD), der bundesweit allein für Digitalisierung 800 Millionen Euro bereitstellte, seien die benötigten Mittel verfügbar gewesen. Homeoffice, Videokonferenzen sowie die rein digitale Bearbeitung

der Infektionsmeldungen konnten dadurch eingerichtet werden.

Kleines Team, große Wirkung

Die Erfahrungen im Bamberger Gesundheitsamt zeigen auch, dass bei effektiven Digitalstrategien nicht unbedingt großer Personalaufwand vonnöten ist: „Wir waren ein sehr gut abgestimmtes Team von insgesamt drei Personen, die innerhalb des Gesundheitsamtes die Digitalisierung betreut und vorangetrieben haben.“ Durch den „Pakt für den ÖGD“ habe zudem HiSolutions als externer Digitalisierungspartner beauftragt werden können.

Best Practices in der Verwaltung sind kein Selbstzweck, sondern prädestiniert zur Nachnutzung. Verwaltungsleistungen wie der digitale Aufenthaltstitel aus Brandenburg oder die Wohnsitzanmeldung

aus Hamburg werden mittlerweile länderübergreifend genutzt. Im Gesundheitsamt Bamberg geht es eher um die Gesamtstrategie als um konkrete Einzellösungen, weshalb Nachnutzungsanfragen wie bei den genannten Beispielen nicht zu erwarten sind. Dennoch gebe es bislang „vereinzelt Nachfragen von anderen Ämtern nach einzelnen genutzten Produkten oder unserer Digitalisierungsstrategie“, berichtet Nick. Sie werde zudem oft in regelmäßig stattfindende Treffen auf Regierungsbezirks- oder bayerischer Ebene eingebunden, um die erarbeiteten digitalen Lösungen vorzustellen.

Schnittstelle für E-Akte

Das Ende eines Best Practices ist der Beginn des nächsten. Aktuell habe sich das Gesundheitsamt Bamberg an die Telematik-Infrastruktur angebunden. Dadurch soll ein Prozess, der die Abläufe im Amt regelt, etabliert werden. Als Nächstes stehe der Zusammenschluss mit einem digitalen Großprojekt im Gesundheitswesen an: die Einführung der digitalen Akte (E-Akte), die „mit einer direkten Schnittstelle aus unserer Fachanwendung bedient werden soll“, blickt Nick voraus.

Von BASF zu FIT-Connect

Automatisierte Emissionsmessberichterstattung

(BS/Dr. Eva-Charlotte Proll) Im Fokus einer schnellen und nutzerorientierten Digitalisierung steht meistens der Bürger als Kunde. Für Unternehmen bietet sich jedoch ein echter wirtschaftlicher Mehrwert durch vollautomatisierte Prozesse. Als größtes deutsches Chemieunternehmen muss BASF über zahlreiche Emissionen berichten. Unter Anpassung der ERP-Systeme von SAP erarbeiten BASF und FITKO eine gemeinsame Lösung für FIT-Connect. Der „Kooperationsraum für Verwaltungsmodernisierung in föderalen Strukturen“ der Metropolregion Rhein-Neckar ist hierfür das Reallabor der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz.

alles selbst entwickeln oder teuer einkaufen zu müssen. Der Bund sollte daher Entlastung schaffen, wo bundeseinheitliche Lösungen möglich sind. Er übernimmt die Verantwortung für Basiskomponenten und ermöglicht den Ländern, mit eigenen Verfahren effizient darauf aufzubauen. Kommen wir nochmal zurück zum Beispiel Elterngeld. Ein wichtiger Bestandteil des Elterngeldes ist die Einkommensprüfung. Warum nicht eine automatisierte Einkommensprüfung zentral für Länder, Kommunen und Fachverfahren bereitstellen, wie es u. a. der Nationale Normenkontrollrat bereits vorgeschlagen hat? Ein solches Modul ließe sich um die Einkommensbestandteile weiterer Leistungen erweitern und könnte so auch an anderer Stelle entlasten. Außerdem könnte es dabei helfen, den Einkommensbegriff auf rechtlicher Ebene zu harmonisieren und zu vereinfachen. Ein Modul mit Multiplikatoreffekt.

Bündeln heißt: entlasten, nicht befehlen

Bündelung bedeutet nicht, dass Berlin alles vorgibt. Bündelung bedeutet: Der Bund übernimmt Verantwortung für eine zentrale Bereitstellung von Basiskomponenten. Das nimmt Last von den Schultern derjenigen, die vor Ort für die Menschen arbeiten. Dafür kann es auch heute schon im verfassungsrechtlichen Rahmen Möglichkeiten geben. Ein digitaler Staat wird nicht dadurch real, dass wir überall dezentral Software entwickeln. Er wird sichtbar, wenn die Menschen sagen: Endlich geht es einfach. Und wenn die Kolleginnen und Kollegen im Vollzug merken: Durch die Entlastung bleibt endlich wieder Zeit für die Menschen, die uns wirklich brauchen.

Letztlich prüft die MRN, ob bei ähnlich parametrisierten Berichterstattungspflichten wie in der stationären Pflege oder in anderen Bereichen wie der Fachkräfteeinwanderung durch eine Kollaboration der kommunalen Ausländerbehörden vergleichbare Szenarien in Frage kommen.

Das Fazit in jeglichen dieser Fälle werde aber sein, dass Digitalisierung und Entbürokratisierung Hand in Hand gingen, betont der zuständige Bereichsleiter für Digitalisierung und E-Government in der MRN, Thomas Wieland

Von Vollautomatisierung ist noch längst keine Rede, aber der Forderung nach branchenorientiertem E-Government und Prozessbeschleunigung kommt nun das Anwendungsszenario der Emissionsberichterstattung für Unternehmen nach: Durch den Maschine-zu-Maschine-Datenfluss mithilfe von FITConnect, die Automatisierung und das Vermeiden von Medienbrüchen soll der Erfüllungsaufwand für Unternehmen und Verwaltung signifikant reduziert werden. Unternehmensdaten sollen direkt an kommunale und staatliche Schnittstellen angebunden werden, sodass umweltrechtliche Berichtsdaten, die bereits in den ERP-Systemen der Unternehmen vorliegen, automatisiert generiert und regelmäßig ins rheinland-pfälzische Umweltministerium übermittelt werden können. Dr. Holger Penning, Gruppenleiter Genehmigungen, Datenmanagement und Digitalisierung bei der BASF, erhofft sich von dem Projekt „echte Effizienzgewinne“, die ihm unternehmensseitig die Berichterstattung leichter machen und vielleicht sogar einmal voll abnehmen. In der ersten von sechs Phasen, der Projektdefinition, stoßen die Beteiligten, neben BASF auch die SAP als ein weiterer DAX-Konzern, mit der beteiligten Verwaltungsseite immer wieder auf die Frage, welche der erhobenen Daten tatsächlich übertragen werden müssen. Aber durch die Vorteile, die sich aus branchenorientiertem E-Government ergäben, und die Übertragbarkeit auf andere Berichterstattungspflichten, z. B. bei regelmäßig wiederkehrenden Datenübertragungen, entstehe ein großer Hebel. Das Projekt adressiert auch die Themen Datensouveränität und cloudbasierte Dienste, die mit der Delos Cloud abgebildet werden können. Es fußt auf einem Beschluss des Lenkungskreises des „Kooperationsraums für Verwaltungsmodernisierung in föderalen Strukturen“ der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN). Nicht nur als Initiator bietet die MRN einen Umsetzungsraum für die Anbindung von Unternehmensszenarien mit FIT-Connect, sondern sie stimmt die Interessen auch innerhalb dieses ersten konkreten Unternehmensszenarios zwischen FITKO, BASF, SAP und den beteiligten Behörden und Unternehmen ab. Sie knüpft dabei an die Idee an, die bereits in der Online-Emissionsmessberichterstattung mit EMBE-Online zur Datenbeschleunigung angewandt wird. Neu ist nun erstmalig die Beteiligung von zwei Großkonzernen, die sich eine „Win-win-win-Situation erhoffen, wie Ana-Maria Stefan, Chief Revenue Officer bei SAP, konstatiert. Neben der Kritik, was besser gehen könnte und was alles noch im Rahmen des Projektes anzustreben sei, wie z. B. eine Anbindung an das Unternehmenskonto, ist auch Stefan überzeugt, mit dem Projekt unternehmensseitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigern zu können.

Schwerpunkt

Diese Entwicklung macht Mut. Denn die Herausforderungen, die noch zu meistern sind, sind groß. Digitalisierung bedeutet heute mehr als nur Online-Anträge. Viele Verwaltungen müssen ihre internen Prozesse modernisieren: von digitalen Arbeitszuweisungen über automatisierte Dokumentenflüsse bis hin zu vereinfachten Genehmigungswegen. Registerbasierte Datenflüsse ermöglichen schnellere Entscheidungen, reduzieren Fehler und entlasten Mitarbeitende. Sie schaffen Raum für die eigentliche Verwaltungsarbeit, zum Entscheiden, Unterstützen und Gestalten. Noch ist das OnceOnly-Prinzip, also die einmalige Erfassung und mehrfache Nutzung von Daten, nicht flächendeckend Realität. Doch die Grundlagen sind geschaffen: Register sind vorhanden, Schnittstellen entstehen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit wächst. Wer die vorhandenen Datenbestände besser vernetzt, stärkt die Effizienz, spart Kosten und schafft Vertrauen in eine moderne, handlungsfähige Verwaltung.

Gibt es einen kurzen Weg zum digitalen Verfahren?

Ja, aber Realität ist: Klassische IT-Entwicklung kommt zunehmend an ihre Grenzen, Projekte dauern zu lange, Änderungen sind teuer, der Fachkräftemangel setzt genau dort an, wo es wehtut: Weniger Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst müssen mehr leisten – bei gleichzeitig steigenden Qualitätsanforderungen. Ganz zu schweigen von der Attraktivität der IT-Stellen im Öffentlichen Dienst. Hier ist es schwer, mit Start-ups und digitalen „Grown-ups“ konkurrenzfähig zu sein.

In diesem Umfeld kann Low-Code für viele Behörden einen starken Automatisierungsschub auslösen. Auf allen Ebenen der föderalen „Schichttorte“, von kleinen Kommunen über Fachbehörden bis

Die digitalen Tüftler sind

im Amt

Die „APPceleration der digitalen Verwaltung“ (BS/Frédéric Cuny/Bernd Männel) Die Digitalisierung der Verwaltung schreitet Schritt für Schritt voran, nicht nur in Bürgerportalen, sondern auch tief in den internen Abläufen. Überall im Land entstehen Initiativen: Die Kommission zur Sozialstaatsreform denkt Verwaltungsprozesse neu, der Digitalcheck prüft Gesetze auf ihre digitale Tauglichkeit, das ITZBund hat mit KIPITZ ein KI-Portal veröffentlicht, die Bundesagentur für Arbeit zeigt mit Mut den Weg zum digitalen Wandel und Städte wie München, Hamburg, Esslingen oder Konstanz zeigen, dass Digitalisierung in großen wie in kleineren Strukturen gelingen kann. Diese Entwicklungen beweisen, dass der Wandel längst begonnen hat – und dass die Verwaltung über enormes Wissen und Gestaltungskraft verfügt. Deutschland soll nicht ewig im unteren Mittelfeld des Digital Economy and Society Index (DESI) bleiben: Die digitalen Tüftler sind im Amt!

Bundesämtern und Ländern vorangetrieben werden.

Low-Code-Plattformen bieten hier einen neuen Weg. Ein wesentlicher Vorteil von Low-Code besteht darin, dass Änderungen, etwa durch neue Gesetze oder Richtlinien, sich innerhalb weniger Tage umsetzen lassen. Die Fachlichkeit bleibt in den Händen der Verwaltung, während technische Governance, Sicherheit und Compliance zentral von den Betreibenden der Plattform gewährleistet werden.

„Low-Code verändert die Zusammenarbeit zwischen Fachbereich und IT und bringt eine innovative digitale Kultur, Schnelligkeit bei der Digitalisierung, Standardisierung und Kostensenkung.“

hin zu Ländern und Bundesorganisationen, unterstützt Low-Code auf dem Weg zur Registermodernisierung und Verwaltungsdigitalisierung. Low-Code-Plattformen ermöglichen es Behörden, Fachverfahren visuell zu modellieren, Registerdaten anzubinden und Prozesse zu automatisieren, ohne dafür programmieren zu müssen. So wird die Verwaltung selbst zum Gestalter ihrer digitalen Zukunft. Rahmenverträge als Beschleuniger Dank der interföderalen Ausschreibung von Low-Code-Plattformen durch die PD – Berater der öffentlichen Hand – ist seit März 2024 die Nutzung von vier Automatisierungsplattformen (Appian, Pega und ServiceNow als vorgangsorientierte Plattformen, OutSystems als einzige entwicklungsorientierte Plattform) über Rahmenverträge für eine Vielzahl öffentlicher Träger möglich. Diese Ausschreibung wurde durch Dienstleistungsrahmenverträge ergänzt. Durch diese Vereinbarungen soll die Digitalisierung in öffentlichen Einrichtungen wie Kommunen, Fachbehörden,

Im Mittelpunkt steht ein kultureller Wandel. Digitalisierung wird nicht länger als einmaliges Projekt verstanden, sondern als fortlaufender Verbesserungsprozess. Fachbereiche und IT arbeiten enger zusammen. Prozesse werden modelliert statt programmiert, Nutzerinnen und Nutzer werden früh eingebunden. Die Verwaltung wird agiler, ohne ihre Stabilität zu verlieren. Governance-Strukturen und konstante Überprüfung der Entwicklungsqualität, die beide Bestandteil der Low-Code-Plattformen sind, stellen sicher, dass Innovation nicht in Wildwuchs und Sicherheitslücken endet, sondern in geordneten Bahnen bleibt. Jede Behörde, die diesen Weg beschreitet, wird Teil einer größeren Bewegung: hin zu einer offenen, lernfähigen und vernetzten Verwaltung. Die Technik ist das Werkzeug; der eigentliche Wandel findet in der Haltung statt.

Das Once-Only-Prinzip wird Realität – registerbasiert denken

Das Once-Only-Prinzip wird Realität, wenn Daten, die bereits in ei-

nem Register vorhanden sind, nicht erneut abgefragt werden müssen. Registerbasierte Prozesse ermöglichen es, Informationen automatisch zu übernehmen, Bescheide vorzubereiten oder Prüfungen digital auszulösen. So entstehen Fachverfahren, die medienbruchfrei funktionieren – von der Antragstellung bis zur Entscheidung. An dieser Stelle ist eine Unterscheidung wichtig – zwischen vorgangsorientierten Systemen, die aus dem Prozess gedacht sind, und registerorientierten Systemen wie OutSystems, bei denen Arbeitsabläufe, Eingabemasken und Arbeitsstrukturen aus den Registerdaten heraus entwickelt werden. Moderne registerorientierte Low-CodeEntwicklungsplattformen wie OutSystems schaffen die Grundlage für die Vernetzung der Register und für den Aufbau digitaler Prozesse auf Basis dieser wertvollen Datenstände.

Auf der Bürger- bzw. OZG-Seite entstehen beispielsweise Antragsstrecken, Formulare, Genehmigungsprozesse, die Erstellung von Bescheiden, Registerzugriffe und mobile Applikationen. Diese ähneln entweder den Anwendungen, die Bürgerinnen, Bürger und Behördenmitarbeitende aus ihrem Privatleben kennen, oder sie werden so gestaltet, dass sie den Anforderungen einer nicht digitalaffinen oder nicht deutschsprachigen Nutzerschaft entsprechen. Letztere Fähigkeit ist insbesondere durch die Nutzung der entwicklungsorientierten Plattform OutSystems gegeben. Gleichzeitig können auf derselben Plattform auf der Dezernatsseite vielfältige Lösungen zur Beschleunigung interner Prozesse, etwa im Fördermittelmanagement, in der Ressourcenplanung oder bei Arbeitszuweisungen, entwickelt werden.

EfA-Prinzip und Basiskomponenten Darüber hinaus können wir mit der Plattform OutSystems standardisierte, wiederverwendbare Bausteine bereitstellen, die als digitale Form des EfA („Einer für Alle")-Prinzips Kosten senken, Standardisierung fördern und die Verfahrensdi-

zur Digitalisierung wäre ohne Datensouveränität wenig wert. High-Performance-Low-Code-Plattformen unterstützen souveräne Betriebsmodelle – ob in der Cloud (souveräne Cloud, SecNumCloud oder Deutsche Verwaltungscloud), im Rechenzentrum der öffentlichen Hand oder in hybriden Szenarien. Daten bleiben dort, wo sie entstehen, während Anwendungen flexibel skaliert werden können.

Digitale Souveränität als Voraussetzung Technisch entsteht ein Ökosystem aus klaren Schnittstellen, getrennten Daten- und Prozessschichten sowie konsequenter Verschlüsselung. Die Verwaltung behält die Kontrolle, auch wenn sie sich technologisch öffnet. Diese Datensouveränität wird verstärkt durch die Möglichkeit des Einsatzes souveräner KI-Agenten und -Produkte, etwa On-Prem-LLM (Large Language Models), SLM (Small Language Models) und europabasierter KI (z. B. Mistral).

„Es müssen die Register und Fachverfahren laufen –und nicht die Bürger zum Amt.“

gitalisierung beschleunigen. Diese sogenannten Basiskomponenten sind vielfältiger Natur: standardisierte Eingabemasken (z. B. für eine natürliche oder eine juristische Person in ergonomischer und barrierefreier Form), Vorgangstypen oder standardisierte Schnittstellen und Absicherungsmechanismen (z. B. Bund-ID, XÖV, Fit-Connect, KIPITZ, Bezahldienste) und vieles mehr.

So bietet Low-Code im Vergleich zu Standardsoftware und Eigenentwicklungen mehr Resilienz. Wenn sich Gesetze ändern, können Anpassungen ohne monatelange Entwicklungszyklen erfolgen. Die Fachlichkeit bleibt aktuell, Systeme bleiben stabil, Bürgerinnen und Bürger profitieren unmittelbar.

Was vor wenigen Jahren noch als Experiment galt, ist heute eine strategische Notwendigkeit. Registerbasierte Low-Code-Plattformen sind keine Mode, sondern das Fundament einer modernen Verwaltung. Sie verbinden Fachlogik, Rechtssicherheit, Datensouveränität und Bürgernähe – und machen die öffentliche Hand in einer Zeit des permanenten Wandels handlungsfähig.

Die valantic-Experten Frédéric Cuny (frederic.cuny@lcs.valantic.com), VP EMEA Low-Code and Hyperautomation, und Bernd Männel (bernd.maennel@nxt.valantic.com), Director Public Sector, stehen für den Austausch gerne zur Verfügung. Foto: BS/valantic

Dieselbe Struktur der Basiskomponenten hilft beispielsweise der Plattform OutSystems dabei, Geschäftslogiken, User-InterfaceKomponenten und Datenmodelle veränderbar und wiederverwendbar zu machen.

Das vereinfacht die Wartbarkeit und die Modularität auch großer Applikationen. So entsteht eine digitale Infrastruktur, die die Verwaltung von morgen trägt. Low-Code als fertiges Werkzeug

Die digitale Verwaltung ist damit kein ferner Traum mehr, sondern eine reale Option – sofern sie den Mut hat, sich selbst neu zu denken. Wer heute investiert, baut nicht nur Software, sondern gestaltet das Rückgrat des Staates von morgen: agil, interoperabel, sicher und menschlich zugleich. Das ist die Geschichte, die jetzt geschrieben wird. Das Unternehmen valantic mit Sitz in München begleitet Behörden in Deutschland und Europa auf ihrem Weg zu einer modernen, effizienten und souveränen digitalen Verwaltung und freut sich, den Zuschlag für den bundesweiten Rahmenvertrag zur Low-Code-Umsetzung auf Basis von OutSystems erhalten zu haben.

Der KI Mentor von OutSystems bringt Fachbereich und IT zusammen, um Applikationen gemeinsam zu entwickeln. Foto: BS/valantic

Bei den Ansätzen handelt es sich einerseits um die Deutsche Verwaltugscloud (DVC), die als Produkt des IT-Planungsrates gelistet ist und von der Genossenschaft govdigital operativ begleitet wird. Andererseits rückte das Multi-Cloud-Management-System des ITZBund in den Fokus, welches sich seit März 2025 in der internen Erprobungsphase befindet.

Victoria Abshagen, Business Development Managerin beim ITZBund, skizzierte in ihrem Vortrag die Systematik des Projekts, das sich als zentrale Bezugsplattform für Cloud-Leistungen öffentlicher Einrichtungen versteht. „Unsere Mitglieder haben klar kommuniziert, dass sie Cloud-Angebote brauchen, die sich unkompliziert einkaufen lassen“, sagte Abshagen govdigital bündelt dazu die Bedarfe ihrer Mitglieder – vor allem Länder, Kommunen und zunehmend auch Bundesbehörden – in einem gemeinsamen Cloud-Rahmenvertrag. Dieser umfasst derzeit mehrere Anbieter, darunter AWS, Google Cloud und Stackit. „Unsere Lösung ist, dass wir im Namen unserer Mitglieder Ausschreibungen verfasst haben, die mehrere Cloud-Anbieter gleichzeitig einbeziehen“, erklärte Abshagen. Der Vorteil: Behörden könnten diese aus dem bestehenden Vertrag abrufen, ohne selbst eine aufwendige Ausschreibung durchlaufen zu müssen.

Die Nutzung folgt einem pay-peruse-Prinzip. „Wir geben keine Mindestausgaben vor. Abgerechnet wird nur das, was tatsächlich genutzt wurde“, erläuterte Abshagen Über ein zentrales Auswahlportal sehen die Mitglieder, welche Dienste sie gebucht haben und können je nach Bedarf auch verschiedene Anbieter kombinieren. Trotz Mehrfachnutzung erhalten sie „am Ende

Die Cloud von heute

Zwei Ansätze im Fokus

(BS/fst) Cloud-Technologien gehören zu den zentralen Punkten, an welchen sich der (Miss-)Erfolg der deutschen IT-Modernisierung entscheidet. Beim diesjährigen Bonner Behörden Forum, veranstaltet vom Bundesinstitut für Berufsbildung, wurden zwei Ansätze besprochen, die die Cloud-Landschaft in der Verwaltung nachhaltig verbessern sollen.

Cloud-Technologien müssen im Verwaltungskontext häufig über verschiedene Anwendungen und Plattformen hinweg orchestriert werden. Sowohl govdigital als auch das ITZBund haben Ansätze entwickelt, um diese Herausforderung zu meistern. Foto: BS/BG_Illustrations, stock.adobe.com

nur eine Rechnung, aufgeschlüsselt auf die jeweiligen Projekte“. Die Sicherheit bildet dabei die Grundlage: Alle Anbieter im Rahmenvertrag erfüllen den BSIGrundschutz. Dennoch betonte Abshagen, dass „kein besonderes Abkommen zur Datenverarbeitung besteht“. Bei internationalen Cloud-Providern bleibe somit „das Risiko einer Datenabfuhr ins Ausland“ auch im Rahmenvertrag bestehen – ein Aspekt, den govdigital

transparent handhabe und in der weiteren Governance-Entwicklung berücksichtige.

