Nr. 43a | 80. Jahrgang | 23. Oktober 2025 | € 2,20 www.kirchenzeitung.at
Die Zeitung ist nicht alles
Links: Zwischen 1994 und 2021 verlieh die Kirchenzeitung mit Unterstützung der Diözese Linz und der Sozialabteilung des Landes OÖ den Solidaritätspreis.
Mitte links: 1995 wurde in Linz das von der Kirchenzeitung in Auftrag gegebene „Euromusical“ von Franz Moser und Hans Dieter Mairinger aufgeführt.
Mitte rechts: In der „Edition Kirchenzeitung“ erschienen mehrere Bücher. Ein Hit waren zudem die zwei Bände „Rezepte aus dem Pfarrhaushalt“, welche die Kirchenzeitung mit der Arbeitsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen präsentierte. Sie sind immer noch erhältlich.
Rechts: Durchschnittlich alle zwei Jahre veranstaltet die Kirchenzeitung Leserreisen. Das Bild zeigt eine von insgesamt vier Busgruppen 2023 in Ávila (Spanien).
Erneuerung und Bewahrung
Liebe Leserinnen und Leser der Kirchenzeitung!
1945 war ein Jahr des Umbruchs, des Aufatmens und des Neubeginns. Auch die Kirchen konnten wieder (relativ bis 1955) frei ihr Leben gestalten und ihrem Auftrag nachkommen – auch mit Hilfe von Druckwerken. Viele Menschen hatten Sehnsucht nach Orientierung und geistlicher Nahrung. So suchten die Verantwortlichen auch in unserer Diözese nach Kommunikationswegen. Das bündelte sich im damaligen „Kirchenblatt“. Die Zeitung gehörte vielfach „zum Haus“ und ging selbstverständlich über von einer Generation auf die nächste. Sie wurde „ausgetragen“; in meiner Volksschulzeit habe ich das auch gemacht. Die Auflagenentwicklung kennt Höhenflüge und Rückgänge, weithin als Entsprechung zur gesamtkirchlichen Entwicklung.
Da waren die Aufbauzeit nach Kriegsende, die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils mit seinen Aufbrüchen, die Polarisierungen in Österreichs Kir-
che, das Kirchenvolksbegehren und der Dialog für Österreich genauso wie die diözesanen Entwicklungsschritte mit dem Zukunftsweg, der einlädt, die Kirche weit und tief zu denken. Vor 50 Jahren wurde auch eine Zusammenarbeit mit anderen Kirchenzeitungen angestoßen.
Denn Berichte aus der Weltkirche, Kommentare zu den Lesungen des jeweiligen Sonntags wie auch Fragen der Lebensorientierung und Lebenshilfe sind nicht so verschieden.
ZEITUNG FÜR ALLE
Inhaltlich gibt es eine breite Palette. Wir bieten Information und Orientierung zu kirchlichen Vorgängen und ebenso rund um die Themen von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Über viele Jahre wurden mit dem Solidaritätspreis hoffungsvolle Menschen und Initiativen vor den Vorhang geholt und bekannt gemacht. Genauso wichtig ist, dass es in jeder Ausgabe Nahrung für die Seele gibt, die aufbaut. Wie in der gesamten Gesellschaft erleben wir ein Abnehmen von Geduld und eine
Polarisierung bei gleichzeitiger Sehnsucht nach Gemeinschaft, Harmonie und Frieden. Manche unserer Bezieher:innen erwarten, genau das vorzufinden, was ihnen selber wichtig ist, als Bestätigung; das ist natürlich legitim. Mein Wunsch ist, dass sie sich auch von anderen Beiträgen anregen lassen. Es gibt die innerkirchlich Ungeduldigen und andere, die eher auf der bewahrenden Seite sind. Unsere Aufgabe ist es, eine Zeitung für all diese Menschen zu machen. Denn beides ist wichtig: Erneuerung und Bewahrung. Gerade vor Kurzem hieß es in einer Sonntagslesung aus dem zweiten Timotheusbrief: „Bewahre das dir anvertraute kostbare Gut“, und andererseits: „Entfache die Gnade Gottes wieder!“
WILLI VIEBÖCK
Das leitende Bild für unsere Zeitung ist der runde Tisch, an dem viele Platz haben. Die Diözese ist Eigentümerin der Kirchenzeitung, der Bischof bestellt einen Herausgeber. Die Diözese sichert der Zeitung den Platz im diözesanen Gefüge und räumt die nötige redaktionelle Freiheit ein. Nach 80 Jahren schauen wir auf eine bewegte Geschichte, auf viele handelnde Personen. Ich danke den Bischöfen für ihr Vertrauen. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Redaktion und Verwaltung. Und zuletzt und vor allem danke ich Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, für Ihre Treue und manchmal auch für Ihre Nachsicht. Mögen uns viele gute Jahre miteinander geschenkt sein.
Herausgeber und Dompropst
Räume des Dialogs schaffen
Liebe Leserinnen und Leser der Kirchenzeitung!
„Endlich – Endlich!“ Mit diesen Worten erscheint die erste Ausgabe der Kirchenzeitung Ende Oktober 1945. Bischof Joseph Calasanz Fließer kann in seinem „Begrüßungstext“ – er verwendet die Anrede „Liebes Kirchenblatt!“ – die Erleichterung kaum zurückhalten: Nach Jahren der Unterdrückung und Verfolgung freier Meinungsäußerung ist mit dem Erscheinen des katholischen Kommunikationsorgans „Linzer Kirchenblatt“ wieder eine schmerzlich vermisste Plattform gegeben: „Endlich können wir wieder zu unseren Gläubigen von der PresseKanzel aus reden. Denn das gesprochene Wort ist doch zu flüchtig und kann bei weitem nicht alle erreichen, die es erreichen sollte.“ Und an anderer Stelle heißt es: „Wer immer mit der Kirche wahr und fromm denkt und fühlt, dem hat das Kirchenblatt immer was zu sagen.“
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich natürlich einiges
verändert. Die Kirchenzeitung hat sich von einer katholischen „Presse-Kanzel“ hin entwickelt zu einem Medium, das aus katholisch-christlicher Perspektive informiert und kommentiert, inhaltlich wie spirituell Akzente setzt und redaktionell unabhängig agiert. Und dennoch stimmt es noch immer: Wer mit der Kirche wahr und fromm denkt, oder anders formuliert: Wer sich der Gemeinschaft der Glaubenden verbunden weiß, wer an einer redlichen, ausgewogenen und differenzierten Berichterstattung interessiert ist, wer sich mit Glaube und Gesellschaft auseinandersetzen will, dem hat die Kirchenzeitung (noch) immer was zu sagen.
IM GESPRÄCH BLEIBEN
Wir leben in einer Zeit der Sinnsucherinnen und Sinnsucher. Es ist eine Zeit, die sich nach Sinnstiftungen sehnt. Die Kirchenzeitung hat dieses Potenzial zur Sinnstiftung. Denn Kommunikation ist nicht bloß die Übermittlung von Informationen. Kommunikation
schafft Räume des Dialogs und des Austauschs. Nicht selten gibt es Themen, die in der Kirchenzeitung aufgegriffen werden und die durchaus auch kontrovers besprochen werden. Aber die Kontroverse an und für sich ist nicht besorgniserregend. Besorgniserregend ist es vielmehr, wenn es nicht mehr gelingt, Menschen unterschiedlicher Ansicht ins Gespräch zu bringen.
LEBENDIGE BEZIEHUNGEN
Ich danke der Kirchenzeitung sehr, dass sie diese Räume des Dialogs und des Austauschs bespielt. „Information kann nicht von lebendiger Beziehung getrennt werden: Sie verlangt, nicht nur Daten, sondern auch Erfahrungen miteinander in Beziehung zu setzen; sie erfor-
dert das Gesicht, den Blick, das Mitgefühl und den Austausch“, (Papst Franziskus) Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirchenzeitung, dass sie ihre Tätigkeit in diesem Sinn als Beziehungsgeschehen verstehen.
