Für Entscheidungsträger*innen – Das Wichtigste in Kürze
Für Entscheidungsträger*innen – Das Wichtigste in Kürze Einleitung Unser ungebremster Bedarf an Rohstoffen und Energie, eine steigende soziale Ungleichheit, eine sich verselbstständigende Finanzwirtschaft sowie die zunehmende Beschleunigung in unserem Alltag bringen unsere Gesellschaft an den Rand von Belastbarkeitsgrenzen: ökologische, soziale und wirtschaftliche. Auch wenn sich beim Erscheinen dieses Working Papers die öffentliche Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die sozialen und ökonomischen Auswirkungen der Corona-Pandemie richtet, darf nicht vergessen werden, dass diese vielfältigen Krisenphänomene sich bereits seit längerem ankündigten und miteinander in Zusammenhang stehen. Die Bewältigung dieser multidimensionalen Probleme erfordert einen grundlegenden Wandel unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Wir Autor*innen dieses Berichts sind überzeugt, dass eine Neugestaltung der Arbeitswelt sowie eine Neugewichtung von Erwerbsarbeit zentrale Bestandteile einer solchen sozial-ökologischen Transformation sind. Bisherige Bemühungen, den ökologischen Folgen unseres Wirtschaftens zu begegnen, setzten insbesondere auf isolierte technische Lösungen der Effizienzsteigerung und den Ausbau erneuerbarer Energien. Diese Bemühungen werden jedoch nicht ausreichen, um adäquate Lösungen im Hinblick auf die Mehrdimensionalität der aktuellen Krisen zu finden. Vielmehr ist eine suffizienz-orientierte Transformation notwendig. Dies bedeutet nicht nur eine relative Verringerung, sondern eine absolute Entkopplung unseres materiellen Wohlstands vom Verbrauch natürlicher Ressourcen, indem der Ressourcenverbrauch gesamthaft gesenkt wird und neue, immaterielle Auffassungen von Wohlstand hervorgehoben werden. Dabei wird die Rolle der Erwerbsarbeit aktuell auf verschiedene Weise diskutiert. Einerseits wird Erwerbsarbeit als Problemtreiberin identifiziert und die daraus entstehenden Probleme analysiert. Andererseits wird insbesondere die Reduktion von Erwerbsarbeitszeit als möglicher Lösungsweg von verschiedenen Autor*innen aufgegriffen und untersucht. Wir nehmen diese Debatte auf und streben in diesem Bericht an, mögliche Implikationen daraus für die Schweiz abzuleiten. Wir wurden dabei von der Frage geleitet, inwiefern eine Erwerbsarbeitszeitreduktion für die Schweiz einen Beitrag zu einer suffizienz-orientierten Transformationsstrategie im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung darstellen könnte. Wir untersuchten dazu, basierend auf einer umfassenden Literaturrecherche, in einem ersten Schritt die aus unserer Sicht zentralen Herausforderungen und Trends der Erwerbsarbeitssituation in der Schweiz (Kapitel 2). In einem zweiten Schritt stellen wir den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Debatte zu möglichen Vorteilen verkürzter Erwerbsarbeitszeiten aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Perspektive dar (Kapitel 3). Darauf basierend formulieren wir Vorschläge, wie eine mögliche sozial-ökologische Arbeitszeitpolitik für die Schweiz aussehen könnte (Kapitel 4).
Erwerbsarbeit in der Schweiz – aktuelle Herausforderungen Folgende Merkmale der aktuellen Situation sowie möglicher Trends sind aus unserer Sicht in Hinblick auf eine sozial-ökologische Transformation besonders relevant: Ungleichverteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern: Die Schweiz verfügt mit knapp 42 Stunden wöchentlicher Normalarbeitszeit über eine der höchsten in Europa. Auch der Anteil von 35% Teilzeitarbeitenden ist eine der höchsten Quoten in Europa. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch eine Spitzenreiterposition der Schweiz in der äusserst starken Ungleichverteilung von Vollzeit und Teilzeitarbeit sowie bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern: Frauen arbeiten mehrheitlich Teilzeit und leisten den Hauptteil der unbezahlten Sorgearbeit (Haushalt, Betreuung). Diese Diskrepanz widerspiegelt sich nicht nur in geringerer Wertschätzung, sondern auch in niedrigerer sozialer Absicherung. Die Schweiz ist von einer sogenannten Geschlechtergerechtigkeit bei der Verteilung von Arbeit noch weit entfernt. Eine sich verändernde Einstellung zu Erwerbsarbeit: Gerade bei jüngeren Arbeitnehmenden gewinnen das eigene Wohlbefinden, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit an Bedeutung, was sich im zunehmenden Bedürfnis nach Flexibilität und Autonomie in der Erwerbsarbeitszeitgestaltung, wie auch im Wunsch nach Teilzeitarbeit manifestiert.
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