Multi-Cloud-Angebote orchestrieren

Auch das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) verfolgt das Ziel, Cloud-Dienste systematisch zu bündeln. Daniel Jung und Andela Barisic vom IT-Architekturbüro des ITZBund, stellten im Rahmen ihres Vortrages die Multi-Cloud-

Management-Plattform vor. Diese soll es ermöglichen, verschiedene Cloud-Umgebungen über eine einheitliche Oberfläche zu verwalten und zu steuern. „Das ITZBund versteht sich ausdrücklich nicht als Cloud-Broker, sondern als Dienstleister – auch für uns selbst“, sagte Barisic Seit März 2025 läuft eine interne Erprobungsphase, in der das ITZBund die Plattform zunächst für den Eigenbedarf nutzt. „Dadurch

haben wir viel gelernt – über Bugs, mögliche Lücken im Produktkatalog und ausstehende Bedarfe, bei denen wir nachlegen müssen“, erklärte Jung. Die Testphase dient dazu, Stabilität und Nutzerfreundlichkeit sicherzustellen, bevor die Plattform schrittweise für externe Kunden geöffnet wird. Technisch basiert die Lösung auf einer Orchestrierung unterschiedlicher Cloud-Umgebungen – von Public über Private bis hin zu Hybrid Clouds. Über standardisierte Schnittstellen und automatisierte Workflows können Nutzende Ressourcen buchen, verwalten und ausrollen. Wichtige Steuerungsmechanismen sind die sogenannten Landing Zones, in denen Sicherheits- und Compliance-Anforderungen zentral definiert werden. Das Konzept des "Single Pane of Glass" – einer einheitlichen Sicht auf alle Cloud-Anwendungen unabhängig vom Anbieter – ist ein wesentlicher Bestandteil. Behörden sollen so ihre Cloud-Landschaften effizienter administrieren und Kosten transparent nachvollziehen können. Jung verwies auf die geplante Einführung eines gestuften Onboarding-Programms, das den Einstieg erleichtere: „Wenn das Management-Portal in die flächendeckende Nutzung geht, wird es ein mehrstufiges OnboardingProgramm geben, das sicherstellt, dass die Produkte ihr volles Potenzial entfalten können.“ Barisic betonte zudem die Offenheit des Systems: Die MCMP sei „grundsätzlich anschlussfähig für jeden anderen Cloud-Stack“. Damit entsteht ein Infrastrukturmodell, das sowohl die Eigenbedarfe des Bundes abdeckt, als auch perspektivisch anderen Behörden zur Verfügung gestellt werden kann – modular, interoperabel und souverän.

Cloud first, Proof later?

Bundesrechnungshof verteilt die Note „mangelhaft“

(BS/fst) Der Bundesrechnungshof hat in einer aktuellen Mitteilung erhebliche Kritik an der Umsetzung der Digitalstrategie der Bundesregierung im Bereich digitaler Identitäten geübt. Im Mittelpunkt steht dabei das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) entwickelte Konzept eines cloudbasierten Hardware-Ankers, welcher als Zwischenlösung zur Umsetzung der europäischen EUDI-Wallet dienen soll.

Streit um digitale Identitäten: Während das BMDS auf eine cloudbasierte Lösung setzt, mahnt der Bundesrechnungshof fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen und unklare Sicherheitsniveaus an. Foto: BS/HNFOTO, stock.adobe.com

Das nun zuständige Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS), dass die Zuständigkeit vom BMI übernommen hat, hält dem entgegen, der cloudbasierte Ansatz sei wirtschaftlich, da die Entwicklung der EUDI-Wallet unionsrechtlich verpflichtend sei. Eine Verzögerung könne zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen. Zudem habe man sich bei der Entscheidung an der europäischen Referenzimplementierung orientiert, die in anderen Mitgliedsstaaten bereits eingesetzt werde und dort das geforderte Sicherheitsniveau erreicht habe. Langfristig strebe das BMDS jedoch eine Technologie „vergleichbar zur Smart-eID“ an, also mit einem Hardwareanker direkt auf dem Smartphone. Es bleibt Skepsis

Finanzen nicht geregelt Auch die finanzielle Planung sei unzureichend. In einer ersten Schätzung hatte das Ministerium die Kosten für Entwicklung und Betrieb der Zwischenlösung im Dezember 2023 noch auf rund 40 Millionen Euro für die Jahre 2024 bis 2026 beziffert. In späteren Sitzungen des Interministeriellen Ausschusses Digitale Identitäten (IMA DI) nannte das BMI jedoch deutlich

Der Rechnungshof bemängelt, dass das Ministerium mit der Umsetzung begonnen habe, „obwohl es nicht einmal eine belastbare Kostenschätzung erstellt hatte“. Das Projekt sei gestartet worden, ohne zuvor die Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit oder technische Eignung umfassend zu prüfen. Mit der EUDI-Wallet sollen Bürgerinnen und Bürger bis Ende 2026 europaweit digitale Nachweise –etwa Ausweis- oder Führerscheindaten – auf ihren Smartphones speichern und nutzen können. Deutschland arbeitet seit 2023 an einer nationalen Umsetzung dieser Wallet. Der cloudbasierte Hardwareanker soll dabei die Funktion übernehmen, die Sicherheit sensibler Identitätsdaten zu gewährleisten. Anders als bei der bestehenden eID-Funktion des Personalausweises, bei der der Sicherheitsanker physisch auf dem Chip der Karte liegt, sollen bei der neuen Lösung die Daten zentral in einem CloudDienst gespeichert werden. Das Smartphone dient dabei nur als Steuerungselement. Nach den bisherigen Plänen des BMI soll die cloudbasierte Lösung zunächst eine „Zwischenlösung“ darstellen, bis eine dauerhafte Variante mit einem Hardwareanker direkt auf dem Smartphone verfügbar ist. Diese Entscheidung stößt beim Bundesrechnungshof jedoch auf Unverständnis. In dem Bericht heißt es, dass die gewählte Lösung im Vergleich zur bestehenden eIDFunktion mit einer „limitierten Endgerätesicherheit“, höheren Betriebskosten und offenen Datenschutzfragen einhergehe. Zudem sei bislang unklar, ob das System das in der europäischen eIDASVerordnung vorgeschriebene Vertrauensniveau „hoch“ überhaupt erreichen könne – eine zwingende Voraussetzung, um als staatlich anerkannte Identitätslösung in der EU zu gelten.

höhere Beträge: 34,7 Millionen Euro für 2025, 66 Millionen Euro für 2026 und „mehr als 66 Millionen Euro“ für 2027. Der Rechnungshof hält fest, dass diese Planungen ohne eine fundierte Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt seien. Wörtlich heißt es: „Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Smart-eID nicht nachvollziehbar.“

BMDS hält dagegen Der Bundesrechnungshof verweist darauf, dass das Ministerium Alternativen – insbesondere den weiteren Einsatz der eID-Funktion des

Personalausweises – nicht ausreichend geprüft habe. Diese erfülle bereits das geforderte Sicherheitsniveau und sei EU-weit anerkannt.

Da Bürgerinnen und Bürger den Personalausweis ohnehin benötigten, um den cloudbasierten Anker einzurichten, hätte es nach Ansicht der Prüfer nahegelegen, ihn auch für die Zwischenlösung zu verwenden. „Ein Absenken der nationalen Sicherheitsanforderungen für das Vertrauensniveau ‚hoch‘ könnte das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatliche Umsetzung der deutschen EUDI-Wallet schwächen“, heißt es in dem Bericht.

Der Bundesrechnungshof bleibt skeptisch. In seiner abschließenden Würdigung heißt es: „Die Begründung, weshalb sich das BMI als Zwischenlösung für einen cloudbasierten Hardwareanker entschieden hat, überzeugt nicht.“ Wenn das BMDS ohnehin langfristig eine andere Technologie anstrebe, sei dies „kein Argument gegen den Einsatz der bereits flächendeckend verfügbaren eID-Funktion als Zwischenlösung“.

Die Neuentwicklung ziehe erhebliche zusätzliche Kosten für Betrieb, Pflege und Weiterentwicklung nach sich, ohne dass deren Nutzen nachgewiesen sei. Der Rechnungshof fordert das BMDS daher auf, die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unverzüglich nachzuholen und dabei „alle fachlich und technisch sinnvollen Alternativen, wie den Einsatz der eID-Funktion als Hardwareanker für die EUDIWallet, einzubeziehen“.

Verwaltung kann daher nicht länger versuchen, bestehende Prozesse in bestehenden Strukturen digital zu optimieren. Der Staat braucht neue, deutlich effizientere Strukturen – basierend auf datenzentrierten Plattformen und digitalen Ökosystemen als moderne Basisinfrastrukturen. Dafür braucht es einen Modernisierungspfad, der konsequent in Kategorien der konstruktiven Zerstörung denkt – jener innovationsökonomischen Logik, deren Bedeutung der jüngste Wirtschaftsnobelpreis erneut hervorgehoben hat. Verwaltung muss ihr eigenes Betriebssystem nicht an tausenden Stellen (in 20.000 Verwaltungen) reparieren, sondern neu entwerfen.

Reinermann reloaded – heute aktueller als je zuvor

Ein zentraler Referenzpunkt für diese Perspektive bleibt Heinrich Reinermann, der in diesem Jahr verstorbene Nestor der deutschen Verwaltungsinformatik. Seine Fragen aus den 1980er-Jahren wirken heute fast prophetisch: „Neue Informationstechniken – neue Verwaltungsstrukturen?“ Seine BauhausMetapher und der Gedanke eines „Neubaus der Verwaltung“ zielten darauf, die kreativsten Köpfe verschiedenster Disziplinen zusammenzubringen, um Verwaltung neu zu denken. Reinermann fragte nie: Wie digitalisieren wir das Bestehende? Sondern: Welche Verwaltung entsteht, wenn Technik Strukturen verändern darf – und nicht nur Abläufe? Genau dieser Blick fehlt vielen Debatten bis heute.

Digitalisieren statt elektrifizieren – der notwendige Paradigmenwechsel

Die klassische Verwaltungsinformatik war jahrzehntelang von Werkzeug- und Prozessorientierung geprägt: Fachverfahren, Formularstrecken, E-Akte. Das beschleunigte Teilprozesse, verschleppte aber den strukturellen Modernisierungsbedarf. Zu lange wurden analoge, do-

In der EU sind über Jahre spezialisierte Plattformen und Datenpools entstanden – wirksam im eigenen Zuständigkeitsbereich, aber selten kompatibel über Organisationen und Länder hinweg. Projekte skalieren nicht, weil Schnittstellen, Governance und Vertrauen fehlen. Simpl adressiert diese Lücke nicht als zentrale Datenbank, sondern als Architektur- und Funktionsrahmen, der föderierte Datenflüsse ermöglicht.

Was Datenräume leisten – und was Simpl ergänzt Ein Datenraum ist ein vertrauenswürdiges Netzwerk, in dem Akteure Daten nach klaren Regeln teilen: mit Governance, Interoperabilitätsstandards, gesicherten Zugängen und Wahrung der Datenhoheit. Simpl ergänzt dies als gemeinsame Vermittlungsebene zwischen bestehenden Datenräumen und ihren Teilnehmern.

Deutschland digital 2030

Von Dokumenten zu Daten, von Portalen zu Plattformen, von Prozessen zu Wirkungen

(BS/Dr. Marco Brunzel) Deutschland steckt in einem strukturellen Dilemma: Die Anforderungen – Wohnen, Energie, Infrastruktur, Klimaschutz, Demografie – steigen schneller an, als Verwaltungen reagieren können. Gleichzeitig schrumpfen Personal, Zeit und finanzielle Spielräume, Kritik, Erwartungsdruck und Vertrauensverlust in staatliche Handlungsfähigkeit summieren sich.

Fachlicher Fokus

Gestern Heute

Anwendungsunterstützung (IKTEinsatz bei/für Sachbearbeitung)

Prozessunterstützung (Senkung von Bürokratiekosten, Online-zugang / E-Government)

Technikeinsatz Einzelne IT-Werkzeuge Integrierte (Fach-)Anwendungen, OnlineModule/Serviceportale

Daten Digitale Dokumente (Pläne und Akten)

Struktur (Paradigma)

Aufgabenorientierte Verwaltung

Standardisierte Daten und Schnittstellen (XÖV, FIM, GML/IFC,…, Dienste)

Kunden-/Nutzerorientierung (meist jedoch bezogen auf Einzelverwaltung/selten Portalverbund)

Morgen

Wirkungsorientierung / Gesamtergebnis Fokus auf Impact: z. B. Fertigstellungen, Ressourceneinsatz Erfüllungsaufwand in Verwaltung + Wirtschaft (Zeit, Geld, CO2)

Plattformen/Dienste/M2M/Apps (öffentliche/private Intermediäre)

Datenmodelle/BIM (3D, VR/AR, 4D/5G); Datenbasierte Wertschöpfungsketten (urbane Plattformen, Datenmarktplätze)

Vernetzte Verwaltung/Staat als Plattform (OnceOnly/DigitalFirst)

Phasen der Verwaltungsinformatik – vom Werkzeug- und Prozessparadigma hin zu daten- und plattformbasierten Leistungsnetzwerken Abbildung: BS/Brunzel/Kuebert 2024

kumentenbasierte Logiken digital optimiert – ein Ansatz, der nicht mehr trägt und volkswirtschaftlich jedes Jahr Milliarden kostet. Die Zukunft gehört einer Verwaltung, die sich nicht mehr über Dokumente und Zuständigkeiten organisiert, sondern über Daten, Plattformen und gemeinsam nutzbare digitale Infrastrukturen. Daten werden damit zur primären Ressource staatlicher Leistungsfähigkeit – ähnlich grundlegend wie Energie oder Finanzen. Wer sie systematisch strukturiert, verknüpft und schützt, schafft die Voraussetzung für deutlich höhere Automatisierung, neue, wirkungsorientierte Formen der Kooperation und eine spürbar bessere strategische Steuerungsfähigkeit. Entscheidend ist dabei der integrierte Blick: Technik, Organisation, Recht, Finanzen, Kompetenzen und Politik – die sechs Gestaltungsdimensionen öffentlicher IT – müssen in jedem Modernisierungsvorhaben zusammenwirken. Nur dann entsteht eine Verwaltung, die nicht einfach digitalisiert, sondern Wirkung erzeugt. Plattformen und digitale Ökosys-

teme können zur Basistechnologie des Staates werden – nicht als zentralistische Monopole, sondern als souveräne Infrastruktur, auf der föderale Vielfalt funktionsfähig bleibt. Sie reduzieren Komplexität, indem alle Ebenen mit gemeinsamen Standards, Datenmodellen und interoperablen Bausteinen arbeiten.

Plattformen als Fundament –föderal, interoperabel, souverän Besonders anschaulich wird dies im digitalen Planen und Bauen –einem Bereich, in dem Gebäudedaten, Geodaten, Umweltinformationen, digitale Identitäten, Nachweise und Prüfprozesse direkt ineinandergreifen. Jede Schwachstelle – ein fehlender Standard, eine inkompatible Schnittstelle, ein proprietäres Datenformat – wirkt systemisch und bremst ganze Verfahren. Umgekehrt zeigt die Praxis: dort, wo Datenmodelle vereinheitlicht und Standards konsequent genutzt werden, entstehen Effizienzgewinne, die weit über klassische Digitalisierungslogiken hinausgehen. Dass dieses Handlungsfeld derzeit in den Fokus rückt, ist kein Zufall. Der MPK-Be-

schluss vom November 2023 zur Digitalisierung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren markiert einen seltenen politischen Moment, in dem Bund, Länder und Wirtschaft sichtbar am selben Strang ziehen. Mit etablierten Standards wie XPlanung/XBau (XLeitstelle), Vorarbeiten wie DiPlanung, der EfA-Baugenehmigung, kooperativen Dateninfrastrukturen wie infrest sowie Initiativen zu Smart City, BIM, digitalen Zwillingen und Gaia-X-fähigen Datenräumen sind die Voraussetzungen besser als oft behauptet. Das Zusammenspiel dieser Bausteine macht das Feld zu einem idealen Experimentier- und Lernraum für daten- und plattformbasierte Verwaltungsmodernisierung. Ohne einen mutigen Neuanfang bei technischen Infrastrukturen und Verantwortlichkeiten bleibt föderale Modernisierung Stückwerk. Plattformisierung bedeutet daher keineswegs Machtverlagerung nach oben, sondern die Befähigung aller Ebenen, auf gemeinsamen Grundlagen zu arbeiten – weniger Reibung, weniger Doppelarbeit, mehr Wirkung.

Vom Flickenteppich zur Verbindungsebene

Simpl – Europas digitale Brücke zwischen Datenräumen

(BS/Dr. Ralf Resch) Europa will Datenräume verbinden, nicht zentralisieren. Die Smart Middleware Platform (Simpl) schließt die Lücke zwischen bestehenden Plattformen: Sie macht Daten aus Gesundheit, Mobilität, Energie und Beschaffung souverän nutzbar: sicher, wiederverwendbar und grenzüberschreitend, ohne nationale oder sektorale Autonomie aufzugeben.

Simpl umfasst drei Ebenen:

1. Technische Interoperabilität: wiederverwendbare Bausteine für APIs, föderierte Identität und Autorisierung, semantische Modelle sowie Audit und Protokollierung.

2. Governance & Vertrauen: klare Rollen für Provider, Consumer und eine Governance Authority. Datenhoheit bleibt beim Provider; Nutzungsbedingungen (Einwilligung, Zweckbindung, Widerruf) sind durchsetzbar.

3. Gemeinsame Dienste: Kataloge, Vertrauens- und Konnektivitätsdienste, Qualitäts- und Compliance-Checks sowie Referenzarchitekturen. Die Rollen werden über Provider-, Consumer- und GovernanceAgents realisiert.

Programmlinien

• Simpl-Open: Open-Source-Entwicklung der Bausteine, gemeinschaftlich entworfen, getestet und in Piloten erprobt. Ziel ist kein Datentopf, sondern ein Werkzeugkasten für interoperablen Austausch (Quellcode: code.europe.eu).

Schwerpunkt

• Simpl-Labs: neutrale Testumgebung, mit der Behörden und Unternehmen Prototypen aufsetzen, Interoperabilität prüfen und

Lücken identifizieren – vor Beschaffungen (Start: Ende 2026).

• Simpl-Live: Realerprobung mit klaren Nutzenzielen. Im Fokus stehen zehn europäische Datenräume – u. a. EHDS2 (Gesundheit), EOSC (Forschung), DestinE (digitaler Zwilling der Erde), ELDS (Sprachen), PPDS (Beschaffung), SCDS (Städte), EMDS (Mobilität), GDDS (Green Deal), EEDS (Energie) und CEADS (Landwirtschaft). Das Vorgehen erfolgt in zwei Phasen: zuerst wird die Machbarkeit der Integration von Simpl in den Datenraum untersucht, danach die Integration der Simpl-OpenKomponenten umgesetzt.

Praxisnutzen für Verwaltung und Markt

Simpl stärkt Souveränität, reduziert Integrationskosten und beschleunigt Innovation – mit Spielräumen für Geschäftsmodelle rund um Datenqualität, Analytik, Beratung und Compliance. Beispiele: EHDS2: grenzüberschreitende Versorgung und Forschung; Potenzial für Datenaufbereitung, Studien-Design- und ComplianceServices.

Modernisierungsagenda, Deutschland-Stack, EUDI-Wallet, Registermodernisierung und Law as Code zeigen die Richtung: weg vom Digitalisieren des Bestehenden, hin zu einer Verwaltung, die spürbare Wirkung erzeugt – kürzere Planungszeiten, verlässliche Investitionen, Entlastung trotz Fachkräftemangel, mehr Transparenz.

Wirkung erzeugen – das Zielbild 2030 Ein Zielbild 2030 beschreibt Verwaltung als datenbasiertes, plattformfähiges und kooperatives System: Daten als Primärressource, Plattformen als Rückgrat, verstetigte Kooperationsstrukturen als institutioneller Rahmen – getragen von interdisziplinärer Gestaltung, Kompetenzaufbau und klaren politischen Prioritäten für staatliche Kerninfrastrukturen. Wer heute in datenzentrierte, plattformbasierte Verwaltungsstrukturen investiert, investiert nicht in mehr IT, sondern in die zukünftige Handlungsfähigkeit des Staates. Die Gestaltung der digitalen Transformation ist kein Technikprojekt, sondern eine Staatsaufgabe. Wer sie auf Software, Portale oder Verfahren reduziert, verliert – politisch, organisatorisch und letztlich gesellschaftlich. Gerade im Bereich Planen und Bauen hat Deutschland aktuell die Chance, Verwaltung neu zu denken: offener, vernetzter, wirksamer. Wenn technische Modernisierung, institutionelle Verantwortung und politische Prioritätensetzung zusammenfinden, entsteht ein Staat, der nicht nur reagiert, sondern gestaltet und damit seine eigene Zukunftsfähigkeit sichert.

Dr. Marco Brunzel ist Dozent an der HWR Berlin und an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Foto: BS/privat

EMDS: geteilte Fahrplan-, Belegungs- und Emissionsdaten verbessern Taktung im OEPNV, Luftqualität sowie die Services für Planung, Simulation und Tarife.

PPDS: vergleichbare Ausschreibungen und ESG-Kriterien über Grenzen hinweg; gemeinsamer Marktplatz-, Matching- und Prüfservices.

EEDS: Daten zu Erzeugung, Verbrauch und Speichern fördern Energiegemeinschaften und Flexibilitätsmärkte (Demand Response); Chancen für Aggregation und Abrechnung.

CEADS: Mehrfachnutzung von Betriebs-, Boden- und Umweltdaten für Förderanträge, CO2-Bilanzierung oder Hilfen; Modelle für Zertifizierung und Beratung.

Weiter Informationen

Nach EU-weiter Ausschreibung arbeiten zwei Konsortien in Phasen bis 2027 an Simpl. Sovereign-X verantwortet SimplOpen (2024–2026) und lieferte 2024 die erste Phase von Simpl-Labs/-Live (u. a. Atos, Capgemini, Engineering, Cosmote/T-Systems, Aruba, IONOS). InfrateX (Sopra Steria, NTT Data) übernimmt ab 2025 die zweite Phase von Simpl-Live samt Schwesterprojekt EuroCloud. Weitere Bausteine wie die Einbindung von Hochleistungsrechnern und KI-Agenten sind vorgesehen. Eine vorbereitende Studie der EU-Kommission (2022) definierte Anforderungen an eine föderierte Schicht. Simpl ist in der EU-Datenstrategie verankert.

Dr. Ralf Resch unterstützt die Europäische Kommission bei der Umsetzung des Simpl-Programms. Foto: BS/privat

Deutschland: föderal anschlussfähig Für Bund, Länder und Kommunen eröffnet Simpl die Chance, föderale IT-Landschaften mit europäischen Datenräumen zu verbinden – ohne zentrale Datenhaltung. Klar definierte Zugriffs- und Nutzungsregeln sichern nationale Souveränität und Interoperabilität. Der Open-SourceGrundsatz ermöglicht die Wiederverwendung erprobter Komponenten aus bestehenden Projekten. Simpl verbindet Europas Datenräume, ohne sie gleichzumachen. Der Ansatz ist föderiert, rechtssicher und offen – und schafft Raum für Geschäftsmodelle, die Gemeinwohl und wirtschaftliche Nachhaltigkeit verbinden. Für Deutschland heißt das: nationale Modernisierung mit europäischer Skalierung – praktisch, messbar, nachhaltig.

Aktuell haben wir in Deutschland eine Glasfaserversorgung bis ins Gebäude oder in die Wohnung (FTTB/H) von 42,9 Prozent. Die Ausbauquote steigt zwar stetig, doch sie ist auf der langen Geraden noch eine Herausforderung mit mehreren Etappen. 82 Prozent des Glasfaserausbaus in Deutschland erfolgt eigenwirtschaftlich durch Telekommunikationsunternehmen (TKU). In Gebieten, in denen der Ausbau wirtschaftlich als nicht tragfähig angesehen wird, unterstützt der Bund auch in Zukunft mit der Gigabitförderung 2.0. Der Glasfaserausbau erfolgt durch verschiedene Legemethoden. Neben dem klassischen Tiefbau ermöglichen alternative Legemethoden wie das Micro-Trenching, bei dem eine Fräse einen nur wenige Zentimeter breiten Schlitz in den Boden fräst, einen schnelleren und kosteneffizienteren Ausbau. Mit der Einführung der DIN 18220, die diese Methoden standardisiert, wurde ein wichtiger Fortschritt erzielt. Zur praktischen Anwendung bietet das Gigabitbüro kostenfreie Schulungen an

Unterwegs im Funknetz: Mobilfunkversorgung

Die Mobilfunkversorgung ist bereits weit fortgeschritten: 97,6 Prozent der Landesfläche sind mit 4G (LTE) und 94,2 Prozent mit 5G versorgt. Die neue „Analyse von weißen Flecken“ des BMDS (siehe Titeltext auf Seite 25, Anm. d. R.) zeigt jedoch, dass weiterhin 23.500 weiße Flecken ohne Mobilfunkempfang bestehen. Um die Mobilfunkversorgung in Deutschland weiter zu verbessern, wird intensiv gemessen, geforscht und gebaut. In diesem Jahr fand die erste bundesweite Mobilfunk-Messwoche statt. Mit der Funkloch-App prüften Nutzerinnen und Nutzer die Abdeckung in ganz Deutschland. Die vom BMDS koordinierte Initiative von Bund, Ländern und Kommunen lieferte wertvolle Daten zur Optimierung der Netzabdeckung. Ebenso zeigt das Forschungsprojekt „Gigabit Innovation Track XT“ Wege für stabiles Gigabit-Internet entlang von Bahnstrecken.