DANK FÜR VERBUNDENHEIT Und schließlich danke ich Ihnen, den Leserinnen und Lesern, den vielen Abonnentinnen und Abonnenten, für ihre Verbundenheit mit der Kirchenzeitung, für das Interesse an theologischen, spirituellen, kirchlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen, aber auch für die Bereitschaft, den Horizont zu weiten, Meinungen abzuwägen, im Gespräch und im Dialog zu bleiben.
+ MANFRED SCHEUER
Bischof von Linz
Litzlbauer, KiZ/nie (3)
Von der Kanzel zur Zeitung
„Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns mit ihnen“, lautet ein Sprichwort. Auch die Kirchenzeitung hat sich in den 80 Jahren ihres Bestehens weiterentwickelt – und blieb doch stets die Zeitung für die Menschen in Kirche und Gesellschaft in Oberösterreich.
Dass die Kirchenzeitung als Kirchenblatt am 28. Oktober 1945 „fröhliche Urständ“ feiern konnte, wie das der damalige Diözesanleiter, Bischof Joseph C. Fließer, formulierte, hat vor allem mit einem Mann zu tun: Franz Vieböck (1907–1984). Der Diözesanpriester und Seelsorgeamtsleiter stand am Beginn der Zeitung und prägte sie bis 1977 – also bis zum 33. Jahrgang. Am Leben Vieböcks lässt sich auch die Vorgeschichte der Entstehung der Kirchenzeitung zeigen. 1930 zum Priester geweiht, erlebte er einschneidende Veränderungen in Staat und Kirche mit: Als Bischof Johannes M. Gföllner den Katholischen Volksverein, die Struktur der Christlichsozialen Partei in Oberösterreich, „entpolitisierte“ (und damit den Christlichsozialen, die zur demokratischen Republik loyal waren, einen Schlag versetzte, siehe Interview auf Seite XII), wurde Franz Vieböck Sekretär dieses Vereins. Er erklärte später, die politischen Hintergründe damals nicht völlig durchschaut zu haben. Immerhin war mit seiner neuen Aufgabe die Redaktion des „Volksvereinsboten“ verbunden. Schon als Student hatte Franz Vieböck für die „Mühlviertler Nachrichten“ geschrieben, später als Kaplan für die „Salzkammergut Nachrichten“. Zeitungsarbeit war ihm daher nicht fremd.
DIE SITUATION IN DER NS-ZEIT
„POLITISCH NICHT ZUVERLÄSSIG“
Im Juni 1938 wurde Vieböck im Zuge eines Konflikts mit den NS-Behörden um einen Fronleichnamsaltar verhaftet und für sechs Tage eingesperrt. Im Oktober 1938 und im Jahr 1944 ermittelten die NS-Behörden gegen ihn wegen einiger seiner Predigten. Die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer als Voraussetzung für publizistische Tätigkeit im NS-Staat wurde ihm „mangels der erforderlichen politischen Zuverlässigkeit“ verwehrt. Und dennoch gelang es Vieböck unter anderem mit dem späteren Diözesanbischof Franz S. Zauner, Texte zu vervielfältigen und zu versenden. Dazu diente die „Zauner-Mühle“: ein eigentlich händisch betriebener Vervielfältigungsapparat, der mit einem Elektromotor versehen worden war. Trotz mehrmaliger Durchsuchungen im Bischofshof wurde das Gerät von den NS-Behörden nie gefunden.
Vervielfältigt wurden darauf seelsorgliche Behelfe wie zum Beispiel ein Kurzkatechismus 1943/44 oder Feldpostbriefe an eingerückte Seelsorger. Im Zusammenhang mit Letzteren wurde Vieböck am 28. Mai 1943 gemeinsam mit Zauner von der Gesta-
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitlerdeutschland 1938, als katholische Vereine aufgelöst werden mussten, fiel es Franz Vieböck zu, in Verhandlungen mit den Nazis zu retten, was zu retten war. Als die Diözese als Reaktion auf das Abdrängen der Kirche aus der Öffentlichkeit die Seelsorge neu aufstellte und das Seelsorgeamt errichtete, übernahm er dessen Leitung. In dieser Situation musste er erneut in Verhandlungen mit den NS-Machthabern darum kämpfen, den ohnehin schon sehr eingeschränkten Spielraum der Kirche in der Seelsorge zu erhalten. Die Aufgabe war heikel: Zu große Zurückhaltung hätte die Möglichkeiten der Kirche immer geringer werden lassen; zu forderndes Auftreten war persönlich gefährlich.
po verhört. Bei diesem Verhör wurde ihm auch vorgehalten, dass bestimmte Zusendungen als „Fortsetzung der Bistumsblätter“ aufgefasst werden konnten. Zwar hatte es in Wien vor dem Krieg das „Große Kirchenblatt“ gegeben, die Diözese Linz hatte ein solches Blatt bis dahin jedoch nicht. Das sollte sich nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft ändern, als Franz Vieböck mit dem „Kirchenblatt“ eine Zeitung der Diözese Linz schuf. Dafür überreichte er Bischof Fließer im Herbst 1945 einen auf drei Seiten zusammengefassten Vorschlag mit dem Titel „Das Bistumsblatt für die Diözese Linz“. Das Blatt war von Anfang an als Wochenzeitung konzipiert, der Name aber noch offen: „Severinusbote“ wäre eine Referenz an den damaligen (und heute zweiten) Diözesanpatron, den heiligen Severin gewesen. „Christkönigsbote“ stand ebenso zur Debatte wie „Sonntagsbote“ und „Sonntagsblatt“. Bischof Fließer entschied sich für den ebenfalls vorgeschlagenen Titel „Linzer Kirchenblatt“.
INHALTE DES „KIRCHENBLATTS“ Inhaltlich betonte Franz Vieböck in seinem Konzept vier Schwerpunkte: Verkündung der christlichen Wahrheit, Förderung christlichen Lebens, Vermittlung von Nachrichten aus der katholischen Welt sowie „Bildung und Unterhaltung“. Wenn auch mit dem dritten Schwerpunkt genuin journalistische Aspekte genannt waren, so zeigt sich doch deutlich die Vorstellung eines Bistumsblatts als „Pressekanzel“. Das war auch kein Wunder, war die Kirche doch in der Nazizeit massiv daran gehindert worden, ihren Glauben und ihre Lehre zu verkünden. Bischof Fließer schrieb
jedenfalls „sehr einverstanden“ auf den Vorschlag für das Kirchenblatt. Es konnte aber nicht sofort zur Tat geschritten werden. Österreich war ein besetztes Land, in Oberösterreich waren nördlich der Donau die Sowjetunion, südlich die USA Besatzungsmächte. Letztere waren für das Erscheinen des Kirchenblatts zuständig, dessen Redaktion im Dompfarrhof lag.
MEDIENPOLITIK DER BESATZUNGSMACHT
Die Amerikaner hatten im Medienbereich ein Drei-Phasen-Modell für den Übergang von der NS-Diktatur zu Demokratie und freier Meinungsäußerung ersonnen: In der ersten Phase direkt nach der Einnahme des Landes sollte jegliche Medientätigkeit unterbunden werden. In der zweiten gaben die Besatzer selbst Zeitungen heraus, in der dritten Phase ging die Verantwortung für die Medien dann in österreichische Hände über, die Kontrolle sollte jedoch durch die Besatzungsmacht ausgeübt werden. Wichtig für Phase drei war ein Entscheid des Alliierten Rates vom 1. Oktober 1945: Wegen der Bedeutung der Presse für den Wiederaufbau und die Stärkung der Demokratie sollte ihr größtmögliche Freiheit eingeräumt werden. Voraussetzungen waren die Einhaltung demokratischer Prinzipien
Oben: US-amerikanische Soldaten kontrollieren an der Grenze zwischen den Besatzungszonen der USA und der Sowjets auf der Linzer Nibelungenbrücke.
