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Das Bergbaudrama als Medienereignis

Die ganze Welt hat vergangen Oktober auf Chile geblickt. Die Rettung der dreiunddreißig Bergleute, die in 700 Metern Tiefe in der Mine von San José eingeschlossen waren, hat wochenlang die internationalen Schlagzeilen beherrscht. Obwohl im Vergleich zu anderen Großereignissen verhältnismäßig wenige Menschen betroffen waren und obwohl es weder Tote noch Verletzte gegeben hat, meine ich, dass das Ausmaß der Berichterstattung gerechtfertigt war. Die Faszination der Weltöffentlichkeit erklärt sich wohl durch die fast romanhafte Dramatik der Ereignisse. Das tragische Unglück am 5. August, die überraschende Entdeckung der Verschütteten nach 17 Tagen bangen Wartens und schließlich nach Wochen das Happy End, die spektakuläre Bergung der Minenarbeiter. Laut chilenischem Staatsfernsehen haben bis zu einer Milliarde Menschen weltweit die Bilder der Bergung live verfolgt. Doch die Berichterstattung über das Bergwerksunglück in Chile hat noch weit mehr Facetten beleuchtet als die letzten Stunden der Rettung: Von den Reality-TV-artigen Bildern der Bergleute während ihrer Gefangenschaft unter Tag, über die internationale Zusammenarbeit bei der Rettungsaktion und die einzigartige Stimmung im Camp der Hoffnung, bis hin zu den menschenunwürdigen Bedingungen im chilenischen Bergbau und zu der chilenischen Politik, die das Ereignis geschickt genutzt hat, um eine Art Nationalismus-Schub in Chile zu erzeugen.


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