Für mehr Klarheit sorgen: Glasfaser-Kampagne des BMDS Es ist wichtig, die „Mitfahrenden“ über Route und Ziel zu informieren und die Richtung festzulegen. Beim

In puncto digitale Souveränität geht Schleswig-Holstein bereits mutige Wege und hat in seiner Landesverwaltung vor Kurzem den Paradigmenwechsel vollzogen. Deutschlands nördlichstes Bundesland setzt nicht länger auf Lösungen des US-Herstellers Microsoft, hat sich stattdessen für alternative Tools wie LibreOffice oder die vom ZenDiS (Zentrum für Digitale Souveränität) entwickelte Open-SourceLösung openDesk entschieden. Um jedoch digital vollumfänglich souverän zu sein, braucht es noch mehr, etwa leistungsstarkes und flächendeckend verfügbares Internet. Auch hier tut sich SchleswigHolstein hervor. Laut der jüngsten Marktanalyse des BREKO (Bundesverband Breitbandkommunikation) hat das Land eine derzeitige Ausbauquote von 92,7 Prozent. Dies betrifft die „Homes passed“, also Haushalte, bei denen mindestens ein Glasfaserkabel oder Leerrohr bis zur Straße oder näher liegt. Die tatsächliche Glasfaseranschlussquote ist naturgemäß niedriger, doch auch hier befindet sich SchleswigHolstein laut BREKO mit 52,2 Prozent ganz vorne. Das Treppchen komplettieren zwei weitere Nord-

Breitband in Deutschland

Einladung an alle Marktakteure zu einer gemeinsamen Reise

(BS/Sven Butler/Finja Ahlborn) Der Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetzen ist entscheidend für die digitale Teilhabe in unserer Gesellschaft und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Da eine Vielzahl an Akteuren beteiligt ist, kann der Ausbau nur gelingen, wenn die öffentliche Hand, die Wirtschaft – insbesondere die Telekommunikationsbranche – sowie Bürgerinnen und Bürger zusammenarbeiten. Der Prozess des Ausbaus lässt sich gut mit einer langen Autofahrt vergleichen: Es gibt Höhen und Tiefen, Kurven, unerwartete Hindernisse und Baustellen. Aber wer dranbleibt, erreicht sein Ziel.

Mit hoher Verbindungsgeschwindigkeit in die Zukunft: Als Kompetenzzentrum des Bundesdigitalministeriums unterstützt das Gigabitbüro den Glasfaserausbau in Deutschland. Foto:

Glasfaser- und Mobilfunkausbau bedeutet das: Bürgerinnen und Bürger müssen informiert und eingebunden werden. Viele Menschen zögern mit der Umstellung auf einen Glasfaseranschluss, weil sie sich bereits ausreichend versorgt fühlen oder Bedenken hinsichtlich der Kosten oder der Vertragsumstellung haben oder ein mangelndes Vertrauen in den Netzbetreiber besteht. Die bundesweite Glasfaser-Kampagne des BMDS macht Vorteile sichtbar, motiviert zum Wechsel und bietet eine informative Website, einen Glasfaser-Chatbot sowie Medieninformationen. Das Gigabitbüro des Bundes ergänzt die Glasfaser-Kampagne langfristig: Auch nach ihrem Ende unterstützen wir Kommunen als lokale „Navigatoren“ mit praxisnahen Angeboten – von Schulungen

über kostenlose Vorlagen und Online-Infoveranstaltungen bis hin zu Roadshows und der Kampagne „So kommt die Glasfaser zu Ihnen“.

Gesetzesneuerungen auf nationaler und europäischer Ebene Wie die Straßenverkehrsordnung für Autofahrende regelt das Telekommunikationsgesetz (TKG) den Glasfaser- und Mobilfunkausbau in Deutschland. Ein zentraler Schritt: Die Einstufung des Telekommunikationsnetzausbaus im Juni 2025 als im „überragenden öffentlichen Interesse“. Damit erhalten TK-Ausbauprojekte Vorrang in Genehmigungsverfahren, was die Umsetzung beschleunigt. Auf EU-Ebene sind wesentliche

Teile der Gigabit-Infrastrukturverordnung (Gigabit Infrastructure Act, GIA) am 12. November 2025

wirksam geworden. Ziel der GIA ist es, den Ausbau moderner Kommunikationsinfrastrukturen in allen EU-Mitgliedsstaaten zu beschleunigen. Das BMDS bereitet derzeit eine Anpassung des TKG vor, um das nationale Recht an die Vorgaben der GIA anzupassen und nationale Spielräume im Sinne des Netzausbaus zu nutzen. Die Umsetzung der Änderungen im TKG ist für 2026 zu erwarten. Um die Anwendung der GIA in Deutschland zu erleichtern und Klarheit für den Übergangszeitraum bis zur Anpassung des TKG zu schaffen, hat das BMDS umfassende FAQs und Orientierungshilfen veröffentlicht.

Wir unterstützen Kommunen und Telekommunikationsunternehmen mit kostenfreien Webcasts bei den Gesetzesneuerungen.

Mehr Breitband im Flachland

Schleswig-Holstein ist Vorreiter bei schnellem Internet

(BS/cb) Im EU-Vergleich liegt Deutschland beim Glasfaser-Ausbau deutlich unter dem Durchschnitt. Innerhalb der Bundesrepublik zeigen sich teils große Unterschiede zwischen den Ländern. Während der hohe Norden an der Spitze des Breitband-Rankings steht, holt der Osten auf. Im Südwesten steht ein Korruptionsverdacht im Raum.

länder: das digital allgemein starke Hamburg mit 90,8 Prozent Ausbauquote und – dann schon mit einem gewissen Abstand – Bremen mit 79,9 Prozent.

250 Millionen Euro Förderung Ein Land, das nicht mehr wirklich im Norden liegt, laut seiner Digitalministerin Dr. Lydia Hüskens (FDP) aber in Digitalisierungsfragen den „Sportsgeist“ seiner Hauptstadt Magdeburg mitbringt, ist Sachsen-Anhalt. In der BREKO-Rangliste liegt es als stärkstes ostdeutsches Bundesland mit 70,1 Prozent Breitbandausbauquote auf Platz vier. Mitte November wurde bekannt, dass Sachsen-Anhalt den Glasfaserausbau mit 253 Millionen Euro weiter fördert – finanziell unterstützt durch den Bund. Diese Förderung verteilt sich auf 34 Bewilligungsbescheide, welche Landräten und Bürgermeistern

überreicht wurden. Die Bescheide umfassen ein Fördervolumen von 104 Millionen Euro durch das Land, weitere 149 Millionen Euro steuert der Bund im Rahmen der „GraueFlecken-Förderung“ bei. Als graue Flecken werden Gebiete bezeichnet, die bislang über keinen Glasfaseranschluss verfügen und in denen im Markterkundungsverfahren kein eigenwirtschaftlicher Ausbau angekündigt wurde. Weiße Flecken wiederum sind Gebiete, in denen derzeit keine 30 Mbit/s im Download erreicht werden. Die weißen Flecken seien in Sachsen-Anhalt mittlerweile weitgehend verschwunden, wie ein Sprecher des Digitalministeriums mitteilt. Mit dem neuen Budget „können bis zum Jahr 2029 insgesamt 50.000 Adressen erschlossen werden“, kommentiert Hüskens die Förderung. Davon profitierten insbesondere kleine Ortsteile in ländlichen

Das Ziel des Glasfaser- und Mobilfunkausbaus ist die flächendeckende Versorgung. Damit die Fahrt dorthin gelingt, braucht es jedoch auch eine effiziente Navigation. Der Wechsel von Kupfer- auf Glasfasernetze ist ein großes Infrastrukturprojekt, das regulatorische, wettbewerbspolitische und verbraucherrelevante Fragen aufwirft. Wie beim Autofahren sollte frühzeitig der Blinker gesetzt werden: Am 2. Oktober startete das BMDS den Konsultationsprozess zu den Eckpunkten eines Gesamtkonzepts für die Migration.

Ihr Fahr-Assistent: das Gigabitbüro des Bundes Das Gigabitbüro begleitet Sie auf der Fahrt durch den Glasfaser- und Mobilfunkausbau. Als Kompetenzzentrum des BMDS für digitale Infrastrukturen sind wir die zentrale Anlaufstelle für Kommunen, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger. Wir vernetzen alle Akteure, unterstützen mit Leitfäden, Schulungen und Beratung zu Fördermöglichkeiten und begleiten Projekte von der Planung bis zur Inbetriebnahme. Fragen beantworten wir unter +49 30 26 36 50 40 oder unter kontakt@ gigabitbuero.de.

Regionen. „Mit den geförderten Ausbauprojekten kommen wir unserem Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung aller Haushalte und Unternehmen wieder ein großes Stück näher“, so die Ministerin für Infrastruktur und Digitales. Der Profisport ist dabei mehr als ein Sinnbild: Schwimm-Olympiasieger Lukas Märtens habe in seiner Heimat Sachsen-Anhalt „medienübergreifend und anbieterneutral für den Glasfaserausbau geworben“, berichtet Hüskens. Offenbar mit Erfolg.

Auffällige Vergaben im Saarland Dass einem effektiven Glasfaserausbau auch illegale Handlungen im Weg stehen können, zeigt sich derzeit mutmaßlich im Saarland. Wegen des Verdachts von Vermögens- und Korruptionsdelikten laufen dort Ermittlungen gegen elf Beschuldigte, wie die Staatsanwalt-

schaft Saarbrücken gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärte. Nach Informationen des Saarländischen Rundfunks geht es dabei um auffällige Vergabeverfahren in mehreren saarländischen Landkreisen, darunter der Regionalverband Saarbrücken sowie die Kreise St. Wendel, Neunkirchen, Saarlouis und Saarpfalz. In diesem Zusammenhang habe es in mehr als 20 Objekten umfangreiche Durchsuchungen im Saarland, in Bayern und Nordrhein-Westfalen gegeben. Neben Bargeld im fünfstelligen Bereich wurden demnach Unterlagen und Datenträger sichergestellt. Die Beschuldigten zwischen 33 und 63 Jahren sehen sich mit einer Reihe von Anschuldigungen konfrontiert: dem Verdacht der Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung und Bestechlichkeit sowie Bestechung und Untreue im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen für den Glasfaserausbau. Positiv betrachtet kann es für das nach Einwohnerzahl kleinste Bundesland nur nach oben gehen: Im Länderranking liegt das Saarland mit einer Ausbauquote von 23,8 Prozent auf dem 16. und letzten Platz.

Sven Butler ist Leiter des Gigabitbüros des Bundes. Foto: BS/privat
Finja Ahlborn ist Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit beim Gigabitbüro des Bundes. Fotos: BS/Gigabitbüro
BS/Gigabitbüro

Bundesdigitalminister

Dr. Karsten Wildberger (CDU) bezeichnete den Beschluss als „Meilenstein im Aufbau des BMDS“ und erklärte, das Ministerium investiere „in den Ausbau der Netze, führt KI in der Verwaltung ein und stellt sicher, dass jeder Deutsche eine digitale Brieftasche bekommt“. Nach Angaben des BMDS bündelt der neue Einzelplan erstmals Mittel aus sechs früheren Ressorts in einem konsistenten Gesamtansatz.

Die Gliederung des Haushaltes Der Kernhaushalt gliedert sich in mehrere Programmkapitel, darunter Digitalpolitik und digitale Innovationen (222,4 Millionen Euro), die IT-Infrastruktur des Bundes (956,2 Millionen Euro) sowie Staatsmodernisierung und Bürokratierückbau (62,9 Millionen Euro). Hinzu kommen insbesondere Mittel für Konnektivität, Plattformökosysteme, den Einsatz Künstlicher Intelligenz und den Ausbau digitaler Souveränität. Unter anderem werden 29 Millionen Euro für souveräne Technologien und rund 89 Millionen Euro für Dateninfrastrukturen und KI-Forschung bereitgestellt. Die größten Investitionen des Sondervermögens fließen in den Breitbandausbau (2,255 Milliarden Euro), den Mobilfunkausbau (200 Millionen Euro) sowie in große Digitalvorhaben wie die EUDI-Wallet, das Bürgerkonto-Ökosystem oder die Registermodernisierung.

Das neue Portemonnaie des BMDS

Erster Digitalhaushalt beschlossen

(BS/fst) Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner jüngsten Bereinigungssitzung den Einzelplan 24 verabschiedet und damit erstmals einen vollständigen Haushalt für das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung geschaffen. Für das Jahr 2026 stehen dem Ministerium rund 1,36 Milliarden Euro aus dem Kernhaushalt sowie weitere 3,11 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ zur Verfügung.

Open-Source-Projekten und ressortübergreifenden Digitalvorhaben.

Akzente aus dem Haushaltsausschuss

seit seiner Gründung läuft das BMDS unter seinem eigenen Haushaltstitel. Das Infrastruktursondervermögen ergänzt den Digitalhaushalt. Foto: BS/grafikplusfoto, stock.adobe.com

der IT-Konsolidierung des Bundes. Für die zentralen IT-Architekturen, die Standardisierung und die Migration von Fachverfahren sind 234 Millionen Euro vorgesehen;

bis 2029 zu weiteren 421 Millionen Euro. Parallel dazu wurde eine Verwaltungsvereinbarung zwischen dem BMDS und dem Bundesministerium der Finanzen geschlos-

Ob KI oder Haushaltsreife...

...ohne Überblick kann keine Entscheidung tragen

(BS/Tatiana Muñoz) Wenn neue Vorgaben eintreffen, während alte Themen ungelöst bleiben und Entscheidungen ohne Gesamtüberblick getroffen werden müssen, entsteht Unsicherheit. Eine praxiserprobte Methode hilft Führungskräften, Klarheit zu gewinnen. ADVERTORIAL

„Im Alltag verliert man oft das große Ganze aus dem Blick. Einzelentscheidungen trifft man aus der Situation heraus. Hauptsache, der Laden läuft irgendwie“, sagte mir die Leitung einer Landesbehörde in einem Workshop.

„Gleichzeitig gibt es in der Behörde viele unausgesprochene Wahrnehmungen. Da verlieren wir Führungskräfte schnell den Überblick und vor allem viel Zeit. So ehrlich muss man sein.“

Ich nickte, denn solche Sätze höre ich häufig.

An eigenen Akzenten mangelte es dem Ausschuss dennoch nicht. Insgesamt sieben Maßgabebeschlüsse wurden zum Digitalhaushalt formuliert, zwei davon gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. CDU/CSU und SPD drängen auf die Einführung eines im Koalitionsvertrag vorgesehenen Effizienzfonds, der innovative Modernisierungsprojekte finanzieren soll und dessen Einsparwirkungen später wieder in den Fonds zurückfließen sollen. Zudem soll ein ressortübergreifender IT-Projektpool entstehen, damit Ministerien gemeinsame digitale Vorhaben mit fachlich zusammengesetzten agilen Teams umsetzen können. Für die Bundesregierung wurde hier eine Frist bis zum 30. Juni 2026 gesetzt, um ein Umsetzungskonzept vorzulegen.

Wenig Luft zum Nachdenken Führungskräfte wie Sie spüren das besonders. Zwischen rechtlichen Vorgaben, Personalfragen und politischen Aufträgen bleibt kaum Raum, um innezuhalten und sich zu fragen: Wie funktioniert unsere Organisation eigentlich? Wer entscheidet was – und warum? Und verstehen alle, worauf wir gemeinsam hinarbeiten?

KI kann Arbeit abnehmen und Führungskräften Luft verschaffen. Aber auch Maschinen müssen genau wissen: was, wann, wo und wie. Ohne klaren Überblick von außen erledigt KI im besten Fall doppelte Arbeit, oft aber bindet sie mehr Ressourcen, als sie einspart.

Klarheit statt reaktives Handeln

Mit Ihrer Erfahrung wissen Sie es ohnehin, hier braucht es keine Studien, keine Führungslehrgänge und keine White Papers: Je klarer das gemeinsame Bild über Ziele, Strukturen und das „Warum machen wir das eigentlich?“ ist, desto kleiner werden Bereichsegoismen. Und desto besser funktioniert das Zusammenspiel

Tatiana Muñoz arbeitet seit über zehn Jahren in, für und mit der Verwaltung. Sie hat Zertifikate und Fortbildungen von agilem Projektmanagement bis Führung, setzt in ihrer Arbeit aber vor allem auf ehrliche Praxis.

Foto: BS/Tatiana Muñoz

der Führungskräfte miteinander und innerhalb ihrer Teams.

Geduldsprobe: Entscheidungsfindung

Ein klarer Blick auf die eigene Organisation hilft – mit all ihren formellen und informellen Wechselwirkungen: Bei Ansagen der Hausspitze, die nicht selten zu Augenrollen im Team führen. Bei zähen Verhandlungen um die Haushaltsreife wichtiger Projekte. Und bei Entscheidungen, wie z.B. KI sinnvoll eingesetzt wird. Klarheit schafft Verständnis für Entscheidungen und ermöglicht die offene Benennung von Stärken und Schwächen. Das führt am Ende zu mehr Zeit für das, was wirklich wichtig ist. Und nicht zuletzt zu mehr Ruhe und innerer Stabilität – bei Führungskräften und in den Teams.

Simple Organisationsanalyse

Viele Verwaltungen geben für externe Organisationsanalysen fünfstellige Beträge aus, nicht selten mit geringem praktischen Nutzen.

Ein Referatsleiter brachte es einmal so auf den Punkt: “Sie hat nicht das Wichtige, das Verborgene an

die Oberfläche gebracht.”

Genau das macht die BehördenMatrix. Wir schauen gemeinsam auf die Organisation und sichtbar wird das, was sonst verborgen bleibt: informelle Wege, blinde Flecken, Reibungen, Stärken.

Eine Abteilungsleiterin sagte nach unserem Workshop: „Die BehördenMatrix hat mir Klarheit gebracht. Endlich eine strukturierte Vorgehensweise, die greifbare Ergebnisse liefert und nicht nur wieder ein theoretisches Modell ist.“

Die BehördenMatrix wurde gemeinsam mit Führungskräften entwickelt, in der Praxis getestet und wissenschaftlich begleitet. Sie hilft, auf einem einzigen Blatt sichtbar zu machen, wie eine Organisation wirklich funktioniert, wer entscheidet, wo Reibungen entstehen und wo Ressourcen versickern. Am Ende ist Führung in der Verwaltung kein Hexenwerk – solange man weiß, wie der eigene Laden wirklich funktioniert.

Erfahren Sie im Webinar, wie Sie sich mit der BehördenMatrix in wenigen Stunden einen wertvollen Überblick verschaffen können.

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formationstechnikzentrums Bund (ITZBund) zu klären. Das BMDS übernimmt dabei die fachliche Zuständigkeit für zentrale Aufgaben des ITZBund, während eine gemeinsame Projektgruppe bis Ende 2026 die weitere Aufgabenaufteilung ausarbeiten soll. In der Bereinigungssitzung selbst nahm die Haushaltsmehrheit aus CDU/CSU und SPD keine Kürzungen am Einzelplan 24 vor. Hintergrund ist, dass der Plan zuvor erst im parlamentarischen Verfahren unter Beteiligung des Bundesfinanzministeriums zusammengestellt wurde, um offene Zuständigkeitsfragen, insbesondere in Bezug auf Verwaltungsvereinbarungen, zu klären. Beobachter verweisen darauf, dass gewisse Anpassungen damit bereits vor den Bereinigungsberatungen erfolgt waren – unter anderem bei der Finanzierung von

Zentraler Punkt der gemeinsamen Beschlüsse von Union, SPD und Grünen ist die Stärkung eines ITZustimmungsvorbehalts, mit dem IT- und Digitalvorhaben künftig nur dann Mittel erhalten sollen, wenn sie nachweislich zur bundesweiten Digitalstrategie beitragen, wirtschaftlich tragfähig sind, Standards erfüllen und eine ausreichende Risikoprüfung vorlegen. Bis Ende Juli 2026 soll die Bundesregierung über die Fortentwicklung berichten und auch den Bundesrechnungshof einbeziehen, dessen Gutachten zur IT-Konsolidierung im Sommer als Hintergrund diente. Unabhängig vom Einzelplan 24 tauchten Digitalthemen auch in anderen Ressorts auf. So kritisierte der Ausschuss beim Einzelplan 06 (BMI) den schleppenden Aufbau der Zentralen Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation (ZEAM). Das Innenministerium soll die Projektgruppe in eine dauerhafte Struktur überführen, schneller Personal einstellen und bis März 2026 ein Zielbild sowie einen Zeitplan vorlegen.

Erstmals

NIS-2 ist da

Neue Pflichten, mehr Aufsicht, größerer Schutzumfang

(BS/fst) Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Umsetzung der NIS-2-Richtlinie beschlossen, mit dem das nationale Recht zur Cybersicherheit umfassend modernisiert wird. Nach Angaben des BSI wird mit der Novelle das bisherige BSI-Gesetz erweitert und das Amt zur zentralen Aufsichts- und Koordinierungsbehörde für die Bundesverwaltung und betroffene Unternehmen ausgebaut.

Nach einem langen Weg ist es nun beschlossene Sache – die NIS-2-Richtlinie wurde in deutsches Recht überführt. Doch es sind immer noch nicht alle Teile des Parlaments überzeugt. Foto: BS/ Hehnen, stock.adobe.com

Mit dem Inkrafttreten werden künftig rund 29.500 Einrichtungen – statt bislang etwa 4.500 – in den Anwendungsbereich fallen. Bei diesen Einrichtungen muss eine Registrierung beim BSI erfolgen, IT-Sicherheitsvorfälle müssen gemeldet werden und technische sowie organisatorische Maßnahmen umgesetzt werden. Die Bundesverwaltung unterliegt künftig verbindlichen Mindestanforderungen an die Informationssicherheit, die sich unter anderem am IT-GrundschutzKompendium des BSI orientieren, und soll durch eine zentrale Steuerung (CISO Bund) stärker verzahnt werden.

Nicht alle mit an Bord In der parlamentarischen Debatte begründeten die Fraktionen ihr Abstimmungsverhalten ausführlich.

CDU/CSU, SPD und AfD stimmten dem Gesetz zu. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen votierte dagegen und verwies darauf, dass der Entwurf aus ihrer Sicht einen unzureichenden, nicht ausreichend ganzheitlichen Schutz kritischer Infrastrukturen vorsehe. Die Grünen hatten hierzu einen eigenen Antrag

eingebracht, in dem sie ein umfassenderes „KRITIS-Dachgesetz“ fordern, das auch kommunale Verwaltungen stärker berücksichtigen und ein einheitliches Sicherheitsniveau ohne weitreichende Ausnahmen für Behörden sicherstellen soll. Die Linksfraktion enthielt sich und begründete dies damit, dass die Schwellenwerte, ab denen die neuen Pflichten greifen, zu hoch angesetzt seien. Sie verwies darauf, dass auch Ausfälle kleinerer Unternehmen erhebliche Auswirkungen haben könnten und nannte unter anderem den Angriff auf den kommunalen IT-Dienstleister Südwestfalen-IT im Jahr 2023 als Beispiel für flächendeckende Folgen weit unterhalb der Schwellenwerte. BSI-Präsidentin Claudia Plattner begrüßte die Verabschiedung des Gesetzes. Sie sagte: „Mit diesem Gesetz hat Deutschland einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer resilienten Cyber-Nation erreicht, denn wir schützen damit einen entscheidenden Teil unserer digitalen Angriffsfläche viel besser als bisher.“ Weiter erklärte sie: „Es ist von großem Nutzen, dass Mandat, Expertise und Ressourcen für die operative Umsetzung von Cy-

ber-Sicherheit innerhalb der Bundesverwaltung nun an einer Stelle gebündelt und stringent eingesetzt werden können.“ Sie kündigte zudem an, dass das BSI Unternehmen mit einem Starterpaket sowie virtuellen Kick-off-Seminaren unterstützen werde, um die neuen Anforderungen praktisch umzusetzen.

