Norddeutsches Handwerk 02/2024

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128. Jahrgang | Nr. 02 | 16. Februar 2024

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Wirtschaftszeitung der Handwerkskammer Oldenburg

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Entlastung durch die eAU? Susanne Matthies spĂŒrt davon nichts in ihrem Handwerksbetrieb. Sie fordert Änderungen am Verfahren – damit ist sie nicht allein.

signal-iduna.de/handwerk

Was Chefs dĂŒrfen Corona, Grippe, banale Infekte: Die Krankheitswelle rollt. Wir klĂ€ren ĂŒber IrrtĂŒmer auf. Seite 2

Foto: Anna-Maja Leupold

eAU treibt AufwĂ€nde hoch enn sich Mitarbeitende von Susanne Matthies frĂŒher krankgemeldet haben, war das fĂŒr die Handwerksunternehmerin mit wenig Aufwand verbunden: „Meine Mitarbeiter haben mich morgens angerufen, sind zum Arzt gegangen und haben anschließend den gelben Schein geschickt.“ Durch die EinfĂŒhrung der elektronischen ArbeitsunfĂ€higkeitsbescheinigung (eAU) sei das anders geworden, berichtet die Chefin eines SHK-Betriebs aus Laatzen bei Hannover.

Foto: Privat

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Stress vermeiden

Mehr Kommunikation notwendig

Chiara Burgdorf, GeschĂ€ftsfĂŒhrerin einer Dachdeckerei, begrĂŒĂŸt offene Kommunikation mit Kunden. Seite 3

Seit etwas mehr als einem Jahr mĂŒssen Betriebe die Krankmeldungen ihrer Mitarbeitenden digital bei den Krankenkassen abrufen. „Diese Neuerung hat die AufwĂ€nde im Betrieb massiv in die Höhe getrieben“, sagt Matthies. „Wenn es schlecht lĂ€uft, dann sind wir mehr als eine Stunde mit einer Krankmeldung beschĂ€ftigt.“ Der Grund: Matthies und ihre BĂŒromitarbeiterin mĂŒssen jetzt mehr mit ihren Mitarbeitenden und ihrem SteuerbĂŒro kommunizieren, Informationen einholen und teilen. Wie auch viele andere Handwerksbetriebe hat die Unternehmerin ihre Lohnbuchhaltung outgesourct. Das bedeutet: Ihr Steuerberater kĂŒmmert sich um den eAU-Abruf, wenn einer der 17 Mitarbeitenden arbeitsunfĂ€hig ausfĂ€llt. Damit das SteuerbĂŒro eine Abfrage bei der Krankenkasse starten kann, benötigt es Informationen, die sie selbst erst einmal besorgen muss, berichtet Matthies: „Nach dem Arztbesuch muss ich bei den Mitarbeitern den Beginn und das voraussichtliche Ende der ArbeitsunfĂ€higkeit abfragen und ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt.“ Die Infos schickt sie per Mail an den Steuerberater. Der fragt dann die eAU digital bei der Krankenkasse ab – was Matthies pauschal zehn Euro pro Abfrage kostet. Damit ist fĂŒr den Handwerksbetrieb das Thema jedoch lĂ€ngst nicht erledigt: „Meine Mitarbeiterin bereitet die Lohnabrechnung fĂŒr das SteuerbĂŒro vor“, sagt Matthies. Neben geleisteten Arbeitsstunden und Urlaubstagen mĂŒsse sie auch die Fehltage mit Attest auflisten. „Das ist fĂŒr die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wichtig, wir kennen aber nur die tatsĂ€chlichen Fehltage“, erlĂ€utert die Unternehmerin. Daher mĂŒsse ihre Mitarbeiterin sich mit dem SteuerbĂŒro in Verbindung setzen, die Daten abgleichen und gegebenenfalls die interne Dokumentation Ă€ndern. „Wenn

Attraktiver Arbeitgeber Offene Stellen bleiben unbesetzt? Wie Sie das in drei Schritten Àndern können, erfahren Sie hier. Seite 5

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Hilfe von Senioren Kostenlose Hilfe der Initiative VerA Plus fĂŒr Auszubildende Seite 15

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Mit BĂŒrokratie hat Susanne Matthies schon genug zu kĂ€mpfen, sie braucht nicht noch MehraufwĂ€nde durch die eAU.

es schlecht lĂ€uft, ist meine Mitarbeiterin damit bis zu einer halben Stunde beschĂ€ftigt“, berichtet Matthies. Das ist Zeit, die im Betrieb an anderer Stelle fehlt – zum Beispiel fĂŒr Angebote. Außerdem fallen durch den Mehraufwand Kosten an: „Pro Krankmeldung sind das bis zu 73 Euro.“

Was die Unternehmerin fordert Matthies meint deshalb: „Die Holschuld der Arbeitgeber muss zu einer Bringschuld der Krankenkassen oder Ärzte werden.“ Mit dieser Forderung ist die Handwerkerin nicht allein. Im vergangenen Jahr hat das Bundesjustizministerium WirtschaftsverbĂ€nde um VorschlĂ€ge zum BĂŒrokratieabbau gebeten. Die mehr als 400 Antworten hat das Statistische Bundesamt ausgewertet und priorisiert. In der Top-Kategorie 1 landete auch ein Vorschlag vom Landes-Innungsverband fĂŒr das bayerische BĂ€ckerhandwerk – es geht um die RĂŒcknahme der eAU-Abrufpflicht fĂŒr Arbeitgeber. Das Bundesamt platzierte den Vorschlag in der Katego-

