Der grosse Siedlungsdruck zwang die Zuger Raumplanung, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Wie lenkt der Kanton das rasante Wachstum heute – und wie erntet er die Früchte seines Erfolgs ?
Umschlag: Vorne die bronzenen Schwäne von Romano Galizia und der Waldrapp ‹ Shorty › von Martin Chramosta am Zuger Rigiplatz, hinten die Schwingfest-Skulptur von Stephan Schmidlin im biodiversen Kreisel in Baar.
In der Zuger Altstadt mischen sich Touristen mit der lokalen Bevölkerung.
Inhalt
4 Suisse Miniature
Die Zuger Spezifika im Kontext der Gesamtschweiz.
8 « Die Wohnungsfrage ist existenziell »
Ein Gespräch über Massnahmen gegen die Wohnungsknappheit.
14 Investieren in den Gemeinsinn
Die Zuger Bevölkerung soll am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben.
18 Stadtlandschaft Zug
Eine Übersichtskarte situiert die Gemeinden und Projekte.
20 Projektkatalog
18 Zuger Bauprojekte der kommenden Jahre.
28 Mobilität à la carte
Mobilitätspolitik und Ideen bis hin zu einer Metro.
32 Wie weiter mit der Verdichtung ?
Drei Fachpersonen im Gespräch über Innenentwicklung.
Zug – Ansichten und Aussichten einer Stadtlandschaft
Editorial
Mehr Kirschen, als der Baum tragen kann ?
Der Kanton Zug wächst stärker als die restliche Schweiz. Bis 2050 sollen 30 00 0 Menschen zusätzlich im Kanton leben, also über 20 Prozent mehr als heute. Um seine Spitzenposition im Standortwettbewerb halten zu können, muss und will Zug sein Wachstum in qualitätsvolle Bahnen lenken. Zwei Themenhefte über den Kanton Zug sind bereits bei Hochparterre erschienen und online verfügbar siehe ‹ Bisherige Themenhefte ›. Das Heft ‹ Zug – Ansichten und Aussichten einer Stadtlandschaft › dokumentierte 2008 den rasanten baulichen Wandel. Ein weiteres Heft behandelte 2015 den Erhalt von und den Umgang mit den ‹ Zuger Landschaften ›. Inzwischen wurde die bauliche Entwicklung erfolgreich nach innen gerichtet. Das hat die Zersiedelung eingedämmt, bringt aber neue Herausforderungen mit sich. Dieses Heft richtet den Blick auf die Zuger Stadtlandschaft: die sechs Gemeinden Risch-Rotkreuz, Hünenberg, Cham, Steinhausen, Baar und Zug.
Bisherige Themenhefte Zwei Themenhefte über den Kanton Zug sind bereits bei Hochparterre erschienen und online verfügbar. Das Heft von 2008 dokumentierte den rasanten baulichen Wandel. Das Heft von 2015 behandelte den Umgang mit den Zuger Landschaften.
Ein einleitender Artikel setzt die Zuger Spezifika in einen Schweizer Kontext. Die dringlichste Aufgabe ist die Schaffung von ( preisgünstigem ) Wohnraum. Eine Politikerin und ein Politiker diskutieren mit Esther Banz verschiedene Massnahmen gegen die Wohnungskrise. Der Bau von neuen Wohnungen geht jedoch nur langsam voran – nicht zuletzt, weil Planungsprozesse im Bestand länger dauern. Maarit Ströbele spricht mit drei Fachleuten über die Interessenabwägung zwischen Innenentwicklung, Schaffung von Wohnraum und Bestandserhalt. Trotz Stadtbahn und Umfahrungsstrassen steht auch die Mobilitätsinfrastruktur unter Druck. Paul Schneeberger skizziert die künftigen Schritte in der Mobilitätspolitik. Doch der wirtschaftliche Erfolg Zugs wird nicht nur in Infrastruktur investiert. Linda Leuenberger zeigt, wie sich die Auffassung von öffentlichen Aufgaben ändert. Datenauswertungen von Wüe st Partner, ein Katalog mit 18 Bauprojekten und ein Übersichtsplan ergänzen die Artikel. Joris Jehle
Themenfokus
Die Inhalte dieses Hefts erscheinen auch als Themenfokus auf der Website von Hochparterre: stadtlandschaft-zug.hochparterre.ch
Bildstrecke
Mit dem Blitz und seinem charakteristischen Augenzwinkern hat der Fotograf Tom Huber während drei Tagen Alltagsmomente in der Stadtlandschaft Zug eingefangen.
Dieser Themenfokus ist eine journalistische Publikation, entstanden in Zusammenarbeit mit Partnern. Die Hochparterre-Redaktion prüft die Relevanz des Themas, ist zuständig für Recherche, Konzeption, Text und Bild, Gestaltung, Lektorat und Übersetzung. Die Partnerinnen finanzieren die Publikation, genehmigen das Konzept und geben ihr Einverständnis zur Veröffentlichung.
Impressum Verlag Hochparterre AG Adressen Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon +41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag@hochparterre.ch, redaktion@hochparterre.ch Geschäftsleitung Deborah Fehlmann, Roderick Hönig Redaktionsleitung Axel Simon Leitung Themenhefte Roderick Hönig Konzept und Redaktion Roderick Hönig, Joris Jehle, Rahel Marti Fotografie Tom Huber, www.tom-huber.net Art Direction Antje Reineck Layout David Bühler Produktion Linda Malzacher Korrektorat Rieke Krüger Lithografie Team media, Gurtnellen Druck Stämpfli AG, Bern Herausgeber Hochparterre und Wüest Partner in Zusammenarbeit mit dem Kanton Zug hochparterre.ch / zug-2025 Themenheft bestellen ( Fr. 15.—, € 12.— ) und als E-Paper lesen
Suisse Miniature
In vieler Hinsicht ist Zug eine kleine Schweiz. Im Zentralschweizer Kanton zeigten sich nationale Herausforderungen in der Raumentwicklung früher und deutlicher.
Text: Joris Jehle
Die Bahn schlängelt sich von See zu See, einer blauer als der andere, Bergzacken begrenzen den Horizont. Das Grün der Wiesen ist so satt, dass es bearbeitet wirkt. Dazwischen erstrecken sich Gewerbegebiete. Hier ein altes Bauernhaus mit SUV im Carport, dort Kirschbaumanlagen. Da neue Bürogebäude, die aussehen sollen wie alte US-amerikanische Industriehallen, dort ein Golfplatz. Weiter hinten ein Hochhaus mit Öffnung und Schrägdach. Solche Kontraste und Widersprüche sind typisch für die Schweiz, doch im Kanton Zug treten sie prägnanter in Erscheinung. Prägnanter und früher als in der restlichen Schweiz zeigten sich hier auch die raumplanerischen Herausforderungen wie die Zersiedelung oder die Entwicklung der Wohnungspreise. Entsprechend früh waren Lösungen gefragt.
Die Zuger Bevölkerung hat sich seit 1970 fast verdoppelt, während die Schweiz nur halb so stark gewachsen ist. Mit der Bevölkerung hat sich auch die Wirtschaft rasant entwickelt. Heute ist das Bruttoinlandprodukt pro Person im Kanton Zug doppelt so hoch wie das im Kanton Zürich. Der Hauptgrund dafür ist bekannt: Die seit 1946 auch im internationalen Vergleich tiefen Steuern für Privatpersonen und Unternehmen haben viele Millionäre und Firmen angelockt – mit oder ohne Arbeitsplätze. Hinzu kommen Standortfaktoren wie die schöne Landschaft, die gute Anbindung an andere Zentren, den Alpenraum und den Flughafen, die Sicherheit und die hohe Wohnund Lebensqualität. Trotz früher Industrialisierung lan -
ge als Bauernkanton gelesen, hat sich Zug innerhalb weniger Jahrzehnte zum selbst ernannten Crypto Valley mit Pharmacluster entwickelt.
Stadt oder Land ?
Do ch nicht bei allen hat das Selbstbild mit der rasanten Veränderung Schritt gehalten. Wie so viele Menschen in der Schweiz wähnen sich auch die Zuger gerne im Dorf, obwohl sie gemäss den Planerinnen längst ( vor )städtisch leben. Exemplarisch zeigt sich die Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Planersicht an der Lorzenebene: In der Flussebene zwischen Zug, Cham, Steinhausen und Baar wird nicht nur Ackerbau betrieben, sie wird auch für gemeinhin urbane Tätigkeiten wie Spazieren, Joggen oder Rennvelofahren genutzt. Planer lesen diesen Grünraum deswegen als eine Art Central Park in der Stadtlandschaft und haben ihn raumplanerisch gesichert. Für die Zugerinnen hingegen ist die Lorzen ebene Teil der Landschaft und keineswegs ein Park. Hätten Kanton und Gemeinden die Lorzen ebene 20 04 nicht geschützt, wären Zug, Steinhausen und Baar längst zusammengewachsen. Verhindert haben das Siedlungsbegrenzungslinien. Der Kanton nutzte dieses Instrument erstmals 1987, um wertvolle Landschaftsräume frei zu halten.
Vorausschauend war auch die Mobilitätsstrategie des Kantons. Mit der Stadtbahn ging 2004 eines der ersten regionalen Bahnnetze in Betrieb. Bis heute entstehen viele Grossprojekte rund um dessen Haltestellen, bei -
Bauland wird knapper Der Einzonungsstopp von 2012 wirkt: Die Baulandreserven nehmen ab. Seit 2020 hat sich die Entwicklung etwas verlangsamt. Insgesamt sind die Reserven um 23 Prozent ge schrumpft.
spielsweise am Unterfeld in Baar. Trotz der Massnahmen schritt die Zersiedelung in den 2000er-Jahren voran. Die Zuger äusserten sich zunehmend kritisch über das starke Bevölkerungswachstum und den Verlust von Kulturland. Als Konsequenz verhängte der Kanton 2013 einen Einzonungsstopp, der die Zersiedelung bremste. Die Bevölkerung wuchs über das angestrebte Mass hinaus. Mit dem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum stiegen die Wohnungspreise, und immer mehr Zugerinnen zogen in die günstigeren Nachbarkantone. Heute ist das Wohnen die grösste Herausforderung des Kantons Zug.
Wider die Wohnungsnot
Arbeitszone
Bauzone des öffentlichen Interesses für Bauten und Anlagen
Bauzone mit speziellen Vorschriften Kernzone Mischzone weitere Zonen ( hängige Verfahren ; in der Regel Mischzone ) Wohnzone
Quelle: Wüest Partner, Bundesamt für Statistik ( Bauzonenstatistik )
Entwicklung der Baulandpreise nach Nutzung
Baulandpreise verdoppeln sich Je weniger unbebautes Bauland, desto höher die Preise. In Wohn- und Geschäftszonen haben sich die Baulandpreise in 10 Jahren verdoppelt, in den Gewerbezonen gar verdreifacht.
Bereits 1992 erliess der Kanton ein Gesetz zur Wohnraumförderung und leitete verschiedene Massnahmen zur Förderung von preisgünstigem Wohnen ein. Das reichte –zumindest in der Stadt Zug – ab er nicht aus: Nach einem ersten Versuch 1981 sprach sich die städtische Stimmbevölkerung 2012 und zuletzt 2023 für Wohnungsinitiativen aus. Eine 2023 angenommene städtische Initiative fordert, dass bis 2040 ein Fünftel aller Wohnungen auf Stadtgebiet preisgünstig sein soll. Ebenfalls 2023 hat der Regierungsrat mit einer wohnpolitischen Strategie reagiert, um den Wohnungsbau zu fördern – auch den preisgünstigen. Das Wirtschaftswachstum will er jedoch nicht abbremsen. Richtigerweise will der Kanton auch am Einzonungsstopp von Bauland festhalten siehe ‹ « Die Wohnungsfrage ist existenziell » ›, Seite 8 Dass die Entwicklung nach innen den Druck auf den Gebäudebestand erhöht hat, ist eine weitere Herausforderung, die sich dem Kanton stellt. Ersatzneubauten können Wohnraum an den richtigen Lagen und in der richtigen Dichte schaffen. Der Abriss von günstigen Wohnungen mitsamt Wänden und Dächern voller grauer Energie ist jedoch unter Umständen weder sozial noch ökologisch nachhaltig. Zudem leidet auch die Identität unter dem Verlust von jüngeren Baudenkmälern. Das Abwägen der Interessen und die Suche nach ortsspezifischen Lösungen kosten aber Zeit siehe ‹ Wie weiter mit der Verdichtung ? ›, Seite 32.
Vorbild für die Schweiz ?
Einfamilienhaus
Mehrfamilienhaus Geschäft Gewerbe
Quelle: Wüest Partner
Kanton Zug 1981 bis 2024, in 1000 Personen
Bevölkerungsverdoppelung
Seit 1980 hat sich die Wohnbevölkerung im Kanton Zug fast verdoppelt. Die ausländische Bevölkerung hat sich vervierfacht, ihr Anteil liegt heute mit rund 30 Prozent leicht über dem Schweizer Durch schnitt.