Wenig Vorbereitungszeit

Aus der Wirtschaft kamen gemischte Reaktionen. Der Digital- und Branchenverband Bitkom bewertete zwar positiv, dass nun nachgelagerte Bundesbehörden in den Anwendungsbereich eingeschlossen werden. Gleichzeitig warnte BitkomChef Ralf Wintergerst: „Verbote können erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit haben und für die Digitalisierung in Deutschland schädlich sein.“ Der Verband eco – Verband der Internetwirtschaft äußerte, dass Deutschland zwar den langen Anlauf geschafft habe, nun aber Vertrauen und Klarheit schaffen müsse, da „die neuen Vorgaben kommen – und zwar ohne Übergangsfrist!“. Auch Fachverbände warnten vor unklaren Zuständigkeiten und einer möglichen „Zwei-Klassen-Cybersicherheit“, wenn Behörden stärker ausgenommen blieben als private Unternehmen. Der Weg zum Gesetz war lang. Die NIS-2-Richtlinie wurde im Dezember 2022 auf EU-Ebene beschlossen und hätte bis Oktober 2024 umgesetzt werden müssen. In Deutschland verzögerten Abstimmungen zwischen Bundesregierung, Bundestag, Wirtschaft und Verbänden den Prozess. Der Regierungsentwurf kam im September 2025 in den Bundestag und wurde nach Anhörung von Sachverständigen mehrfach überarbeitet. Mit dem Beschluss steht nun der nationale Rechtsrahmen fest und nun verbindet zentrale Vorgaben.

Resilience Check Cyber Security

Wie gut ist Ihre Verwaltung auf den Ernstfall vorbereitet? (BS/Johannes Rosenboom*) Cyber-Angriffe auf öffentliche Verwaltungen sind keine Frage des Ob, sondern des Wann. Ein erfolgreicher Angriff oder ein technischer Ausfall kann die Handlungsfähigkeit Ihrer Behörde erheblich beeinträchtigen. Der Resilience Check Cyber Security von Materna zeigt, wie widerstandsfähig eine Organisation ist, deckt Schwachstellen auf und gibt klare Handlungsempfehlungen für den Ernstfall. So bleibt die Verwaltung handlungsfähig, wenn es darauf ankommt.

Mit dem Resilience Check Cyber Security erhalten Behörden und öffentliche Einrichtungen einen strukturierten Überblick darüber, wie widerstandsfähig ihre Organisation gegenüber Cyber-Angriffen und IT-Ausfällen aufgestellt ist und wo Handlungsbedarf besteht. Die Grundlage bildet eine umfassende Gap-Analyse, die systematisch aufzeigt, wie weit die eigene Cyber-Resilienz bereits entwickelt ist und welche Schritte erforderlich sind, um sie gezielt zu stärken. Zu Beginn steht die Erfassung des Ist-Zustands: Durch Dokumentensichtungen, Vor-Ort-Termine und mehrere Workshops werden die aktuell umgesetzten Maßnahmen in der Verwaltung analysiert. Anschließend erfolgt die Bewertung des Reifegrads, bei der die Ergebnisse mit anerkannten Standards abgeglichen werden. Darauf aufbauend zeigt der Resilience Check konkrete Handlungsfelder auf und liefert praxisnahe Empfehlungen, wie

Behörden ihre Resilienz nachhaltig verbessern und sich besser vor Angriffen und Ausfällen schützen können. Inhaltlich gliedert sich die Gap-Analyse in drei zentrale Schwerpunkte: Der erste betrifft die Regulierung. Hier wird geprüft, ob bestehende Regelwerke, Prozesse und Verantwortlichkeiten den relevanten Standards und gesetzlichen Anforderungen entsprechen, etwa BSI 200-4, ISO 27001, ISO 22301, KRITIS, BSI-C5 oder NIS2. Im Fokus stehen Fragen wie: Wie gut ist die Organisation in den Bereichen Business-Impact-Analyse, Risikomanagement, Notfallkonzepte und Krisenkommunikation vorbereitet?

Der zweite Schwerpunkt liegt auf der Umsetzung. Dabei wird untersucht, inwieweit die theoretischen Vorgaben in der Praxis sowohl technisch als auch organisatorisch verankert sind. Dazu zählen Themen wie Patch-Management, Back-Up-Strategien, Wiederanlaufpläne, Identity und Access Ma-

nagement, physische Sicherheit und Betriebshandbücher. Abschließend folgt die Validierung: In diesem Schritt wird überprüft, ob regelmäßige Prüfund Testverfahren etabliert sind, beispielsweise Penetration Tests, Audits, Notfallübungen oder Business-Continuity-Tests. Ebenso bewertet der Check, ob Strategien für SIEM-Integration, Security Monitoring und Recovery existieren und wie gut diese in die bestehenden Abläufe eingebunden sind. Der Resilience Check Cyber Security liefert nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ein ganzheitliches Bild der Cyber-Resilienz und dient als Grundlage für gezielte Verbesserungen und eine langfristig sichere, widerstandsfähige IT-Landschaft in der öffentlichen Verwaltung.

*Johannes Rosenboom ist Senior Vice President für Sales, Marketing und Business Development im Ressort Public Sector bei Materna.

Souverän werden

Von Microsoft emanzipieren (BS/cb) Wie abhängig ist Deutschlands Verwaltung von großen US-Herstellern und wie lässt sich diese Situation nachhaltig verbessern? Ein neues Whitepaper des Cyberintelligence.Institute (CII) präsentiert Lösungsansätze.

Das von Michael Kolain, Senior Fellow am CII, erstellte Whitapaper „Hindernisse auf dem Weg zu einer souveränen Cloud-Infrastruktur der deutschen Verwaltung“ fokussiert sich auf den Anbieter, der nicht nur in Deutschland – sei es in der Verwaltung oder der Wirtschaft – eine prägende Rolle einnimmt: Microsoft. Die Vormachtstellung des US-Konzern sei „kartellrechtlich problematisch“, erklärt Kolain im Pressegespräch. Zudem gebe es hierzulande kaum Transparenz, was die Lizenzkosten betrifft. Andere europäische Staaten wie Frankreich oder Spanien agierten in diesem Bereich hartnäckiger. Ab 2029 wolle Microsoft seine Produkte nur noch Cloud-basiert anbieten, blickt der Rechtswissenschaftler Kolain voraus. Damit würde der Staat die Kontrolle über seine Daten noch ein Stück weit mehr aufgeben.

Pionierarbeit statt Zurücklehnen Kolain betont, dass es ihm nicht um „Microsoft-Bashing“ gehe. Andererseits erlebten wir hierzulande nicht nur von diesem Großkonzern ein „Souveränitätswashing“. Vor allem jedoch eigne sich das Unternehmen aus dem Silicon Valley als Beispiel, an dem sich Deutschlands fehlende digitale Souveränität deutlich aufzeigen lasse. Die Annahme, Microsoft sei aufgrund seiner Marktmacht und seiner Ressourcen die sicherste Variante, bezeichnet Kolain als „Mär“. Nicht zuletzt globale, mit dem Unternehmen in Zusammenhang stehende IT-Ausfälle wie der von Crowdstrike hätten gezeigt, dass dem nicht so sei.

Als Positivbeispiel in Deutschland führt Kolain das Land Schleswig-Holstein an. Dieses hat seine öffentliche IT von MS Office auf LibreOffice umgestellt, Thunderbird und Open Exchange anstelle

des MS Exchange Servers in seiner Verwaltung etabliert und nutzt die von Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS) entwickelte Lösung openDesk.

„Digtale Souveränität ist ein Beschaffungsprozess. Jede einzelne Beschaffung ist eine Entscheidung für oder gegen Digitale Souveränität“

Eine „Pionierarbeit“, die auch andere Länder und den Bund inspirieren könne. Könnte das komplette Clud-System heute nochmal neu aufgebaut werden, würde es Kolain „vom europäischen Mittelstand aus interoperablen Elementen“ bauen lassen.

Keine „Zurücklehn-Mentalität“ Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, Research Director des CII, warnt vor einer, seiner Beobachtung nach, immer noch vorherrschenden „Zurücklehn-Mentalität“ in Verwaltungen und Unternehmen. Diese sei zum Teil einer abstrakten Vorstellung von digitaler Souveränität geschuldet. Dabei gehe es konkreter: „Digitale Souveränität ist ein Beschaffungsprozess. Jede einzelne Beschaffung ist eine Entscheidung für oder gegen digitale Souveränität“, so Kipker

4. Februar 2026 München

Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, Research Director des CII

BSI startet Videoreihe für Eltern

Digitale Kenntnisse sollen gestärkt werden (BS/cb) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterstützt Eltern dabei, mit ihren Kindern über Sicherheit im Netz und digitale Kompetenzen ins Gespräch zu kommen. Das Videoformat mit dem Namen „Zwischen Reels und Regeln“ ist speziell auch für Menschen ohne großes IT-Vorwissen gedacht.

spricht mit Eltern und Kindern über Cyber-Sicherheitsmaßnahmen.

Damit reagiert das BSI laut eigenen Angaben auf einen Trend, den der „Cybersicherheitsmonitor 2025“ aufzeige. Demnach sprechen weniger als ein Drittel der Eltern mit ihren Kindern über Gefahren im Internet, bevor der Nachwuchs ein erstes digitales Endgerät wie Smartphone oder Tablet besitzt. In der neuen Videoreihe gibt der Moderator Benny Hilfestellung zur sicheren E-Mail-Nutzung, zu Smart

Screenshot: BS/BSI

Toys und zu Themen wie dem sogenannten Cybergrooming, der gezielten Manipulation von Minderjährigen im Netz, häufig mit der Absicht sexuellen Missbrauchs oder anderer Straftaten. Eltern fühlten sich mit der Komplexität der digitalen Welt häufig „überfordert, etwa weil sie gar nicht wissen, was gerade gezockt, geklickt oder geswiped wird“, erklärt Katja Zierleyn, Expertin für Ver-

braucherschutz im BSI. Die neuen Kurzvideos seien leicht verständlich und alltagsnah. Laut Cybersicherheitsmonitor 2025 geben ein Drittel der Eltern an, dass ihre Kinder ihnen schon über Gefahrenszenarien im Internet berichtet hätten. Dazu gehören gehackte Accounts, sexuelle Belästigung oder das Hacken eines Programms durch Malware. Zugleich falle den Eltern der Einstieg ins Gespräch mit ihren Kindern oftmals schwer: Mehr als 50 Prozent gaben an, eher selten regelmäßig mit dem eigenen Nachwuchs über dessen Freizeitaktivitäten im Internet oder entsprechende Schutzmaßnahmen zu sprechen.

Die Zwischen Reels und Regeln-Videos finden sich in der BSI-eigenen Mediathek sowie auf YouTube. Für Pädagoginnen und Pädagogen an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen stellt das Bundesamt zudem Unterrichtsmaterial zum Schutz im digitalen Alltag zur Verfügung.

ADVERTORIAL

Ganzheitlich IT-sicher

Komplexität reduzieren, Transparenz erhöhen

(BS) Die Securepoint GmbH ist ein deutscher Hersteller für Cybersecurity-Lösungen und -Services für den Mittelstand, Behörden und andere Institutionen. Im Interview erklärt Eric Kaiser, Product Management Director des Unternehmens, was sich u. a. hinter dem Ansatz „Securepoint Unified Security“ verbirgt und wie man als mittelständischer deutscher Cybersecurity-Anbieter dauerhaft am Markt bestehen kann. Die Fragen stellte Guido Gehrt.

Behörden Spiegel: Herr Kaiser, ihr Unternehmen verfolgt den strategischen Ansatz „Securepoint Unified Security“, der mittlerweile zum Markenkern geworden ist. Wofür steht dies inhaltlich?

Eric Kaiser: Unified Security ist unser Leitprinzip für ganzheitliche IT-Sicherheit. Der Ansatz verbindet klassische Netzwerk- und Endpunktsicherheit mit modernen Cloud-Diensten, einem zentralen Management und konsequentem Fokus auf digitale Souveränität. Technisch bedeutet das, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten ineinandergreift – Firewall, DNS-Schutz, Mobile Security, E-Mail-Sicherheit, Endpoint Protection, Back-up und Awareness wirken als abgestimmtes Gesamtsystem. Entscheidend ist, dass alle Komponenten zentral über das Unified Security Portal verwaltet werden. So reduzieren wir Komplexität, verbessern die Transparenz und ermöglichen Administratoren, Sicherheitsrichtlinien konsistent umzusetzen.

Behörden Spiegel: Welche Lösungen werden insbesondere aus dem Behördenumfeld besonders nachgefragt?

Kaiser: Behörden und kommunale Einrichtungen legen großen Wert

auf nachvollziehbare Sicherheitsarchitekturen, Betrieb in der EU, DSGVO-Konformität und einen klaren Herkunftsnachweis. Entsprechend stark nachgefragt sind unsere NextGen UTM Firewalls, Mobile Device Management sowie Mail Security. Auch Awareness-Lösungen – also beispielsweise die fortlaufende, gezielte Schulung der Mitarbeiter – oder Antivirus werden gezielt eingesetzt. Sie lassen sich datensparsam betreiben und eine bieten eine zentrale, revisionsfähige Verwaltung.

Behörden Spiegel: Hat die intensive Diskussion rund um digitale Souveränität auch die tatsächliche Nachfrage nach „IT-Security made in Germany“ steigen lassen?

Kaiser: Ja, deutlich. Organisationen achten heute stärker darauf, wo Daten verarbeitet werden, wie transparent die Hersteller agieren und ob Backdoors oder undurchsichtige Datenflüsse ausgeschlossen sind. Viele Kunden möchten sicherstellen, dass sicherheitsrelevante Informationen nicht in globale KI-Modelle oder unkontrollierbare Cloud-Infrastrukturen abfließen. „Made in Germany“ ist dabei kein Selbstzweck, sondern ein Vertrauensthema: Entwicklung und Betrieb

50 Prozent treffen die Verwaltung

Public Sector ist laut BSI-Lagebericht 2025 bedroht (BS/cb) Ransomware-Angriffe stellen nach wie vor die größte Bedrohung in Deutschlands Cyber-Landschaft dar. Das geht aus dem IT-Lagebericht 2025 des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hervor. Der Öffentliche Dienst ist dabei längst keine Ausnahme mehr.

Im Bereich der Bedrohungen habe sich die Lage insgesamt stabilisiert, Infrastrukturen von Cyber-Kriminellen seien zudem vom Netz genommen worden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hob bei der Vorstellung des Lageberichts zunächst Positives hervor. Gleichwohl „werden die Angriffsflächen größer und die Schäden steigen“, relativiert Dobrindt. Was ebenfalls weiter steige, sei Cybercrime, das von staatlich organisierten Gruppen durchgeführt werde. Hierbei sei Deutschland nach den USA, Indien und Japan „eines der Topziele“, so der Innenminister. Aus dem Lagebericht für den Zeitraum Juli 2024 bis Juni 2025 geht hervor, dass 280.000 neue Schadprogrammvarianten bekannt werden – pro Tag. 950 RansomwareAngriffe seien in diesem Zeitraum zur Anzeige gebracht worden. Das Dunkelfeld sei um ein Vielfaches größer, so Dobrindt, vermutlich „um den Faktor zehn“.

KMU stark betroffen

in Deutschland, nachvollziehbare Prozesse, klare Datenschutz- und Compliance-Regeln und partnerschaftliche Nähe. Wir merken das in Ausschreibungen, in Beratungsgesprächen und in der Nachfrage nach souveränen Alternativen zu internationalen Plattformen.

Behörden Spiegel: Im Zuge der digitalen Transformation steigen auch die Anforderungen an ITSicherheits-Lösungen. Wie kann Securepoint als mittelständischer Anbieter dauerhaft in diesem Markt bestehen?

Kaiser: Wir bleiben erfolgreich, weil wir Sicherheit als Plattform denken – schlicht, schnell, skalierbar. Unsere Dienste laufen bewusst im Cloud-Management (AV, MDM, Mobile Security, Cloud Shield); die UTM Firewall kann bei Bedarf lokal ohne zentrales Management betrieben werden. Einheitliche Policies, korrelierte Telemetrie aus der Cyber Defence Cloud, automatische Updates – das reduziert Reaktionszeiten und Bedienaufwand spürbar. EU-Datenräume, klare Prozesse, keine versteckten Zugänge. Klingt trocken, entlastet aber Administratoren und schafft Verlässlichkeit. Aus meiner Sicht der Punkt, der am Ende zählt. Oder besser: Wir priorisieren Wirkung vor Features. Damit das trägt, investieren wir in Enablement und Offenheit: deutschsprachiger Support mit SLAs, Trainings und Zertifizierungen, nachvollziehbare Roadmaps, saubere Migrationspfade und klare EoL/EoSRegeln – mit Vorlauf. Compliance kommt ab Werk mit: Rollen, Logging, Aufbewahrung/ Löschung, NIS-2-relevanten Nachweisen und Reports, die Auditoren verstehen. Unterm Strich liefern wir integrierte Sicherheit mit minimalem Bedienaufwand – kein Hexenwerk, nur sauber gelöst.“

Die Vorstellung, dass auf Lösegeld abzielende Hacker-Angriffe vorrangig große Unternehmen träfen, sei falsch: Ransomware-Attacken beträfen „in erheblichem Maß kleine und mittlere Unternehmen“ (KMU), die zudem immer höhere Summen zahlen müssten, um sich wieder freizukaufen. Die Bedrohung selbst sei eine doppelte. Einerseits würden Hacker die Funktionsfähigkeit der Systeme korrumpieren, andererseits mit der Veröffentlichung sensibler Daten drohen und dies auch wahrmachen: Im vergangenen Jahr sei die Anzahl erfolgter Datenleaks abermals gestiegen.

Verwundbare Microsoft-Server Neu am diesjährigen Lagebericht sei dessen Systematik, erklärte BSI-Präsidentin Claudia Plattner Das klare Ziel: „Messbarkeit“. Es sei elementar wichtig, nicht nur die Bedrohungslage möglichst detailliert zu erfassen, sondern auch die Wirksamkeit der Gegenmaßnahmen, erklärt Plattner. Eine konkrete Zahl, die die BSI-Präsidentin nannte, sind „30.000 verwundbare MS Exchange Server“ (Anm. d. R.: Email-Transport-Server-Software von Microsoft). Diese Server stünden „in Krankenhäuern, in Schulen“ – mehr oder weniger überall in Deutschlands Infrastruktur. Die Ausnutzung von IT-Schwachstellen sei in den letzten zwölf Monaten um 38 Prozent gestiegen, hinzu gekommen seien 24 Prozent mehr neue Schwachstellen. Eine andere Prozentzahl dürfte Plattner freuen: Die Finanzmittel für das BSI sollen im nächsten Jahr um 65 Prozent erhöht werden, stellte Dobrindt in Aussicht.

Public Sector im Visier

Die auch als Cyber Conflicts bezeichneten Advanced Persistent Threats (APT), also von anderen Staaten orchestrierte Cyber-Spionage und Sabotage, sind laut Lagebild auf hohem Niveau verblieben. Diese Angriffe träfen die Verwaltung mittlerweile ebenso häufig wie die Wirtschaft, betont Plattner: Jeder zweite Angriff passiere im öffentlichen Sektor.

Um Abhilfe zu schaffen, soll Deutschland perspektivisch einen Cyber-Dome bekommen. Damit sollen laut Dobrindt „Sensoriken zur Früherkennung“ von Cyber-Angriffen ebenso einhergehen wie neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Diese sollen zukünftig auch Infrastrukturen „stören und zerstören“ können, die außerhalb Deutschlands liegen. Um sogenannte Hackbacks – das Hacken seitens des Staates – handele es sich dabei explizit nicht.

Moderator Benny
Eric Kaiser ist Product Management Director bei Securepoint. Foto: BS/Securepoint

„Wir sprechen bewusst von mobiler Souveränität“, sagt Daniel Zimmermann, Geschäftsführer der Materna Virtual Solution (MVS). „Denn unsere heutige Welt ist mobil. Die meisten Informationen werden nicht mehr am Schreibtisch verarbeitet, sondern unterwegs, im Außendienst oder im Homeoffice. Genau dort müssen Sicherheit und Souveränität beginnen – auf dem Gerät, das Menschen wirklich nutzen.“

Was dabei oft fehlt, ist das passende Sicherheitsniveau, das schützt, ohne zu behindern. Materna Virtual Solution versteht digitale Souveränität als Zusammenspiel dreier Ebenen, die sich gegenseitig bedingen und verstärken. Was meint das im Einzelnen?

1. Datensouveränität: Kontrolle statt Kompromisse

Daten sind die wertvollste Ressource unserer Zeit. Erst wenn sie verschlüsselt, abgeschirmt und nachvollziehbar verarbeitet werden, entsteht Vertrauen. Mit Lösungen wie SecurePIM oder der Office-Suite SecurePIM Work SPACE basierend auf indigo, verwandeln sich mobile Geräte in sichere Arbeitsplätze – zugelassen bis zum Geheimhaltungsgrad VS-

Digitale Souveränität auf Smartphone und Tablet

Sicheres Arbeiten – immer und überall (BS) Digitale Souveränität – das klingt nach großen politischen Konzepten, nach Datenspeicherung in Europa und nach Unabhängigkeit von Hyperscalern. Doch wer glaubt, dass es dabei nur um Rechenzentren geht, wird der Größe des Themas nicht gerecht. Ein überwiegender Teil der digitalen Selbstbestimmung findet längst dort statt, wo Menschen heute arbeiten: auf ihren Smartphones und Tablets.

Zimmer-

. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und klare Zugriffskontrollen sorgen dafür, dass sensible Informationen geschützt bleiben – auch

Die nativen Plattformfreigaben wie indigo von Apple oder Knox Native Solution von Samsung bieten von Haus aus ein hohes Schutzniveau. Darauf baut der SecurePIM WorkSPACE auf – eine ultramobile Office-Umgebung, die E-Mail, Kalender, Dokumente, Kamera und Fachanwendungen in einer geschützten Arbeitsumgebung bündelt.

triebssystemen. Sie ist für iOS VSNfD-zugelassen und für Android VS-NfD-einsatzfähig und bietet damit maximale Unabhängigkeit und Kontrolle. Der Vorteil: Behörden und Unternehmen können bestehende Systeme weiter nutzen ohne zusätzliche Backend-Infrastruktur. Sicherheit wird damit zum festen Bestandteil der digitalen Arbeitsumgebung –nicht zur Hürde.

Hinter diesem Ansatz steht eine klare Vision: Mitarbeitenden von Behörden und Organisationen die Freiheit zu geben, souverän, sicher und mobil zu arbeiten – jederzeit, überall und ohne Kompromisse. MVS schafft die Grundlage dafür mit Security made in Germany, geprüft durch das BSI und bereits im Einsatz bei über 330.000 Anwendenden. Dafür verbindet Materna Virtual Solution mobile Sicherheit mit digitaler Transformation – für resiliente Arbeitsumgebungen, die überall funktionieren: im Büro, im Homeoffice, unterwegs oder im Einsatz.

NfD und NATO RESTRICTED.