Links: Die Genehmigung Nr. 76 der US-Besatzungsbehörden vom 9. Oktober 1945 ermöglichte 1945 das Erscheinen des Kirchenblatts.
Rechts: Franz Vieböck wurde 1938 von den Nazis einige Tage eingesperrt. Das Bild zeigt ihn am Tag nach seiner Entlassung.
samt Kampf gegen das NS-Gedankengut, die Nichtgefährdung der Besatzungstruppen, Vermeidung von Böswilligkeit gegen die Besatzer und keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Vorzensur sollte es nicht geben. Die US-Amerikaner verfolgten die Politik, die Erlaubnis zur Herausgabe von Medien an Einzelpersonen zu vergeben. Der Grund dieser Politik war klar: Einzelne Menschen waren im Zweifelsfall „greifbarer“ als Organisationen. Das galt auch für das Kirchenblatt.
MIT ERLAUBNIS DER US-AMERIKANER Neben dem Landesverlag als Druckanstalt steht daher auf dem in Englisch und Deutsch ausgefolgten Permit (Genehmigung) Nr. 76 vom 9. Oktober 1945 Franz Vieböck. Er hatte im Vorfeld einen Fragebogen ausfüllen und ein Gesuch abgeben müssen. Der Fragebogen hatte „einen Umfang, wie er mir sonst nie mehr im Leben begegnet ist“, erinnerte er sich später. Auf einem Mikrofilm hat der Fragebogen die Zeiten überdauert: Darin ging es neben Vieböcks politischer Zuverlässigkeit auch um die Frage, ob genügend Kapital für den Start des Kirchenblatts vorhanden sei. Noch Anfang Oktober 1945 ging ein Rundschreiben an die Pfarren, das für die Ver-
breitung des Kirchenblatts warb, aber auch um Mitarbeit und Einsendung von Berichten. „Das Blatt wird als rein kirchliche Zeitung der Verkündigung der christlichen Wahrheit dienen und der Förderung kirchlichen Lebens in allen Beziehungen“, wurde angekündigt. Als dann die erste Ausgabe mit dem Datum 28. Oktober 1945 erschien, hieß es explizit: „Um jede, auch nur die leiseste Befürchtung gleich im vorhinein zu zerstreuen, sei nachdrücklich erklärt, dass sich das Linzer Kirchenblatt niemals mit politischen Dingen beschäftigen wird! Es dient keiner politischen Partei. Wir sprechen zu den Katholiken unseres Heimatlandes, ohne uns um ihre politische Parteizugehörigkeit zu kümmern.“
LEHREN DER VERGANGENHEIT
Hinter dieser Formulierung steckte, dass die Kirche nach 1945 eine Lehre aus der Vergangenheit mit einer engen Bindung an eine Partei gezogen hatte (siehe dazu das Interview auf Seite XII). Aber wie „unpolitisch“ war das Kirchenblatt wirklich? Schon sehr bald setzte es sich für die Wiedereinführung aller von den Nazis abgeschafften kirchlichen Feiertage ein. Auch die soziale Not war stets ein Thema. All das sind gesellFORTSETZUNG auf Seite VI ▶
Landesarchiv
schaftspolitische Themen. Die Ablehnung von Politik in der ersten Ausgabe kann daher nur Parteipolitik gemeint haben. Daneben gab es für Franz Vieböck praktische Fragen zu bewältigen: „Die nächste Sorge war die Beschaffung des Papiers. Es war kontingentiert und die Zuteilung erfolgte durch lange Zeit nur Monat für Monat. Es fehlte das Material zur Herstellung von Klischees (für den Druck von Bildern in der Zeitung, Anm.), es fehlte zeitweise sogar das Verpackungsmaterial und wir musste ersuchen, uns Packpapier und Schnüre wieder zurückzuschicken“, erinnerte er sich später.
Im von den Sowjets besetzten Mühlviertel herrschte zudem eine etwas andere Situation als im Rest Oberösterreichs: Die Zustellung des Kirchenblatts funktionierte hier nicht so reibungslos wie andernorts. Vieböck empfahl den betroffenen Pfarren daher, sich das Kirchenblatt in der Bischöflichen Delegatur in Urfahr abzuholen. Allen Widrigkeiten zum Trotz entwickelte sich das Kirchenblatt gut, die Auflage pendelte sich Mitte der 1950er-Jahre bei rund 120.000 Exemplaren ein. Freilich war die redaktionelle Arbeit für Franz Vieböck als Leiter des Seelsorgeamts irgendwann nicht mehr alleine neben den anderen Aufgaben zu bewältigen. Ab August 1946 arbeitete mit Josef Bogner ein Redakteur, der von einer Tageszeitung zur Diözese wechselte, für das Kirchenblatt. Bis in die 1960er-Jahre hinein schrieb Franz Vieböck aber noch viele Texte. Später wurde seine Rolle mehr die des Herausgebers.
GLAUBE UND INFORMATION
Inhaltlich dominierte in den ersten Jahren die Besprechung und Vermittlung von Glaubensthemen die Berichterstattung des Kirchenblatts. „Gedanken über die christliche Familie“, „700 Jahre Fronleichnamsfest“ oder „Gedanken zur Messliturgie“ waren Überschriften solcher Texte. Ein Preisausschreiben zum Thema „Warum bist Du katholisch?“ brachte im Jahr 1946 1.150 Antworten hervor, die über mehrere Ausgaben hinweg thematisch geordnet besprochen wurden. Freilich fanden sich von Anfang an auch Nachrichten aus der Diözese und der Weltkirche im Blatt. Der 26. Juni 1946 wurde als „Tag der UNO“ vermerkt. Gelegentlich finden sich auch „erbauliche“ Erzählungen im Blatt. 1955 meldete die Zeitung: „Auch Christus hätte im Rundfunk gesprochen.“ Unter den „Filmnachrichten“ konnte man lesen, welche Streifen „für alle“, „für Erwachsene“, „für Erwachsene mit Vorbehalt“, „für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt“ geeignet oder „abzu-
raten“ bzw. „abzulehnen“ waren. Freilich blieb auch Weltliches den Spalten des Kirchenblatts nicht fremd: In der Karwoche 1962 beschäftigte sich ein Artikel mit Sinn und Risiko des Autofahrens und kam zum Schluss: „Liebe Autofahrer, Sie brauchen nicht bloß einen Führerschein, Sie brauchen auch ein gutes Stück Askese: Sie brauchen Training in der Selbstbeherrschung, wenn Ihr Auto nicht Unglück, sondern Segen bringen soll.“
KIRCHE UND GESELLSCHAFT IM WANDEL
Infolge der Aufbruchsstimmung im Kontext des II. Vatikanischen Konzils gab es inhaltliche Erweiterungen. Gleichzeitig löste Josef Schicho Josef Bogner als Redakteur ab und in den 1970er-Jahren kamen weitere Mitarbeiter hinzu.
Natürlich blieben Glaubensthemen und Artikel zu Lebensfragen weiter Bestandteil des Blatts. Aber die innerkirchliche Konstellation änderte sich, und das hatte auch Einfluss auf die Berichterstattung: Ein Beispiel war die auch in der Kirchenzeitung vehement geführte Debatte um die „PillenEnzyklika“ von 1968. Dafür hatte das Kirchenblatt die Leserbriefspalten geöffnet. Die Kommunikation sollte nicht mehr nur von der Kirchenführung „hinunter“ zum Kirchenvolk erfolgen. Als das Kirchenblatt 1973 den Namen in „Linzer Kirchen-
zeitung“ änderte, war das weit mehr als ein Namenswechsel, es war eine Aussage zum Charakter des Mediums. Nun wurden auch umstrittene Themen angesprochen. Das führte aber auch zu Widerspruch bei einem Teil der Leserschaft und seitens der Diözesanleitung.