Das Wachstum belastet auch die Verkehrsinfrastruktur. Der Kanton Zug hat rund 134 00 0 Einwohnerinnen und Einwohner ( 2024 ) und rund 128 00 0 B eschäftigte ( 2022 ). Das entspricht beinahe einem Verhältnis von 1 : 1. Schweizweit liegt dieses Verhältnis bei 2 : 1, weil nur die Hälfte der Gesamtbevölkerung erwerbstätig ist. Zug weist also einen grossen Beschäftigtenüberhang auf, was sich auch darin niederschlägt, dass rund 40 00 0 Personen aus den Nachbarkantonen in den Kanton Zug pendeln. 20 00 0 Zugerinnen wiederum pendeln in die andere Richtung. 2024 hat die Zuger Stimmbevölkerung jedoch zwei Umfahrungsprojekte in Unterägeri und in Zug abgelehnt. Es ist also Zeit für eine neue Mobilitätspolitik siehe ‹ Mobilität à la carte ›, Seite 28 Durch die Ablehnung der beiden Strassenbauprojekte hat der Kanton rund eine Milliarde Franken gespart. Doch was hat die Bevölkerung von den finanziellen Überschüssen und vom Wachstum ? Mehrere Gemeinden und Korporationen investieren nun in die öffentlichen Räume, kaufen private Seebäder oder übernehmen nicht rentable Stammbeizen siehe ‹ Investieren in den Gemeinsinn ›, Seite 14 Damit wollen sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, der in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen hat. Zug braucht solchen Ideenreichtum, denn der Kanton befindet sich in einer wichtigen Entwicklungsphase. Schafft er es, an den Herausforderungen zu wachsen ? Wenn er fortschrittliche Lösungen findet, lassen sich diese vielleicht auch andernorts in der Schweiz anwenden. ●
Raum für Experimente
Aufgrund der kleinen Anzahl von Gemeinden ist der Kanton Zug sehr überschaubar. Die Wege sind kurz, der Umgang unkompliziert. Auf die Bedürfnisse und die Eigenheiten der Gemeinden wird Rücksicht genommen. Das schafft Raum für Experimente. In Unterägeri konnten wir als Ortsplaner eine sogenannte ‹ Zone + › einführen. Um räumlich sinnvoll zu verdichten, haben wir in Kernzonen im 3-D-Modell Neubauvolumen von Hand entworfen. Die resultierende Ausnützung beträgt unter Umständen ein Vielfaches der Nachbarparzelle. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, haben wir Entschädigungen für Näherbaurechte und für die Mehrausnützung vorgeschlagen. Am Schluss war das jedoch gar nicht nötig, um eine Mehrheit von der ‹ Zone + › zu überzeugen. Nun können im Ortskern von Unterägeri bis zu 300 zusätzliche Wohnungen entstehen. Der Kanton hat sich dabei sehr konstruktiv gezeigt und sich den bürokratischen und juristischen Herausforderungen gestellt. Marcel Muri ist Architekt und Raumplaner. Er ist Gründer des Planungsbüros Keeas, das er bis 2023 mit seiner Partnerin geführt hat. Seit 2023 berät er mit seinem Unternehmen Nokema Gemeinden hinsichtlich Raum- und Wirtschaftsentwicklung.
Wo kein Wille ist, ist auch keine Verkehrswende
Die Stadtbahn Zug war zukunftsweisend – die Stadtentwicklung profitiert no ch immer von den zusätzlichen Haltestellen. Bevölkerung und Verkehr haben aber seither stark zugenommen. Auch wenn das Verkehrsproblem kleiner ist, als es gemeinhin dargestellt wird: Viele Strassen werden vom MIV beherrscht – stehend o der rollend. Es fehlt jedoch der Mut, sich ernsthafte Gedanken über eine zukunftsfähige Mobilität zu machen. Hoffentlich wird sich das mit der ÖV-Strategie 2040 ändern. Stattdessen haben wir bereits zum dritten Mal über einen Stadttunnel abgestimmt und diesen – zur grossen Überraschung aller – klar versenkt. An anderen Umfahrungsstrassen wird fleissig gebaut, obwohl man weiss, dass diese nur noch mehr Verkehr schaffen. In der Stadt Zug liegt das Grundproblem darin, dass alle Verkehrsmittel gleich behandelt werden, obwohl der MIV historisch stark begünstigt wurde und als ineffizientes Verkehrsmittel viel mehr Fläche benötigt als andere. Diese Gleichbehandlung verhindert die Verlagerung der Strassenflächen vom MIV zum Fuss- und Veloverkehr und damit eine zukunftsgerichtete Mobilität. Michèle Willimann hat an der ETH Zürich Raumentwicklung und Infrastruktursysteme studiert. Sie ist Verwaltungsrätin und Projektleiterin bei Stadtlandplan in Luzern und war von 2018 bis 2024 für die Alternative – die Grünen Zug Mitglied des Grossen Gemeinderats sowie der Bau- und Planungskommission der Stadt Zug.
Freiräume sind nicht nur Privatsache
Im Kanton Zug achtet die öffentliche Hand sehr darauf, dass freiräumliche Qualitäten vom Wettbewerb bis zur Realisierung erhalten bleiben. Im Rahmen unserer Mitarbeit an vielen Projekten in der Zuger Stadtlandschaft, unter anderem am Papieri- und am V-Zug-Areal, haben wir diese Haltung immer wieder erlebt und geschätzt. Auch in den ländlicheren Gebieten gibt es gute Beispiele für den feinfühligen Umgang mit dem Freiraum, etwa den Lorzenweg zwischen Cham und Hagendorn. Ein schwer lösbarer Widerspruch besteht – in Zug und in der ganzen Schweiz –beim Freiraum auf privatem Grund. Rechtlich ist er Privatsache. Aufgrund seiner Gesamtfläche und seiner Auswirkungen auf Ortsbild, Siedlungsökologie und Stadtklima ist er jedoch von hohem öffentlichem Interesse. Das betrifft nicht nur Gärten, die teilweise eher Steinwüsten sind, sondern auch die starke Nutzung des Untergrunds: Wo Tiefgaragen das ganze Grundstück belegen, haben grössere Bäume keine guten Wachstumsbedingungen und fallen zu früh der baulichen Sanierung zum Opfer. Rita Illien ist Landschaftsarchitektin und führt seit 2008 gemeinsam mit Klaus Müller das Büro Müller Illien in Zürich.
Lösungen für mehr Wohnraum
Wir sind ein offener und dynamischer Kanton. Schöne Landschaften, eine starke Wirtschaft, eine hohe Lebensqualität, eine dienstleistungsorientierte Verwaltung und gute Anbindungen machen Zug attraktiv. Bereits in den 1970er-Jahren hat der Kanton Siedlungsbegrenzungslinien festgelegt, um die Landschaft zu schützen und die Naherholungsgebiete zu erhalten. Zu den aktuellen Herausforderungen gehören die Wohn- und die Mobilitätspolitik. Weitsichtiges Handeln ist auch heute gefragt, denn der Wohnungsmarkt ist schweizweit und auch im Kanton Zug angespannt. Staatliche Eingriffe müssen gut überlegt und für künftige Generationen tragbar sein. Mit der ‹ Wohnpolitischen Strategie 2030 › will der Regierungsrat mehr Wohnungen generell, mehr preisgünstige Wohnungen und mehr Wohnraum für die ansässigen Zugerinnen und Zuger schaffen. In diesem Prozess prüfen wir auch unkonventionelle, neue Wege wie die ‹ weissen Zonen ›, in denen temporär schneller gebaut werden könnte. Unser Ziel ist es, die Infrastruktur auszubauen, die Lebensqualität zu erhalten und eine gute Erschliessung zu gewährleisten. Nur mit einer ganzheitlichen Betrachtung können wir ein zeitgemässes und leistungsfähiges Verkehrsmanagement erreichen. Florian Weber ist seit 2019 Baudirektor und derzeit Statthalter im Regierungsrat des Kantons Zug. Von 2011 bis 2018 war er für die FDP im Kantonsrat. Als gelernter Elektromonteur bildete er sich zum Telematiker und schliesslich zum Wirtschaftsinformatiker weiter.
Im Vordergrund die wuchernden Textilsäcke von Christoph Haerle bei der Kantonsverwaltung, hinten das abzubrechende Busdepot in Zug.
‹ Se esicht › von R oman Signer an der Zuger
Die Installation
Seepromenade ermöglicht Einblicke in den See.
Barbara Gysel
Seit 2008 ist Barbara Gysel SP-Kantonsrätin und seit 2023 auch Stadträtin von Zug, wo sie dem Departement Soziales, Umwelt und Sicherheit vorsteht. Massnahmen gegen die Verdrängung beim Wohnen gehören zu ihren politischen Schwerpunktthemen.
Michael Arnold
Seit 2018 ist Michael Arnold FDP-Kantonsrat. Er arbeitet als Wirtschaftsprüfer in einer Treuhandgesellschaft. Neben der Finanz- und Steuerpolitik ist sein Spezialgebiet eine marktorientierte Raumplanungs- und Wohnpolitik.
« Die Wohnungsfrage ist existenziell »
Im Kanton Zug zeigt sich auch die Kehrseite wirtschaftlichen Erfolgs. Barbara Gysel ( SP ) und Michael Arnold ( FDP ) diskutieren Massnahmen gegen die Wohnungsknappheit.
Im Frühjahr fasste die NZZ die Wohnsituation in Zug so zusammen: Bedingt durch die wirtschaftliche Attraktivität zieht der Kanton Zug viele neue Unternehmen und Arbeitskräfte an. Gleichzeitig stockt die Wohnbautätigkeit. Die Mieten sind schweizweit am höchsten. Als Resultat werden Zugerinnen und Zuger aus dem Kanton vertrieben. Sind Sie einverstanden mit dieser Kurzfassung ?
Michael Arnold: Wenn das Angebot nicht mit der Nachfrage S chritt halten kann, steigt der Preis. In Zug ist die Wohnungsknappheit eine Folge der Attraktivität und auch davon, dass nicht genügend gebaut wird.
Barbara Gysel: Mehr bauen allein löst unser Problem aber nicht, wenn der Mittelstand und selbst Reiche sich die neuen Wohnungen nicht leisten können. Wir müssen auch darüber reden und entscheiden, für wen wir bauen und wer in den neuen Wohnungen leben soll. Wir brauchen Menschen, die in der Pflege, in der Gastronomie, in der Kinderbetreuung arbeiten, und solche, die Feuerwehrdienst leisten.
Michael Arnold: In der Zuger Bevölkerung wird eine gewisse Wachstumsmüdigkeit spürbar. Das zu diskutieren, wäre wichtig.
Wachstumssorgen bei der Wirtschaftspartei ?
Michael Arnold: Wir brauchen eine langfristige Wachstumsstrategie, und von mir aus kann man auch eine maximale Grenze festlegen. Die Attraktivität des Kantons zu bremsen, fände ich aber gefährlich.
Barbara Gysel: Lange Zeit gingen Wohlstand und wirts chaftlicher Erfolg mit dem Wohlergehen der ganzen Bevölkerung einher. Stockbürgerliche Politiker schufen damals den Sozialstaat als Massnahme gegen die Armut. Das sorgte für sozialen Frieden. Seither achteten wir darauf, dass es auch den Menschen gut geht, die weniger gut betucht sind. Die Schere öffnet sich, der wirtschaftliche Erfolg beschert heute einigen sehr viel, anderen dagegen gar keinen Wohlstand – und Wohnraum ist nicht länger sicher. Die Wohnungsfrage ist existenziell, und die Wohnkrise ist die Kehrseite unseres wirtschaftlichen Erfolgs. Selbst unter bisherigen Wachstumsbefürwortern nimmt die Wachstumskritik inzwischen zu.
Michael Arnold: Es ist wichtig, dass wir auf die S chwächsten unserer Gesellschaft achten. Aber was ist mit all jenen zwischen den Polen ? Jenen, die keine Prämienvergünsti-
Interview:
Esther Banz
gungen erhalten ? Auch unter ihnen gibt es Familien, die eine grössere Wohnung benötigen. Manche würden vielleicht gerne in einem Eigenheim leben, aber das ist im Kanton Zug sehr schwierig geworden.
Barbara Gysel: Weniger als 5 Prozent der Bevölkerung können sich in Zug noch Wohneigentum leisten. Im interkantonalen Vergleich belegen wir beim Wohneigentum den 20. Platz !
Michael Arnold: Weil man ausserhalb des Kantons günstiger Wohneigentum erwerben kann, findet ein Wegzug statt. Letztlich ist es ein freiwilliger Entscheid, wegzugehen. Man könnte sich als Kanton aber auch überlegen, was man dagegen unternehmen könnte.
Barbara Gysel: Wir müssen mit den verschiedenen Akteuren die schwierige Frage diskutieren, welches Zug wir im Jahr 2040, im Jahr 2050 haben wollen. Wir können unseren wirtschaftlichen Erfolg nicht isoliert betrachten, wir müssen das Wohlergehen aller berücksichtigen.
Sehen Sie das auch so, Herr Arnold ?
Michael Arnold: Wir sind uns einig, dass es nicht die eine Lösung gibt. Es braucht eine Palette von Massnahmen, um die Wohnkrise zu entschärfen. Im Kanton Zug sind verschiedene Wohnbauprojekte blockiert oder können nicht umgesetzt werden. Das liegt auch an Entscheiden der Stimmbevölkerung, mehrere Projekte sind vor dem Volk gescheitert. Wenn die Wachstumsmüdigkeit der Bevölkerung auch in Bezug auf den Wohnungsbau so gross bleibt, werden weiterhin ganz viele Wohnungen fehlen.
Der Kanton hat die ‹ Wohnpolitische Strategie 2030 › erarbeitet. Zeigt sie den Weg aus der Krise ?
Barbara Gysel: Leider nicht. In meinen Augen kommt diese Strategie einem Staatsversagen gleich. Im ‹ Grundlagenb ericht Wohnpolitische Strategie 2030 › steht mit keinem Wort, wie viel bezahlbarer Wohnraum geschaffen oder wie gewährleistet werden soll, dass sich die grosse Mehrheit der Bevölkerung das Leben hier noch leisten kann. Die Zuger Regierung hat offenbar keine Antworten auf diese drängenden Fragen. Aber ich bin optimistisch, dass wir das noch hinkriegen. Wir von der SP bringen aktiv Lösungen ein und begründen sie zum Beispiel mit einer bereits 1981 von der Stadtzuger Stimmbevölkerung angenommenen Wohninitiative. In der Verfassung steht, dass die Stärke des Volkes sich am Wohl der Schwachen misst. Wenn wir niemanden mehr haben, der uns im Alter zu Hause oder im Pflegeheim beim Nötigsten unterstützt, dann gute Nacht.