„Datensouveränität heißt, dass keine Information das Gerät verlässt, ohne dass die Organisation

Warum Workloads heimkehren

Cloud Repatriation zwischen Patriot Act und DSGVO (BS/Johannes Meyer) Cloud Repatriation bezeichnet die Rückführung von Daten und Workloads aus Public-Cloud-Umgebungen in eine Private Cloud. Häufige Auslöser für die Kehrtwende: steigende Betriebskosten und regulatorische Vorgaben wie DSGVO, DORA oder NIS-2.

Aber auch fragwürdige Datenschutzpraktiken US-amerikanischer Cloud-Anbieter tragen einen gehörigen Teil zu diesem Trend bei. Durch den Patriot Act und den CLOUD Act ist das Risiko eines Zugriffs US-amerikanischer Behörden auf europäische Daten deutlich gestiegen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Schrems-II-Sache macht eindeutig klar: Wer kritische Informationen von außereuropäischen Hyperscalern hosten lässt, bewegt sich auf gefährlichem Terrain. Kostenkontrolle und sicherer Datenschutz

Die Rückverlagerung von der Public Cloud in die Private Cloud stellt jedoch, ebenso wie die Auslagerung, ein anspruchsvolles Transformationsprojekt dar. Behörden müssen analysieren, welche Anwendungen zurückkehren sollen und welche Sicherheitsarchitektur notwendig ist. Damit

Private-Cloud-Infrastrukturen eine mit Public-Cloud-Diensten vergleichbare Agilität erreichen, sind unter anderem ausgereifte Konzepte für Identity- und Privileged-Access-Management sowie moderne Automatisierungstechnologien erforderlich. In diesem Szenario gewinnen die Private Clouds deutscher Anbieter an Bedeutung. Sie vereinen planbare Kosten mit ausgereifter Technik und erfüllen gleichzeitig die hohen deutschen und europäischen Datenschutzanforderungen. So wird Cloud Repatriation zur Investition in die eigene digitale Souveränität.

Johannes Meyer ist Senior Market Development Manager (Cloud) bei der noris network AG.

Foto: BS/noris network AG

Helden im Hintergrund

SAVE THE DATE

16.–17. Juni 2026 | Hotel Adlon Kempinski Berlin

www.public-it-security.de

Im Artikel „Mit Speeddating zur Wallet“ in der November-Ausgabe schrieben wir an einer Stelle „Dr. Ralph Brinkhaus“. Herr Brinkhaus besitzt jedoch keinen Doktortitel. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Doch digitale Souveränität braucht Wahlfreiheit: Neben dieser nativen Variante ermöglicht die Containerlösung SecurePIM eine plattformunabhängige Sicherheit mit eigener Infrastruktur – vollständig getrennt von den nativen Be-

3. Anwender-Souveränität: Sicherheit, die einfach funktioniert Technologie wirkt nur, wenn Menschen sie gerne nutzen. Denn: Der beste Schutz nützt nichts, wenn Mitarbeitende lieber private, einfache Apps verwenden. Ob verschlüsselter Messenger, sichere KameraApp oder Dokumenteneditor – alle Lösungen von Materna Virtual Solution sind daher intuitiv bedienbar und DSGVO-konform. Berufliche und private Daten bleiben strikt getrennt, ganz automatisch.

Die Mission von Materna Virtual Solution ist es, sichere Arbeitsumgebungen zu schaffen, die dieselbe Funktionalität wie ein stationärer Arbeitsplatz bieten – nur flexibler. Digitale Souveränität bedeutet Kontrolle, Unabhängigkeit und Vertrauen in der mobilen Welt. Das wird um so wichtiger, weil hybride Arbeitsmodelle, geopolitische Spannungen und wachsende Cyber-Bedrohungen den Druck auf Organisationen erhöhen, ihre Kommunikation souverän zu gestalten. Souveränität ist dabei kein Selbstzweck – sie ist die Basis für Resilienz, Produktivität und Vertrauen.

Digitale Souveränität bedeutet vor allem auch mobile Souveränität – etwa auf dem Tablet. Foto: BS/iStock

Sicherheit & Verteidigung

Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Dezember 2025

www.behoerdenspiegel.de

Bilder aus der Ukraine zeigen, dass ein rotes Kreuz im Krieg keinen Schutz mehr bietet. Zerstörte medizinische Einrichtungen oder gezielte Angriffe auf Sanitäter sind Alltag. Auch deutsche Krankenhäuser sind Kummer gewohnt, selbst wenn sich Deutschland in keinem Bündnis- bzw. Landesverteidigungsfall, sondern in einer anderen schwierigen Phase befindet, die weder Krieg noch im Frieden ist. Feindliche Akteure suchen Ziele, um die europäischen Gesellschaften und Staaten unter Stress zu setzen. Zu diesen Zielen gehören auch Krankenhäuser. Dabei geht es nicht nur um physische Angriffe. Immer wieder erleben die Häuser Cyber-Angriffe. „Wir leben in sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten und müssen uns auch im Gesundheitsbereich intensiv auf mögliche Herausforderungen vorbereiten. Fragen der Gesundheitssicherheit und der Resilienz kritischer Gesundheitseinrichtungen sind aktueller denn je. Schon jetzt sind Gesundheitseinrichtung Ziel hybrider Bedrohungen“, teilt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf Anfrage mit. In Bayern beobachten die Krankenhäuser die globalen Entwicklungen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung, um entsprechende Schlüsse für das jeweilige Haus zu ziehen. Viele optimierten gerade ihre Planungen und Vorbereitungen, heißt es aus dem bayerischen Gesundheitsministerium. „Die Kliniken befinden sich aktuell aber auch in der Umsetzung der Krankenhausreform des Bundes. Hinzu kommt, dass finanzielle und personelle Ressourcen nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen“, so ein Sprecher. Angesichts der Bedrohungslage müssten sich die

Krankenhäuser strukturell mit Blick auf die Strom- und Wasserversorgung, die IT-Sicherheit oder Telekommunikation neu aufstellen.

In einem Gutachten, das im Auftrag der DKG vom Institute for Health Care Business (hcb) und dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) erstellt wurde, bezifferten nun die Autorinnen und Autoren den Investitionsbedarf für resiliente Krankenhäuser. Dieser beträgt je nach Szenario mehrere Milliarden Euro. Das Gutachten betrachtete drei Szenarien. Diese ließen sich nicht komplett trennen, da es Überschneidungen gebe, gibt hcb-Geschäftsführer Prof. Boris Augurzky zu bedenken. Es wurden ein Cyber-Angriff, ein Bündnis- und ein Landesverteidigungsfall betrachtet. Je nach Szenario ergeben sich unterschiedliche Maßnahmen und damit Investitionsbedarfe.

Bei Einritt des NATO-Bündnisfalls würde Deutschland unterstützen, beispielsweise durch die Versorgung Verwundeter von der Front. Schätzungen für Verwundete pro Tag, die in Krankenhäusern versorgt werden müssten, liegen bei 1.000. „Nach unseren Schätzungen benötigen mehr als ein Fünftel der Verwundeten intensivmedizinische Versorgung. Mit dem aktuellen Bestand an Intensiv- und High-Care-Betten lässt sich das gerade so abdecken. Überschreitet die Zahl die Annahmen, stößt das System schnell an Grenzen“, so Augurzky. Diese Anzahl an Verwundeten könnte von den Bundeswehrkrankenhäusern alleine nicht versorgt werden. Zumal diese im Verteidigungsfall andersartig besetzt werden müssten, weil Personal udn Teile des Materials an die Front verlegt werden. Deshalb müssten dort zivile Reserven einspringen.Dr. Michael Zallet, Gene-

Zeit für den Resilienzwall

(BS/Bennet Biskup-Klawon) Das deutsche Gesundheitssystem ist schon im Normalbetrieb unter Stress. Wie es einer Krisenlage aussieht, kann man nur schwer abschätzen. Gerade ein Bündnis- oder Landesverteidigungsfall wäre der ultimative Belastungstest. Deshalb müssen Krankenhäuser jetzt fit gemacht werden. Das fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). In einem Gutachten hat sie errechnen lassen, wie viel eine resiliente Krankenhauslandschaft kostet. Fazit: Es wird teuer.

ralarzt und Kommandeur Klinische Versorgung, Kommando Gesundheitsversorgung der Bundeswehr, unterstreicht die Notwendigkeit einer Kooperation. Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser stellten momentan eine strategische Bettenreserve dar. Er sagt zwar, dass die Zahl von 1.000 Verwundeten nicht in Stein gemeißelt sei, dennoch sei die Versorgung eine gesamtgesellschaftlicheAufgabe.

„Nach unseren Schätzungen benötigen mehr als ein Fünftel der Verwundeten intensivmedizinische Versorgung.“

Prof. Boris Augurzky, hcb-Geschäftsführer

Die Bundeswehr setze u. a. auf die Behandlungskapazitäten der Berufsgenossenschaftskliniken sowie der Universitätskliniken. Eine Verdreifachung

Besonders die Schwerverletzten stehen dabei im Fokus. Dirk Köcher, Präsident des Verbands der Krankenhausdirektoren Deutschlands e. V. (VKD) und kaufmännischer Direktor des Klinikums Dresden, geht bei einer täglichen Verwundetenzahl von 1.000 davon aus, dass bei einem Verteidigungsfall 250 Schwerverletzte anfallen. Zum Vergleich: Tagtäglich fallen im Normalzustand etwa 85 Schwerverletzte in ganz Deutschland an. Dies sei aber nur ein Aspekt. Das BMG sieht den Bedarf und leitet derzeit einen par-

tizipativen Prozess in Vorbereitung auf ein mögliches Gesundheitssicherstellungsgesetz (GeSiG). Ziel sei es, einen Sonderrechtsrahmen zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in einem Szenario der Landes- oder Bündnisverteidigung zu schaffen, so ein Sprecher des BMG auf Anfrage. Die Autoren des DKG-Gutachtens sehen drei auszubauende Resilienzbereiche:

• Technische Resilienz: Energieversorgung, IT- und Kommunikationssicherheit, Notstromaggregate, redundante Server und Satellitenkommunikation.

• Bauliche Resilienz: Schutz der Gebäude, zusätzliche Ausweichkapazitäten in Kellern oder Tiefgaragen, geschützte Räume für Notfallbehandlung.

• Personelle Resilienz: ausreichend qualifiziertes Personal, Schulungen für neue Verletzungsarten, Aktivierung von Ruheständlern und Freiwilligen. Es gebe Sicherheits- und Infrastrukturdefizite, die den Handlungsbedarf unterstrichen, sagte DKI-Vorstand Dr. Karl Blum bei der Vorstellung des Gutachtens. Es ließen sich fünf Bereiche identifizieren: Der physische Schutz der Krankenhäuser sei unzureichend,- Zwar sei ein Basisschutz vorhanden, jedoch gebe es Defizite bei der Videoüberwachung, den Abriegelungssystemen oder den Zugangskontrollen. Als weiteren Punkt kritisieren die Autoren das Fehlen von Schutzräumen bzw. Bunkern unter Krankenhäusern. Drittens sei die Lagerhaltung defizitär. Die Mehrheit der Häuser sei nicht auf längere Krisenzeiten vorbereitet. 42 Prozent hätten keine zusätzlichen Lagerkapazitäten. Schon Lieferengpässe im Normal-

betrieb zeigten hier Abhängigkeiten auf. Positiv sei aber beim vierten Bereich, der Energieversorgung, festzuhalten, dass fast alle Krankenhäuser gegen Stromausfälle gewappnet seien. Der letzte Bereich betrifft die IT-Sicherheit. Zwar verfügten zwei von drei Krankenhäusern über eine Basis-IT-Infrastruktur. Dennoch gebe es Defizite bei der Cyber-Sicherheit und der Notfallkommunikation. Es fehle zudem an Vorbereitung auf chemische, biologische, radioaktive oder nukleare Bedrohungen (CBRN). Nur ein Viertel der Kliniken habe bislang Verteidigungsfälle in Alarmund Einsatzplänen berücksichtigt. Die Vernetzung zu anderen Partnern wie Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr oder THW sei ebenfalls unzureichend, so Blum.

„Unsere Analysen zeigen, dass es für die Vorbereitung auf Cyber-Angriffe einen Investitionsbedarf von ca. 2,7 Milliarden Euro gibt“, so Augurzky. Die Betriebskosten beliefen sich auf ca. 700 Millionen Euro pro Jahr. Für einen Bündnisfall beliefe sich der Investitionsbedarf auf ca. fünf Milliarden Euro, die Betriebskosten auf ca. 900 Millionen Euro pro Jahr. Für eine Resilienzsteigerung für einen möglichen Verteidigungsfall ergebe sich ein Investitionsbedarf von ca. 15 Milliarden Euro. „Es ist eine Priorisierung notwendig: Kurzfristig kann man bei IT, Kommunikation, Objektschutz, Energieversorgung, Lagerhaltung und personellen Schulungen die größten Fortschritte erzielen. Langfristig sollten Neubauten und Umbauten Schutzräume und Resilienzmaßnahmen berücksichtigen“, erklärt Augurzky. Die Liste der Defizite sei lang, gibt Köcher zu, aber er zeigt sich überzeugt, dass auch die Herausforderung handhabbar sei. „Krankenhäuser sind flexibel“, so der Direktor.

Zwei Männer sitzen nebeneinander, die Augen fest auf die Kamera gerichtet. Vor jedem steht ein Mikrofon. Es wirkt wie ein typischer Twitch-Stream – nur dass hier keine Gamer, sondern Polizeibeamte der Polizei Hannover am Werk sind. Einmal pro Woche streamen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen drei Stunden live – und erreichen damit zwischen 10.000 und 12.000 Menschen. Hochgerechnet auf den Monat wären das 40.000 bis 50.000 Zuschauerinnen und Zuschauer und damit genug, um das Fußballstadion in Hannover zu füllen. Nur hätte dort niemand auf den hinteren Plätzen die Möglichkeit, den Beamtinnen und Beamten spontan eine Frage zu stellen, während sie auf dem Spielfeld über ihren Polizeiberuf referieren. Im Stream ist das möglich und wird auch regelmäßig genutzt.

Twitch als Einsatzort

Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom aus dem Jahr 2025 spielen 85 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren zumindest gelegentlich Computerspiele – genau hier setzt die Polizei Hannover an. Seit Dezember 2024 läuft das Pilotprojekt. Twitch existiert bereits seit 2011. Alle Nutzenden können dort einen eigenen Kanal erstellen, auf dem dann andere ihnen beim Spielen diverser Online-Spiele zuschauen können. Inzwischen gehört Twitch laut Statista zu den bekanntesten Sozialen Netzwerken Deutschlands: Neben Gaming werden auch Live-Musik, Sport oder Kunst übertragen.

„Twitch ist eine der am stärksten wachsenden Social-Media-Plattformen auch in Deutschland. Somit ist das natürlich ein super Mittel für uns, um gerade Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu er-

Streaming statt Streifenwagen

Die Polizei wagt sich in neue Räume

(BS/Mirjam Klinger) Die Polizei geht zunehmend dorthin, wo junge Menschen sich tatsächlich aufhalten: ins Netz – und immer häufiger auch in virtuelle Spielwelten. Ob Livestreams auf Twitch oder Streifengänge in Games wie Fortnite: Polizeien in Deutschland und Europa experimentieren mit neuen Formaten, um besser aufzuklären, Vertrauen aufzubauen und digital sichtbar zu sein.

Durch das gemeinsame Spielen kommen die Polizistinnen und Polizisten der Polizei Hannover mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch, gewinnen ihr Vertrauen und überwinden so Distanzen. Foto: BS/Polizei Hannover

und Schradin, die ja mit zu den größten Streamern gehören, im Juli einmal einen kompletten Übungstag mit unserer Verfügungseinheit gemacht “, so Bertram. Zwar habe es zunächst seitens der Polizei eine gewisse Skepsis gegeben, dass die Influencer sich auf Kosten der Polizei lustig machen würden. Am Ende sei die Kooperation jedoch ein voller Erfolg gewesen: „Am Ende hat es sich komplett ausgezahlt. Wir haben Anerkennung und Respekt für den Polizeiberuf hervorgerufen.“ Blick nach Dänemark und offene Zukunft

Schwerpunkt

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht das ganze Land einem großen Stresstest ausgesetzt. Auf der Herbsttagung des BKA nannte er Spionage, Sabotage und Desinformation als Hauptkennzeichen hybrider Bedrohungen. Nicht nur die Abwehrfähigkeit des Staates stehe dabei auf dem Prüfstand, sondern auch das Vertrauen der Gesellschaft in die Handlungsfähigkeit und die Stabilität des Staates und damit der Sicherheitsbehörden. Das Abwehrzentrums für hybride Bedrohungen könne dabei als Plattform für den behördenübergreifenden Austausch und zur Koordinierung von Abwehrmaßnahmen gegen hybride Bedrohungen dienen.

Keine Garantie für Sicherheit

Zur Aufrüstung von Fähigkeiten sei ein Rekordhaushalt aufgestellt worden, wovon vor allem auch das BKA selbst profitieren werde. „Resiliente Polizei braucht eine robuste Rückendeckung durch Politik und Gesellschaft“, führte Dobrindt aus und kritisierte eine täterzentrierte

Sichtweise auf Kriminalität: „Für mich gibt es nur eine einzige Sichtweise und das ist die Sichtweise von Recht und Ordnung und die

reichen“, erklärt Michael Bertram, Pressesprecher der Polizei Hannover, im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Diese Altersgruppe sei über andere Soziale Medien oder im öffentlichen Raum aufgrund eines veränderten Freizeitverhaltens schwieriger zu erreichen. Auch auf Twitch selbst komme es zu Straftaten, die zuvor nicht im Fokus der Polizei standen. Das bestätigt auf Anfrage auch das Bundeskriminalamt (BKA). So erklärt ein Sprecher: „Das BKA kann eine Vielzahl an Fällen von Cybergrooming bestätigen, die providerübergreifend und über verschiedene Online-Plattformen hinweg auftreten. Online-Spielplattformen – so auch Twitch – sind aufgrund ihrer Konzeption, Menschen online miteinander zu verbinden, eher von Cybergrooming-Straftaten betroffen“. Ein weiterer Faktor dafür ist laut Bertram eine „Grundnaivität“ des Publikums auf Twitch: „Somit wird es leicht Opfer – ob die Jugendlichen jetzt selbst spielen oder zuschauen und dann eben in

dieser Interaktion über den Chat in Kontakt mit anderen Menschen treten“, so Bertram. Das „Spielerische“ schaffe Vertrauen – und Täter nutzten das aus. Die Bandbreite reiche von Beleidigungen, Bedrohungen und Betrug über Erpressung bis hin zu Cybergrooming. Ein besonders schwerer Fall war kurz vor Start des Projekts bekannt geworden: „Als wir im Dezember 2024 gestartet sind, hatten wir gerade eine Verurteilung hier am Landgericht von einem Angeklagten. Er hatte zwei Jungs im digitalen Raum angesprochen, in Gespräche verwickelt und am Ende zu einem Live-Treffen überredet. Dort kam es dann zum Missbrauch.“

Wie die Polizei zum Gamer wurde Mitte Dezember 2024 startete das Pilotprojekt – initiiert vom damaligen Vizepräsidenten der Polizei Hannover. „Der damalige Polizeivizepräsident hatte diese Idee schon sehr lange – genau in diesen Bereich reinzugehen, den Cyber-Kriminologen schon länger auf dem

Schnell und effektiv

Schirm haben, weil er eben nicht polizeilich bestreift ist“, berichtet Bertram. Welche Polizeibeamtinnen und -beamten im Stream zu sehen sein würden, wurde über ein Auswahlverfahren entschieden. Voraussetzung: Gaming-Affinität und die Fähigkeit, während des Spielens einfach und verständlich zu erklären. Kamera- oder Medienerfahrung war dagegen nicht notwendig.

Der Start war nahezu ein Kaltstart, lediglich wenige kurze Briefings gab es vorab. „Natürlich haben wir aber im Hintergrund auch immer Moderatoren sitzen, die dann auch redaktionell helfen. Falls Fragen kommen, die nicht aus dem Stegreif zu beantworten sind oder für Zahlen oder Statistiken.“ Bei der Themenauswahl orientiert sich die Polizei stark am Feedback der Zuschauenden. „Wir schauen, was gewünscht wird.“ Außerdem arbeitet die Polizei Hannover gelegentlich mit bekannten Streamerinnen und Streamern zusammen. „Wir haben auch mit Zarbex

Neuaufstellung der Inneren Sicherheit in Zeiten des Wandels (BS/lm) In einer sich rapide wandelnden Welt wachsen auch die Herausforderungen für die Innere Sicherheit. Dabei muss vor allem eine adäquate Antwort auf die steigende Zahl hybrider Bedrohungen gefunden werden. Das Bundeskriminalamt (BKA) sieht die eigene digitale Souveränität und die internationale Zusammenarbeit als Schlüssel zur Bewältigung der aktuellen Krisen.

Sichtweise durch die Brille derer, die sich für die Durchsetzung von Recht und Ordnung jeden Tag einsetzen.“ Eine andere Perspektive dürfe es für die Sicherheitsbehörden nicht geben. Es brauche zeitgemäße Befugnisse wie im Gesetz zum biometrischen Datenabgleich und zur automatisierten Datenanalyse, die die digitalen Ermittlungsbefugnisse stärken sollen. Dobrindt verteidigte den Einsatz der umstrittenen AnalyseSoftware des US-Unternehmens Palantir damit, dass der Schutz der Bevölkerung an erster Stelle stehe. Um die Köpfe hinter den Angriffen zu identifizieren, bedürfe es der Fähigkeit umfassender Datenanalyse – inklusive IP-Adressenspeicherung. Die Sicherheitsbehörden sollten mit Kriminellen, die sich aller zur Verfügung stehenden Mittel bedienten, Schritt halten können. Er bezeichnete das Cyber Lab des

BKA als „Avantgarde“ der CyberKriminalitätsbekämpfung und lobte explizit die erfolgreiche Umsetzung der Quellen-TKÜ. Über den Aufbau des „Cyber-Domes“ hinaus sollten Polizeikräfte auch gegen ausländische Angreifer vorgehen können und deren Infrastruktur zerstören. Der Aggressor müsse spüren, dass „wir wahrhaft wehrhaft sind“. Wie es der Polizei gelingen könnte, mittels Open-Source-Technologien möglichst bald eine digitale Souveränität aufzubauen, wurde kontrovers diskutiert. Zudem wurde der internationalen Vernetzung eine große Rolle beigemessen, um den immer grenzenloser agierenden kriminellen Strukturen begegnen zu können. Die Möglichkeit des Austauschs von Daten sei dabei von hoher Bedeutung. Auch eine stärkere Vernetzung der Dienste untereinander sei unabdingbar –ohne dabei das Gebot der Trennung

aufzuheben. Und auch die Zusammenarbeit der Länderpolizeien sei verbesserungswürdig. Demokratiegefährdendem Extremismus müsse durch eine klare Werteorientierung, die bereits in der Ausbildung vermittelt werde, und dem Bekenntnis zum Grundgesetz entgegengetreten werden. Allerdings bedürfe es dafür auch einer Führung, die diese Werte vorlebe. Die Polizei müsse sich auf das veränderte gesellschaftliche Klima durch Offenheit und Kommunikationsbereitschaft einstellen. Nur so könne das nach wie vor –relativ zu anderen Repräsentanten des Staates – hohe Vertrauen in der Bevölkerung in die Polizei (gut zwei Drittel vertraut der Polizei) aufrechterhalten werden, so Dobrindt

Es gibt jedoch klare Grenzen: Während Spiele wie Fifa Teil der Streams sind, wird man die Polizei Hannover auch künftig nicht in Shootern sehen. Spiele, die Gewalt zeigten, seien tabu, betont der Pressesprecher der Polizei Hannover. Anders handhabt das die Polizei in Dänemark. Dort ist seit 2022 die zehnköpfige „Politiets Online Patrulje“ in Spielen wie Fortnite oder Counter-Strike unterwegs. Auslöser der Online-Streife war die während der Corona-Pandemie steigende Internetkriminalität. Die Beamtinnen und Beamten geben sich in-game meist als Polizei zu erkennen, nennen sich Officer, beobachten und pflegen Kontakte, als wären sie auf einer Streife in der Nachbarschaft unterwegs. Auch hier stehen also Aufklärung und niedrigschwelliger Kontakt im Mittelpunkt.