So provozierte zum Beispiel im Jahr 1972 der Artikel „Keiner wagt es, die heilige Kuh richtig zu melken“ über „unkonventionelle Pläne kirchennaher amerikanischer Finanzprofis“ ein zehnseitiges Schreiben des Diözesanbischofs Franz S. Zauner an die Redaktion.
KONFLIKT MIT DEM DOMKAPITEL
Im April desselben Jahres beklagte das Konsistorium in einem Brief, dass „ein offizielles Wort der Bischöfe im Kirchenblatt kritisiert und angegriffen wurde“. Was war geschehen?
Bischof Zauner hatte in einer Ausgabe geäußert, es habe mehr Bereitschaft zum Leben als Priester oder in einem Orden gegeben, „solange es mehr praktizierende Familien gab, die auch die Intimfragen des christlichen Ehelebens beachtet haben, solange das Evangelium und die Christusnachfolge ernst genommen wurde, darüber nicht nur diskutiert und debattiert wurde“. Einige Ausgaben später brachte die Redaktion Zitate aus einer Diskussion von Familien-
Oben: 1946 schrieb der damalige Halleiner Rechtsanwalt Josef Klaus an Franz Vieböck eine freundliche Absage: Offenbar hatte ihn der Kirchenblatt-Gründer um publizistische Mitarbeit ersucht. Klaus wurde 1949 Landeshauptmann von Salzburg, später Finanzminister und war dann von 1964 bis 1970 Bundeskanzler.
Rechts: Der Dompfarrhof in Linz, die erste Adresse des Kirchenblatts.
runden aus dem Bezirk Vöcklabruck unter dem Titel „Sind die katholischen Familien am Priestermangel schuld?“. Da wurde die Meinung des Bischofs nicht geteilt: „Ich bezweifle, dass es richtig ist, dass Eltern ihre Kinder ausdrücklich zum geistlichen Beruf hinführen oder gar hindrängen.“ Oder: „Woher weiß der Bischof, dass diejenigen, die sich um neue Formen des Christseins, vor allem um eine Verbindung zwischen Glaube und Leben bemühen, die Christusnachfolge nicht ernst nehmen?“ Und: „Diejenigen, die das Amt haben, müssten mehr Gefühl haben, die verschiedenen Berufungen aller praktizierenden Christen aufzuzeigen.“
JOURNALISTISCH ODER ERBAULICH?
Im Konflikt mit der Redaktion hatte das damalige Domkapitel eines Tages sogar die Idee, man möge ihm die jeweilige Ausgabe der Kirchenzeitung vor der Veröffentlichung vorlegen. Die Redaktion antwortete, das sei technisch nur möglich, wenn das Domkapitel jeden Montag von 8 bis 12 Uhr in der Druckerei erscheine. Damit war dieser allein schon von der Produktionsweise her zum Scheitern verurteilte Zensurversuch wieder vom Tisch.
Den Kern des Konflikts brachte 1975 ein internes Papier auf den Punkt, das fragte, ob die Kirchenzeitung mehr Zeitung oder mehr „pastoral-erbauliches Organ“ sei. Für die Redaktion war klar: Die pastorale Aufgabe der Kirchenzeitung war am besten als journalistisch gemachte Zeitung zu erfül-
Oben links: Josef Schicho fing 1966 beim Kirchenblatt an und war Chefredakteur von 1968 bis 1979 und 1985 bis 1995.
Oben Mitte und rechts: Zum Team in den 1970er-Jahren gehörten Friedrich Gruber (Mitte), der später Außenpolitik-Ressortleiter bei den OÖ-Nachrichten war, und Bert Brandstätter (rechts), der in weiterer Folge über die Kronenzeitung zum ORF-Landesstudio Oberösterreich kam. 2011 bis 2018 war er Präsident der Katholischen Aktion OÖ.
Links unten: Das alte Seelsorgeamt in der Linzer Seilerstätte war mehr als 30 Jahre lang Quartier der Kirchenzeitung. Seit über 45 Jahren ist es aktuell nun schon das Diözesanhaus in der Kapuzinerstraße.
len. Entsprechend schilderte die Redaktion die Situation im Jahr darauf in einem Brief an Herausgeber Franz Vieböck: „Wir waren und sind der Auffassung, dass die Kirchenzeitung ihre kirchliche und pastorale Aufgabe umso besser erfüllen kann, je mehr sie Zeitung ist, je mehr sie gelesen wird und je mehr sie den Bedürfnissen des Lesers (Information, Bestätigung, Glaubenshilfe, religiöse Weiterbildung …) dient.“
DER VERMITTLER
In nicht wenigen Fällen dürfte Franz Vieböck, immerhin selbst Mitglied des Domkapitels, die vermittelnde Instanz zwischen Diözesanleitung und Redaktion gewesen sein. „Als es im Domkapitel fast alle 14 Tage heiße Diskussionen um Artikel der Kirchenzeitung gab, hatten wir in der Redaktion das Gefühl, dass Franz Vieböck einer von uns ist. Er war nicht mit allem einverstanden, was wir gemacht haben, aber er hat uns immer verteidigt“, erinnert sich heute der damalige Chefredakteur Josef Schicho. Im Rückblick schrieb Vieböck neben positiven Erinnerungen auch: „Ich denke zurück an Schwierigkeiten und Verdruss: Wenn es einmal diesen, ein andermal jenen Lesern nicht recht zu machen war; wenn ab und zu auch der Bischof nicht zufrieden war; wenn ein Mitbruder die Kirchenzeitung gar in Rom verklagte […].“ Immerhin konnte Mitte der 1970er-Jahre die Zusammenarbeit mit anderen Kirchenzeitungen in Form einer Kooperationsredaktion begonnen werden, die es – in
veränderter Zusammensetzung – bis heute gibt. Auch mit den Kollegen in Südtirol hätte es einen verstärkten Austausch von Seiten geben sollen. Das scheiterte an der Technik: Gesetzte Seiten wurden als sogenannte Matern verschickt, doch wie sehr man sich anstrengte: Es gelang nicht, sie rechtzeitig über den Brenner zu bringen.
„IN PRESSEGEMÄSSER FORM“
Ende 1977 zog sich Franz Vieböck aus Altersgründen von seinem HerausgeberPosten in der Kirchenzeitung zurück. Das nahm die Diözesanleitung zum Anlass, „Diözesane Richtlinien bezüglich der Linzer Kirchenzeitung“ zu erlassen. Zumindest teilweise wurde darin den neuen Bedürfnissen Rechnung getragen: „Das ‚Linzer Kirchenblatt‘ wurde bei seiner Gründung als ein Instrument der Pastoral geplant. Wenn es seit 1973 den Namen ‚Linzer Kirchenzeitung‘ trägt, so ist damit das Bemühen der Redaktion signalisiert, die unveränderte Zielsetzung in pressegemäßer Form zu erfüllen und dadurch die Kirchenzeitung im Medienwald der Presse ebenbürtig zu präsentieren.“ Zudem war im Gegensatz zum Konzept von 1945 die Information an die erste Stelle der Aufgaben gerückt. Die Rede ist auch von „Anregungen für den Leser zur Mitsprache und Mitarbeit im öffentlichen Leben“. Geboten werden sollte ein „Gesprächsforum für das Gottesvolk der Diözese zur Diskussion und Meinungsbildung über aktuelle Fragen“. FORTSETZUNG auf Seite VIII ▶
DAS „ENFANT TERRIBLE“
Seitens der Redaktion hatte man in der vorangegangenen Diskussion das Papier zwar begrüßt, aber auch angemerkt: „So wie ein Auto im Dienst der Kirche nur dann sinnvoll seine Aufgabe als Auto erfüllen kann, wenn es funktionsfähig, mit Treibstoff versorgt etc. ist, so kann auch eine Kirchenzeitung ihre Aufgabe […] nur dann sinnvoll und wirksam erfüllen, wenn sie eine Zeitung sein kann. Wir meinen, dass hier zwischen den Zeilen der Richtlinien noch manche ungeklärte Fragen stecken und ersuchen darum, dass wir diese Probleme in Gesprächen – auch mit den Bischöfen (Diözesanbischof Zauner und Weihbischof Wagner, Anm.) – einmal anpacken sollten.“
Doch es half alles nichts: 1978, als der neue Seelsorgeamtsleiter Josef Wiener gerade Herausgeber geworden war, brach der Konflikt offen aus und wurde sogar im Fachblatt „Communicatio Socialis“ unter dem Titel „Die ‚Linzer Kirchenzeitung‘ –ein enfant terrible?“ dokumentiert. Autor des Textes war Hans Baumgartner, der in der Kirchenzeitungs-Kooperation in Salzburg arbeitete.