« Wir müssen auch nach aussen verdichten. » Michael Arnold
Wirtschaft und Gesellschaft brauchen und bedingen einander ?
Barbara Gysel: Ja, eine dauerhaft gut funktionierende G esellschaft und Wirtschaft gibt es nur, wenn beide Hand in Hand gehen. Die Wirtschaft überlebt nicht ohne die Menschen, und die Menschen überleben nicht ohne die Wirtschaft. Da braucht es ein Umdenken. Früher haben die grossen Unternehmen Häuser für ihr Personal gebaut. Und die damaligen Direktoren wussten, dass die Geschäfts- und Produktionsräumlichkeiten geputzt werden müssen und es also auch dafür Menschen vor Ort braucht.
Wer soll bis 2050 in Zug leben ?
Michael Arnold: Wichtig ist, dass die Strategie bis 2050 überhaupt erst mal erarbeitet wird. Infrastruktur, ÖV, Bildung – all das wird Thema sein. Wenn diese Eckpunkte gesetzt sind, wird man weiter definieren können, wie Zug 2050 aussehen soll. Das wird auch hinsichtlich des Wohnungsbaus enorm wichtig sein. Zug muss und wird dort wachsen, wo die Infrastruktur bereits vorhanden ist. Wo nicht mehr allzu viel ausgebaut werden muss. Wo die Bevölkerung nicht allzu stark zusätzlich belastet wird, etwa durch Mobilität. Wir müssen aber ein wenig wegkommen von der Verdichtung nach innen. Sie ist wichtig, aber wenn man das Problem wirklich angehen will, muss man auch nach aussen verdichten. Gerade ein so kleiner Kanton wie Zug muss Verdichtung nach aussen denken, in die Agglomerationsräume.
« Vielleicht haben wir den K ipppunkt bereits erreicht. »
Barbara Gysel
Was meinen Sie mit Verdichtung nach aussen ?
Michael Arnold: Ich spreche nicht von Zersiedelung, sondern von der Verdichtung innerhalb von bestehenden Agglomerationen im Kanton. Die Gemeinden Steinhausen, Rotkreuz oder Baar müssen sich überlegen, wo sie noch wachsen können, ohne weitere öffentliche Infrastruktur erstellen zu müssen.
Barbara Gysel: Diese Diskussion müssen wir führen, damit bin ich einverstanden. Wir werden aber nicht darum herumkommen, auch über Wachstum und freiwillige Mässigung nachzudenken. Sonst ist unser Wohlstand irgendwann nichts mehr wert.
Wann ist die Schmerzgrenze des Wohlstands erreicht ?
Barbara Gysel: Wenn die Kehrseite unseres wirtschaftlichen Erfolgs überhandnimmt. Vielleicht haben wir den Kipppunkt bereits erreicht. Nachhaltigkeit umfasst Wirtschaft, Soziales, Ökologie – ein sozialverträgliches Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen. Auf dieser Basis, und indem wir freiwillige Mässigung mitdenken, anstatt ideologisch auf das Wachstum fixiert zu bleiben, können wir fragen, wie Zug 2050 hinsichtlich des Wohnens aussehen soll. Dann können wir alle Varianten prüfen, die auf dem Tisch liegen: eine Verdichtung in der Agglomeration, ‹ weisse Zonen ›, Wohneigentumsförderung und so weiter.
Michael Arnold: Dadurch, dass wir wirtschaftlich attraktiv sind, können wir vieles anbieten.
Barbara Gysel: Das ist genau mein Punkt: Als einer der reichsten Kantone der Schweiz könnten wir uns diese Diskussion leisten. Aber das tun wir nicht, sondern lassen es zu, dass der Mittelstand verdrängt wird.
Was verstehen Sie unter preisgünstigem Wohnen ?
Michael Arnold: Kostenmiete mit minimaler Rendite. Wichtig ist die Frage: Wer bekommt diese preisgünstigen Wohnungen ?
Barbara Gysel: Wir brauchen bezahlbare Wohnungen für den breiten Mittelstand und für all die Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten. →
Michael Arnold: Deshalb müssen wir jetzt damit anfangen, Anreize zum Bauen zu schaffen. Wenn Entwickler mir sagen, dass sie keine Lust hätten, in einen Prozess einzusteigen, der so lange dauert und am Ende scheitern kann, haben wir ein Grundsatzproblem. Oder wenn die Banken sagen, sie würden ein Projekt nicht finanzieren, wenn die Mieten zu tief angesetzt sind. Wir müssen zuerst die Möglichkeiten schaffen. Danach können wir über alles andere reden – auch darüb er, wer dort wohnen wird.
Barbara Gysel: Es braucht mehr bezahlbare Wohnungen ! Als politische Chefin der Feuerwehr ist eine meiner grossen langfristigen Herausforderungen die Frage, wie die Feuerwehr einsatzfähig bleibt. Gemäss einer internen Statistik finden Feuerwehrleute nicht mehr den Wohnraum, den sie brauchen. Das ist ein grosses Problem, denn schliesslich brennt es nicht nur zu Bürozeiten. Wie soll bezahlbarer Wohnraum auch für den Feuerwehrmann und die Pflegerin entstehen ?
Michael Arnold: Das Ziel muss sein, in den b estehenden Zonen respektive dort, wo bereits Infrastruktur vorhanden ist, das Maximum herauszuholen. Dazu müssen Kanton und Gemeinden eine Wachstumsdiskussion führen und gemeinsam eine Strategie festlegen, wo, wie und in welchem Umfang der Kanton wachsen soll – auch unter dem Aspekt, was der Bevölkerung zugemutet werden kann. Das wird aller Anfang sein. Und wir müssen bei den Geisterwohnungen, den nicht genutzten Erstwohnungen, genauer hinschauen.
Barbara Gysel: Ja, vermutlich haben wir im Kanton nicht wenige leer stehende Wohnungen. Valide Zahlen gibt es kaum, die Datenlage ist leider unzureichend.
Michael Arnold: Diese Zahlen sollen mit der ‹ Wohnp olitischen Strategie 2030 › erhoben werden. Wenn auch nicht massenhaft, haben wir wohl durchaus solche Scheinwohnungen. Das ist dem tiefen Steuersatz geschuldet. Dieser Analyse möchte ich mich nicht verschliessen. In vielen Punkten sind Sie sich einig, auch über Parteigrenzen hinweg. Ist die Hoffnung berechtigt, dass in Zug schon bald bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird ?
Barbara Gysel: Jedenfalls machst du deine Scheuklappen auf, Michi ( lacht ). Und für mich wiederum ist klar, dass wir das Problem nicht mit Regulatorien allein aus der Welt schaffen können. Wir müssen über ein äusserst anspruchsvolles freiwilliges Umdenken auch von Investoren und Privaten nachdenken.
Michael Arnold: Unbedingt ! Sie sind beide im Kantonsrat. Welche Hausaufgaben hat er jetzt ?
Barbara Gysel: Im Kantonsrat gibt e s leider keinen Raum, um langfristig und parteiübergreifend strategische Themen zu besprechen. Es wäre aber wichtig, dass wir längerfristige Fragen konstruktiv diskutieren können, ohne unsere Parteiprogramme herunterzubeten. Wie können wir uns auf etwas verständigen, im Sinne eines ‹ Letter of intent › ?
Michael Arnold: Das sehe ich auch so. Es ist nun Aufgabe der Regierung, zusammen mit dem Parlament und den Gemeinden in die nächste Geländekammer zu schauen und die nötigen Massnahmen hinsichtlich der Raumplanung zu beschliessen.
Wohnpolitik in Stadt und Kanton Zug
Text: Esther Banz
Schon 1981 forderte eine Volksinitiative in der Stadt Zug erfolgreich die Bekämpfung der Wohnungsnot und den Bau von 400 preisgünstigen städtischen Wohnungen. Bis Anfang der 2000er-Jahre waren jedoch erst 230 dieser Wohnungen gebaut. Ein Reglement zur Wohnbauförderung erwies sich als wirkungslos. 2009 beschloss die Stadt Zug Zonen für preisgünstigen Wohnungsbau. In den Spezialzonen gilt ein Ausnützungsbonus bei gleichzeitiger Verpflichtung, 50 Prozent der erstellten Wohnfläche dem preisgünstigen Wohnen zuzuweisen. Bis heute wurde erst ein Teil der spezifischen Zonen überbaut.
Mit der Annahme der Initiative ‹ Wohnen in Zug für alle › 2012 machten die Stimmberechtigten die Förderung von gemeinnützigem Wohnungsbau zum politischen Dauerauftrag. Während die Bevölkerung stetig wuchs, stagnierte die Anzahl bezahlbarer Wohnungen weiterhin. Heute gibt es rund 2000 preisgünstige Wohnungen, 14 Prozent des Bestands. Die 2023 äusserst knapp angenommene Initiative ‹ 200 0 Wohnungen für den Zuger Mittelstand › verlangt, dass bis 2040 ein Fünftel aller Wohnungen auf Stadtgebiet preisgünstig ist, unter anderem, indem in den Verdichtungsgebieten der Stadt Zug 40 Prozent der neu erstellten Wohnungen dieses Kriterium erfüllen.
Eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist im ganzen Kanton schwierig. Seit 1992 spricht der Kanton Beiträge an meist gemeinnützige Bauträger zur Unterstützung finanzschwacher Haushalte. 2000 trat das Wohnförderungsgesetz in Kraft. 2013 verabschiedete der Zuger Kantonsrat im Richtplan Grundsätze zur Wohnpolitik für Kanton und Gemeinden. 2023 hat der Regierungsrat in der ‹ Wohnpolitischen Strategie 2030 › drei Ziele festgehalten: mehr Wohnungen generell, mehr preisgünstige Wohnungen und mehr Wohnungen für die ansässige Bevölkerung. Gewisse Ursachen der Wohnungsnot wie die Tiefsteuerpolitik oder den Arbeitsplatzüberhang will der Kanton explizit nicht angehen. Stattdessen sollen vereinfachte Bauvorschriften, beschleunigte Baubewilligungsprozesse und eine Stärkung der Subjekthilfe die Situation auf dem Wohnungsmarkt entschärfen. Zudem sollen gemeinnützige Bauträgerschaften einfacher zu Darlehen kommen. Kürzlich an der Urne gescheitert ist die kantonale ‹ MehrwertInitiative › der SP, die eine zwingende Mehr wertabgabe von 30 Prozent bei Um- und Aufzonungen sowie bei Bebauungsplänen vorsah, um damit auch preisgünstigen Wohnraum zu finanzieren.
Findige Köpfe haben 2024 im Auftrag der Baudirektion Szenarien mit ‹ weissen Zonen › durchgespielt. Diese grösstenteils deregulierten Spezialzonen sollen Bauherrschaften dazu animieren, möglichst schnell möglichst viele Wohnungen zu realisieren. Die Zonen sind temporär und gelten nur, bis eine bestimmte Anzahl Wohnungen erreicht ist. Die Hälfte der Wohnungen soll preisgünstig sein. Einige sehen darin die Lösung der Wohnungskrise, andere befürchten Einbussen der städtebaulichen Qualität und den Verlust von Bestandsbauten. Sicher ist, dass die Umsetzung im Rahmen einer Revision des kantonalen Planungs- und Baugesetzes erfolgen müsste, was üblicherweise mehrere Jahre dauert. Für den Moment bleibt die Idee somit ein Gedankenexperiment. ●
Wohnungspreise eilen Einkommen voraus Immer weniger Menschen können sich Wohnungen in Zug leisten. Während das Medianeinkommen seit 2005 um etwa 23 Prozent zugenommen hat, sind die Preise von Mietwohnungen rund 40 Prozent gestiegen. Wohneigentum ist sogar 2,5-mal so teuer wie vor 20 Jahren.
Entwicklung von Baulandpreisen, Bevölkerung, Einkommen pro Kopf und Steuerfuss Relative Änderung seit 2011
Baulandpreise Gewerbe
Baulandpreise Wohnen
Bruttoinlandprodukt Beschäftigte Bevölkerung Steuerfuss
Baulandpreise steigen mehr als Bevölkerung und Wirtschaft
Die Baulandpreise für Wohngebiete sind um das 2,6-Fache mehr gestiegen als die Bevölkerung oder das Reineinkommen pro Kopf. Die Preissteigerung von Wohnbauland wird folglich nicht primär von der Bevölkerungszunahme verursacht. Einen grösseren Einfluss hat das Beschäftigungswachstum. Hinzu kommen weitere Faktoren wie die Verknappung von Bauland: Seit 2012 wird nicht mehr eingezont.
Wachstum der höchsten Einkommen Im Kanton Zug nimmt vor allem die Anzahl Personen mit hohen und sehr hohen Einkommen zu. Bis 2021 war die Anzahl Personen mit tiefen und mittleren Einkommen relativ stabil.
Einwohner pro Arbeitsplatz und Mietpreise Medianmiete ( Fr. / Mt. ) 2025, Demografie 2022
Medianpreise für Miete 3-Zi.-Whg. ( Fr / Mt. ). Die Grösse der Kreise entspricht der Anzahl Einwohnerinnen und Einwohner.
Quelle: Wüest Partner, Bundesamt für Statistik ( STATENT )
Kein klarer Zusammenhang
In der Theorie erhöht ein Arbeitsplatzüberhang –weniger als zwei Einwohnerinnen und Einwohner pro Arbeitsplatz – die Wohnungsmieten. In den Gemeinden Hünenberg, Steinhausen und Zug könnte ein solcher Zusammenhang bestehen. Cham und Risch fallen jedoch aus dem Schema. Die Preisunterschiede lassen sich folglich nicht allein mit dem Verhältnis von Einwohnerinnen und Einwohnern zu Arbeitsplätzen erklären.