Das Pilotprojekt in Hannover war zunächst für ein halbes, später für ein ganzes Jahr vorgesehen. Wie es nach Dezember weitergeht, ist laut Bertram offen. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) erklärt gegenüber dem Behörden Spiegel: „Die Polizei muss dort präsent sein, wo die Menschen sind. Es geht darum, ansprechbar zu bleiben und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.“ Twitch sei eine Plattform mit hoher Reichweite, daher nutze man sie zur Prävention. „Nach meinem Eindruck ist es ein innovativer Ansatz mit hohen Zugriffszahlen weit über Niedersachsen hinaus – ein gutes Instrument, soweit man es jetzt beurteilen kann. Ob es ein dauerhaftes Instrument wird, entscheiden wir nach der weiteren Erprobung.“ Ob künftig weitere Polizeien nachziehen, ist ebenfalls unklar.

Antagonistische Zeiten Das veränderte Mediennutzungsverhalten begünstige das Auseinanderdriften der Gesellschaft. Digitale Kommunikationswege wie die Sozialen Medien ermöglichten die anonymisierte Verbreitung von Hass und Hetze, gegen die vorzugehen sei. Bundesinnenminister a. D. Thomas de Maizière mahnte, dass die Polizei keinen Beitrag zu einer besseren Debattenkultur leisten könne. Sie stehe jedoch unter genauer Beobachtung und habe bei Fehlverhalten eine „negative Vorbildwirkung“, da ihr gegenüber ein höherer Anspruch an die Korrektheit sowie an vernünftiges und demokratisches Verhalten existiere. Die Geschwindigkeit der Anpassung an die sich verändernden Bedrohungen müsse gesteigert werden, betonte auch BKA-Chef Holger Münch. Zudem müssten die Hürden bei der Datenübermittlung untereinander überwunden werden, um effektiver gegen eine zunehmend agile Kriminalität vorgehen zu können. Evidenzbasierte Polizeiarbeit könne nur dann Vertrauen schaffen, wenn gute, faktische Lagebilder durch eine gute Analyse und Interpretation flankiert würden. Die Polizei der Zukunft werde digitaler und datengetrieben agieren müssen. Dazu brauche es mehr digitaler Souveränität, mehr Freiräume und weniger Bürokratie.

Dernordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnet den wachsenden Extremismus im Land als Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Einfache Parolen verfingen bei den Menschen und ließen rechte, linke und islamistische Extremisten an Boden gewinnen. Während der Linksextremismus eine Bedrohung für die Kritische Infrastruktur darstelle, würde mit dem Anwachsen des Rechtsextremismus die Attraktivität für ausländische Fachkräfte sinken. Und auch der zunehmende Antisemitismus lasse die Menschen im Lande darüber nachdenken, ob sie in Deutschland noch friedlich leben könnten. Schlussendlich gehe mit dem Bröckeln des Standortfaktors auch eine Bedrohung für den Wohlstand der Gesellschaft insgesamt einher.

Als einen der Hauptverstärker für extremistische Tendenzen nannte der Innenminister die Sozialen Medien. Durch deren Durchdringung innerhalb der Gesellschaft gelangten die verbreiteten Einstellungen und Narrative auch in die Unternehmen. Sie schränkten freies Denken und Vielfalt ein und bedrohten damit die Kreativität, da insbesondere für moderne und zukunftsgewandte Unternehmen und Start-ups die Kreativität ihrer Mitarbeiter von zentraler Bedeutung sei. „Wenn es bei der Wirtschaft nicht mehr funktioniert, funktioniert gar nichts mehr“, gab der Minister zu bedenken. Statt symbolischer Demonstrationen gegen spezifische negative Phänomene wünscht er sich ein breites gesellschaftliches Bündnis, das sich für Demokratie und Freiheit (Meinungsfreiheit) einsetze, um extremistischen Tendenzen in einem positiven und konstruktiven Geiste entgegenzutreten.

Digitale Realität

Der Blick richtete sich beim diesjährigen Wirtschaftsschutztag des Landesverfassungsschutzes NRW auf Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus. Eine gemeinsame Eigenheit sei, dass sich die extremistischen Strömungen nicht mehr deutlich als solche zu erkennen gäben. Vielmehr könne eine Radikalisierung eher an kleinen Bausteinen und Anzeichen identifiziert werden. Dazu gehören Handzeichen, spezifische Symbolik und Kleidung. Ein einzelnes Merk-

Bedrohung im Wandel

Aktuelle Entwicklungen des Extremismus

(BS/Lars Mahnke) Seit Jahren zieht der Extremismus immer weitere Kreise. Immer komplexere Problemlagen und externe Bedrohungen lassen Feindbilder entstehen und Verschwörungstheorien sprießen. Öffentliche Diskreditierungen, Fake News und Cyber-Angriffe sind zuletzt viel diskutierte Zeichen dieser Entwicklung.

NRW-Innenminister Herbert Reul bereitet das Anwachsen der Pole Sorge. Er betonte, dass die aktuellen Entwicklungen auch ein Problem für die Attraktivität Deutschlands als Wirtschaftsstandort und damit den Wohlstand der Gesellschaft darstellten.

mal allein reiche nicht mehr aus, stattdessen entlarve die Häufung kleinerer Auffälligkeiten extremistisches Denken. Alle drei können in den letzten Jahren zunehmenden Zuspruch verzeichnen. Dazu tragen vor allem die Aktivitäten der Szenen in Sozialen Medien und das kulturelle Angebot sozialer Erlebniswelten bei, die die Strömungen anbieten. So konstatierte Dr. Christina Weber vom Referat Islamismus und islamistischer Terrorismus beim Landesverfassungsschutz (LfV) NRW, dass sich im Islamismus Hassprediger, die ihre Ideologien über die verschiedenen Social-Media-Plattformen vertrieben, auf dem Vormarsch befänden. Sie betonte, dass gerade für junge Menschen die digitale Welt nicht mehr von der Realität zu trennen sei – viele lebten in einer Online-Blase. Die Hassprediger instrumentalisierten Sinnsuche und Opfernarrative und vermittelten ihren Followern eine Jenseits-Fixierung, die das diesseitige Leben negiere und Erlösung im Tod verspreche.

Dabei nutzen sie auch weiterhin analoge Angebote wie Vortragsveranstaltungen und subventionierte Pilgerfahrten, bei denen Interessierte radikalisiert werden sollen und im direkten Kontakt ein islamistisches Weltbild vermittelt wird. Nicht selten wird dabei eine radikale Auffassung der Umma – der globalen muslimischen Glaubensgemeinschaft – propagiert, um eine religiöse Legitimation zu liefern, terroristisch aktiv zu werden. Der Verfassungsschutz tritt dem entgegen, indem er bei Kenntnis solcher Veranstaltungen darüber aufklärt, um was genau es sich handelt. Die Szene stellt sich als sehr heterogen dar: Von Migranten über die dritte migrantische Generation bis hin zu deutschen Konvertiten ist dabei alles vertreten.

Subversive Zeichen

In der Rechtsextremismus-Szene hat sich laut Dr. Thomas Pfeiffer vom Referat Prävention und Aussteigerprogramme des LfV NRW in den letzten beiden Jahrzehnten ein

„Wenn es bei der Wirtschaft nicht mehr funktioniert, funktioniert gar nichts mehr“

Herbert Reul, Innenminister NRW

trumentalisiert, es gibt aber auch selbstbewusste Frauengruppen wie die rechtsextreme Influencer-Bewegung Lukreta („Widerstand am Herd“). Junge Männer versucht man mit sogenannten „Active Clubs“ niederschwellig anzusprechen. Dabei steht die politische Agenda zunächst im Hintergrund. Über Freizeitaktivitäten wie Stadionbesuche, Wandern oder Kampfsport wird versucht, Jugendliche anzuwerben, die politischen Inhalte sollen sich mit der Zeit „nebenbei“ verfestigen.

bemerkenswerter Wandel vollzogen. Das alte Denken des Rechtsextremismus komme nun im neuen, zeitgenössischen Appeal daher: Die Symbolsprache sei nun viel näher an der Lebenswelt junger Menschen, speise sich aus dem Online-Gaming und orientiere sich an amerikanischen und globalen Vorbildern. Mit Ausnahme von Wewelsburg und Schwarzer Sonne werde die alte, an nationalsozialistische Vorbilder angelehnte Symbolik zunehmend verdrängt.

Auch der Rechtsrock ist zwar durchaus noch bei der Generation 40+ verbreitet, die Fangemeinde des modern daherkommenden rechten Hip Hops speist sich dagegen eher aus der Generation 14+. Die rechtsradikale Szene wendet sich gegen moderne und emanzipierte Rollenbilder. Der moderne Feminismus und die Gender-Thematik werden als Thema genutzt, um neue Anhänger zu rekrutieren. Sexualisierte Gewalt wird als rein importiertes Problem dargestellt. Nach wie vor ist der Rechtsextremismus männlich dominiert, der Frauenanteil liegt in NRW bei etwa 20 Prozent. Zum Teil werden diese von den Männern ins-

Kapern virulenter Probleme Auch im Linksextremismus hat man sich an die neuen Kommunikationswege angepasst und wirbt online erfolgreich um Sympathisanten. Reul kündigte an, dass das Innenministerium im kommenden Jahr neben den Lagebildern zu Rechtsextremismus und Islamismus erstmals auch eines zum Linksextremismus veröffentlichen werde. Die Szene verabsolutiert Freiheit und Gleichheit und lehnt Hierarchien und Regelungen ab, während der Kapitalismus als Wurzel allen Übels propagiert wird, wie Gordon Schott vom Referat Linksextremismus und -terrorismus des LfV NRW feststellte. Der eigene Anspruch liegt darin, das System zu stürzen, weil es die Gesellschaft nicht oder nicht schnell genug hinbekomme. Mit dem Anspruch, sich virulenten Probleme wie dem Klimawandel oder dem Erstarken rechter Kräfte entgegenzustellen, wird der Versuch unternommen, in die Mitte der Gesellschaft hineinzuwirken. Gleichzeitig beobachtet der Verfassungsschutz eine zunehmende Radikalisierung der Szene, die durch Angriffe auf Eigentum, KRITIS-Liegenschaften und Unternehmen auffällt. Das Ziel ist die Verursachung eines möglichst hohen finanziellen Schadens. Auffällig ist, dass dabei der Schaden von Menschen zunehmend als Kollateralschaden in Kauf genommen wird. Dies zeigt sich auch in gewalttätigen Angriffen, wie das Beispiel der Hammerbande um Lina E. zeigt. Ähnlich der rechtsextremen Szene, etabliert sich auch im Linksextremismus eine Erlebniswelt für junge Menschen. Gemeinsame Kampfsporttrainings, Fußballturniere und Konzerte sind Teil einer linksextremen Jugendkultur, die durch kommunistische Ästhetik zusätzliche Attraktivität ausstrahlen soll.

Ein Teil des Ganzen

Auch der Wirtschaftsschutz muss mitgedacht werden (BS/mk) Hybride Bedrohungen treffen Deutschland heute an vielen Stellen – im digitalen Raum, in globalen Lieferketten und zunehmend auch in zentralen Wirtschaftsbereichen. Dabei zeigt sich immer deutlicher: Wirtschaft und Sicherheit lassen sich nicht mehr getrennt voneinander betrachten.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens sieht in der Vernetzung der Sicherheitsbehörden untereinander den erfolgversprechendsten Ansatz, um des andauernden Anstiegs im Bereich der Cyber-Kriminalität Herr zu werden. Foto: BS/Klinger

Angriffe auf die deutsche Wirtschaft haben in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Laut einer Befragung des Branchenverbands Bitkom sahen sich im Jahr 2025 acht von zehn Unternehmen von Datendiebstahl, Spionage oder Sabotage betroffen. Die Erhebung wurde zwischen Mitte April und Mitte Juni durchgeführt. Der Gesamtschaden durch analoge wie digitale Attacken ist im Vergleich zum Vorjahr um rund acht Prozent gestiegen und beläuft sich damit auf 289,2 Milliarden Euro. „Deutschland steht im Fokus von Cyber-Angriffen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure und wir stärken unsere Abwehrbereitschaft und Handlungsfähigkeit kontinuierlich und konsequent“, betonte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Sinan Selen, bei der Vorstellung der Studie. Inzwischen erhalten laut Selen mehr als 35 Prozent der Unternehmen Hinweise auf mögliche Angreifer direkt durch Behörden. Diese Entwicklung sei ein Ergebnis der intensivierten Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Unternehmen verschiedener Branchen. Diese Kooperation müsse jedoch weiter ausgebaut werden. „Wirtschaftsschutz ist eine eindeutige Priorität des BfV“, so der BfV-Präsident. Dass diese Anstrengungen notwendig sind, unterstreicht auch die Einschätzung der Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner. Betroffen von CyberAngriffen seien längst nicht mehr nur große Unternehmen. Gerade kleine und mittlere Organisationen – sowohl Unternehmen als auch Krankenhäuser und Universitäten – hätten Schwierigkeiten, sich ausreichend zu schützen. Das BSI hat hierzu im November seinen IT-Lagebericht veröffentlicht. Zwar zeigt dieser, dass die Bedrohung hoch bleibt, doch verwies

Plattner in ihrer Rede auf der Wirtschaftsschutztagung des Landesverfassungsschutzes (LfV) Niedersachsen zugleich auf erste Fortschritte: „Wir haben es geschafft, im Bereich der Bedrohungslage einen gewissen Stopp in den Aufwärtstrend der Bedrohungslage hinzubekommen.“ Dieser Effekt sei vor allem der engen Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden zu verdanken. „Die schaffen was weg und das merkt man dann auch in den Zahlen“, so Plattner Daniela Behrens (SPD), Innenministerin Niedersachsens, rückt im Interview mit dem Behörden Spiegel die Vernetzung in den Mittelpunkt. „Für mich ist entscheidend, dass die Sicherheitsbehörden in Niedersachsen eng vernetzt arbeiten“, betont Behrens. Im Bereich der Cyber-Kriminalität sei das Landeskriminalamt (LKA) das Flaggschiff. Bei der Behörde gibt es unter anderem eine eigene Abteilung für digitalen Service und die zentrale Ansprechstelle Cybercrime (ZAC). Problematisch sei jedoch, dass die Behörden im Bereich der CyberSicherheit oft getrennt voneinander agierten. Dafür gebe es zwar nachvollziehbare Gründe, da Polizei und Verfassungsschutz unterschiedliche Aufgaben wahrnähmen. Für wirksame Gegenmaßnahmen müssten sie aber verstehen, was passiert und sich eng abstimmen. „Beim Verfassungsschutz haben wir eine zentrale Ansprechstelle zum Wirtschaftsschutz etabliert, die vor allem geheimschutzbetreute Unternehmen eng begleitet.“ Der Verfassungsschutz habe den Wirtschaftsschutz über viele Jahre bewusst aufgebaut, „weil wir nicht nur staatliche Stellen im Blick haben, sondern auch besonders wichtige Unternehmen im Land“. Dennoch müssten weiterhin Vorbehalte seitens der Unternehmen abgebaut werden. „Oft braucht es etwas Zeit, bis Unternehmen erkennen, dass der Verfassungsschutz keine ‚Schlapphüte' sind, sondern ein wichtiger Teil der Sicherheitsarchitektur“, so Behrens Mit Blick auf die Zukunft erklärt die Innenministerin: „Wir werden das Netz im Januar und Februar noch weiter stärken, denn wir arbeiten an einer neuen Sicherheitsarchitektur in Niedersachsen.“

Foto: BS/Mahnke

F olglich lohnt sich ein Blick auf die Vielzahl an Angeboten und deren Entwicklung. Besonderes Interesse besteht, spätestens seit dem Ahrtalereignis, an der Hochwassergefahr. So ist es kein Wunder, dass die in diesem Bereich zur Verfügung stehenden Warnmittel eine Modernisierung erfahren haben und zusätzliche Angebote auf den Weg gebracht wurden. Einige Angebote haben sich dabei als sehr erfolgreich erwiesen, wenn es darum geht, Bevölkerung und Verantwortliche zu erreichen. Grundlegend ist jedoch zwischen zwei Arten der Hochwasserinformation zu unterscheiden: Zum einen Angebote, die aktuelle Informationen bereitstellen und Warnungen herausgeben. Zum anderen Angebote, die über die Folgen und allgemeinen Gefahren von Hochwasser aufklären und Wissen darüber vermitteln, wie sich Kompetenzträger und Laien auf Hochwasserereignisse vorbereiten können.

Blick auf die Karte Ein nützliches Tool sind hierbei die Hochwasserkarten, die Informationen über den aktuellen Wasserstand, die generelle Hochwassergefahr sowie bisweilen Vorhersagen liefern. Die von den Bundesländern betriebenen Kartenmodelle stellen die dargestellten Informationen auch bundesweiten Warn- und Informationsapps wie NINA, KATWARN, Meine Pegel sowie dem länderübergreifenden Hochwasserportal zur Verfügung. Das Landesangebot von Rheinland-Pfalz wurde 2023 noch einmal umfassend modernisiert und nutzerfreundlicher gestaltet. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auch auf der Optimierung für die Nutzung auf mobilen Endgeräten. Zusätzlich bietet das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz ein Video-Tutorial zu den Funktionen der Plattform an und stellt seit Ende 2023 ergänzend Sturzflutgefahrenkarten bereit. Die Informationen können unter anderem durch die Bürgerinnen und Bürger ergänzt werden, indem sie Hochwasserstände melden oder Gefahrenstellen für die Sturzflutkarten einreichen. Im kommenden Jahr ist zudem geplant, die allgemeinen Hochwasser- und Sturzflutüber-

Schwerpunkt

Das Risiko kartografiert

Gefahrenvermittlung modern und interaktiv

(BS/sr) Mit den sich häufenden Katastrophenfällen infolge des Klimawandels in den vergangenen Jahren steigt auch das

Interesse, über die aktuelle Lage vor Ort sowie das richtige Verhalten mit Tipps für den Ernstfall informiert zu sein. Das gilt nicht nur für Expertinnen und Experten, sondern auch für die Verantwortlichen in den Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger selbst.

und Verbraucherschutz auch Bücher herausgebracht, die sich an Kinder im Grundschul- und Kindergartenalter richten, um Ihnen das Thema näher zu bringen. Foto: BS/LfU Bayern

sichten zusammenzulegen, um unnötige Hürden bei der Informationssuche abzubauen. Mit unter 20.000 täglichen Aufrufen ist die Website, trotz des Umstands, dass seit ihrer Etablierung noch keine größeren Hochwasserereignisse aufgetreten sind, gut frequentiert. Auf Rückfrage wurde mitgeteilt, dass aufgrund der früheren Erfahrungen bei großen Hochwasserlagen diese Zahlen schnell in den zweistelligen Millionenbereich ansteigen können.

Hydro-Zwilling

Für eine bessere Planung entwickelt das Land dieses Informationsmaterial weiter. Hier kommt der Hydro-Zwilling ins Spiel, mit dem Rheinland-Pfalz Neuland betritt und den es künftig den Kommunen im Land zur Verfügung stellt. Diese erhalten damit ein innovatives Instrument für die kommunale Hochwasser- und Sturzflutvorsorge und nicht zuletzt auch für die eigene Informationsvermittlung. Für die Öffentlichkeit wird insbesondere die geplante landesweite dreidimensionale Visualisierung von Überflutungen sichtbar werden, die voraussichtlich im 1. Quartal 2026 verfügbar sein wird. Bürgerinnen und Bürger können dann für einen frei gewählten Ort in RheinlandPfalz eine interaktive, dreidimensionale Darstellung der Überflutungsverhältnisse abrufen, wie sie bei beispielhaften Sturzflutereignissen nach Starkregen zu erwarten

sind. Später erfolgt die Ergänzung durch Darstellungen zu Flusshochwasser. Dieses Instrument wird die Gefahren durch Hochwasser und Sturzfluten gerade für Laien noch einmal deutlich anschaulicher vor Augen führen und so die Risikokommunikation weiter stärken.

Spielerische Risikokommunikation Solche hilfreichen Instrumente sind jedoch bei Weitem nicht die einzige Möglichkeit, Modelle einzusetzen. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat seit einigen Jahren ein physisches Modell in Gebrauch, das zwar keine aktuellen Werte verwendet, aber sehr anschaulich Wissen über Naturgefahren und Risikomanagement vermittelt. Die interaktive und umbaubare Modelllandschaft zeigt sowohl die verschiedenen Naturgefahren wie Flusshochwasser, Starkregen, Rutschungen und Wildbachprozesse als auch die Wirkung möglicher Schutz- und Vorsorgemaßnahmen. Physikalische Modelle ermöglichen spielerisches und interaktives Lernen und sind ein Besuchermagnet auf jeder Veranstaltung. Das Modell ist als wirkungsvolles Instrument der Risikokommunikation viel unterwegs und Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit der bayerischen Wasserwirtschaft. Vor Ort informieren geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der lokalen Wasserwirtschaftsämter und des Landesamts für Umwelt

anhand des Modells darüber, wie staatliche und kommunale Maßnahmen wirken. Das Modell kommt dabei bei allen Altergruppen gut an. Zwischen 2022 und 2025 kam das Modell auf über 80 Veranstaltungen

zum Einsatz und erreichte schätzungsweise etwa 40.000 Personen, darunter rund 16.000 Kinder und Jugendliche. Auch aus Nachbarländern gibt es bereits mehrere Interessierte an diesem Best-Practice-Ansatz. Mehrere Nachbauten des Modells sind in Planung oder bereits in der Umsetzung. Persönlicher Bezug Positive Erfahrungen gibt es auch mit anderen Angeboten. So hilft die Regionalisierung von Informationsmaterialien ebenfalls dabei, das Interesse zu steigern: Die Broschüre „Wann trifft uns das Wasser?“ wurde in zehn regional angepassten Versionen in Bayern veröffentlicht. Dies steigert das Interesse der Leserinnen und Leser, da die Inhalte durch passende Beispiele aus der Region ergänzt werden, die der Lesende kennt. Auch RheinlandPfalz plant für das kommende Jahr ein neues Tool, das insbesondere die persönliche Betroffenheit vermitteln und Vorsorgemaßnahmen erläutern soll. Mit dem Hochwasser-Risikocheck können beispielsweise Gebäudeeigentümerinnen und Gebäudeeigentümer anhand eines Fragebogens die konkrete Gefährdung ihres Objekts prüfen. Im Anschluss erhalten die Eigentümer dann noch mögliche Vorkehrungsmaßnahmen mit Erläuterungen, die sie vornehmen können. Standortbezogene Informationen zu den Hochwassergefahren lassen sich in Bayern zudem über den OnlineKartendienst UmweltAtlasBayern über das Tool Standortauskunft einholen.

Ein Urteil zum Urteilen

Einheitliche Triage-Regeln gefordert (BS/bk) Es ist eine schwere Frage: Wer wird, wenn die Kapazitäten im Krankenhaus knapp sind, bevorzugt behandelt? 2021, noch in der Corona-Pandemie, hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass der Gesetzgeber ein Gesetz erlassen muss, das sicherstellt, dass beispielsweise Menschen mit Behinderung nicht benachteiligt werden. Die Triage-Regelung aus dem Jahr 2022 wurde nun gekippt.

Gegen die Triage-Regelung aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Bundes von 2022 legten 18 Medizinerinnen und Mediziner Verfassungsbeschwerde ein. Sie kritisierten den „gesetzlich unzulässigen Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit“. Die Mediziner stellten sich insbesondere gegen das Verbot der sogenannten Ex-Post-Triage. Eine Ex-Post-Triage bedeutet, dass eine einmal getroffene Entscheidung zur Behandlung eines Patienten nicht zurückgenommen werden darf, auch dann nicht, wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein Patient eingeliefert wird, der eine höhere Überlebenschance hat. Der Marburger Bund erklärte dies als unvereinbar mit dem Berufsethos, da der Ärzteschaft damit Möglichkeit genommen werde, möglichst viele Menschen zu retten.