Auslöser des Linzer Konflikts waren demnach eine Reihe gesellschaftskritischer Artikel. So stellte ein Text die Sinnhaftigkeit von Noten im Religionsunterricht in Frage. Zur Erregung führte auch ein Artikel, der ein staatliches Müttergeld auch für Schülerinnen und Studentinnen forderte, ohne die kirchliche Haltung zur „unehelichen Kindeszeugung“ zu betonen. Die Redaktion konnte sich auf eine Leser:innen-Umfrage stützen, wonach sich 55 Prozent für das Aufgreifen „heißer Eisen“ wie bisher einsetzten, 19 Prozent sich dieses sogar öfter wünschten. Eine Wurzel des Konflikts sah Baumgartner in „Communicatio So-
Links: Das Team der Kirchenzeitung und der Kooperationsredaktion im Jahr 1993 mit Bischof Maximilian Aichern und Herausgeber Josef Wiener (rechts neben Aichern).
Rechts: Matthäus Fellinger, Chefredakteur von 1995 bis 2020.
cialis“ im „immer noch weit verbreiteten normativen Kommunikationsverständnis der Kirche, das der Medienwirklichkeit in unserer demokratischen Gesellschaft nicht mehr entspricht“.
TEAMWECHSEL
Letztlich gingen die Redakteure zu anderen Zeitungen und der neue Chefredakteur Franz Schmutz stand praktisch alleine da. Es gelang ihm, junge, engagierte Mitarbeiter:innen zu finden. „In einem neuen Team zu starten, bringt große Chancen mit sich. Wir haben keinen großen Ballast mitgeschleppt, auch nicht jenen der vorangegangenen Konflikte. Ich habe die Diözesanleitung damals als sehr offen erlebt“, erinnert sich der spätere Chefredakteur Matthäus Fellinger über diese Zeit. Zur allgemeinen Entspannung trug bei, dass mit dem Jahreswechsel 1981/82 mit Maximilian Aichern ein Mann des Ausgleichs Bischof von Linz wurde.
Freilich gab es zunächst noch etwas Aufregung: Dass der Papst nicht Weihbischof Alois Wagner zum Diözesanbischof gemacht hatte, sondern jemanden von außerhalb, stieß diözesan und auch in der Kirchenzeitung auf Kritik. In der Weihnachtsnummer 1981 findet sich der Titel „Die Diözese Linz fühlt sich gedemütigt“. In der folgenden Ausgabe stellte Chefredakteur Schmutz klar, dass die Kritik der Vorgangsweise Roms galt, nicht der Person des neuen Bischofs. „Auch die Linzer Kirchenzeitung hat die Aufgabe, über Prozesse, Tendenzen und Fakten zu berichten. Historiker sollen später einmal eine möglichst objektive Grundlage vorfinden“, schrieb Franz Schmutz.
Er blieb bis zu seiner Pensionierung 1985 Chefredakteur, dann kehrte Josef Schicho
in dieser Funktion zur Kirchenzeitung zurück.
Matthäus Fellinger hat die 1980er-Jahre als Zeit in Erinnerung, „als Kirche noch in großen Zahlen sichtbar war“, als zu Veranstaltungen wie Katholikentagen oder einer Bischofsweihe noch große Massen von Menschen kamen. Sowohl Schicho als auch Fellinger erinnern aber auch daran, dass die 1980er- und 1990er-Jahre die Zeit der umstrittenen Bischofsernennungen waren. Auch in der Diözese Linz wurde die Kluft zwischen den Reformorientierten, die sich stark auf das Zweite Vatikanische Konzil stützten, und den bewahrenden oder zum Teil sogar rückwärtsgewandten Kräften deutlich.
URSPRUNG DES RUNDEN TISCHS „In dieser Zeit wurde auch offen gegen uns gearbeitet“, erinnert sich Fellinger. „Wir haben unterdessen begonnen, das Bild der Zeitung als ‚Runder Tisch‘ zu betonen, wie es in der Pastoralinstruktion ‚Communio et progressio‘ geheißen hat. Die Kirchenzeitung sollte eine Hilfe sein, über die Kirche, über die Dinge des Lebens ins Gespräch zu kommen.“ Zudem habe das neue Team sich um eine starke Verankerung in den Gremien der Diözese bemüht. „Dieser Kurs der Kirchenzeitung wurde durch die Diözesanleitung im Wesentlichen immer mitgetragen“, sagt Matthäus Fellinger in der Rückschau.
Unterdessen bahnte sich in der Zeitungsproduktion ein Wandel an. Die Kirchenzeitung gehörte zu den ersten Redaktionen in Oberösterreich, die den Umstieg auf digitale Erstellung der redaktionellen Beiträge schafften. Treibende Kraft war Engelbert Kefer, ab 1978 der erste Verlagsleiter der Kirchenzeitung. In dieser Position wirkten
Archiv Kirchenzeitung (2)
später unter anderem Franz Julius Brock und Ursula Schmidinger. Schrittweise wurden die Ausgaben bunter: Erst gab es Farbdruck nur auf einzelnen Seiten, schließlich war die Kirchenzeitung durchgängig in Farbe. Die Verteilung der Kirchenzeitung wanderte von den Pfarren zur Post. In den 1990er-Jahren folgten personelle Veränderungen. Matthäus Fellinger wurde neuer Chefredakteur, als Herausgeber folgte auf Josef Wiener für einige Jahre der Linzer Dompfarrer Johann Bergsmann. Nach dessen überraschendem Tod 1998 übernahm der damalige Pastoralamtsleiter Willi Vieböck, ein Neffe des Gründers der Linzer Kirchenzeitung, die Herausgeberschaft, die er bis heute innehat.