In der ‹ Suurstoffi › in Rotkr euz steht das erste begrünte Wohnhochhaus der Schweiz.
Investieren in den
G emeinsinn
Um die Bevölkerung am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu lassen, investieren Zuger Gemeinden in öffentliche Se ebäder oder Restaurants.
Text: Linda Leuenberger
Der Kanton Zug ist klein, reich und gefragt. Internationale Konzerne aus der Finanz-, Tech- und Rohstoffbranche schätzen ihn aufgrund der bekannten Faktoren sehr. Auch die Bevölkerung profitiert vom Reichtum: Immer wieder erhalten die Zugerinnen und Zuger Rabatte auf die ohnehin tiefen Steuern, und sie werden etwa bei der Kinderbetreuung oder den Krankenkassenprämien grosszügig entlastet. Das Wachstum hat auch Schattenseiten. Die ‹ Zuger Zeitung › berichtet von leergekündigten Wohnblöcken, deren Wohnungen durch Businessapartments ersetzt werden, oder von jährlich 850 Zugerinnen, die wegen zu hohen Mieten in die Kantone Aargau oder Schwyz ziehen. Gleichzeitig treiben die Zuzüge aus dem Ausland das Bevölkerungswachstum an. Was bleibt den Zugern vom Steuerparadies ?
Entdeckung des öffentlichen Raums
Die Zuger Gemeinden entdecken, wofür sie die Überschüsse brauchen können. Sie beginnen, ihre Dorfkerne, Parks und Seezugänge aufzuwerten. Bei Ortsplanungsrevisionen und wenn die Gemeinden selbst bauen, schaffen sie attraktive öffentliche Räume. Das kommt bei der Bevölkerung gut an. Mit mehr als 77 Prozent Ja-Stimmen haben die Stimmberechtigten der Stadt Zug einen Kredit von 13 Millionen Franken gutgeheissen, um die Fläche des Strandbads zu verdoppeln. 12 Millionen Franken wollen Kanton, Stadt und Korp oration Zug zudem für die Erneuerung des ‹ Brüggli › lockermachen, ein naturnaher Erholungsraum am See. Der Schlaufensteg der Korporation Baar Dorf ist ein weiteres Beispiel für eine Investition in den Gemeinsinn.
Spannend ist das Projekt ‹ Risch der Zukunft ›. Die Gemeinde Risch, bestehend aus der Kleinstadt Rotkreuz und den Dörfern Risch, Buonas und Holzhäusern, ist im Vergleich mit den anderen Zuger Gemeinden in den vergangenen Jahrzehnten am stärksten gewachsen.
Nun will die Gemeinde sich sorgfältig und vorausschauend weiterentwickeln, indem sie die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Vordergrund stellt. « Zusammen für mehr Lebensqualität », s chreibt sie auf der Website. Die Ortsplanungsrevision ‹ Risch der Zukunft › besteht aus zehn Teilprojekten, die über das ganze Gemeindegebiet verteilt sind. Geplant ist eine Stärkung der Ortskerne mit mehr Begegnungsorten, Bäumen und Bänken. In Holzhäusern sollen etwa Spielplätze und ein Spazierweg entstehen. In Buonas hat die Gemeinde das Grundstück mit der Badi gekauft und wertet die Seepromenade auf. An sechs Stellen plant sie mehr Wohnungen, ein Teil davon preisgünstig. Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren ausgetrocknet, Risch hat eine der tiefsten Leerwohnungsziffern nicht nur im Kanton Zug, sondern in der ganzen Schweiz. Im dicht besiedelten Rotkreuz sind grosse Veränderungen geplant. Beinahe in einem Rutsch sollen eine neue Kantonsschule gebaut sowie der Sportpark, der Bahnhof, das Verwaltungsgebäude und der Dorfmattplatz von Grund auf erneuert werden. Für die Kanti Rotkreuz rechnet der Kanton Zug mit Kosten von 200 Millionen Franken, für den Sportpark und das neue Verwaltungsgebäude mit Wohnhochhaus inklusive Platzgestaltung veranschlagt die Gemeinde Risch 17 bzw. 65 Millionen Franken. Nicht in das Budget von Kanton oder Gemeinde fällt ein neues Hochhaus der SBB am Bahnhof mit Büros und Wohnungen. Christian Blum leitet die Ortsplanung. Bislang seien die Rückmeldungen sehr wohlwollend, sagt er. « Wir sind überrascht, wie gut die Projekte aufgenommen werden. Immerhin geht es um enorme Bauvorhaben. »
Was macht einen Ort lebendig ?
Als öffentlichem Raum kommt dem Dorfmattplatz besonders viel Aufmerksamkeit zu. Er grenzt südseitig an den Bahnhof und ist das eigentliche Zentrum von Rotkreuz. Hier sitzt die Gemeindeverwaltung in einem Gebäude aus den 1980er-Jahren. Auf der offenen Fläche davor finden jeweils der Markt, die Chilbi und die Fasnacht statt. In der Mitte überdeckt ein wuchtiges Holzdach den Eingang zur Bahnhofunterführung, weiter drüben verschwinden Autos in der Tiefgarage. In Kombination mit dem kleinen Busbahnhof macht das einen zusammengewürfelten Eindruck, doch der Dorfmattplatz ist keineswegs ein Unort. Neben dem Gemeindehaus stehen zehn Kastanienbäume, die im Frühling rosa blühen, darunter ein paar Bänke. Dennoch fühlt sich das Ganze weder so richtig nach Dorf noch so richtig nach Zentrum an, eher nach Bahnhofsvorplatz. Das will die Gemeinde nun ändern. Ein Hochhaus mit Büros für die Verwaltung, einem grossen Saal und Räumen für die Vereine soll das Gemeindehaus ersetzen. Im Erdgeschoss ist eine Küche vorgesehen, die für Anlässe drinnen und draussen genutzt werden kann. Auf der Ostseite soll ein integrierter Zusatzbau mit Wohnungen entstehen, draussen sind mehr Grün und mehr Sitzgelegenheiten geplant. Sämtliche Parkplätze werden ins Untergeschoss verlegt.
Reichen diese Massnahmen aus, um ein lebendiges Zentrum zu schaffen, in dem man gerne verweilt ? « Momentan fehlen auf dem Dorfmattplatz soziale Nischen », sagt Christian Blum. Es brauche mehr Übergangsfunktionen – also eine stärkere Verbindung zwischen Aussenund Innenraum. « Der Platz braucht ein Café mit Sitzplätzen im Freien. Oder einen Laden, der seine Ware
draussen präsentiert. » Das Ziel sei es, die Nutzung des Dorfmattplatzes zu intensivieren, und zwar durch neue Wohnungen, aber auch durch möglichst viele Läden. « Das hat zum Beispiel in der Europaallee am Hauptbahnhof Zürich gut funktioniert. Dafür ist aber wohl ein Paradigmenwechsel bei den Mietpreisen notwendig », s o Blum.
« Die Privaten müssen die Laden- und Gastroflächen günstig anbieten. »
Ein neues Restaurant für Unterägeri Nicht nur öffentliche Plätze und Seezugänge sind in Zug ein Thema. Die öffentliche Hand weitet den Service public auf die Gastronomie aus. Mehrere Einwohner-, Korporations- und Kirchgemeinden verpachten Lokale, und zwar auf ausdrücklichen Wunsch der Bevölkerung. Das Bedürfnis nach einem Restaurant ist gross, auch in Unterägeri. Kürzlich schloss das Traditionslokal Schiff. Der Eigentümer will es abreissen, es muss einer Überbauung weichen. « Das ‹ Schiff › fehlt je den Tag », sagt Reto Iten, Korporationsratspräsident von Unterägeri. « Immer wieder spre chen mich Menschen auf der Strasse an und sagen, dass sie endlich ein neues Restaurant brauchen. »
Da passt es gut, dass die Korporation Unterägeri vor fünf Jahren den Landgasthof Schützen gekauft hat. Er ist nach der Alpwirtschaft Sonnegg das zweite Restaurant in ihrem Portfolio. Nun will sie den ‹ Schützen › neu bauen und verpachten. Der 50-jährige Gasthof ist ein beliebtes Ausflugsziel im Naherholungsgebiet Schützen / Bo den. Hier zieht es Radfahrerinnen, Wanderer und Tennisspielerinnen hin, im Winter locken ein Skilift und mehrere Loipen. Den Menschen im Ägerital sei dieses Gebiet heilig, erzählt man sich. 2021 stimmte die Korporationsgemeinde einem Architekturwettbewerb für den ‹ Schützen › zu. Mit dem Siegerprojekt waren aber viele unzufrieden. Die Stimmberechtigten verweigerten dem Korporationsrat den Projektierungskredit, sprachen aber weitere 150 00 0 Franken für die Überarbeitung des Entwurfs. Ende Mai stellte der Rat den Korporationsbürgerinnen einen dreigeschossigen Bau aus lokalem Holz vor, mit quadratischem Grundriss und einem tief nach unten ragenden Kreuzgiebeldach. Im Erdgeschoss ist der Gasthof mit Gartenwirtschaft und einem grossen Spielplatz geplant, in den oberen Geschossen sollen sechs Wohnungen realisiert werden. Kostenpunkt: insgesamt 10,5 Millionen Franken.
Es ist ein Projekt von hoher architektonischer Qualität, und es gibt im Kanton Zug kaum ein vergleichbares Lokal. Schon allein deshalb erhofft sich Reto Iten eine Strahlkraft über die Gemeindegrenzen hinaus. Doch auch gegen die überarbeitete Version gab es kritische – laute –Stimmen, denen das G ebäude nicht gefiel oder die die Kosten für zu hoch hielten. Einige befürchteten, dass aus dem ‹ Schützen › ein « Luxustempel » würde anstatt eine b odenständige Beiz. Im Vorfeld war schwer abschätzbar, ob das Projekt durchkommen würde. An der Korporationsversammlung Ende Mai, an der die Bürgerinnen über den Baukredit abstimmten, äusserten sich erstmals auch die Befürworter öffentlich. « Sie plädierten dafür, nicht dem Kleingeist zu verfallen, sondern vorwärtszugehen », erzählt Reto Iten.
Am Ende war das Ergebnis mehr als deutlich: Bei einer aussergewöhnlich hohen Stimmbeteiligung sagten 70 Prozent der Anwesenden Ja. « Das freut uns s ehr », sagt Iten. « Dass die Abstimmung s o eindeutig ausgefallen ist, ist wichtig für das Projekt. » Die Korp oration macht sich nun auf die Suche nach geeigneten Wirtsleuten und hofft, bereits Ende Jahr mit den Bauarbeiten beginnen zu können.
Läuft alles nach Plan, öffnet der neue ‹ Schützen › im Sommer 2027 seine Türen. ●
bei der Drogerie mit Apotheke in Steinhausen.
Stillleben
Die Männerbadi mit Rigiblick in Zug.
Steinhausen
Cham
Hünenberg
Oberrüti Sins
Dietwil
Inwil
Gisikon
Unterägeri
Walchwil
Menzingen
Neuheim
1 Zentrumsplanung Rotkreuz
Anfang der 2030er-Jahre wird Rotkreuz komplett anders aussehen. Am Bahnhof entsteht ein lebendiges Stadtzentrum mit Hochhäusern, einer Kantonsschule und einem neuen Sportpark. Gemeinde, Kanton und SBB arbeiten eng zusammen. Die Gemeinde baut ein Verwaltungsgebäude mit Veranstaltungssaal und Vereinsräumen, aber auch 60 Wohnungen. SBB Immobilien ersetzt den Bahnhof durch drei Neubauten auf einem durchgehenden Sockel mit Büro- und Gewerbeflächen und 120 Wohnungen, ein Drittel davon preisgünstig. Der Dorfmattplatz wird entsiegelt, begrünt und mit Läden und Gastronomie belebt. Der Kanton plant eine Kantonsschule für rund 880 Schülerinnen mit einer vierfachen Turnhalle und einer Musikschule, die auch von der Gemeinde genutzt werden kann. Im angrenzenden Sportpark-Areal östlich des Zentrums plant die Gemeinde Risch ein neues Sportgebäude.
Zentrum Dorfmatt
Rotkreuz
Fertigstellung: 2032
Arealfläche: 2982 m2
Ausnützung: 4,4
Nutzung: Wohnen 48 %, Verwaltung und öffentlich 52 %
Wohnungen: ca 60
Parkplätze: ca 90
Bauherrschaft: Gemeinde Risch
Architektur: Op-arch, Zürich
Landschaftsarchitektur: Ort, Zürich
Nachhaltigkeitslabel: SNBS Gold ( ohne Zertifikat )
Die ‹ Suurstoffi › in Rotkreuz, die von Zug Estates über fünfzehn Jahre entwickelt wurde, ist für den Kanton Zug von zentraler Bedeutung. Das grösste Entwicklungsareal von Rotkreuz hat einen Grossteil des rasanten Gemeindewachstums aufgenommen. Bebauungspläne regelten die Transformation. Die Herausforderung bestand darin, auf dem ehemaligen Produktionsgelände eine ausgewogene Nutzung für Wohnen, Büro, Gastronomie und Bildung zu ermöglichen. Eine Reihe höherer Gebäude entlang der Bahnlinie schützt die dahinterliegenden Wohnungen vor Lärm. Bei der Gestaltung der Grünräume wurde eine hohe Pflanzenvielfalt angestrebt, um ein naturnahes Wohnumfeld zu schaffen und die Wohnqualität zu erhöhen. Auf den Balkonen des 70 Meter ho hen Gartenhochhauses ‹ Agla ya › etwa w achsen Sträucher und Bäume, die das Mikroklima verbessern, Schatten spenden und Lärm mindern. Die ‹ Suurstoffi › verfolgt ein CO₂-neutrales Energiekonzept mit Sonnenenergie, Erdspeicher und einem Anergienetz zur Wärme- und Kälteversorgung. Mit dem Bau der letzten beiden Ge -
bäude 43 und 45 und einer zentralen Parkanlage schliesst Zug Estates die Entwicklung des Suurstoffi-Areals bis 2027 ab.
