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36 RETAIL

Freitag, 12. März 2021

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© APA/Hans Punz

Aufklärung versprochen Über 100 Mio. Masken hat Hygiene Austria laut Geschäftsführer Tino Wieser seit Mai 2020 produziert, nur ein kleiner Teil davon sei zugekauft worden.

Palmers spricht, Lenzing schweigt Nach Betrugsvorwürfen flogen die Masken von Hygiene Austria bei vielen Händlern prompt aus dem Sortiment. ••• Von Paul Hafner WIEN/WR. NEUDORF. Ende April des vergangenen Jahres kündigten Faserhersteller Lenzing und Textilkonzern Palmers die gemeinsame Produktion von Schutzmasken in Wiener Neudorf an: Das Joint Venture Hygiene Austria, dessen Grundstein vor genau einem Jahr (12. März 2020) per Eintrag ins Firmenbuch gelegt wurde, plante, monatlich eine Anzahl von 12 Mio. Stück Mund-Nasen-Schutzmasken herzustellen, eine Menge, die man bald auf 25 Mio. Masken steigern wollte. Medial mutierte das Unterfangen rasch zum österreichischen Vorzeigeprojekt: Bundeskanzler Sebastian Kurz richtete seinen Dank per Videobotschaft aus, Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger (alle ÖVP) lobten „die Produktion hochwertiger

Schutzmasken“ am Standort in Wiener Neudorf. Ein Jahr später ist die Zukunft der Hygiene Austria unklar, ihr Ruf jedenfalls ruiniert: Infolge der Betrugsvorwürfe regnet es statt lobender Worte Hohn, Spott und Kritik. Entfaltung des Skandals In der Vorwoche wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt­schaft (WKStA) Hausdurchsuchungen am Produktionsstandort sowie am Firmensitz in Wien durchgeführt hat – im Raum steht der Verdacht auf schweren gewerbsmäßigen Betrug (Umetikettierung chinesischer Masken zu österreichischen) und organisierte Schwarzarbeit (die „Umpacker“ sollen unangemeldet beschäftigt gewesen sein). Eingestanden wurde vonseiten der Hygiene Austria bislang, dass „zu Spitzenzeiten“ Masken aus China zugekauft worden

seien, während Vorwürfe bezüglich Schwarzarbeit und Betrug zurückgewiesen wurden. Während sich Palmers-Chef Tino Wieser den Medien stellte, Aufklärung versprach und für die „hohe Qualität“ aller ausgelieferten Masken bürgte, ja sogar die gänzliche Übernahme des Unternehmens in Aussicht stellte, will man beim Partner Lenzing nichts mehr von der unangenehmen Causa wissen: Der Mehrheitseigentümer zog seine beiden Geschäftsführer ab, Pressesprecher Johannes Vetter richtete der APA lediglich aus, die Vorgänge rund um die Hygiene Austria nicht weiter kommentieren zu wollen. Händler stoppen Verkauf Große Handelsketten wie Spar, Rewe und dm reagierten jedenfalls rasch auf die Vorwürfe und stoppten vorerst den Verkauf der verrufenen FFP2-Masken aus dem Hause Hygiene Aust-

ria. Es gehe nicht um Qualitätsprobleme, man reagiere jedoch auf einen Vertrauensverlust, begründete Rewe-Sprecherin Ines Schurin den Schritt. „Es ist eine Kassensperre eingerichtet und die Ware wird aus den Regalen geräumt“, fand auch Spar-Sprecherin Nicole Berkmann klare Worte, die darüber hinaus weitere Geschäftsbeziehungen mit Hygiene Aus­tria

Wir weisen Betrugs­ vorwürfe aufs Schärfste zurück. Hygiene Austria hat finanzielle Einbußen in Kauf genommen, um Lieferzusagen bedienen zu können. Tino Wieser Hygiene Austria

kategorisch ausschloss. Auch rechtliche Schritte behalte man sich vor. Seitens Hygiene Aus­ tria wurde indes eine „Transparenzoffensive“ angekündigt – es bleibt abzuwarten, was diese zutagefördert.


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