Porträt
Ordnung macht glücklich Österreichs erste Ordnungsberaterin erzählt aus ihrem Berufsalltag und gibt Tipps, die sich sofort und leicht umsetzen lassen. TEXT: CHRISTIAN KORNHERR FOTOS: ASA 12/GREGOR KUNTSCHER
E
s geht uns gut, im materiellen Sinn. Denn jeder besitzt mehr Schuhe und Kleider, als er wirklich zum Leben braucht. Tendenz: unerbittlich steigend. Dazu kommen noch die ungezählten praktischen oder einfach nur netten Kleinigkeiten, die einem im Shoppingalltag so über den Weg laufen. All diese Sachen wollen irgendwo untergebracht werden, und der zur Verfügung stehende Platz ist meist enden wollend. Und mit der Raumnot steigt die Unordnung – das ist wie ein physikalisches Gesetz, aus dem es kein Entrinnen gibt. Die Japanerin Marie Kondo hat das Problem frühzeitig erkannt. In ihrem ersten, 2011 erschienenen Buch fand sie eine überraschend einfache Lösung und formte daraus einen Trend: Ordnungscoaching. Ihre drei Bücher wurden zu Millionenbestsellern, und eine 2019 gestartete Netflix-Serie verschaffte ihr schließlich den endgültigen weltweiten Durchbruch. Die Wienerin Katrin Miseré, 50, startete ihr Unternehmen „Katrin schafft Platz“ etwa zeitgleich mit dem Erscheinen des ersten Marie-Kondo-Buches in Japan, also lange bevor der Aufräum-Hype losging. „Vor etwa zehn
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Ordnungshüterin. Katrin Miseré machte aus ihrem Talent einen Beruf, lange bevor der Hype um die Japanerin Marie Kondo nach Österreich kam.
Jahren war ich auf der Suche nach einer neuen Jobidee, und das Thema interessierte mich. Obwohl ich die erste und lange Zeit auch die einzige Anbieterin war, blieben in den Anfangsjahren die Aufträge überschaubar.“ Wie Marie Kondo begann auch die frühere Reisejournalistin Miseré auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen und legte einfach los, denn eine offizielle Ausbildung für Ordnungsberatung gibt es bis heute nicht. Katrin Miserés erste Kundin war eine Freundin, die stets Platzprobleme hatte, weil sie über Jahre mehr Sachen vom Shopping heimbrachte als sie bereit war, auszusortieren. Womit wir beim wichtigsten Instrument auf dem Weg zu mehr Ordnung im eigenen Heim wären: der Reduktion der Dinge. „Mein Durchschnittskunde hat genügend Sachen, um eine 120-Quadratmeter-Wohnung zu füllen, lebt aber auf 90 Quadratmetern. Schon ein Stapel Wäsche zu viel bedeutet im Grunde eine Menge nicht getroffener Entscheidungen.“ In allererster Linie versteht sich Ordnungscoaching also als mentale Hilfe, um Schwellenängste beim Wegwerfen oder Aussortieren zu überwinden. Deshalb beschäftigt sich Katrin Miseré intensiv mit Psychologie: Wie
FRÜHLING / SOMMER 2021