Auf rund 29 000 Quadratmetern baut Roche ein neues Diagnostik-Produktionsgebäude. Es ersetzt das alte Produktionsgebäude und schafft zusätzliche Kapazität für die Produktion neuer Diagnosesysteme. Das Gebäude ist so geplant, dass Arbeitsbereiche und Abläufe an zukünftige Produkte und Anforderungen angepasst werden können. Dadurch bleibt es auch langfristig effizient nutzbar. Das architektonische Konzept orientiert sich am Industrial Design. Das zeigt sich in der wiederholten Gebäudestruktur, der einheitlichen Verwendung von Materialien und der markanten Massstäblichkeit. Der Holzbau setzt auf fossilfreie Energieversorgung. Geplant sind eine naturnahe Umgebungsgestaltung mit arten- und blütenreichen Feuchtwiesen und ein Dachgarten.
2 Foto: Zug Estates
1 Visualisierung: Filippo Bolognese
1 Visualisierung: Indievisual
3 Visualisierung: Roche Diagnostics International
Forrenstrasse 2, Rotkreuz
Fertigstellung: 2027
Bruttogeschossfläche: max. 26 700 m2
Bauherrschaft: Roche Diagnostics International
Architektur: Nissen Wentzlaff, Basel
Landschaftsarchitektur: Extra, Bern
Nachhaltigkeitslabel: Suscon ( Sustainable Construction Roche Label )
4 Arbeitsgebiet Bösch
Das ‹ Bösch › in Hünenberg war ein klassisches Gewerbegebiet ausserhalb der Ortskerne. Um das Gebiet für das Gewerbe attraktiver zu machen, sollen Infrastruktur, Erschliessung und Aufenthaltsqualität verbessert werden. Der kantonale Richtplan sieht vor, dass die im Bestand weiterzuentwickelnden Grundstücke künftig Platz für rund 6000 Arbeitsplätze bieten. Die Verkehrssituation ist wegen unvollständigen Strassenabschnitten, fehlenden Trottoirs und problematischen Bushaltestellen unbefriedigend. In den kommenden 10 bis 15 Jahren sollen Strassenund Bauprojekte die verkehrliche Erschliessung und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln verbessern. Neue Erholungsräume sollen die Aufenthaltsqualität im Bösch erhöhen. Die Gemeinde hat bereits Dutzende Bäume gepflanzt und einen Park realisiert.
Bösch, Hünenberg
Fertigstellung: 2034 – 2039
Arealfläche: 30 ha
Bebauungsplan: mit 600 Firmen
Bauherrschaft: Gemeinde Hünenberg, 140 Eigentümer
5 Papieri-Areal
Auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik in Cham entsteht über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren direkt an der Lorze ein modernes Quartier mit einer vielfältigen Nutzung aus Wohnen, Verkaufsflächen, Büros, Ateliers und Freiräumen. Die Integration von Bestandsbauten wahrt die Geschichte, neue markante Strukturen, darunter fünf Hochhäuser, ergänzen das Areal. Ein CO₂-neutrales Energiesystem kombiniert mehrere nachhaltige Technologien. Rund 75 Prozent des Energiebedarfs werden direkt vor Ort erzeugt, wobei etwa 40 Prozent des Stroms aus Photovoltaik und einem eigenen Wasserkraftwerk stammen. Die Hauptquelle für Wärme und Kälte sind 290 Erdsonden, die als Saisonspeicher fungieren, ergänzt durch Energiegewinnung aus dem Flusswasser. Ein internes Netz verteilt die Energie effizient. 2024 wurde das Papieri-Areal für seine Vorreiterrolle mit dem ‹ Watt d’Or › des Bundesamts für Energie ausgezeichnet.
Landschaftsarchitektur: Müller Illien, Zürich ; Studio Vulkan, Zürich
Nachhaltigkeitslabel: 2000-Watt-Areal, Leed Platin ( Baubereich F )
6 Areal Pavatex Süd
Neben der ‹ Papieri › planen die Einwohnergemeinde Cham und die Cham Swiss Properties gemeinsam die Entwicklung des unbebauten Industrieareals zu einem gemischt genutzten Quartier mit einer Schule. Für deren Bau will die Gemeinde einen Grundstückteil erwerben. Städtebaulich knüpft der Entwurf an das benachbarte Papieri-Areal an, sodass ein zusammenhängendes Quartier entsteht. Zwei lang gestreckte Sockelbauten orientieren sich an den länglichen Fabrikgebäuden der ‹ Papieri ›. Ein Hochhaus fügt sich in die bestehende Hochhausgruppe ein. Das Schulhaus bildet den Abschluss und den Übergang zum Areal Cham Nord, wo in den nächsten Jahren eine Wohn- und Gewerbeüberbauung realisiert werden soll. Das Projekt greift bestehende Freiraumtypen auf, etwa die weiten Längsachsen, die das Areal durchziehen, und führt die Wegverbindungen weiter. Der Bebauungsplan basiert auf einem Studienauftrag und wird der Bevölkerung 2026 zur Genehmigung vorgelegt.
Architektur: Arge Ramser Schmid, Zürich, und Enzmann
Fischer, Zürich
Landschaftsarchitektur: Skala, Zürich
Nachhaltigkeitslabel: offen
4 Foto: Andreas Busslinger
6 Visualisierung: Yewo
5 Foto: Beat Bühler
7 An der Aa
Die bestehenden Gebäude der Zugerland Verkehrsbetriebe ( ZVB ) und des Rettungsdienstes Zug ( RDZ ) sind veraltet und zu klein. Geplant sind zwei neue Gebäude auf dem Betriebsgelände ‹ An der Aa ›: der Hauptstützpunkt der ZVB und der Neubau de s RDZ mit zusätzlichen Büroarbeitsplätzen für die kantonale Verwaltung in den oberen Geschossen. Zudem sind im nördlichen Teil des Areals zwei Gebäude mit Wohnungen und Dienstleistungsflächen vorgesehen. Neue Fussund Velowege machen das Areal besser zugänglich und vernetzen es mit der Umgebung. Der Schleifedamm bleibt als grüne Erholungszone erhalten und fördert die Biodiversität.
Früher Hauptsitz und Produktionsstandort von Landis & Gyr, wurde auf dem LG-Areal vor allem Messtechnik produziert. Aktuell zeichnet sich das
Areal hauptsächlich durch Büronutzungen aus. In den kommenden Jahren soll es etappenweise zu einem neuen Stadtquartier mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten entwickelt werden. Der Bebauungsplan sieht ein abwechslungsreiches Stadtbild mit Gebäuden in unterschiedlichen Höhen vor, die Bezüge zu den bestehenden Bauten herstellen. Insgesamt sollen 18 Gebäude mit einer Höhe von mehr als 25 Metern entstehen, darunter neun Hochhäuser. Es wird ein Wohnanteil von 50 bis 75 Prozent angestrebt, davon ausgenommen sind drei erhaltenswerte Bauten. Auch preisgünstige Wohnungen sind vorgesehen. Dienstleistungsflächen werden ausgebaut, die Verkehrsinfrastruktur angepasst. Neue öffentliche Stadträume sowie Angebote in den Erdgeschossen sollen das Umfeld in Bahnhofsnähe beleben.
Landis + Gyr-Strasse, Zug
Fertigstellung: laufende Entwicklung
Arealfläche: 95 636 m2
Baumassenziffer: max. 11,2
Bauherrschaft: Thoba Immobilien ; Park Lane Zug ; UBS Funds Management ( Switzerland ) ; SBB ; Alfred Müller ; Siemens Schweiz ; Pensionskasse der Credit Suisse Group ( Schweiz ) ; Swiss Prime Site Group ; OVD Kinegram ; Einwohnergemeinde Stadt Zug
9 Unterfeld Süd
Im Gebiet Baar Süd entsteht ein neues Quartier mit rund 400 Wohnungen und etwa 1000 Arbeitsplätzen. Das Projekt umfasst fünf Baufelder, die in drei Etappen realisiert werden. Neben den Wohnungen für ein breit durchmischtes Publikum soll
es Büros, ein Restaurant, ein Café, kleinere Läden sowie Sport- und Gemeinschaftseinrichtungen geben. Die Neubauten orientieren sich am umliegenden Bestand. Drei Gebäude von 40, 50 und 60 Metern Höhe setzen Akzente. Das höchste Gebäude befindet sich am S-Bahnhof Lindenpark und markiert den Eingang in das Quartier. Ein Ankunftsplatz am S-Bahnhof ist einer von mehreren neuen öffentlichen Freiräumen und Begegnungsorten im Quartier. Er bietet Fuss- und Velowege, begrünte Inseln und Sitzgelegenheiten. Zudem entstehen ein Quartierplatz, ein Boulevard für den Langsamverkehr, ein Gartenhof sowie ein Park entlang des Stampfibachs als neue Begegnungsorte im Quartier.
Stockerstrasse, Baar
Fertigstellung: erste Bauetappe 2028, zweite Bauetappe 2029, dritte Bauetappe noch offen
Arealfläche: 34 500 m2
Nutzung: Wohnen ca. 56 %, Gewerbe ca. 44 % ( Büro, Gastronomie, Verkauf, Freizeit )
Wohnungen: ca. 400 ( ca. 100 preisgünstig )
Parkplätze: max. 565
Bauherrschaft: erste Bauetappe Cham Swiss Properties, Estella Invest ; zweite Bauetappe Implenia Vorsorge, Wohnbaugenossenschaft Familie Baar, Liberale Baugenossenschaft Baar, Cham Swiss Properties ; dritte Bauetappe Erben Stocker
Architektur: erste Bauetappe Enzmann Fischer Partner, Zürich ; zweite Bauetappe Op -arch, Zürich ; dritte Bauetappe noch offen
Landschaftsarchitektur: erste Bauetappe Arge Ort, Zürich, und Appert Zwahlen Partner, Cham ; zweite Bauetappe
Stauffer Rösch, Basel ; dritte Bauetappe no ch offen
Das Geschäftshaus der Zuger Kantonalbank geht auf einen Entwurf der Architekten Derungs und Achleitner zurück. Das Gebäude entspricht den heutigen Anforderungen an Energieeffizienz, Sicherheit und Funktionalität nicht mehr. Um den Standort nachhaltig zu modernisieren und zeitgemässe Arbeitsplätze zu schaffen, sind eine umfassende Sanierung und eine Aufstockung um vier Etagen vorgesehen. Der Bebauungsplan für das Areal erlaubt auf dem Grundstück ein Gebäude mit bis zu elf Vollgeschossen. Auf einen Ersatzneubau wurde bewusst verzichtet. Mit einer klar gegliederten Struktur, den gewählten Materialien und einem soliden Auftreten soll der Neubau die Werte der Zuger Kantonalbank nach aussen vermitteln. Das Erdgeschoss erhält durch die offene Gestaltung als öffentlich zugänglicher Bereich und Eingang zur Bank eine zentrale Rolle. Das neue Geschäftshaus soll das Stadtbild rund um den Bahnhof aufwerten und sich dabei gut in die bestehende Umgebung einfügen.
Das Projekt will die bestehende Einkaufsallee Metalli weiterentwickeln und Wohnen, Arbeiten und Einkaufen miteinander verbinden. Die ikonischen architektonischen Elemente der ‹ Metalli › wie die Allee, die Glasdächer und die Arkaden bleiben erhalten. Der Metalli-Platz schafft eine neue Verbindung zum Bahnhof, zusätzliche Grünflächen und Aufenthaltsbereiche werten ihn auf. Geplant sind öffentlich zugängliche, begrünte Dachterrassen und zusätzlicher Wohnraum, unter anderem in einem 80 Meter hohen Hochhaus. Die Anbindung an den Seewasser-Energieverbund Circulago, der bereits die heutige ‹ Metalli › mit Wärme- und Kälteenergie versorgt, ermöglicht eine weitgehend CO 2-freie Beheizung, Kühlung und Warmwasseraufbereitung.
Der Tech Cluster Zug ( TCZ ) ist ein langfristiges Entwicklungsprojekt auf dem ehemaligen V-ZugWerkareal im Zuger Göbli-Quartier. In den kommenden 20 Jahren wird auf acht Baufeldern ein Quartier entwickelt, das Industrie, Forschung, Bildung, Gewerbe und Wohnen miteinander vereint.
Rund 4000 Arbeitsplätze und etwa 250 Wohnungen sollen entstehen. Bestehende Produktionsstätten wie jene der V-Zug bleiben Teil der neuen Struktur, weitere Gebäude kommen ergänzend hinzu. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden und den zukünftigen Nutzern wurde ein Bebauungsplan entwickelt, der den unterschiedlichen Anforderungen gerecht wird und seit 2018 rechtskräftig ist. Er definiert für alle Bauflächen feste Grenzen und maximale Höhen. Wenn auf einem Baufeld dichter gebaut wird, muss das auf anderen Baufeldern kompensiert werden. Zudem enthält er klare Vorschriften für den Verkehr sowie den Erhalt einer hochwertigen städtebaulichen Gestaltung.