IMPULSE
In jenen Jahren setzte die Kirchenzeitung Impulse, die teilweise lange nachwirken sollten. Besonders bekannt wurde der von Redaktionsmitglied Ernst Gansinger ins Leben gerufene Solidaritätspreis, der nach seiner erstmaligen Verleihung 1994 bis 2021 von der Kirchenzeitung organisiert wurde. Österreichs neue Rolle in Europa und die europäische Idee insgesamt thematisierte ein von der Kirchenzeitung in Auftrag gegebenes Musical. Bis heute gehalten hat sich die Tradition, alle zwei Jahre eine
Reise für Leserinnen und Leser anzubieten – zuletzt nach Georgien. Auch in Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit und im Sozialen brachte sich das Team ein. In der Ökumene beteiligte sich die Kirchenzeitung bei den Ökumenischen Reisen und im Rahmen der Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster. „1995 war aber auch das Jahr, als die Groër-Affäre die Kirche Österreichs massiv erschütterte“, erinnert sich der frühere Chefredakteur Fellinger. Erneut massiv mit der Missbrauchsthematik konfrontiert wurde die Kirche 2010. „Diese Ereignisse haben auch uns in der Kirchenzeitung zu schaffen gemacht. Natürlich durfte nichts von den Missbrauchsfällen unter den Tisch fallen. Dennoch darauf hinzuweisen, dass in der Kirche auch viel Positives möglich war und ist, war die Herausforderung.“
EINST UND JETZT
1945 fing Franz Vieböck, nur durch eine Sekretärin unterstützt, an. Heute schreiben sechs Redakteur:innen in der Kirchenzeitung, zusätzlich gibt es die Kooperationsredaktion, die mit den Kirchenzeitungen der Diözese Eisenstadt, Feldkirch und Innsbruck betrieben wird. Ein Mitarbeiter arbeitet für die technische Umsetzung, sieben für Verlagsleitung, Verwaltung, Buch-
haltung und Marketing. Es ist heute völlig klar, dass die Kirchenzeitung ein journalistisches Medium ist. Freilich spürt auch die Kirchenzeitung die Umbruchsituation, die viele Printmedien betrifft. Deshalb ist sie seit längerem auch digital aufgestellt. Das Schicksal der Kirchenzeitung war nicht nur damals eng mit der Kirche verbunden, sondern diese Verbindung ist eine Konstante durch acht Jahrzehnte. Sehr wohl geändert hat sich die Rolle des Mediums: Als „Pressekanzel“ war sie als Verkünderin christlicher Wahrheiten gedacht, heute ist sie Begleiterin im Glauben und im Leben. Sie setzt sich für eine weltoffene Kirche ein, in der verschiedene Haltungen und Spiritualitäten zusammenleben. Sollte das Kirchenblatt einst ein Sprachrohr der kirchlichen Hierarchie sein, hat sich die Kirchenzeitung zu einem journalistischen Medium entwickelt.
Der bislang letzte Meilenstein in dieser Entwicklung war Ende 2024 die Einigung auf ein Redaktionsstatut, das der Redaktion Orientierung bietet und Unabhängigkeit einräumt. Dort heißt es: „Kennzeichnend für die Arbeit der Kirchenzeitung sind: 1. unabhängige Berichterstattung; 2. Verbundenheit mit der Kirche; 3. Parteipolitische Unabhängigkeit.“ HEINZ NIEDERLEITNER
ZUKUNFT
GESTALTEN SEIT 125 JAHREN.
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Sie war Zustellerin der ersten Stunde
Maria Götzendorfer war als Kind Kirchenzeitungs-Zustellerin in ihrer Heimatgemeinde Esternberg. Sie erzählt, wie sie nach dem Krieg zu dieser Aufgabe kam und was ihr der Glaube und die Kirchenzeitung bis heute bedeuten.
Im Herbst 1945 war der Krieg zwar vorbei, seine Nachwirkungen waren aber deutlich und überall spürbar. In den Feldern lagen Granatsplitter und auf den Straßen zogen Flüchtlinge vorbei. Viele Männer waren noch nicht zurückgekehrt, manche sollten es nie. Dennoch stellte sich teilweise so etwas wie ein Normalzustand ein. Mit Genehmigung der Besatzungsmächte wurden wieder freie Zeitungen gedruckt, es war auch die Geburtsstunde der Kirchenzeitung – damals noch das Kirchenblatt.
STRENGE MUTTER
Anfangs war es üblich, dass vor allem Austräger:innen das Kirchenblatt zu den Leser:innen in den Städten und Dörfern brachten und damit ein wichtiges Rückgrat der noch jungen Zeitung bildeten. Oft waren es Kinder, die von den Pfarrern für diesen Dienst eingeteilt wurden. So wie Maria Götzendorfer. Sie wuchs mit ihren Eltern in der Gemeinde Esternberg, Pfarre Viechtwang auf. Als Einzelkind, aber ihre strenge Mutter habe sie nicht verzogen oder verwöhnt, betont die heute 90-Jährige, als sie ihre Erinnerungen mit der Kirchenzeitung teilt. Sehr streng ist ihr auch der Herr Pfarrer in
Erinnerung. „Ich habe mich bei ihm freiwillig für den Dienst als Zustellerin des Kirchenblatts gemeldet“, erzählt Maria Götzendorfer.
PÜNKTLICHE ZUSTELLUNG
Jede Woche machte sie sich auf den Weg, um das Kirchenblatt zu verteilen – mit dem Rad oder zu Fuß, bei Wind und Wetter. Ein bis zwei Nachmittage lang war sie nach der Schule beschäftigt, um die aktuelle Wochenausgabe an den Mann und die Frau zu bringen. „Wir haben immer geschaut, dass alle Zeitungen bis zum Sonntag rechtzeitig zugestellt worden sind“, sagt sie. Sie läutete dafür bei jedem Kirchenblatt-Haushalt, der in ihrem Zustellbezirk lag. Als Dank für den Dienst hat es ein paar Groschen Trinkgeld gegeben, manchmal auch ein Zuckerl oder eine Tafel Bensdorp-Schokolade. „Wir haben ja keine Schokolade gekannt, das ist erst mit den US-amerikanischen Besatzern zu uns gekommen.“ Vier Jahre lang war Maria Götzendorfer Austrägerin, so lange, bis mit 14 Jahren ihre Schullaufbahn endete und sie in das Berufsleben einstieg. Ihre Arbeit im Gastgewerbe führte sie zu mehreren Stationen: vom Linzer Pöstlingberg übers Salzkammergut bis nach
Kaprun, wo sie im Skigebiet den Aufstieg Österreichs zur Wintertourismusnation hautnah miterlebte. „Den Angestellten war das Skifahren aber immer streng verboten, unseren Chefs war die Verletzungsgefahr zu groß. Wir hätten ja als Arbeitskräfte ausfallen können“, erzählt sie. Überhaupt, gearbeitet habe sie immer sehr viel, berichtet Maria Götzendorfer, die nach dem frühen Tod ihres Freundes alleinstehend blieb. Zwischen den Tourismussaisonen ging es für sie jedes Mal wieder zurück in die Heimat nach Esternberg zu den Eltern.
IN DER PENSION
In der Pension machte sie dann viele Gruppenreisen und Wallfahrten, etwa nach Frankreich, Griechenland oder in die Türkei. „Am Strand liegen war nie meins, ich wollte immer viel sehen.“ Im Ruhestand verlagerte sie auch ihren Lebensmittelpunkt nach Linz, wo sie eine Wohnung am Froschberg gekauft hatte. Als sich ihr Gesundheitszustand vor vier Jahren deutlich verschlechterte, musste es schnell gehen. Im Caritasheim St. Anna fand sie rasch eine neue Heimat. Nur wenige Dinge konnte sie mitnehmen, darunter ein selbstgesticktes, großformatiges Bild
und eine Marienstatue, die seit Generationen im Familienbesitz ist. Auf dem Tisch gegenüber der Statue liegen immer die jüngsten Ausgaben der Kirchenzeitung, die sie schon ihr Leben lang begleitet und immer noch die Zeitung ist, die sie am liebsten liest.