Länder gefordert

Das Gericht stellte klar, dass Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihrer therapeutischen Verantwortung sowohl über das „Ob“ als auch das „Wie“ einer Behandlung eigenverantwortlich entscheiden dürfen –ohne fachliche Weisungen von außen. Damit gilt die Entscheidung nicht nur für Pandemien, sondern ist auch für andere Extremsituationen, etwa einen militärischen Bündnisfall mit vielen Verletzten, von Bedeutung. Die Regelung greift laut Bundesverfassungsgericht in die sogenannte Berufsausübungsfreiheit von Ärzten ein. Zudem dürfe der Bund eine solche Regelung nicht erlassen. Es sei Aufgabe der Länder.

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sieht in dem Urteil eine wegweisende Bestätigung ihrer Position: Nur wenn die fachliche Autonomie der Ärztinnen und Ärzte gewahrt bleibe, könne eine faire und verantwortungsvolle Zuteilung medizinischer Ressourcen gelingen. Frühere gesetzliche Vorgaben hätten dies gefährdet, indem sie die ärztliche Entscheidungsfreiheit durch starre Verfahren, das Verbot der sogenannten Ex-post-Triage und eng gefasste Prognosekriterien eingeschränkt hätten. Das Ziel müsse stets sein, „in einer Triage-Situation möglichst viele Menschenleben zu retten und dabei alle relevanten medizinischen Faktoren einzubeziehen“, so DIVIPräsident Prof. Florian Hoffmann Flickenteppich befürchtet Mit dem Urteil liegt die Zuständigkeit für mögliche Neuregelungen nun bei den Ländern – eine Entwicklung, die die DIVI kritisch sieht. Sie warnt vor einem „Flickenteppich“ unterschiedlicher TriageRegeln in den 16 Bundesländern. „Patientenversorgung und Rechtssicherheit dürfen nicht vom Wohnort abhängen“, betont Hoffmann Bereits seit 2021 existiert eine ärztliche Leitlinie zur Triage, die während der Corona-Pandemie erarbeitet wurde. Diese will die DIVI nun überarbeiten und an die verfassungsgerichtlichen Vorgaben anpassen. Gleichzeitig fordert sie Bund, Länder und Fachgesellschaften auf, zügig gemeinsame Standards zu entwickeln.

Neben diesem Modell hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt

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Intelligence, Surveillance and Reconnaissance (ISR), Truppenstärke und Military Mobility – laut dem US-Botschafter bei der NATO, Matthew G. Whitaker, sind das die Fähigkeiten, an denen es den europäischen Kräften im Verteidigungsbündnis zurzeit noch mangelt. Gleichzeitig erkannte er an, dass es deutliche Bemühungen in Europa gebe, die Lastenverteilung innerhalb der NATO fairer zu gestalten. Insbesondere Deutschland habe dabei, so der US-Amerikaner, seine Führungsrolle angenommen. Das bundesrepublikanische Engagement bei der Durchsetzung des Fünf-Prozent-Ziels und die Selbstverpflichtung, dies im eigenen Land schneller als von der NATO vorgegeben umzusetzen, zeuge davon. „Andere Staaten sollten nach deutschem Beispiel einen Schritt nach vorn machen“, forderte Whitaker Der US-NATO-Botschafter ging sogar so weit, auf eine Zukunft zu hoffen, in der das Supreme Allied Command Europe (SACEUR) durch Deutschland übernommen werde –davon sei man allerdings noch weit entfernt.

Beim deutschen Botschafter in der NATO sorgte diese Ausführung allerdings für Irritationen. Generalleutnant Wolfgang Wien, Deutscher Militärischer Vertreter bei der NATO und der EU, wand ein, dass die Rolle des SACEUR die Möglichkeit habe, direkt dem US-amerikanischen Präsidenten zu berichten. Abseits davon stellt sich die Frage, was eine deutsche Übernahme des SACEUR für die US-amerikanischen Truppen in Europa bedeuten würde. Diese stünden unter diesen Bedingungen unter dem Befehl eines deutschen Generals. Eine vergleichbare Äußerung der Trump-Administration hatte im März ein internationales Medienecho hervorgerufen. Allerdings folgten keine weiteren Einlassungen zu diesem Themenkomplex von offizieller Seite – bis jetzt. Abseits der Debatte, wie weit eine mögliche deutsche Führungsrolle im europäischen Pfeiler der NATO reichen könnt, forderte Whitaker , dass Europa weiterhin in die eigene Verteidigungsfähigkeit investieren müsse. Dabei gelte es, sich an vier Leitlinien zu orientieren: der stetigen Investition in militärische Fähigkeiten und Technologien, am Ausbau der verteidigungsindustriellen Basis, der Resilienz gegen hybride Bedrohungen sowie am Zusammenhalt innerhalb der Allianz. Daraus, dass die Streitkräfte der europäischen Länder in ihre

Der lange Weg zum Fähigkeitsaufbau

Europa ringt mit mehr Selbstverantwortung

(BS/Jonas Brandstetter) Der europäische Pfeiler der NATO soll mehr Verantwortung im Bündnis tragen – das ist die Devise von Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Umsetzung läuft aber noch schleppend. Das Gefühl der Dringlichkeit schlägt sich nur langsam in den europäischen Armeen nieder.

Fähigkeiten investieren müssen, um verteidigungsfähig zu sein, machten auch die Army Chiefs Deutschlands, Schwedens, Dänemarks und der Niederlande keinen Hehl.

Die Army Chiefs gestehen Entwicklungsbedarf ein

Der Inspekteur des Heeres der Bundeswehr, Generalleutnant Dr. Christian Freuding , sieht Entwicklungsbedarfe des Deutschen Heeres zentral bei der Personalausstattung. Davon seien insbesondere die Landstreitkräfte betroffen. Darüber hinaus stehe das Deutsche Heer vor der Aufgabe, seine Strukturen und sein Equipment anzupassen. Eine Balance aus neuen und alten Systemen sowie bemannten und unbemannten Plattformen werde angestrebt. Generalleutnant Jan Renger Swillens, Kommandeur der Landstrijdkrachten, teilt diesen Gedanken. Er machte deutlich, dass sich kredible Landstreitkräfte durch ein breites Fähigkeitsspektrum und nicht durch eine herausstechende

Technologie auszeichneten. Präzises Wirken auf Distanz, der Kampf im Cyber-Raum, der Einsatz unbemannter Systeme, aber auch das klassische Großgerät seien gleichermaßen bedeutend. „Und, und, und statt oder, oder, oder“, lautete Swillens ’ Fazit. Dennoch gelte es, wie Generalmajor Peter Harling Boysen , Chief der Danish Army, erläuterte, den KostenNutzen-Faktor zu bedenken. Eine 5.000-Euro-Kleindrohne könne einen Panzer zerstören, der Millionen Euro in der Anschaffung koste und von einer über Jahre ausgebildeten Crew bedient werde. Generalmajor Jonny Lindfors , Chief of Army der schwedischen Landstreitkräfte, warnte darüber hinaus vor der Vorstellung, Landstreitkräfte vornehmlich auf unbemannte Systeme abzustützen. Er verwies auf die „Ontologie des Krieges“. Krieg werde zwischen Menschen ausgetragen. Deswegen werde es immer auch zu Gefechten zwischen menschlichen Akteuren kommen. Zwar werde es in den Kriegen der Zukunft – wie bereits

heute in der Ukraine zu beobachten – „Todeszonen“ geben, in denen ausschließlich automatisierte Einheiten agierten; menschliche Einheiten würden jedoch nie vollständig durch KI-gesteuerte ersetzt werden.

Schenkt man dem Inspekteur des deutschen Heeres Glauben, dann kann der europäische Fähigkeitsaufbau nur gemeinsam und nicht als Kraftakt einer einzelnen Nation gelingen. So sei die Bundeswehr bestrebt, Verantwortung für multinationale Formationen und Fähigkeitscluster in der NATO und der EU zu führen. „Multinationalität und Jointness liegen in unserer DNA“, so Freuding . Herausragendes Beispiel dafür sei der Aufbau der Panzerbrigade 45 in Litauen.

Zu viel Klein-Klein Wie weit europäische Staaten allerdings in der Praxis noch davon entfernt sind, interoperabel agieren zu können, machte Freuding an einem Beispiel aus seiner Zeit als Kommandeur einer internationalen Panzerbrigade fest. Die

deutschen, niederländischen und norwegischen Streitkräfte hätten den Kampfpanzer Leopard zum Einsatz gebracht, dabei aber nicht aus einem gemeinsamen Treibstofflager schöpfen können. Denn die Kettenfahrzeuge seien mit drei unterschiedlichen Energieträgern zu betanken gewesen. Weitere Beispiele dieser Art lassen sich schnell ausfindig machen. So berichtete Boysen , dass die europäischen NATO-Staaten jeweils über ihre eigenen Nachrichtendienste verfügten. Damit gehe einher, dass jeder Staat eigene Akkreditierungssysteme zur Anwendung bringe. Nachrichtendienstlichen Austausch erschwere das massiv. „Wir müssen mehr ins Risiko gehen und Protokolle austauschen“, forderte Boysen folgerichtig. Für Freuding steht fest, dass, um die Fähigkeitsziele der NATO zu erreichen, die europäischen Staaten der Allianz ihre Kräfte auch in der Beschaffung zusammenlegen müssen. Dem pflichtete Eric Béranger , CEO von MBDA, bei. Er verstehe alle europäischen Staaten als „Middle Powers“. Als solche könne man nur bestehen, wenn Ressourcen möglichst effizient genutzt würden. Deshalb forderte der CEO des paneuropäischen Lenkflugkörper-Herstellers die europäischen Staaten auf, gemeinsam zu entwickeln und zu beschaffen.

Die EU als Schlüsselfigur Wien sieht insbesondere die Europäische Union (EU) in der Position, Verteidigungsbemühungen zu standardisieren. Warum gerade die Union für diese Aufgabe geeignet sei, erläuterte der deutsche Vertreter bei der NATO anhand von Beispielen weit ab der Verteidigung. Dass im gesamten EU-Gebiet die Verschlüsse von Plastikflaschen zur Müllvermeidung fest verbunden seien und alle Hersteller von Mobiltelefonen ein standardisiertes Steckersystem nutzten, sei ein Verdienst der EU. Genau in dieser Fähigkeit – unionsweit harmonisierte Entscheidungen durchzusetzen – liege die Stärke der EU. „Dass wir in Zukunft in der EU nicht mehr zehn, sondern fünf verschiedene Kampfpanzer nutzen, liegt in der Macht der EU“, so Wien . Bislang habe die EU ihre Fähigkeit zur Standardisierung bei Verteidigungsfragen nicht eingebracht. In jüngster Zeit deutet sich laut Wien allerdings ein Paradigmenwechsel an.

MdEP Dr. Marie-Agnes Strack Zimmermann, Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) und Kongresspräsidentin der BSC, sieht die NATO durch die Mitgliedschaft Schwedens gestärkt.
Kronprinzessin Victoria von Schweden (Mitte), die schwedische Botschafterin in Deutschland Wand Danielsson (links) und die Chefredakteurin des Behörden Spiegel (rechts), Dr. Eva-Charlotte Proll, stimmen die schwedische Nationalhymne an.
Der Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte, General Michael Claesson, fordert, die Ukraine stärker zu unterstützen. Alle Fotos: BS/Bildschön
Laut dem schwedische Premierminister Ulf Hjalmar Kristersson, ist Putin mit seinem Vorhaben gescheitert, die Europäer zu spalten.

Die gute Nachricht: Die NATO sei „bereit, sich gegen Großangriffe zu verteidigen“, ist General Ingo Gerhartz, Befehlshaber des Allied Joint Force Command im niederländischen Brunssum, überzeugt. Zudem sei das Bündnis durch die jüngsten Mitglieder Finnland und Schweden noch stärker geworden. Kollektive Verteidigungsfähigkeit sei allerdings nur „Plan B“. Plan A und das eigentliche Ziel: sich gar nicht erst verteidigen zu müssen, erklärt Gerhartz – indem die Abschreckung gegenüber feindlich gesinnten Staaten groß genug sei. Dampf machen im Cyber-Raum Als konkretester Feind gilt dieser Tage Russland. Die Intensität russischer Spionage und Sabotage an Land, in der Luft und zur See hat laut Gerhartz zugenommen, die Frequenz der Angriffe sich erhöht. Wladimir Putin hoffe, durch immer neue hybride Attacken „Risse im NATO-Schutzschild“ aufzudecken und auszunutzen. Nicht zuletzt finden diese Attacken im Cyber-Raum statt, treffen Staat und Unternehmen, Kritische Infrastrukturen und Zivilbevölkerung. Generalleutnant Tom Copinger-Symes, stellvertreu-

I rene Fellin, Sondergesandte des NATO-Generalsekretärs für Frauen, Frieden und Sicherheit, betonte, dass die nationale Verteidigung deshalb heute eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft sei – nicht nur der Streitkräfte. Totale Verteidigung sei ein umfassendes Konzept, das die Einbeziehung von Frauen, zivilen Strukturen und gesellschaftlicher Resilienz erfordere.

Fellin hob hervor, dass die Beteiligung von Frauen nicht nur die gesellschaftliche Resilienz stärke, sondern auch die Effizienz der Streitkräfte erhöhe. Ein Beispiel dafür seien Frühwarnsysteme, die davon profitierten, dass Frauen durch ihre unterschiedlichen Netzwerke und Perspektiven zusätzliche Informationen einbrächten. Dadurch würden Lagebilder präziser und Risiken früher erkennbar.

Die Reifeprüfung

Deutschlands langer Weg zur militärischen Abschreckung

(BS/cb) Dem Sondervermögen für mehr Militärausgaben folgte hierzulande jüngst die Wehrdienstreform. Viele Verteidigungsexpertinnen und -experten sehen dies als wichtige Zwischenschritte. Doch um wirkliche Sicherheit in Deutschland und Europa zu gewährleisten, braucht es mehr – infrastrukturell und in den Köpfen der Menschen.

Generalleutnant Tom Copinger-Symes, stellvertretender Kommandeur, Cyber- und Spezialoperationskommando mit Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, Inspekteur des Cyber- und Informationsraum.

tender Kommandant des Cyber und Specialist Operation Command des Vereinigten Königreichs, sieht drei Punkte, an denen in der Cyber-Abwehr dringend gearbeitet werden müsse. Erstens dürften Daten nicht

länger als Wegbereiter gesehen werden, sondern als „essenzieller Teil des Schlachtfelds“. Zweitens müsse sich das Verständnis durchsetzen, dass es keinen singulären „D-Day“ mehr gebe, sondern dieser schon

Monate oder Jahre zuvor im CyberRaum beginne. Drittens: Desinformation müsse konsequent angegangen werden – insbesondere, um junge Menschen zu schützen. Angesprochen auf die aus seinem Land stammende TV-Serie „Adolescence“, die ebendiesen (fehlenden) Schutz Jugendlicher im Cyber-Raum thematisiert, appelliert Copinger-Symes an die Verantwortung der Eltern, die in diesen Dingen engagierter sein müssten.

Digital Dampf machen Zwei generelle Fähigkeiten, die es in der Cyber-Sicherheit brauche, unterscheiden sich für Copinger-Symes nur durch einen Buchstaben: Einerseits brauche es naturwissenschaftliche „STEM skills“, andererseits „steam skills“ – die Erzeugung von digitalem Nebelkerzen in Form von Memes, die positive Narrative

Mit Inklusion zu stärkerer Resilienz

Wie die Einbeziehung von Frauen gesellschaftliche und militärische Handlungsfähigkeit verbessert

(BS/cm) Europas Sicherheit hängt längst nicht mehr nur von militärischer Stärke ab. Auf der Berlin Security Conference (BSC) wurde deutlich: Sie beruht auf dem Engagement aller gesellschaftlichen Akteure. Gleichstellung sei ein zentraler Faktor resilienter Demokratien.

lieferten und beim „vernebelten“ Gegner für Unsicherheit sorgen. Derweil beobachte der Kreml ganz genau, was in Deutschland passiert, meint Gerhartz. Die monatelange Debatte über die Wehrpflicht oder der Umstand, dass es mitunter Jahre dauern könne, bis neue Waffensysteme beschafft seien, schwächten „die Glaubhaftigkeit der ganzen Allianz“, so Gerhartz. Für ihn sind diese langwierigen Prozesse Ausdruck davon, dass sich Deutschland noch in der militärischen Pubertät befindet – auf dem richtigen Weg, aber noch nicht erwachsen: „Deutschland hat noch nicht die strategische Reife erreicht, die es braucht.“

Um diese militärische Reife zu erlangen, müsse man insbesondere die Beschaffung neu angehen. Einerseits solle Deutschland bereits existierende Systeme „aus dem Regal“ kaufen und parallel dazu neue Systeme entwickeln. Andererseits brauche es ein neues, starkes Mindset, nicht nur im Verteidigungssektor und der Politik, sondern auch bei den Menschen im Land. „Wir sind nicht im Krieg, aber wir leben auch nicht mehr im Frieden“, bringt Gerhartz die Zeit des vermeintlichen Übergangs auf den Punkt.

nen und uns in Friedenszeiten entwickeln.“ Er betonte, dass Frauen frühzeitig in Planung, Einsatz und Führung einbezogen werden sollten, um Gesellschaften und Streitkräfte resilienter zu machen.

Rolle der Wirtschaft

Schwedens Ministerin für Gleichstellung und Arbeitsleben, Nina Larsson, unterstrich, dass Gleichstellung eine sicherheitspolitische Voraussetzung sei. „Ohne die volle Teilhabe von Frauen gibt es keine echte Freiheit“, unterstrich sie. Ungleichheit mache Gesellschaften anfälliger – etwa durch Desinformation, die gezielt gegen Frauen eingesetzt werde, um Vertrauen zu untergraben. Gleichstellung sei damit ein Kernbaustein resilienter Demokratien.

Lehren aus dem Krieg Oberstleutnant Olov Kesselmark verwies auf die Ukraine, wo genderbezogene Strukturen unter Kriegsbedingungen aufgebaut werden müssten: „Wir sollten daraus ler-

Stellvertretender Forschungsdirektor

Irene Fellin, Sonderbeauftragte des NATO-Generalsekretärs für Frauen, Frieden und Sicherheit: „Verteidigung ist nicht nur eine militärische Aufgabe – Innovation, Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sind entscheidend.“

Auch der Privatsektor trage Verantwortung. Für Johanna Persson, CEO und Präsidentin der Adapteo Group, sind Gleichstellungsstandards „eine unverzichtbare Grundlage“, ohne die Partnerschaften künftig nicht funktionieren können. Fellin betonte, dass in männlich dominierten Führungsebenen Männer ihre Verantwortung aktiv wahrnehmen und Gleichstellungsaspekte berücksichtigen müssten, da eine angemessene Repräsentation von Frauen nicht sofort erreicht werden könne. Gleichstellung sei dabei nicht allein Aufgabe der Frauen, sondern eine Verantwortung der gesamten Gesellschaft.

Der US-Botschafter bei der NATO, Mathew G. Whitaker, sieht in der Bundesrepublik ein Vorbild für das übrige Europa.
Dr. Gudrun Persson,
für Russlandund Eurasienstudien bei der Schwedischen Verteidigungsforschungsagentur (FOI), forscht seit Jahren zur russischen Außenpolitik.
Der Außenmninister Litauens, Kęstutis Budrys, erläuterte auf dem Blauen Sofa, wie sich sein Heimatland hybrider Bedrohungen erwehrt.
General Ingo Gerhartz, Befehlshaber des Allied Joint Force Command in Brunssum, zeigt sich überzeugt, dass die Allianz stark genug ist, um sich gegen Großangriffe zu verteidigen.
Mit der schwedischen Kronprinzessin, Victoria von Schweden, empfing die BSC in diesem Jahr royalen Besuch.
Generalleutnant Wolfgang Wien, Deutscher Militärischer Vertreter bei der NATO und der EU, wünscht sich mehr Vertrauen in die EU. Sie wirke nach außen komplex, habe aber viele Stärken. Alle Fotos: BS/Bildschön

Der ehemalige Premierminister der Ukraine, Arseniy Yatsenyuk, machte deutlich, was es bedeutet, einen Krieg zu führen.

Generalstabsarzt Dr. Almut Nolte, stellvertetende Befehlshaberin und Stabschefin des Zentralen Sanitätsdienstes, zeichnet für die medizinische Versorgung der deutschen Streitkräfte verantwortlich.

Laut Generalmajor Lena Persson Herlitz, Leiterin der Abteilung Unterstützung der Generalstabsdirektion, Schweden, ist die Interoperabilität die größte Herausforderung für die schwedischen Streitkräfte.

Bundesverteidigungsminister

Boris Pistorius (SPD) warnte auf der BSC vor Konfrontationen auf der Ostsee. Diese diene Putin als „Testfeld für die Verteidigungsfähigkeit Europas“, die Sicherheitslage sei weiter angespannt. Die Verteidigungsbereitschaft in Europa müsse zügig ausgebaut werden. „Wir müssen mehr tun, als nur über die Sicherheitslage zu sprechen. Wir müssen auf die Bedrohungen unserer Zeit Antworten geben“, sagte er und nannte hybride Angriffe, Cyberattacken, Spionage und Desinformation als Beispiele für die Bedrohungslage. „Wir können hier nicht mehr von Zufällen sprechen. Es ist Strategie. Es sind Vorboten“, so Pistorius.

„Die

Unterstützung der Ukraine ist nicht nur richtig, sie ist auch klug. Damit investiert Europa in seine Sicherheit.“

Dr. Pål Jonson, Verteidigungsminister von Schweden

Mit Blick auf den NATO-Beitritt Schwedens im März 2024 unterstrich Pistorius‘ schwedischer Amtskollege Pål Jonson: Seit 2022 habe sein Land die Verteidigungsausgaben verdoppelt, bis 2030 sollen diese weiter auf fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöht werden. „Die Unterstützung der Ukraine ist nicht nur richtig, sie ist auch klug“, sagte Jonson. „Damit investiert Europa in seine Sicherheit.“ Schweden und Deutschland stünden Seite an Seite, betonte der Verteidigungsminister. Beide Länder trügen gemeinsam Verantwortung für die europäische Sicherheit – darüber hinaus habe der NATOBeitritt von Schweden und Finnland das Baltische Meer zu einem europäischen Meer gemacht. Russland intensiviert nicht nur im baltischen Meer seine militärischen

Eis-Fähigkeiten

Die strategische Lage in der Arktis

(BS/Anne Mareile Moschinski) Die militärische Nutzung der Arktis rückt mehr und mehr in den Fokus. Dabei sind in puncto Bewältigungsstrategien noch viele offene Fragen zu klären. Deutschland und Schweden festigen derweil ihre Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung.

Die Verteidigungsminister Deutschlands und Schwedens vertiefen die Partnerschaft beider Länder mit einem Memorandum of Understanding. Es bietet den Rahmen für gemeinsame Ausbildung, Beschaffung und die Interoperabilität im Einsatz.

Aktivitäten, auch die Arktis rückt immer mehr in den Fokus. Markus Laubenthal, General und Chief of Staff im Supreme Headquarter Allied Powers Europe, untermauerte in dem Zusammenhang die Bedeutung der strategischen Sicherheit im Norden Europas. Hier sei eine höhere politische Aufmerksamkeit nötig. Um eigene Ansprüche und Sicherheitsbedürfnisse zu schützen, wird seit einiger Zeit innerhalb der NATO die Zusammenarbeit zur militärischen Nutzung des arktischen Meeres ausgebaut. Litauens Außenminister Kestutis Budrys wies auf die Notwendigkeit hin, den Nordatlantik und das arktische Meer stärker in den politischen Fokus zu nehmen. Andernfalls sei die Gefahr groß, dass Putin mit der Region „spiele“. Dabei ist die Arktis

Vizeadmiral Carsten Stawitzki ist als Abteilungsleiter Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung mit der Aufrüstung der Bundeswehr

nicht nur in politisch-militärischer Hinsicht immer mehr von Bedeutung, auch die ökonomische Seite der Region wird zunehmend wichtiger.

