Im Zwillingsschock | Corona und Krieg gefährden Erholung der Weltwirtschaft 21/06/2022
Internationalen Finanzinvestoren ziehen Kapital aus China ab Zu Beginn des Jahres wurde Kapital im zweistelligen Milliardenbereich (in US-Dollar) aus China abgezogen. Betroffen waren sowohl chinesische Staats-, Bank- und Unternehmensanleihen als auch Aktien. Auslöser waren vor allem die drakonische Covid-19-Beschränkungen, die geopolitischen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine, anhaltende Spannungen zwischen den USA und China und die Nachwehen der regulatorischen Eingriffe, vor allem im chinesischen Tech-Sektor. Auch der Wert der Wagniskapitalfinanzierungen ist in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 44 Prozent auf 24,7 Milliarden US-Dollar gesunken. Das ist fast doppelt so hoch wie der Rückgang in den USA und fast viermal so hoch wie der weltweite Rückgang. Im Jahr 2021 erreichte China trotz des harten Durchgreifens der Regierung einen Rekord von mehr als 130 Milliarden USDollar an Wagniskapitalinvestitionen. Die von der US-Notenbank eingeläutete Zinswende wird darüber hinaus zusätzlichen Druck auf Chinas Kapitalmärkte ausüben und könnte zu einem ernsthaften Risiko für Chinas weitere Wirtschaftsentwicklung werden. Politische Weichenstellung Bereits auf der jährlichen zentralen Wirtschaftsarbeitskonferenz im Dezember 2021 hatte die Regierung drei hauptsächliche Herausforderungen für die Wirtschaft identifiziert und auf den „Zwei Sitzungen“ im März 2022 nochmals bestätigt: Nachfrageschwäche, Angebotsschocks und nachlassende Erwartungen. Die jüngsten Wirtschaftszahlen bekräftigen dieses Bild. Die Regierung beharrt in diesem Jahr indes weiter auf Sicherheit und Stabilität, auch wenn das starre Festhalten an der Null-CovidStrategie massive Folgen für die Wirtschaft nach sich zieht. Politisch wird der Umgang mit Corona, das seit Mitte 2020 weitestgehend unter Kontrolle gehalten werden konnte, zum unlösbaren Dilemma. Nach den Lockdowns ist die Geduld in weiten Teilen der betroffenen Bevölkerung am Ende und der Unmut mit der Politik wächst gerade in Städten wie Shanghai, die von besonders harten und langanhaltenden Maßnahmen getroffen wurden. Allerdings würde eine weitflächige Verbreitung von Omikron das Gesundheitssystem überlasten und zu zahlreichen Toten führen, insbesondere da die Impfquote beim älteren Teil der Bevölkerung zu niedrig ist. Vor allem aber möchte die Regierung vor dem Parteitag im Herbst mit der anstehenden Wiederwahl von Xi Jinping für eine dritte Amtszeit die politischen Kosten eines Kurswechsels vermeiden. Ausblick für die zweite Jahreshälfte Das Wachstum wird auch in der zweiten Jahreshälfte mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den CoronaMaßnahmen leiden, da eine grundlegende Abkehr von Zero-Covid derzeit nicht abzusehen ist. Zur Unterstützung der Wirtschaft hat die chinesische Regierung bereits eine Reihe von Maßnahmen angekündigt bzw. initiiert. Ob diese ihre Wirkung rechtzeitig entfalten können, bleibt abzuwarten. Weitere Zinssenkungen der PBoC sind nicht auszuschließen, hier verfügt die chinesische Regierung noch über deutliche Spielräume. Für kleine und mittlere Unternehmen wurden bereits Steuersenkungen angekündigt. Der größere Fokus auf Infrastrukturinvestitionen wird vermutlich mit einer weiteren Verschuldung des Staatssektors – gerade auf lokaler Ebene – einhergehen. Der Immobilienmarkt wird vermutlich nur wenig zur Stützung der Wirtschaft beitragen können und auch über dem Außenhandel schwebt aufgrund der geopolitischen Spannungen, allen voran mit den USA und der EU, ein Damoklesschwert.
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