Im Quartier Göbli in Baar entsteht eine Wohnüberbauung mit 186 Mietwohnungen in sechs Gebäuden. Vier Häuser in Holzbauweise bilden jeweils eine offene Doppelfigur aus zwei miteinander verbundenen Teilkörpern. Als durchgehende Sonnendecks aus Holz gestaltete Aussenräume verwandeln die Wohnungen in Gartenwohnungen. Die Grundrisse haben eine zentrale, teils zweiseitig belichtete Wohnhalle. Panoramabalkone mit Photovoltaikelementen lassen die Gebäude offen und leicht erscheinen. Die zwei weiteren Wohnhäuser setzen das Konzept des Wohnens im Grünen um. Verglaste Baukörper ermöglichen Aus- und Durchblicke. Die Tragstruktur basiert auf einem System aus Stützen und durchgehenden Platten, das flexible Grundrissvarianten erlaubt. Eine integrierte Wintergartenschicht erweitert den Wohnraum nach aussen und ermöglicht eine ganzjährige Nutzung. Die Erschliessungswege schaffen eine Verbindung mit dem angrenzenden Quartier. Ein grosszügiger, vielfältig nutzbarer Grünraum bildet die ruhige Mitte.
Göblistrasse, Baar
Fertigstellung: Ende 2027
Arealfläche: 25 210 m2
Ausnützung: 0,8
Nutzung: Wohnen 100 %
Wohnungen: 185
Parkplätze: ca. 230
Bauherrschaft: Zuger Pensionskasse vertreten durch Imooo
Auf dem Areal eines Bürogebäudes von 1981 entsteht eine Überbauung mit 104 Eigentumswohnungen, Ateliers, Büro- und Gewerbeflächen. Die sechs Gebäude – vier Wohnhäuser, ein Bürogebäude und ein Mobilitätsturm mit Parkplätzen –werden in drei Reihen angeordnet. Die abwechslungsreich gestalteten Zwischen- und Hofräume schaffen angenehme Aufenthaltsbereiche. Der CO₂-Ausstoss soll sowohl beim Bau als auch im Betrieb niedrig gehalten werden. Dafür setzt das Projekt auf nachhaltige Lösungen wie Holz aus der Region, einen geringen Betonanteil, die Wiederverwendung von Bauteilen des Bestandsgebäudes und Indach-Photovoltaik. Unter den auf Pfählen stehenden Gebäuden fliesst das Regenwasser offen in Retentionsmulden und kann langsam in Richtung Bach abgegeben werden. Unversiegelte Flächen fördern die Biodiversität.
Nach dem Wegzug des Kantonsspitals nach Baar wurde das Grundstück am Zugersee 2008 für eine neue Nutzung frei. Seither wurde es vielseitig zwischengenutzt, unter anderem von Unter-
nehmen, Vereinen und Büros der kantonalen Verwaltung. Das Areal liegt wenige Gehminuten von der Zuger Altstadt entfernt und bietet viel Potenzial. Um dieses bestmöglich zu nutzen, initiierte der Kanton Zug 2016 in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Zug einen Entwicklungs- und Planungsprozess für eine ausgewogene Nutzung mit attraktiven Freiräumen. Im Rahmen eines Ideenund Investorenwettbewerbs überzeugte das Konzept ‹ Süd-See Zug › mit einer qualitätsvollen baulichen und freiräumlichen Um- und Neunutzung des Areals. Ein Architekturwettbewerb brachte im Sommer 2024 den finalen Entwurf hervor. Im Zentrum steht ein öffentlicher Platz mit Blick auf den Zugersee, umgeben von feingliedrigen Gebäuden und Grünflächen für Aufenthalt und Erholung. Das Nutzungskonzept umfasst eine öffentliche Badehalle mit Saunalandschaft, ein Hotel im denkmalgeschützten Südflügel des ehemaligen Kantonsspitals, ein Restaurant, Ladenflächen, Veranstaltungsräume und Mietwohnungen. Der neue Wohn- und Begegnungsort soll 2030 in Betrieb gehen.
Artherstrasse 27, Zug
Fertigstellung: 2030
Arealfläche: 21 940 m2
Nutzung: Freizeit / Kultur ca. 60 %, Wohnen ca. 37 %, Gewerbe ca. 3 %, Wohnungen: ca. 90
Hotelzimmer: 74
Parkplätze: 84
Bauherrschaft: institutionelle Investorin
Entwicklung und Totalunternehmung:
HRS Real Estate, Zürich
Architektur: Christ & Gantenbein, Basel
Landschaftsarchitektur: Vogt, Zürich
14 Visualisierung: Pyxel
13 Visualisierung: Lütjens Padmanabhan
15 Visualisierung: Archealizar
16 Visualisierung: Echt3D
17 Visualisierung: Virtual Design Unit
16 Theilerhaus
Das 1896 als Fabrikgebäude für die Herstellung von Stromzählern erstellte Theilerhaus wird umfassend modernisiert. Die geplanten Massnahmen wurden sorgfältig mit der historischen Bausubstanz in Einklang gebracht. Das denkmalgeschützte Haus behält seine Form, die Raumaufteilung sowie die Vertikalerschliessung im Innern werden für neue Nutzungen angepasst. Im Erdgeschoss ist ein Bistro vorgesehen, in den Obergeschossen zieht das kantonale Verwaltungsgericht ein. Ein Annexbau auf der Rückseite nimmt ebenerdig Küchennebenräume und die Anlieferung auf, unterirdisch werden die umfangreiche
Gebäudetechnik und Lagerflächen für die Gastronomie untergebracht. Aussenbereiche für das Bistro und eine terrassierte Treppenanlage bieten attraktive Aufenthaltsmöglichkeiten.
Generalplaner und Architektur: Arge Theilerhaus CST, Zug , und Eggenspieler, Zug
Landschaftsarchitektur: Ganz , Zürich
18 Visualisierung: Expressiv
17 Spinnerei an der Lorze
Das Spinnerei-Areal an der Lorze wird zu einem neuen Stadtteil mit 366 Wohnungen, Gewerbe, Cafés, Restaurants, Läden, Kultur und Freizeit entwickelt. Das geschützte Spinnerei-Gebäude erstreckt sich fast über die ganze Länge des Areals. Die historische Bedeutung der Spinnerei soll auch mit modernen und funktionalen Nutzungen erhalten bleiben. Durch die Verbindung von Alt und Neu entsteht ein Ort, der kultureller Treffpunkt und attraktiver Wohn- und Geschäftsstandort zugleich ist. Öffentliche Plätze, Grünflächen und Erdgeschosse, die von mehreren Seiten erreichbar sind, bilden einen einladenden Raum mit hoher Aufenthaltsqualität, der das Miteinander fördert.
Langgasse 40, Baar
Fertigstellung: Bezug Areal Süd 2029, Bezug Areal Nord 2030
Die Justizvollzugsanstalt ( JVA ) Bostadel in Menzingen wird im Rahmen eines Konkordats gemeinsam von den Kantonen Basel-Stadt und Zug betrieben. Sie wurde von 1972 bis 1977 erbaut. Seitdem gab es nur wenige bauliche Anpassungen, eine umfassende Sanierung ist erforderlich. Ein dreigeschossiger Neubau wird den Bedarf an spezialisierten Haftplätzen für ältere Gefangene und Langzeitverwahrte decken. Er wird mittig zum Hauptgebäude angeordnet. Die Ost-WestAusrichtung gewährleistet die gleichen optimalen Belichtungsverhältnisse wie in den Zellen des Hauptgebäudes, verhindert eine Verschattung der Bestandsbauten und schafft getrennte Aussenbereiche für den normalen und den spezialisierten Vollzug.
Bostadel 1, Menzingen
Fertigstellung: 2035
Arealfläche: 64 780 m2
Nutzung: Gefängnis mit Werkstätten
Bauherrschaft: Kantone Zug und Basel-Stadt
Architektur: Arge Eggenspieler, Zug, und Architecture + Aménagement , Luxemburg
Generalplaner: Caretta + Weidmann, Zürich
Landschaftsarchitektur: Goldrand, Zürich
Die Postmoderne prägt den Kanton, wie hier das Einkaufszentrum Metalli in Zug.
Golf als Volkssport: Der Golfpark in Holzhäusern ist ohne
exklusive Mitgliedschaft zugänglich –und bio divers gestaltet.
Doppelnutzung in Rotkreuz: Das Wasser der Badi dient auch als Löschwasser bei einem Brand des Tanklagers.
Mobilität à la carte
Dichter bauen, schneller nach Zürich: Ausgehend davon entwirft der Kanton Zug Mobilitätsperspektiven und zukunftsweisende Projekte bis hin zu einer Metro.
Auf dem Bahnhofplatz von Rotkreuz steht das ‹ Quartiermobil › der Gemeinde Ris ch, daneben brettern Kinder auf Velos über einen Parcours mit Wellen und kleinen Steilwandkurven. Damit legen sie den Begriff ‹ Verkehrsdrehscheibe › noch etw as weiter aus, als das sonst der Fall ist. Verkehrsdrehscheiben sind Orte, an denen mehrere Verkehrsträger aufeinandertreffen und das Umsteigen auf das geeignete Verkehrsmittel fördern. Rotkreuz, zwischen Luzern und Zug gelegen, ist ein Musterbeispiel dafür. Aus einem Eisenbahnknotenpunkt ist eine Kleinstadt entstanden. Der Branchenmix reicht von der Pharmaüber die Software- bis zur Bildungsindustrie – im Sommer 2025 hat die dritte Zuger Kantonsschule dort ihr en Betrieb aufgenommen.
Verkehrsdrehscheibe Rotkreuz
Rotkreuz ist charakteristisch für den Aufstieg des Kantons Zug an die Spitze der schweizerischen Wohlstandspyramide. Die Kleinstadt ist sehr gut an Luzern, Zug und Zürich angeschlossen: Die Autobahn A4 zwischen Zürich und Luzern / Gotthar d, die Hauptstrassen aus den Nachbarkantonen und die direkten Züge aus Zürich, Luzern und vom Flughafen bringen gemäss der kantonalen Statistik jeden Tag 40 00 0 Per sonen zur Arbeit oder zur Ausbildung nach Zug. Demgegenüber stehen nur 20 000 Zugerinnen, die ihren Wohnkanton zu diesen Zwecken verlassen. In der Mikrozensus-Haushaltsbefragung des Bundes von 2021 zum Mobilitätsverhalten wird der Kanton Zug mit seinen bald 130 00 0 Einwohnern und ähnlich vielen Arbeitsplätzen als zehntgrösste Agglomeration des Landes definiert. Dabei belegt er Spitzenplätze: Zug ist die einzige der zehn grössten Agglomerationen der Schweiz, in der mehr als 80 Prozent der Haushalte einen Personenwagen besitzen. Gleichzeitig haben 64 Prozent der Zuger ein Abonnement des öffentlichen Verkehrs – ein leicht höherer Wert als in der Agglomeration Zürich. Hier kann man sich Mobilität de luxe und à la carte leisten.
Am Bahnhof Rotkreuz frequentieren täglich mehr als 13 000 Per sonen die Perrons. Bus linien von Weggis und Küssnacht am Vierwaldstättersee bis nach Hochdorf im Seetal sorgen für attraktive Verbindungen aus den Nachbarkantonen Luzern und Schwyz Richtung Zug und Zürich. Wer vom Auto auf den Zug umsteigen will, findet mehr als 200 Park-and-ride-Plätze, und auch für Velos stehen Abstellplätze zur Verfügung. Bis 2029 werden die Verkehrsdrehscheibe und das weiterentwickelte Ortszentrum wie Teile eines Puzzles zusammengefügt. Das ist mustergültig. Der neue Wohn- und Bürokomplex, der an die Stelle des Bahnhofsgebäudes aus den 1970er-Jahren treten wird,
korrespondiert mit der Zentrumsplanung der Gemeinde. Sie sieht unter anderem einen Neubau für das Dorfzentrum mit Saal sowie bahnhofsnahes Wohnen vor.
Eine Pausenregel gegen den Durchgangsverkehr Dass Rotkreuz ein Magnet für das Umsteigen auf die Bahn geworden ist, hat mit zwei Angebotsschüben zu tun: Seit 1997 hält hier stündlich ein Schnellzug nach Zürich und einer nach Luzern. Und 2004 hat der Kanton Zug mit der viertelstündlich auf SBB-Gleisen und ihrer Hauptlinie Rotkreuz – Cham – Zug – Baar verkehrenden Stadtbahn ein Rückgrat für den Massenverkehr in seiner Stadtlandschaft geschaffen. Bezeichnend für den wohlhabenden Kanton war, dass er für die Investition von 67 Millionen Franken in zusätzliche Haltestellen nicht auf die Agglomerationsprogramme des Bundes gewartet, sondern das Vorhaben ohne Zustupf aus Bern finanziert hat.
2007 und 2009 hat die Zuger Stimmbevölkerung in Summe knapp eine halbe Milliarde Franken für zwei grosse Strassenprojekte bewilligt. Der Autobahnzubringer ‹ Tangente Zug – Baar › für das Ägerital und Menzingen wurde 2021 in B etrieb genommen. Noch im Bau ist die Umfahrung Cham – Hünenberg am nor dwestlichen Ufer des Zugersees. Sie soll 2027 eröffnet werden. Dass zwischen Beschluss und Eröffnung zwei Jahrzehnte ins Land gingen, liegt an Beschwerden und einem langen Ringen um geeignete flankierende Massnahmen. Damit soll sichergestellt werden, dass im Dorfzentrum von Cham die Zahl von heute rund 1000 Autos pro Spitzenstunde und Richtung um rund zwei Drittel auf 300 reduziert wird.