Meteorologische Hürden für die militärische Nutzung Erderwärmung und Eisschmelze eröffnen neue Handelswege und Zugänge zu Rohstoffen, gleichzeitig ist die kritische Unterwasserinfrastruktur des arktischen Meeres gefährdet und mit dem Auftauen des Permafrosts sind erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit von Gebäuden, Pipelines und Straßen verbunden. Die besonderen meteorologischen Bedingungen in der Arktis – Kälte, Sturm und Eis – beeinträchtigen die militärische Nutzung. Ein angepasstes

militärisches Training reicht hier nicht aus. Es müssen zudem Regularien für notwendige technische Entwicklungen geschaffen werden. Magiel Venema, Managing Director der niederländischen Schiffswerft Damen Schelde Naval, nannte an dieser Stelle Drohnen, die in großer Zahl auf die langen, in der Arktis zu überwindenden Distanzen, ausgerichtet werden müssten. Auch seien Schiffe entsprechend zu präparieren. „Hier muss als erstes die Frage geklärt werden: Welche Eis-Fähigkeiten brauchen wir überhaupt?“, so Venema. Die Dringlichkeit der europäischen Verteidigungsfähigkeit untermauerte Schwedens Premierminister Ulf Kristersson. „Putins Absicht war die Spaltung Europas. Das ist ihm nicht gelungen. Europas Demokra-

tien unterstützen die Ukraine seit mittlerweile vier Jahren und das werden wir weiterhin tun“, sagte er. Schweden habe eine der dynamischsten Verteidigungsindustrien Europas und werde damit weiter seinen Beitrag leisten. Verteidigungsindustrien seien „Friedensindustrien“, so Kristersson. Dabei müsse Europa mit Einigkeit und Zielstrebigkeit agieren: „Wir scheitern gemeinsam und wir sind gemeinsam erfolgreich.“

„Europa scheitert gemeinsam und ist gemeinsam erfolgreich.“

Ulf Kristersson, Premierminister von Schweden

Um die deutsch-schwedische Partnerschaft in Bezug auf die Sicherheit und Verteidigung zu bekräftigen, unterzeichneten die Verteidigungsminister Boris Pistorius und Pål Jonson auf der BSC ein Memorandum of Understanding (MoU). Mit dem Abkommen soll zwischen Deutschland und Schweden ein Rahmen für Ausbildung, die gemeinsame Beschaffung moderner Technologien und die Interoperabilität im Einsatz geschaffen werden. Pistorius erklärte, das Memorandum sei ein Versprechen an die Soldatinnen und Soldaten beider Länder. „Sie und wir können aufeinander zählen – im Frieden und im Ernstfall“, sagte er. Schweden gehöre zu den wichtigsten Partnern der Bundesrepublik Deutschland, beide Länder verbinde eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie „ein offener politischer Austausch“. Dazu komme die Überzeugung, dass beide Länder vereint seien in ihrem internationalen und europäischen Engagement. „Wir stehen Schulter an Schulter in stürmischen Zeiten“, so Pistorius Allerdings müsse mehr getan werden, als nur über die Sicherheitslage zu sprechen: „Wir müssen auf die Bedrohungen unserer Zeit Antworten geben.“

des

betraut. Das bietet Stoff zum Grübeln.
An einem Tisch versammelt: (v.r.n.l.) die Chiefs of Army der Niederlande, Litauens, Schwedens und Deutschlands.
Der Truppenfahne
Wachbattalions wird durch den Oberbefehlshaber der Streitkräfte Schwedens, General Michael Claesson, im Auftrag des Königs ein schwedisches Fahnenband verliehen.
Alle Fotos: BS/Bildschön

General Markus Laubenthal, Chief of Staff im Supreme Headquarters Allied Powers Europe(SHAPE), erläuterte die strategische Bedeutung der Arktis.

Seit

Mitte des Jahres sind die aktuelle Sicherheitslage und die Auswirkungen einer möglichen Eskalation im Curriculum an schwedischen Schulen inkludiert. „Wir müssen über das Thema Gesamtverteidigung am Esstisch und auf der Arbeit sprechen“, betont Dr. Magnus Hjort, Generaldirektor der schwedischen Behörde für psychologische Verteidigung, auf der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz. Schweden setze das bereits durch diverse Maßnahmen durch. Nicht nur die gelbe Broschüre „In Case of Crisis or War“ ist Teil dieser Strategie. Deren Neuauflage wurde im November letzten Jahres an alle Haushalte in Schweden versendet. Auf 32 Seiten informiert die Broschüre darüber, wie Blutungen zu stoppen sind, Warnsignale richtig interpretiert werden, sich die Bevölkerung bei Terrorangriffen verhalten sollte oder psychisch gegen Desinformationskampagnen wappnen kann. Die Broschüre ist außerdem online auf der Homepage der schwedischen Zivilschutzbehörde (MSB) in diversen Übersetzungen zu finden – wie Arabisch, Farsi, Ukrainisch, Polnisch, Somali und Finnisch. Zwar sei damit eine gute Richtung angeschla-

Laut Lars Höstbeck, Direktor der Division Verteidigungstechnik bei der schwedischen Verteidigungsforschungsagentur (FOH), sind Forscherinnen und Forscher im Verteidigungssektor mit mehr Aufgaben betraut, als es das wissenschaftliche Profil ihres Berufs vermuten lässt. Seiner Ansicht nach sind sie gleichzeitig wissenschaftsberatend für Entscheidungsträgerinnen und -träger tätig. Folgerichtig schreite die Verteidigungsinnovation entlang zweier Vektoren voran: dem Wissensaufbau auf der einen und der Wissensanwendung auf der anderen Seite. Wie sich diese Erkenntnis in der Praxis niederschlagen kann, verdeutlichte Oberst Jo-Yen Nieh vom Verteidigungsministerium Taiwans. Der kleine Inselstaat steht laut dem studierten Elektroingenieur unter konstantem Druck. Um dem standzuhalten, sei fortlaufendes Innovieren notwendig. 2019 habe das Land deshalb – wie Nieh erläuterte – einen Paradigmenwechsel in der Verteidi-

Ins Gespräch kommen

Was die Bundeswehr von den Schweden lernen kann

(BS/mk) Im Kriegsfall ist Deutschland nicht nur auf seine Soldatinnen und Soldaten angewiesen. Für die Gesamtverteidigung werden alle ihr Päckchen tragen müssen. So der Konsens auf der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz.

Abschreckung kann laut Carl-Oscar Bohlin, Schwedens Minister für Zivilverteidigung, nur gelingen, wenn die gesamte Bevölkerung dahinter steht.

gen worden, laut Hjort reicht das jedoch noch nicht aus. Der Generaldirektor bezweifelt, dass Schwedinnen und Schweden proaktiv nach der Broschüre suchten. Doch eine Aufklärung aller Bürgerinnen und Bürger sei notwendig, auch da im Kriegsfall mit schwedischer Beteiligung für alle Schweden zwischen 16 und 70 Jahren bestimmte Pflichten gelten würden. Zum kommenden Jahr gibt die schwedische Regierung darüber hinaus eine blaue Broschüre für Unternehmen heraus. Dieser Grundstein der schwedischen Gesamtverteidigung schaffe

eine glaubwürdige Abschreckung, unterstreicht Carl-Oskar Bohlin, Minister für Zivilverteidigung. Es sei wichtig, zu zeigen, dass die gesamte Bevölkerung hinter diesem Plan stehe. „Die Erwartungen an die Bevölkerung sind jetzt höher, und es ist wichtig, dass alle Bürgerinnen und Bürger das wissen“, so Bohlin Ein Defizit sieht der Minister aktuell noch in der Finanzierung: „Es erfordert die Aufmerksamkeit der obersten Führungsebene und gezielte Finanzmittel.“

Kommunizieren ohne Angst Auch Deutschland muss diesen Weg gehen. Laut Generalleutnant Alexander Sollfrank, Befehlshaber des Operativen Führungskommandos (OpFüKdo) der Bundeswehr, steht Deutschland dafür jedoch unter drängendem Zeitdruck. Der Bevölkerung müsse klar werden, in welcher Situation sich Deutschland

Wissen schaffen und anwenden

Der steinige Weg von der Forschung in die Praxis (BS/jb) Der Krieg in der Ukraine macht deutlich: Innovations- und Überlebensfähigkeit sind gleichzusetzen. Damit jedoch Ideen und Konzepte aus dem Labor den Weg auf das Gefechtsfeld finden, braucht es mehr als technische Kompetenz.

gungsforschung eingeläutet. Denn für das Verteidigungsministerium der Insel sei klar, dass Fähigkeitsaufbau technologischen und organisatorischen Wandel voraussetze. Mit dem Defence Industry Development Act hofft die taiwanische Regierung, genau diesen Wandel eingeläutet zu haben. Konkret verfolgen die Entscheidungsträgerinnen und -träger mit dem Act das Ziel, die Kooperation zwischen Staat und Privatsektor zu fördern, um Forschung und Entwicklung, Produktion, Fertigung sowie logistische Unterstützung für Waffen- und Ausrüstungssysteme im Inland zu erreichen. Kernstück dabei sind die sogenannten Qualifizierungs- bzw. Zulassungszertifikate. Dabei handelt es sich um einen offiziellen Nachweis, dass ein

den inter-

Unternehmen bestimmte Standards erfüllt – technisch, betrieblich und sicherheitsrelevant. Die Zertifikate sind für drei Jahre gültig. Auf diese Weise soll ein Ökosystem für das taiwanische Verteidigungsministerium entstehen. Allerdings richtet sich der Defense Act nicht ausschließlich an Unternehmen von der Insel. Explizit forderte Nieh weitere Staaten auf, Teil der Defense Innovation Unit zu werden. „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um Beziehungen mit anderen Staaten aufzubauen“, machte er deutlich. Die Erkenntnis, dass ein engeres Verhältnis zwischen Staat und Verteidigungsindustrie notwendig sei, leite das taiwanische Verteidigungsministerium aus der Ukraine ab. „Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass nicht nur Technologien

entscheidend sind, sondern auch die Fähigkeit, Innovationen zu implementieren“, stellte der taiwanische Forschungsexperte klar. Ukraine: zur Praxis gezwungen Wie hoch der Innovationsdruck in der Ukraine tatsächlich ist, erläuterte Anatolii Kutsevol, stellvertretender Verteidigungsminister der Ukraine für europäische Integration, anhand eines Beispiels. Zu Beginn des Krieges sei es einigen Polizistinnen und Polizisten in Kiew noch gelungen, behäbige russisch-iranische Shahed-Drohnen mit Maschinenpistolen aus der Luft abzuschießen. Heute – wenige Jahre später – sei das undenkbar. Die unbemannten Luftfahrzeuge verfügten nicht nur über einen gänzlich überarbeite-

befinde. Denn bereits jetzt stehe das Land unter hybriden Attacken. Beim Transport dieser Informationen sei Fingerspitzengefühl gefragt. Sie müssten beschrieben werden, ohne Angst dazu zu verbreiten. „Wir haben so viele Schwachstellen, dass es für einen Akteur sehr leicht ist, sie zu finden. Wir sollten sie kennen und minimieren – als Nation und auf europäischer Ebene.“ Eine der Schwachstellen liege innerhalb des deutschen Gesundheitssystems, z. B. hinsichtlich fehlenden Personals und mangelhafter Planung: Laut Generalstabsarzt Dr. med. Johannes Backus, Kommandeur des Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr, arbeite die Bundeswehr seit zwei Jahren an einem funktionierenden System. Zwar würden die Menschen in Deutschland im NATO-Bündnisfall voraussichtlich in einer Art Frieden weiterleben, jedoch wären gerade die Krankenhäuser in einer besonderen Stresssituation. Der Großteil des medizinischen Personals müsste sich um die Truppen kümmern und somit würde es in militärischen Krankenhäusern deutlich an Personal fehlen. „Wir müssen das zivile Gesundheitssystem darauf vorbereiten“, mahnte Backus

ten Antriebsstrang, auch deren Angriffstaktiken hätten die russischen Streitkräfte vollständig verändert. Heute fliege eine Vielzahl von Systemen im Verbund, sodass sie in der Luftaufklärung nur als einzelnes Ziel erschienen und nur schwer individuell bekämpft werden könnten. Für Kutsevol macht diese rasante Entwicklung deutlich, dass die etablierten Beschaffungspraktiken Europas überkommen seien. Vielmehr bedürfe es fortlaufender Modernisierungen. Die Ukraine könne dabei – so die Ansicht des stellvertretenden Ministers – der zentrale Partner sein. Sein Lösungsvorschlag umfasst drei Punkte: Die Ukraine soll als Testzentrum für neue Technologien dienen. Die dort entwickelten Lösungen sollen im Anschluss in Europa industriell produziert werden. Abschließend könnten Joint Ventures zwischen der ukrainischen und den übrigen europäischen Rüstungsindustrie die Aktualität und Leistungsfähigkeit der Systeme sicherstellen.

Dr. Michaela Ramirez Schulschenk, Leiterin der Abteilung Gesundheitssicherheit im Bundesministerium für Gesundheit in Deutschland, befasst sich auch mit Fragen der Resilienz.
Generalmajor Peter Boysen, Befehlshaber der Königlichen Dänischen Heeres, sieht Interoperabilität als Schlüssel.
Die Start-up-Challenge gab Raum für innovative Ideen.
Oberst Jo-Yen Nieh, Verteidigungsministerium Taiwan, sucht
nationalen Anschluss.
Nina Larsson, Ministerin für Gleichstellung und Arbeitsleben in Schweden, stellte klar: Resiliente und inklusive Gesellschaften sind schwerer zu destabilisieren.

Zwischen Asphalt und Apfelbaum

(BS/Scarlett Lüsser) Broschüren, Förderprojekte und Know-how sollen Hessens Kommunen bei der Klimaanpassung unterstützen. Dazu ist Dr. Anna-Christine Sander als Referentin des Fachzentrums Klimawandel und Anpassung gerne auch mal vor Ort.

Herzlich Willkommen zum Rundgang am Taubenbaum”, eröffnet der Bad Nauheimer Bürgermeister, Klaus Kreß, die Veranstaltung, bei der hauptsächlich Gewerbetreibende im Publikum sitzen. Ziel der Begehung ist es, im Gewerbegebiet Am Taubenbaum zu schauen, wo es Möglichkeiten zur Klimaanpassung gibt und wo bereits gute Ansätze zu sehen sind. Denn mittels des EUFörderprojektes IB-Green (Industrial and Business Parks – climate resilient & fit for future), sollen Gewerbegebiete klimaangepasster werden. Bad Nauheim gehört damit zu einer von sechs Kommunen, die vom Fachzentrum Klimawandel und Anpassung (FZK) des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) für diese Förderung ausgewählt wurden. Aus diesem Grund ist Dr. Anna-Christine Sander als Referentin des Fachzentrums mit vor Ort, denn sie leitet aktuell das EU-Förderprojekt in Deutschland. Gerade in Gewerbegebieten finden sich besonders versiegelte

ben, erklärt die Klimaanpassungsexpertin.

Vielseitig und vielerorts

Sander ist in ihrem Leben viel herumgekommen. Geboren wurde sie in Berlin, aufgewachsen ist sie in Luxemburg. Nach dem Abitur ging es dann für unterschiedliche Ausbildungs- und Studienwege nach Berlin, Saarbrücken und Straßburg. Ihre Promotion am Institut für Angewandte Tierökologie schloss sie in Gießen ab. Während ihres Studiums in Saarbrücken habe sie auch schon ihren Ehemann Piers kennengelernt. „Wir sind so ein typisches Fachidioten-Ehepaar“, lacht die promovierte Biogeografin.

Letztendlich ist sie ihrem Mann, der früher mit dem Studium fertig war, nach Frankfurt gefolgt, wo die beiden mittlerweile seit 25 Jahren mit zwei der drei Kinder und Hündin Juli leben.

Während ihrer Zeit an der JustusLiebig-Universität Gießen (JLU), entschied sich das Paar dazu, zwei Kinder zu bekommen – ein Ent-

Sander macht Fotos und dokumentiert: Wo sind schon klimaanpassende Maßnahmen ergriffen worden und wo gäbe es Nachholbedarf? Foto: BS/Lüsser

Flächen, einfache Lagerhallen und viel Asphalt – schattenspendende Elemente, kühlendes Grün oder Wasserflächen sind hier rar gesät. Im Sommer sorge das für große Hitzeentwicklungen und bei Starkregen könne das Wasser schlecht abfließen. „Wir wollen mit diesen Begehungen auch die Fantasie der Gewerbetreibenden anregen und sie mit ins Boot holen“, weiß Sander Nach einigen Ansprachen geht es zum Taubenbaum. An manchen Stationen auf dem Weg erzählen Gewerbetreibende, welche Veränderungen sie schon zur Klimaanpassung vorgenommen haben. Sander hört zu, lobt und stellt kritische Nachfragen. Carports mit Solardach – super Idee, aber warum ist die gesamte Einfahrt gepflastert und durch hohe Randsteine von den Grünflächen getrennt? Selbst mit Versickerungsmöglichkeit sei es zwar gut gemeint, aber man könne als Laie selten alles im Blick ha-

schluss, der bei vielen in ihrem Umfeld für unterschiedliche Reaktionen sorgte. Für die heute dreifache Mutter ist aber klar: „Nicht gucken, wie andere das machen, sondern für sich selbst entscheiden, welcher Weg der richtige ist. Denn erst mal ist jede Persönlichkeit unterschiedlich, dann ist auch die Lebenssituation individuell und Menschen sind auch unterschiedlich belastbar.“

Für sie sei das in der Situation die genau richtige Reihenfolge gewesen.

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes kündigte die heute 53-Jährige ihre Stelle an der JLU, um etwas Neues anzufangen. Mit Kinderwagen meldete sie sich arbeitssuchend und bekam von ihrem Sachbearbeiter zur hören, sie sei schwer vermittelbar. Entgegen dieser Prophezeiung erhielt sie bald darauf ein Angebot der Unteren Naturschutzbehörde Offenbach.

Für zehn Jahre war sie dort tätig und hat unter anderem ein Klima-

schutzkonzept und ein Klimaanpassungskonzept miterarbeitet. „Das war der Auslöser, wie ich auf kommunaler Ebene zu diesem Klimathema gekommen bin“, erzählt Sander lächelnd.

Für diese Meilensteine wurden z. B. eine kommunale Energiebilanz erstellt, Energiepotenziale berechnet und daraus Klimaschutzmaßnahmen abgeleitet. Zusätzlich hat die damalige Referentin für Naturschutz – und später auch für Klima – eine sehr erfolgreiche AG zur Radverkehrsförderung gegründet. Einmal im Jahr habe sie Radfahrkurse für Frauen angeboten. „Es ist eigentlich eine Maßnahme, die ursprünglich aus der Integrationsarbeit kommt, weil man sagt, die Frauen schöpfen dann Selbstvertrauen und vernetzen sich untereinander, was gerade von ausländischen Frauen gern genutzt wird.“ Sie habe das einfach als Klimaschutzmaßnahme aufgegriffen.

Ein neues Kapitel

Als 2018 das FZK um fünf Stellen erweitert wurde, war es für Sander wieder Zeit für einen Tapetenwechsel. Denn obwohl ihr die Arbeit in Offenbach Spaß gemacht habe, habe ihr der Forschungsaspekt gefehlt, den eine Anstellung an einer Universität mit sich bringe. Diese besondere Stellung im Landesdienst, kombiniert mit der Möglichkeit, zu forschen, gefällt der Akademikerin besonders gut. 2018 habe auch einen Wendepunkt für das FZK dargestellt, denn vorher sei das erste bundeslandeigene Klimafachzentrum hauptsächlich auf Klimaforschung spezialisiert gewesen. Ab da sei es mehr in die Anwendung gegangen, erinnert Sander sich. Zum Beispiel seien Handlungshilfen für Kommunen entstanden, die personell meist nur dünn aufgestellt seien und sich ansonsten nicht mit dem Thema hätten beschäftigen können. Diese Unterstützungsleistung sei mit ein Auftrag des FZK. Für Sander ist die Arbeit im HLNUG durch die Corona-Pandemie flexibler geworden. Die eine Hälfte der Zeit arbeitet die Referentin zu Hause, während der übrigen Zeit teilt sie sich den Flur mit Dezernat I2, dem Luftmessnetz: „Die Türen stehen alle offen, es ist sehr lebendig und es herrscht eine wahnsinnig freundliche Atmosphäre, muss man sagen.“

Wenn sie nicht gerade auf Außenterminen wie der Begehung in Bad Nauheim ist, bereitet sie mit ihrem Team unter anderem Vorträge und Online-Seminare oder eben Außentermine vor. Auch Kommunen können Veranstaltungsanfragen an das FZK stellen – hierfür werde dann Input oder ein Teammitglied für die

in der Schule Französisch abgewählt und müsse sich nun immer mit Händen und Füßen verständigen, erzählt die dreifache Mutter schmunzelnd.

Um nach der Arbeit abzuschalten, geht sie gerne mit Juli spazieren oder, „wenn etwas mehr Zeit ist“, auch mal reiten. Zur Arbeit fährt sie meist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad. Zusätzlich ist sie seit anderthalb Jahren im Ortsbeirat Frankfurt in der Grünen-Fraktion tätig. Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu sehen und auch anderen neue Sichtweisen auf Bekanntes zu eröffnen, ist sowohl in ihrer Arbeit als auch im Ortsbeirat sehr wichtig, findet Sander Deshalb würde sie sich auch wünschen, dass sich mehr junge Leute für Kommunalpolitik interessieren, erklärt sie mit einem Augenzwinkern.

Teilnahme gebraucht. Für Projekte wie IB-Green fallen Berichtspflichten an und mit ihren beiden Kollegen muss sie sich ebenfalls abstimmen. Informationsbroschüren, z. B. zum Thema klimaangepasstes Bau- und Planungsrecht, müssen verfasst werden und zusätzlich betreut Sander auch ein Forschungsprojekt an der JLU, bei dem es um Kritische Infrastruktur geht. Die meiste Zeit fließe aber in das EU-Projekt. „Ach ja, und was wir bei IB-Green noch machen, wir haben alle halbe Jahre ein Projektpartner-Meeting bei einem anderen Projektpartner.“ Zuletzt seien sie in Leeuwarden in den Niederlanden gewesen, im April sei Arnheim dran. Das Abschlusstreffen finde in Irland statt.

Ständig aktiv, immer unterwegs Privat ist Sander die Familie sehr wichtig. Sie selbst habe noch drei Geschwister, regelmäßig werde auch die Familie in Luxemburg besucht. Allgemein Frankreich und die Benelux-Staaten seien bei ihrem Mann und ihren Kindern gern gesehene Reiseziele. Der Älteste sei schon aus dem Haus, habe aber

Auf der Wunschliste stünde außerdem ein eigener Garten, gerade um Biodiversitätsideen noch besser umsetzen zu können. Aber aus Frankfurt wegzuziehen, das kommt für die Familie nicht infrage. Denn

Ihre Kollegen freuen sich, wenn Juli mit ins Büro kommt.

gerade den europäischen Kontext, den die Stadt biete, möchte Sander nicht missen: „Ich habe ein paar französische Freundinnen in Frankfurt und ich habe sogar zwei Schulfreundinnen aus Luxemburg in Frankfurt wiedergefunden. Und das ist das Schöne an dieser Stadt, dass es sehr international ist.“ Da muss der eigentlich zu kleine Stadtgarten reichen.

Weihnachten ist die Zeit der guten Nachrichten –Ihre finden Sie auch 2026 im

Für Dr. Anna-Christine Sander kommen die fruchtbarsten Gespräche nicht online, sondern in Person zustande.
Foto: BS/Lüsser
Foto: BS/Dr. Anna-Christine Sander

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