LOB FÜR KIRCHENZEITUNG
„Ich finde, die Kirchenzeitung hat sich gut entwickelt“, sagt sie. Interessiert ist sie speziell an Kommentaren, Politik und Glaubensthemen. Es sei gut, wenn sich etwas verändert, findet sie. Dem Satz, dass früher alles besser war, kann sie nicht zustimmen. Eine Konstante in ihrem Leben ist jedoch ihr Gottvertrauen. „Einen Glauben muss man haben, das ist das Einzige, an das man sich halten kann“, sagt Maria Götzendorfer. Der Glaube hat ihr auch in der schweren Zeit geholfen, als sie sich damit arrangieren musste, dass ihr das Gehen immer schwerer fiel und sie eine Gehhilfe braucht – auch das eine Nachwirkung der harten Belastung vieler Jahre in der Gastronomie. Doch ihren Lebensmut hat sie nicht verloren. Auch wenn ihr die Schritte schwerfallen, meistert sie den Alltag – mit Geduld und einer großen Portion Zuversicht. PAUL STÜTZ
Die Kirchenblatt-Ausgabe aus dem Jahr 1946 weckt bei Maria Götzendorfer Erinnerungen an alte Zeiten. KIZ/PS
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Chris Lohner
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Die Werte des Evangeliums in die Gesellschaft tragen
Monika Würthinger, frühere Direktorin des Diözesanarchivs, im Interview über den Einfluss der Kirche auf Gesellschaft und Politik sowie die Entwicklung seit 1945.
Das Linzer Kirchenblatt werde sich „niemals mit politischen Dingen beschäftigen“, stand in der ersten Ausgabe 1945. Wie ist diese Zurückhaltung zu verstehen?
Monika Würthinger: Die Kirche hatte aus der Zwischenkriegszeit Konsequenzen gezogen, als Vertreter der Kirche mit Kardinal Innitzer an der Spitze im Ständestaat dem autoritären Dollfuß-Schuschnigg-Regime das Wort geredet und danach gehandelt hatten. Ein Hirtenbrief der Bischöfe betonte 1945 die Abkehr vom parteipolitischen Engagement der Kirche. Herausgeber Franz Vieböck wollte daher in der Kirchenzeitung keinesfalls ein „Parteiblatt“ sehen. Bischof Fließer betonte in derselben Ausgabe, dass eine Abkehr vom parteipolitischen Engagement nicht vom Interesse an der Politik entpflichte.
Bereits 1933/34 hatte Fließers Vorgänger Gföllner Priester aus der Parteipolitik zurückgezogen. War das tatsächlich eine Entpolitisierung der Kirche oder förderte er damit nicht eigentlich die Durchsetzung der autoritären Politik des Dollfuß-SchuschniggRegimes?
Würthinger: Bischof Gföllner war ein Anhänger der Monarchie; dem Parteienstaat der Ersten Republik stand er skeptisch gegenüber. Bis in die 1930er-Jahre waren Kleriker in politischen Funktionen der christlichsozialen Partei selbstverständlich gewesen. Am Beschluss der Bischofskonferenz vom 30. November 1933, aufgrund der angespannten politischen Lage Priesterpolitiker als Abgeordnete abzuziehen, hatte der Linzer Bischof als politischer Re-
ferent einen wesentlichen Anteil. Mit der zusätzlichen Absetzung des Präsidenten des (politischen) Katholischen Volksvereines entzog der Bischof der christlichsozialen Partei jede Unterstützung und leistete damit Vorarbeit für den Ständestaat auf Kosten der Demokratie. Mit dem Konkordat und der neuen Verfassung vom 1. Mai 1934 fühlte sich die Kirche vom autoritären Staat damals gut vertreten. Im November 1934 begrüßte Gföllner ausdrücklich das Ende des Parteienstaates und den Anfang des Ständestaates. Auch in den erzwungenen Rücktritt des demokratisch gesinnten Landeshauptmannes Josef Schlegel war Gföllner 1934 involviert.
Sehr bald nach 1945 äußerte sich die Kirchenzeitung sehr wohl zu politischen Fragen wie etwa der Wiedereinführung christlicher Feiertage, welche das NS-Regime gestrichen hatte. Wie konsequent war die Entpolitisierung der Kirche nach 1945?
Würthinger: Bischof Fließer verfolgte einen klaren Weg des Nichteinmischens in die Parteipolitik. Bei Kriegsende erklärte er, keinen aktiven Anteil an der Regierungsbildung zu nehmen und keinem Kleriker die Erlaubnis zu geben, sich an der Politik zu beteiligen, was nicht heiße, dass die Kirche am öffentlichen Leben desinteressiert sei. Katholische Laien sollten das öffentliche Leben mitgestalten, ihre Anliegen durch politische Forderungen und Aktivitäten wahrnehmen, dort, wo es galt, die Lehre der Kirche darzustellen, die Interessen einer christlichen Majorität zu vertreten.
Was halten Sie von dem Eindruck, dass die Kirche infolge des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) ihr gesellschaftspolitisches Engagement verstärkt hat?
Würthinger: Der Eindruck täuscht nicht, weil das Konzil bewusst den Menschen in den Mittelpunkt rückte. Die Kirche wandte sich der Welt zu, weg von der Zentrale, hin zur Kirche am Ort. Das Konzilsdokument „Gaudium et spes“ gilt als Schlüsseltext, der eine erneuerte Beziehung zur modernen Gesellschaft markierte. Gläubige wurden aufgefordert, sich kreativ in die Gestaltung der Welt einzubringen, um die Werte des Evangeliums in Kultur, Politik und Wirtschaft zu verwirklichen. Das Laienapostolat rückte in den Vordergrund, mit dem Konzilsberater und Linzer Diözesanpriester Ferdinand Klostermann erhielt die Katholische Aktion einen neuen Stellenwert. Zur Umsetzung der Konzilsbeschlüsse wurde 1970–1972 die Diözesansynode „Kirche um der Menschen willen“ abgehalten.
Wie gestaltete sich das Verhältnis der Kirche zu den politischen Parteien nach 1945? Würthinger: Einigkeit herrschte darin, dass es kein Zurück zum Patronat einer Partei über die Kirche geben dürfe. Die Grenze zu parteipolitischem Agieren war aber fließend, sodass es auch nach dem Krieg Bestrebungen gab, ein parteipolitisches Bekenntnis abzugeben. Erst mit dem Katholikentag 1952, besonders aber am vorausgehenden Studientag in Mariazell wurde die Richtung der Kirche eindeutig als die „einer freien Kirche in einer freien Gesellschaft“ (Mariazeller Manifest) festge-
legt. Damit bekannte sich die katholische Kirche in Österreich zum Prinzip der wechselseitigen Unabhängigkeit von Kirche und Staat bei gleichzeitiger Kooperation. Dennoch sah man sich nicht entpflichtet von politischen Aufgaben, man formulierte beim Katholikentag gleichzeitig religions-, staats- und sozialpolitische Forderungen wie etwa die Anerkennung kirchlicher Schulen, den Schutz des ungeborenen Lebens, die Aufhebung des Zwangs zur Zivilehe. Ein Naheverhältnis der Katholiken zur Volkspartei (quasi als Nachfolgepartei der Christlichsozialen) bestand auch nach dem Krieg. Die enge Bindung der Kirche an die Christlichsoziale Partei und die Konflikte der Zwischenkriegszeit hatten zu einer Konfrontation zwischen der Sozialdemokratie und der Kirche geführt, die erst nach dem Krieg durch die Neupositionierung ausgehend vom Mariazeller Manifest, aber auch durch Persönlichkeiten wie Kardinal König überwunden werden sollte. Initiativen im Bereich der Betriebsseelsorge, die in der Diözese Linz in die 1950er-Jahre zurückreichen, zielten auf eine Aussöhnung zwischen Kirche und sozialdemokratischer Arbeiterschaft ab, Konfliktherde blieben.
Zweifellos war die Kirche nach 1945 ein gesellschaftlicher Faktor. Gleichzeitig brachte die Kirchenleitung ihre Position in Fragen wie dem Schwangerschaftsabbruch, der gleichgeschlechtlichen Ehe oder dem assistierten Suizid nicht durch. Wie kam es zum Einflussverlust?