Ein vom Kanton lancierter und von den Gemeinden Cham und Hünenberg mitgetragener Mitwirkungsprozess brachte die Lösung. Man einigte sich darauf, dass Fahrten mit Motorfahrzeugen durch das Zentrum von Cham nur noch gestattet sein sollen, wenn diese einen Bezug zum Zentrum haben. Der reine Durchgangsverkehr soll vollumfänglich über die Umfahrungsstrasse abgewickelt werden, die unterbrechungsfreie Durchfahrt wird verboten. Ab 2027 müssen zwischen der Einfahrt und der Ausfahrt bei zwei verschiedenen Portalen mindestens zehn Minuten liegen. Wer das missachtet, wird gebüsst. Mit dieser elektronisch überwachten Pausenregel soll das Zentrum der 18 00 0-Seelen-Gemeinde für Fussgängerinnen und Velofahrer attraktiver werden, ohne dass Autos ganz ausgesperrt werden und die Erreichbarkeit des Zentrums verschlechtert wird.
Mehr ÖV, mehr Velos
Der Ansatz, Ortszentren durch die Verlagerung des Durchgangsverkehrs auf Umfahrungsstrassen aufzuwerten, gehört zu den Planungsgrundsätzen im Zuger Richtplan. Allerdings ist dieses Rezept nicht nur wegen der langen Realisierungsdauer solcher Projekte infrage gestellt,
Text: Paul Schneeberger
sondern auch, weil die Stimmbevölkerung 2024 einer Investition von rund einer Milliarde Franken für je eine Umfahrung in der Stadt Zug und in Unterägeri eine Absage erteilt hat. Zur grundlegenden Kontroverse, ob neue Strassen Verkehrsprobleme lösen oder verstärken, gesellte sich bei diesem Plebiszit die Frage der Dringlichkeit. Bei den Stimmberechtigten überwog die Skepsis – zusammen mit der Ablehnung der hohen Kosten und der Belastungen durch die Baustellen, wie eine Analyse deutlich machte. Als Reaktion auf das Verdikt soll nun geprüft werden, wie sich die Verkehrssituation in Zug, Baar und im Ägerital ohne Umfahrungsstrassen bewältigen lässt.
Basierend auf zwei Perspektiven konzipiert der Kanton Zug die Netzentwicklungen für den öffentlichen Verkehr und für den Veloverkehr. Zum einen geht er davon aus, dass sich das Ziel des kantonalen Richtplans erreichen lässt, wonach bis 2040 mindestens 85 Prozent des Wachstums von Bevölkerung und Beschäftigten in der Stadtlandschaft zwischen Rotkreuz, Cham, Steinhausen, Zug und Baar stattfinden soll. Zum anderen ver heisst der vom Bund grundsätzlich beschlossene ZimmerbergBasistunnel 2 zwischen Baar und Thalwil mehr und schnellere Verbindungen. Zwischen Zug und Zürich würden dann sechs schnelle Züge pro Stunde verkehren, und die Reisezeit würde weniger als 20 Minuten b etragen. Noch 2025 soll der Kantonsrat ein 530 Kilometer umfassendes Velowegnetz inklusive einer Velobahn im Richtplan verankern. « Für den öffentlichen Verkehr innerhalb des Kantons werden die Perspektiven noch ausgelotet », s agt Katja Krauer, Leiterin der kantonalen Abteilung Verkehrsplanung. In den nächsten Jahren sollen die Ergebnisse eines partizipativen Prozesses im Richtplan verankert werden. Dabei wurden verschiedene Optionen ausgelotet – von einer Weiterentwicklung des Bussystems über ein Tram und die Ergänzung der Stadtbahn bis hin zu Seilbahnen oder einer U-Bahn. Für den Planungshorizont bis 2040 steht ein Ausbau des Bussystems im Vordergrund. Auf den Hauptachsen soll dessen Qualität wo möglich durch Eigentrassen oder Bevorzugungen erhöht werden. Für einen weiteren Zeithorizont werden eine Metro in der Stadtlandschaft sowie ein neuer Ast der Stadtbahn ins Ägerital vertieft geprüft. D essen Integration in die Stadtbahn auf dem künftig noch stärker ausgelasteten SBB-Netz dürfte jedoch schwierig werden. Ein konkretes Modalsplit-Ziel ist mit diesen Perspektiven nicht verbunden. Grundlage ist das im Richtplan formulierte Ziel, die vorhandenen Verkehrsflächen möglichst den flächeneffizienten Verkehrsformen zuzuweisen.
Auch die Parkplätze verdichten
Zur Abstimmung von baulicher Verdichtung und Verkehr gehört auch eine höhere Effizienz beim Bodenbedarf für Parkplätze. Ansätze dafür sind etwa kombinierte Nutzungen oder Parkhäuser. Klein, aber fein ist die Lösung, die die Zugerland Verkehrsbetriebe und Coop 2009 für eine Zentrumsüberbauung in Unterägeri gefunden haben: Unter dem Gemeindesaal fahren tagsüber die Lastwagen für die Belieferung des Grossverteilers ein und aus, nachts dient die Halle als Depot für neun Busse. Primär ein Grossparkhaus mit 560 Autoabstellplätzen ist der unmittelbar bei einem Autobahnzubringer an der Stadtgrenze angesiedelte Mobility-Hub Zug Nord der Tech Cluster Zug AG. Sie hat sich dem Erhalt von Industriearbeitsplätzen in der Stadt Zug verschrieben. Dazu gehört die bauliche Weiterentwicklung von Industriearealen. Bestandteil davon ist die Verlegung von Parkplätzen vom V-Zug-Areal in den 2022 eröffneten, fünfgeschossigen Bau und deren Bewirtschaftung. Profitierten die Arbeit-
Wahl der Verkehrsmittel bei Arbeitspendlern
Anteil Personen
Stadtlandscha
Kanton Zug
Kanton Zürich
Schweiz
Anzahl Personen öffentlicher Verkehr ( ÖV ) motorisierter Individualverkehr ( M IV ) Langsamverkehr
Pendlerströme mit den Nachbarkantonen
Aargau
Luzern
Schwyz
Zürich
Zug
Tägliche Pendlerströme in die Stadtlandschaft Zug von der Stadtlandschaft Zug in die Nachbarkantone innerkantonal
Grosse Pendlerströme bei stadtähnlicher Verteilung der Verkehrsmittel Arbeitnehmerinnen in der Stadtlandschaft Zug setzen mehr auf Langsamverkehr als solche im Kanton Zürich, und zwar auf Kosten des ÖV. Im Kanton Zug ist der Anteil des MIV bedeutend höher als im Kanton 0 5000 10 000 15 000 20 000
Zürich oder in der Stadtlandschaft Zug. Von rund 120 000 Erwerbstätigen in der Stadtlandschaft pendelt ein Drittel aus den Nachbarkantonen zu, davon 16 500 aus dem Kanton Zürich und 12 500 aus dem Kanton Luzern. Innerhalb der Stadtlandschaft pendeln 19 000 Personen.
nehmer früher von Gratisparkplätzen und Wegentschädigungen, müssen sie nun Parkplatzgebühren entrichten. Finanziell belohnt wird nur noch, wer ohne Auto anreist. So soll der Anteil der Pendler mit Auto auf 40 Prozent gesenkt werden. Das grosse Parkhaus ist eine Wette auf eine Zukunft, in der das Auto weiterhin eine grosse Rolle spielt. Mit seiner Dimension trägt es auch einem Teil der erwarteten weiteren Nachfrage aus seinem Umfeld Rechnung. Seine Schöpfer und Betreiber definieren das Parkhaus als Infrastruktur, die « den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf effizientere und platzsparendere Verkehrsmittel wie Fahrräder, E-Bikes, E-Trottinette und öffentliche Verkehrsmittel » erleichtern soll, schreibt die Tech Zug AG. Derzeit sind 80 Prozent der Dauerparkplätze vermietet, und im Erdgeschoss sorgen eine trendige ‹ Eatery › und der traditionsreiche Handwerkermarkt Zug für Betrieb. Miet-Zweiräder für die letzte Meile ins Stadtzentrum fehlen noch, aber eine Ausschreibung läuft. Wer die nächste Haltestelle von Stadtbahn oder Bus sucht, muss das Smartphone zu Rate ziehen und dann fünf bis zehn Gehminuten einplanen. Für einen Veloparcours wie auf dem Bahnhofplatz in Rotkreuz ist hier kein Platz – es sei denn, man würde das oberste Parkdeck unter freiem Himmel dafür nutzen wollen. ●
Q uelle Diagramme: Wüest Partner, Bundesamt für Statistik ( S trukturerhebung )
Autos gehören ebenso zur Zuger Altstadt wie die historischen Gebäude.
Die Landschaft ist nie fern –wie hier in Hünenberg.
René Hutter
Seit 25 Jahren leitet René Hutter das Amt für Raum und Verkehr des Kantons Zug. Neben der klassischen Raumplanung, dem Natur und Landschaftsschutz und der Verkehrsplanung beschäftigt sich sein Amt seit 2019 mit den wohnpolitischen Fragen im Kanton. René Hutter hat Raumplanung am Institut ORL der ETH Zürich studiert und lebt in Oberwil bei Zug.
Brigitte Moser
Die Expertin für Historische Bauforschung und Baukultur ist Inhaberin eines Fachbüros in Zug und Präsidentin der Kommission für den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes. Brigitte Moser hat an der Universität Zürich im Bereich Historische Bauforschung promoviert und lebt in Zug.
Simon Kretz
Der Architekt und Städtebauer Simon Kretz ist Mitgründer und Partner bei Salewski Nater Kretz in Zürich. Er ist Mitverfasser des Masterplans für das LGAreal in Zug und CoHeraus geber des Buchs ‹ Urbane Qualitäten ›, 2016 erschienen in der Edition Hochparterre.
Wie weiter mit der Verdichtung ?
Bauzonen sind eingefroren, bezahlbare Wohnungen Mangelware. Für gutes Verdichten im Bestand braucht es Sorgfalt, Wagemut und prägnante Zielbilder.
Interview:
Maarit Ströbele häuser, die Anzahl fehlender Wohnungen und mangelnden Schulraum. Es geht aber auch um das Wo und Wie – Verdichtung ist auch eine Qualitätsfrage.
Der Kanton Zug wächst. Firmen suchen neue Mitarbeitende, Menschen wandern zu. Die Raumplanung muss diese Entwicklungen im Raum auffangen.
Plant der Kanton Zug richtig ?
René Hutter: Die Trennung in Nichtbaugebiet und Bauzone ist gut, aber in den letzten 10 bis 20 Jahren ist das Bauen immer schwieriger geworden. Es wird bewusst nicht mehr eingezont, der Druck auf den Bestand wird immer grösser. Salopp gesagt: In Zug kommen Bauten weg, die in Biel noch 20 Jahre bestehen würden. Wir können nicht darüber diskutieren, ob das gut oder schlecht ist, sondern müssen mit dem Druck umgehen. Zug hat sich verändert. Meine Generation mag gewissen Dingen nachtrauern, und für unsere Kinder ist es wieder anders. Die grosse Frage ist heute die Wohnpolitik. Wenn sogar ein junger Lehrer oder die Polizistin keine Wohnung mehr finden, läuft etwas falsch.
« In Zug kommen Bauten weg, d ie in Biel noch 20 Jahre bestehen würden. » René Hutter
Brigitte Moser: Der Ansatz, Siedlungs- und Nichtsiedlungsb ereich zu trennen, ist richtig. Als Historikerin denke ich jedoch in langen Zeiträumen. Früher waren die Bedingungen und die Ansprüche an den Raum andere. Heute geht es im Kanton Zug um Zuwanderung und deren Regulierung. Geplant wird die Verdichtung, man redet über Hoch-
Simon Kretz: Was jetzt gesagt wurde, ist typisch für die derzeitige Konjunkturphase. Gesucht ist ein kluger Umgang mit dem Wachstum. In einer Rezession machen die Städte alles, damit überhaupt etwas passiert. Im Kontext der Innenverdichtung wurden theoretische Dichten als Ziele für die Entwicklung im Bestand gesetzt. Nun wird aber deutlich, dass diese kaum realisierbar sind. Planungsprozesse sind komplex, Nachbarn machen Einsprachen. Im internationalen Diskurs denkt man mittlerweile immer lauter darüber nach, wieder einzuzonen, weil das angepeilte Siedlungswachstum innerhalb der Siedlungsgrenzen in der Praxis vielerorts gar nicht möglich ist. Das würde dann heissen: Stadterweiterungen wie in den 1930er-Jahren. Das widerspricht aber den aktuellen Planungsrichtlinien. Wie könnte im Bestand mehr gebaut werden ?
Simon Kretz: Das ist ortsabhängig. Bei Neuentwicklungen in Zentrumsgebieten sind grüne und nicht unterbaute Freiräume wichtig. Um Flächen und Altbauten freizuspielen, muss man in die Höhe bauen. Hätten wir im LG-Areal darauf verzichtet und etwa einen Blockrand geplant, wäre das auf Kosten des Bestands gegangen. Ab einer gewissen Dichte lohnen sich sogar Hochhäuser, vor allem an zentralen Orten.
Welche Ansätze prüft der Kanton Zug, um mehr Wohnraum und höhere Dichten zu schaffen ?
René Hutter: Es gibt wohnpolitis che Grundlagen der Raumplanung. Wir haben mit dem Regierungsrat mehr als 60 Massnahmen diskutiert, darunter die Einzonung von 100 Hektar Land für den Bau von preisgünstigen Wohnungen. Doch das lehnt der Regierungsrat ab, weil er die Erhaltung des Grünraums als wichtiger einstuft. Im Kanton Zug gehört das Land oft Korporationen, Bürger- oder Einwohnergemeinden, die kein Interesse daran haben, alles sofort zu überbauen. Das heisst, dass es eine Entwicklung nach innen geben wird. Dafür haben wir auch die Studie
‹ Standortfaktor Wohnen Zug › anfertigen lassen, die mit den ‹ weissen Zonen › einen neuen Denkansatz präsentiert siehe ‹ Wohnpolitik in Stadt und Kanton Zug ›, Seite 10 Vielleicht müssen wir zulassen, dass es an manchen Orten nicht mehr in erster Linie um Qualität geht, weil die Wohnungsnot dringlicher ist.