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Diese Jacke erzĂ€hlt eine Geschichte Wenn Nadja Gilhaus diese Jacke trĂ€gt, wird sie garantiert angesprochen, denn „sie ist wirklich außergewöhnlich“. Inspiriert wurde die Maßschneiderin in Hongkong auf einer Dienstreise. In einem Schaufenster habe sie eine Jacke mit diesem Schnitt gesehen und fotografiert. „Zum Kaufen war sie mir zu teuer.“ Nachdem sich Gilhaus selbststĂ€ndig gemacht hatte, wollte sie sie fĂŒr sich nachnĂ€hen. „Sie ging mir lange nicht aus dem Kopf“, sagt die Obermeisterin in Northeim. Um eine hohe WiderstandsfĂ€higkeit zu erzeugen, entschied sie sich fĂŒr ein Wollgeorgette. „Bei den RĂŒschen habe ich viel probiert, bis sie die richtige Breite und Form hatten“, berichtet Gilhaus. Mindestens 30 Stunden Zeit hat sie in ihr LieblingsstĂŒck investiert. (JA)

rie 1 als fĂŒr eine schnelle Umsetzung geeignet, zum Beispiel im vierten BĂŒrokratieentlastungsgesetz.

BEG IV: Was nicht im Gesetzentwurf steht

Wenn es schlecht lÀuft, dann sind wir mehr als eine Stunde mit einer Krankmeldung beschÀftigt. Susanne Matthies, Unternehmerin

Doch die Chancen, dass sich am eAU-Verfahren etwas Ă€ndert, scheinen gering. Im ersten Entwurf fĂŒr das BĂŒrokratieentlastungsgesetz findet sich die eAU-Bringschuld nicht. Nach Angaben des fĂŒr die eAU zustĂ€ndigen Bundesarbeitsministeriums gibt es datenschutzrechtliche HĂŒrden: Beim Versand dĂŒrften Daten nur „an den tatsĂ€chlich Berechtigten ĂŒbermittelt werden“, teilt das Ministerium mit. Die Krankenkassen hĂ€tten die sogenannte „Bringschuld“ als Lösung „ausfĂŒhrlich“ geprĂŒft. Dabei seien auch Daten an nicht berechtigte Arbeitgeber ĂŒbermittelt worden. Aus diesem Grund sei der eAU-Versand an die Arbeitgeber nicht weiterverfolgt worden. FĂŒr Susanne Matthies ist das keine befriedigende Antwort. „BĂŒrokratie haben wir schon genug, MehraufwĂ€nde durch die eAU brauchen wir nicht auch noch“, sagt die Unternehmerin. ANNA-MAJA LEUPOLD W

BDA und DGB: „Gemeinsam gegen Rechts“ WirtschaftsverbĂ€nde und Gewerkschaften sprechen sich in einer ErklĂ€rung gegen Rechtsextremismus aus. Arbeitgeber und Gewerkschaften positionieren sich gegen rechtsextreme Tendenzen: „Allen Bestrebungen, zentrale Aussagen des Grundgesetzes und die europĂ€ische Einheit zu schwĂ€chen, aber auch den aktuellen RemigrationsplĂ€nen der Rechtsextremisten erteilen wir eine klare Absage“, heißt es in einer gemeinsamen ErklĂ€rung des Bundesverbandes der ArbeitgeberverbĂ€nde (BDA) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Titel der ErklĂ€rung: „Gemeinsam gegen Rechts“. Jede MitbĂŒrgerin und jeder MitbĂŒrger mĂŒsse sich in Deutschland sicher fĂŒhlen, „dafĂŒr stehen wir gemeinsam ein“. Die Betriebe seien ein Spiegel der Gesellschaft, betonen die VerbĂ€nde. „Die Menschen, die bei und mit uns arbeiten, sind unsere Kolleginnen und Kollegen, unsere Nach-

barn und Freunde. Und wir mĂŒssen als Standort Deutschland attraktiv bleiben, auch um auslĂ€ndische FachkrĂ€fte einzuladen, hier eine Heimat zu finden.“ Zugleich erinnern BDA und DGB an ihren Beitrag nach der nationalsozialistischen Herrschaft, „unser Land wieder aufzubauen und ein Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell zu entwickeln, das einen fairen und sozialen Ausgleich ermöglicht“. Dabei hĂ€tten die Sozialpartner „nie unterschieden, welcher Herkunft oder Staatsangehörigkeit die BeschĂ€ftigten sind“. Das habe zur Sicherung von Demokratie und Wohlstand â€žĂŒber Jahrzehnte“ beigetragen. Wirtschaft, Gewerkschaften und BetriebsrĂ€te wĂŒssten, „welche enorme Bedeutung der soziale Frieden fĂŒr Deutschland hat“. (JW) W


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