Würthinger: Die katholische Kirche hatte nach dem Krieg eine deutliche Mehrheit
hinter sich, musste aber seither aus mehreren Gründen einen Mitgliederschwund und Einflussverlust hinnehmen: Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung setzte in den 1970er-Jahren ein gesellschaftlicher Wandel ein. Unter anderem führte die aufkommende Frauenbewegung zu einer Forderung für die Rechte der Frauen und die Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Bedingungen, ein Wendepunkt in der Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs. Der Einfluss der Kirche nahm auch ab, weil viele Gläubige den geforderten strengen Regeln nicht mehr entsprochen hatten. Die gelebte Praxis führte zum Verlust der Glaubwürdigkeit, dazu kam eine gewisse Polarisierung innerhalb der Kirche durch konservative Kräfte in den 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre, die durch gesellschaftliche Debatten und Missbrauchsfälle verstärkt wurde. Seit den 1980er-Jahren änderte sich nach großen sozialen und geopolitischen Umwälzungen auch die Beziehung der Kirche zum Staat durch das Vordringen staatlicher Aktionen in den Sozialbereich. Staat, Politik und NGOs übernahmen immer mehr Aufgaben, die ursprünglich der Kirche zugeschrieben waren.
Für die Klimaschutzbewegung gibt es starke Unterstützung aus der Kirche, beim Einsatz für einen freien Sonntag hat sie eine Allianz mit anderen geschlossen. Sind Kooperationen Ausdruck dessen, dass die Kirche heute eine von vielen gesellschaftlichen Kräften ist? Würthinger: Unser Land ist multikulturell geworden, ein gewisser Kulturbruch be-
trifft nicht nur die katholische Kirche. Kirche und Religion werden mehr und mehr in die Privatsphäre gedrängt, umso mehr ist die Kirche gerade im sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich gefordert, durch Solidarität und Kooperation mit anderen Institutionen ihre legitime Rolle im öffentlichen Leben aufzuzeigen. Die Bischöfe setzten 1990 ein sichtbares Signal mit dem Sozialhirtenbrief, der unter Federführung von Bischof Aichern erstellt wurde und Anerkennung in allen Gesellschaftsgruppen fand.
DIE FRAGEN STELLTE HEINZ NIEDERLEITNER
ZUR PERSON
Monika Würthinger leitete von 2012 bis 2016 das Archiv der Diözese Linz. Insgesamt war sie dort 26 Jahre lang tätig. Würthinger hat zahlreiche Publikationen zur (oberösterreichischen) Kirchengeschichte verfasst. Im Vorjahr erschien von ihr die Biografie eines Priesters, der Opfer des NS-Regimes wurde: „Politisch leider sehr interessiert. Matthias Spanlang (†1940 KZ Buchenwald) – Dokumentation eines Priesterlebens“ (Wagner-Verlag, Linz 2024, 357 Seiten).
Mit dem Slogan „Wir zeigen, daß es anders geht“ erinnerte die Kirchenzeitung in vielerlei Hinsicht an gesellschaftliche Alternativen.
KiZ Archiv
mit Kolleg:innen
7 Tage für eine Zeitung
• Am Anfang steht die Redaktionssitzung: Jeden Dienstagvormittag treffen sich die Redaktionsmitglieder, um Themen aus ihren jeweiligen Ressorts vorzuschlagen: u. a. Pfarren, Diözese, Soziales, Kultur, Lebensweise, Kinder, Archiv. Dazu kommen all die kleinen Beiträge, die nicht groß auffallen, aber genauso wichtig sind (Tipps, Termine, Hinweise). Diese Vorschläge bilden die Grundlage für die Inhalte der nächsten Ausgabe, die in einem Seitenspiegel zugeteilt werden.
• Nach der Sitzung beginnt die Arbeit: Interview-Termine werden vereinbart, die Recherchetätigkeiten starten, Termine von Pressekonferenzen werden fixiert.
• Jede:r Redakteur:in arbeitet an ihren und seinen Beiträgen und Seiten. Am Freitag findet eine OnlineSitzung statt, hier werden Veränderungen und Neuabstimmungen besprochen. Die Schreib- und LayoutArbeit geht bis Montagabend weiter. Bilder werden bearbeitet, die Seiten werden korrigiert und noch einmal gelesen.
• Am Dienstag früh werden die kontrollierten Druckdaten in die Druckerei geschickt –und gedruckt. Fertig!
Das Team der Kirchenzeitung feierte sein 80-Jahr-Jubiläum mit einem Dankgottesdienst im Mariendom. Auch Landeshauptmann Thomas Stelzer gratulierte. Haijes/Kirchenzeitung
Zeitungmachen heute
Sie blickt auf eine lange Tradition zurück und lebt davon, was von Generation zu Generation weitergegeben wird – sowohl im kleinen Team der Kirchenzeitung als auch in der Diözese Linz. Die Kirchenzeitung erzählt Geschichten von Menschen, die sich für andere einsetzen, die da sind, wenn sonst keiner mehr da ist, von Menschen, die die Welt besser, gerechter, schöner machen. Sie lebt von Wert- und Grundhaltungen, die immer noch Gültigkeit haben: Respekt, Würde, die eigene Tradition schätzen, bewahren, gestalten, den Blick über den Tellerrand wagen – analog und digital. ELLE
Besprechung
im Roten Salon. Alexandra Grill
Unsere Zeitung wird gedruckt. kiz/elle
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Impressum
Kirchenzeitung Diözese Linz
Medieninhaberin: Diözese Linz
Herausgeber: Willi Vieböck
Chefredakteur: Heinz Niederleitner
Redaktion: Lisa-Maria Hammerl, Elisabeth Leitner (CvD), Andrea Mayer-Edoloeyi, Paul Stütz, Josef Wallner
Jahresabonnement: Inland: € 88,50 (Abodauer mindestens ein Jahr und danach bis auf Widerruf, Kündigung zum Halbjahr, schriftlich mit 14-tägiger Kündigungsfrist)
Leere Kirchenbänke haben aus einem Prediger einen Journalisten gemacht: Um die Menschen zu erreichen, hat Franz von Sales († 1622) Flugblätter verfasst und wurde so zum ersten „katholischen Journalisten“ und in der Folge 1924 zum Patron aller Journalist:innen.
Am Beginn seiner Tätigkeit als Priester wurde der Domherr Franz von Sales in einen calvinistischen Teil der Diözese Genf gesandt. Er sollte die dortigen Bewohner:innen dazu bewegen, zur katholischen Kirche zurückzukehren. Die calvinistische Obrigkeit boykottierte sein Vorhaben, wo immer sie nur konnte. So klagte er, dass er stets vor fast leeren Kirchenbänken predigen würde. Da die Menschen nicht zu ihm kommen durften oder wollten, ging er auf sie zu. Er verfasste
und verteilte Flugblätter, rund 85 innerhalb von zwei Jahren, die den Grundstein für die erfolgreiche Rekatholisierung der Region legten. Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg seiner Pressearbeit war, dass er nicht auf Latein, sondern in der Landessprache schrieb. Außerdem legte er Wert auf sachliche Kritik, nicht auf Diffamierung des Gegners. Seine Devise war: „Ich muss beim Tadeln eines Fehlers so viel wie möglich die Person dessen schonen, der ihn begangen hat.“ Seine Flugblätter zeichneten sich durch akribische Genauigkeit in der Argumentation aus und er las auch intensiv die Werke seiner Gegner. – Alles journalistische Tugenden, die auch 400 Jahre nach dem Tod des heiligen Franz von Sales nichts an ihrer Aktualität verloren haben.
JOSEF WALLNER
Linz Urfahr. Mitarbeiter des kath. Pressevereins hatten sie 1938 vor den Nationalsozialisten zu den Schwestern in Sicherheit gebracht.
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Diese Statue des hl. Franz von Sales befindet sich bei den Schwestern Oblatinnen des hl. Franz von Sales in
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