Globaler Wachstumsausblick 06/2022: Im Zwillingsschock

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Im Zwillingsschock | Corona und Krieg gefährden Erholung der Weltwirtschaft 21/06/2022

Starke Inflationsdynamik im transatlantischen Raum Der Ukraine-Krieg hat den Ausblick auf die Inflationsentwicklung grundlegend verändert. Während vor dem Krieg zwar noch ein Anstieg der Inflationsraten angesichts Angebotsengpässen und kräftigem Wachstum plausibel erschien, ist seither in kürzester Zeit durch den Anstieg der Preise für Energieund Agrarrohstoffe sowie für einige Metalle die Dynamik unverkennbar. Die Angebotsengpässe in der Produktion von Zwischengütern haben sich ebenfalls wieder verschärft. Gleiches gilt für die Störungen im internationalen Transport- und Logistikgeschehen in der Folge von Sanktionen gegen Russland, der Sperrung des russischen Luftraums und Problemen in Transport und Logistik in der Volksrepublik China in Folge der Null-Covid-Strategie. Ein solch breiter Anstieg der Inputpreise hat in der Folge in einer Vielzahl von Branchen weltweit zunächst zur Margenkompression oder Produktionsdrosselung geführt, der nun Schritt für Schritt der Anstieg der Produzentenpreise und letztlich auch in geringerem Umfang der Konsumentenpreise folgen wird. Die OECD schätzt, dass etwa 40-50 Prozent des Preisanstiegs in die Konsumentenpreise überwälzt werden dürfte. Während die Industrieländer 2020 nur eine Inflationsrate von 0,7 Prozent aufwiesen, wurden 2021 gut drei Prozent erreicht. In diesem Jahr werden nun außerordentlich hohe Steigerungsraten erwartet. Der IWF (IWF 2022) rechnet damit, dass die Inflation in den Industrieländern dieses Jahr 5,7 Prozent betragen wird, während für die Entwicklungs- und Schwellenländern mit 8,7 Prozent gerechnet wird (ein Zuschlag von 1,8 bzw. 2,8 Prozentpunkten seit Januar). Die Kernraten sind jüngst auf vier Prozent für Industrieländer und auf fünf Prozent für Entwicklungs- und Schwellenländer angestiegen. Der Währungsfonds rechnet schon für das nächste Jahr mit einer Beruhigung und einem Rückgang der Raten auf 2,5 bzw. 6,5 Prozent. Die OECD rechnet für die Vereinigten Staaten mit einer Inflationsrate von 6,2 Prozent im Jahresdurchschnitt, für den Euroraum von 6,1 Prozent, gefolgt von etwa drei Prozent im nächsten Jahr (OECD 2022). Die Inflation ist vor allem in den USA, im Vereinigten Königreich und in den mittel- und osteuropäischen Staaten besonders rasch angestiegen, in Europa stärker infolge der Gaspreise, in den USA eher aufgrund des Ölpreises. In fast allen Ländern stieg zudem die Inflationsrate im Dienstleistungsbereich, weil mit der Normalisierung der Aktivität und der Öffnung Coronabeschränkten Aktivitäten zunächst Arbeitskräfte knapp waren. Gleichwohl steigen auch die Risiken, dass Haushalte und Finanzmärkte dauerhaft höhere Inflationsraten erwarten und die Löhne kräftiger steigen werden. In der Regel liegen die Ursachen für das Inflationsgeschehen außerhalb der Kontrolle der Geldpolitik. In den USA ist vor allem die sehr expansive Finanzpolitik der Biden-Administration ein eigener Faktor gewesen, während in Europa keine allgemeine Situation einer zu starken fiskalpolitischen Expansion anzutreffen ist. Insofern haben die Notenbanken in den USA und in Europa nun einen schweren Stand. Seit langer Zeit steht nun erstmals wieder die Aufgabe an, durch eine geldpolitische Normalisierung in Verbindung mit einer Reduktion von Anleihekäufen und Zinserhöhungen die Nachfrage zu drosseln. In jedem Währungsraum wird dabei differenziert vorgegangen werden müssen, da sowohl die Treiber als auch die Ergebnisse unterschiedlich sind. Eine Ausnahme stellt China dar, denn dort lockert die Notenbank die Geldpolitik, da die Wirtschaft durch die Lockdowns erheblich geschwächt worden ist. Japan entzieht sich zwar nicht dem Trend, aber da die Inflationsrate noch unter zwei Prozent liegt, sind noch keine größeren Sorgen aufgetreten.

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