Brigitte Moser: Für ein nachhaltiges Bauen wäre ein hoher Qualitätsanspruch aber wichtig. Zudem sollten bestehende ortsbildprägende Strukturen respektiert werden. Es ist wichtig, mit Expertinnen auszuhandeln, was an einem Ort relevant ist. Im Industriequartier Guthirt etwa befinden sich auch geschützte Zeitzeugen wie die Untermühle. Die Wurzeln der Stadtzuger Industrie liegen hier. Die Metallwaren- und die Kistenfabrik sind bereits nicht mehr vorhanden. Es geht darum, die Identität eines Orts mit seinen prägenden Gebäuden und Strassenzügen aufzuspüren und diese qualitätsvoll weiterzuentwickeln. Es braucht Know-how über die ortsbauliche Situation. Das gilt auch für andere Gebiete in Zug.
Das Ziel ist klar: ortsbauliche Sorgfalt mit dem Wunsch zu vereinen, möglichst schnell möglichst viele neue Wohnungen zu bauen. Stossen heutige Planungsinstrumente an ihre Grenzen ?
Simon Kretz: Hohe Verdichtung mit Bestandserhalt zu kombinieren, verlangt enorm viel Aufwand, Energie und Knowhow. Die Frage ist, in welchem Massstab und in welchem Zeitraum ein Ziel erreicht werden soll. Im Bestand ist es kaum möglich, schnell die gewünschte Anzahl neuer Wohnungen zu bauen. Können wir parallel so viele komplexe Planungsprozesse durchführen, dass wir innerhalb einer angemessenen Zeit zu einer hohen Qualität kommen ? Wir brauchen heute viele Ressourcen und viel Planung für relativ wenig Nutzfläche. Wir haben kaum praktikable Werkzeuge, um so über Quartiere und Stadtteile nachzudenken und sie zu verdichten, wie wir es heute mit Arealen tun. Im Bestand kann man nicht machen, was man will. Unsere Instrumente sind für die Planung auf der grünen Wiese erdacht worden, nicht für den Umbau des Bestands. Wie kann man die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach mehr Verdichtung und Instrumenten, die nicht für den Umgang mit dem Bestand geeignet sind, verkleinern ?
Simon Kretz: Gestaltungspläne, die mehr Bebauung zulassen, unterwandern die harmonische Abgrenzung der Bauzonen schon heute und machen das Siedlungsbild heterogen. Eine Chance wäre die Stabilisierung der Siedlungsgrenzen mit Grünräumen. Das wäre dann wie bei einem Seeufer. Dort ist klar, wo das Bauland aufhört und wo der See anfängt. An solchen neuartigen Siedlungsrändern wäre das Wohnen sehr attraktiv und eine höhere Dichte möglich. Dagegen spricht nicht viel, aber es erfordert ein neues Bild der Stadtlandschaft. Ich plädiere für imaginative Ansätze anstatt der Frage, wo man gerade noch verdichten kann. Aktualisierte Leitideen sind gefragt. Welche Zielbilder für die gewünschte Verdichtung im Bestand gibt es ? Wie werden sie entwickelt ?
Simon Kretz: Heute projiziert man meist aus dem Bestand heraus. Wünschenswert wären anschauliche Zielbilder anstatt der blossen Zahl gewünschter zusätzlicher Wohnungen. Bilder machen die Entwicklung auch mit dem Herzen nachvollziehbar. Wenn zum Beispiel alle Grenzen zur Nichtbauzone zu parkartigen Wanderwegen umgestaltet würden, könnte man sich darunter konkret etwas vorstellen und das vielleicht auch gut finden. Der Gedanke an den möglichen Schattenwurf eines neuen Gebäudes auf der benachbarten Parzelle dagegen verursacht Stress.
René Hutter: Im Kanton Zug gibt es zurzeit ein prioritäres Ziel: den Bau preisgünstiger Wohnungen. Das dominiert alle politischen Diskussionen, alles andere ist sekundär.
Entwicklung der Flächennutzung
Stadt Zug
1985–1997
1997–2009
2009–2018
Stadtlandscha
1985–1997
1997–2009
2009–2018
Kanton Zug
1985–1997
1997–2009
2009–2018
Schweiz
1985–1997
1997–2009 2009–2018
Gewässer unproduktive Fläche Grünfläche Verkehrsfläche Gebäude
Q uelle: Wüest Partner, Bundesamt für Statistik ( A realstatistik )
Selbst wenn es eine Wirtschaftskrise geben sollte, liegt Zug immer noch zentral im Entwicklungskorridor zwischen Zürich und Luzern und bleibt begehrt.
Brigitte Moser: Bleibt das Ziel der Planung in Zug immer gleich ? Die Demografie beschäftigt mich. In allen westlichen Industrienationen schrumpft die Bevölkerung wegen der schnell sinkenden Geburtenraten. Und wenn die Babyboomer nicht mehr da sind, verschärft sich diese Tendenz noch. Wie wirkt sich das auf die Zuwanderung aus ? Wir müssen jetzt bauen, aber was bedeutet das in 20 Jahren ? Sich dies er Frage anzunehmen, ist auch eine politische Aufgabe. Das Bauen reagiert, gleichzeitig ist nicht klar, ob die heutigen Entwicklungen für immer so weitergehen. Ein weiteres Thema ist der Grünraum. Passt sich der Kanton Zug genügend an den Klimawandel an ?
René Hutter: Gemäss unserer Hitzekarte sind Hitzeinseln dank der Kaltluftströme vom Zugerberg und dem See, der im Sommer kühlt und im Winter wärmt, kein so grosses Problem wie anderswo. Daher ist die Frage des Stadtklimas in Zug etwas weniger virulent. Man ist auch schnell draussen. Die gesicherten Grünflächen in der Lorzenebene sind unser Central Park. Schattige Strassenräume und Plätze sind ebenfalls wichtig.
Grünflächenverlust abgebremst Die Gebäudefläche nimmt auf Kosten der Grünfläche zu. Seit dem Einzonungsstopp von Bauland 2012 hat sich der Grünflächenverlust verlangsamt – am stärksten in der Stadtlandschaft, wo die Dynamik am grössten ist. →
Brigitte Moser: Grünraum ist auch Gemeinschaftsraum. Als Einwohnerin wünsche ich mir verbesserte Plätze, Parks und kleine Oasen in der Wohnumgebung. Da gibt es in Zug Luft nach oben. Der Umbau des Postplatzes etwa ist eine verpasste Chance: Er ist eine Kreuzung mit Parkplätzen geblieben, anstatt zum baumbestandenen Stadtplatz zu werden. Beim öffentlichen Raum geht es aber nicht nur um mehr Bäume, sondern ganz allgemein um die Gestaltung. Zug hat nach wie vor ländliche Strukturen. Mittendrin liegt die Stadt, die in den vergangenen Jahren explodiert ist, aber keine lange urbane Geschichte wie Zürich oder Luzern hat. Man ist immer noch nah an den Grünzonen. Auch innerhalb des Siedlungsraums muss man an die Natur denken.
« Bilder machen die Entwicklung auch mit dem Herzen nachvollziehbar. » Simon Kretz
Welche Rolle spielen städtische Tradition und Geschichte in der Planung ?
Simon Kretz: Historisch gewachsene Städte haben eine Tradition, mit Verdichtung umzugehen. In eher ländlichen Gemeinden, die plötzlich Verdichtungsstress erleben, ist das schwieriger. Dort fehlen die historischen Raumbilder und das Selbstverständnis, Erweiterungen zu planen. Im Kanton Zug sieht man das etwa in Ägeri. Ein Dorf kann nicht einfach um ein Vielfaches wachsen und dabei weiterhin ein Dorf bleiben. In Dörfern ist man sich eher gewohnt, mit kleineren Interventionen und Verbesserungen zu agieren und weniger mit substanziellen Erweiterungen und Verdichtung, dort gibt es diesen offensichtlichen Quantensprung nicht. Und trotzdem wird ein Ort schrittweise zu einer halben Stadt. Wenn solche Dichtesprünge passieren, braucht es auch Infrastrukturen wie Bäckereien und Schulen. In Rotkreuz zum Beispiel wird die Stadtexplosion begleitet und geplant.
Brigitte Moser: Das sieht man auch in Zug: Man ist zeitlich überfordert, weil man mit neuen Einwohnerinnen und Arbeitsplätzen überschwemmt wird. Führen die Geschwindigkeit und der Druck nicht auch zu ganz eigenen Qualitäten ?
Brigitte Moser: Zug hat schon in früheren Boomphasen aktiv geplant. Das führte zu ganz eigenen Quartierstrukturen, die oft recht dicht und prägend bebaut wurden, etwa in der Bahnhof- und der Baarerstrasse oder in der Herti.
Simon Kretz: Räumliche Explosionen können durchaus eine Chance sein. Man wird sich des Quantensprungs bewusst und fängt an, anders zu denken und aktiver zu planen. Die Resultate früherer prägender Boomphasen schätzt man meist erst später. Man kennt sie aus Büchern, Bildern, der täglichen Erfahrung. Räume brauchen Zeit, um angeeignet und schätzen gelernt zu werden.
René Hutter: Das stimmt. Auch heute s chaffen wir Räume, die erst in Zukunft ein Heimatgefühl auslösen werden.
Brigitte Moser: Man muss die Geschichte weiterschreiben, darf die Geschichte, die bereits geschehen ist, aber nicht negieren. Im Siedlungskontext ist es wichtig, den Bestand einzubeziehen, sonst droht ein Identitätsverlust, und dann fühlen sich viele Menschen nicht mehr wohl. Wesentlich ist, zu erkennen, was man hat.
Dafür gibt es qualitätssichernde Verfahren, Inventare und die Denkmalpflege. Wie kann man auch die Wieder- und die Weiterverwendung weniger prominenter Teile des Bestands stärken ?
René Hutter: Ich bringe das Beispiel der vier S cheibenhäuser in Inwil. Das Siegerprojekt sieht einen vollständigen Abbruch mit anschliessenden Neubauten vor. Eines der Wettbewerbsprojekte wollte zwei der Häuser erhalten, obwohl das nicht in den Vorgaben stand. Die hochkarätige Jury entschied anders. Die Debatte um Erhaltung und Nachhaltigkeit hat man vor sechs Jahren wohl zu wenig antizipiert.
Brigitte Moser: Bautypologisch ist die alte Siedlung attraktiv, auch wenn die Wohnungen den heutigen Ansprüchen nicht mehr in jeder Hinsicht genügen. Aber Häuser prägen die Umgebung über Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Man darf sich also Zeit nehmen, sich Gedanken darüber zu machen, ob man sie einfach abbricht.
Simon Kretz: Auf dem LG-Areal erhalten wir mehrere Gebäude. Der Hebel war, sie nicht zur Ausnützungsziffer zu zählen. Das gibt spannende Anreize, der Bestand wird zum ‹ Extra Value ›, und man investiert gerne in die Renovation. Ausnützungsboni und Umbaunormen wären gut und führen zu eleganteren Rahmenwerken. Quartierteile bewahren und damit die Identität stärken. Das perfekte Rezept zum Weiterbauen ?
René Hutter: Zurzeit geht der Wunsch nach mehr Wohnungen vor. Es wird rege diskutiert, auch über Lärm, Grundwasser, ISOS und Kreislaufwirtschaft. Aber all diese Erschwernisse – oder Garanten der Lebensqualität – beschränken die Planung. Ich wüns che mir manchmal etwas weniger Komplexität, weniger Dogmatismus, dafür gute Begründungen und Interessenabwägungen. Man hat schon sehr stark auf die Sonderbauweise gesetzt. Wenn sie zur neuen Normalität wird, müsste man die Regelbauweise verändern, damit nicht jede Parzelle zur Sonderregel wird.
« Verdichtung ist auch eine Q ualitätsfrage. » Brigitte Moser
Brigitte Moser: Identität ist wichtig: Was macht uns aus ? Das betrifft im Kanton Zug auch die jüngeren Baudenkmäler, die nicht geschützt sind, weil das Inventar nur bis 1975 geht. Das Denkmalschutzgesetz ist ohnehin kein kräftiges Werkzeug, und bei diesen Objekten greift es gar nicht. Eine starke Vermittlung ist wichtig, damit den Menschen klar wird, welche Qualitäten Gebäude aus den 1970er- und 1980er-Jahren bieten.
Simon Kretz: Identifikationsprozesse mit Räumen hängen aber nicht nur mit dem zusammen, was schon da ist. Man kann sich auch mit Dynamik identifizieren. Eine Gesellschaft kann sich als dynamisch charakterisieren und Veränderung positiv sehen, als Aufbruchstimmung. Man muss sich mit dem Bestand auseinandersetzen, aber auch Dynamik zulassen. Wie kann man einen dynamischen Prozess attraktiv machen und damit zur Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Lebensraum beitragen ? ●
Erntezeit
Der Kanton Zug hat sich schneller und stärker entwickelt als die restliche Schweiz. Schon früh hat Zug Siedlungsbegrenzungslinien, die Stadtbahn und ein Wohnförderungsgesetz eingeführt. Dennoch stösst die Verkehrsinfrastruktur an ihre Kapazitätsgrenzen, und Teile der Bevölkerung können sich die Wohnungen nicht mehr leisten. Dieses Themenheft blickt auf die aktuellen Herausforderungen des Kantons.
In Zusammenarbeit mit:
Mit freundlicher Unterstützung von:
Sie lesen lieber auf Papier? Dieses Themenheft hier bestellen.
Lust auf mehr Architektur, Planung und Design? Hochparterre abonnieren!