Mountainbike
ine Liste von exakt zehn Personen, die dich beruflich geprägt haben und die du gern zum Abendessen einladen würdest: Wer Tarek Rasouli, 46, diese Frage stellt, beschäftigt ihn über Tage. Zehn Namen, keiner mehr. Legenden der Frühzeit, Superstars von heute, visionäre BikeparkEntwickler, prägende Event-Erfinder, legendäre Filmer, renommierte Sport ärztinnen, hingebungsvolle Trainer: Es ist das Who’s who der Szene. Wirklich nur zehn N amen? Tarek streicht und ergänzt, doch die Liste bleibt viel zu lang.
Der Neuanfang: Optimismus als Rettung
Der Start: Ein Sonnyboy erobert die Bike-Welt Wer wissen will, warum dieser Mann so gut vernetzt ist, muss mitkommen auf eine kleine Zeitreise um die Jahrtausendwende. Wer damals Mountainbike-Fan war, hatte sehr wahrscheinlich ein Poster oder ein Magazin mit Tarek zu Hause. Der Münchner war der einzige Europäer unter den legendären „Fro-Ridern“, dem ersten Profi-Freeride-Team des KultHerstellers Rocky Mountain. Diese rare Pflanze hatte seine Wurzeln in einer BMX-Karriere und einer als Fotomodell. Tarek zierte in seiner Karriere eine zweistellige Zahl an Covern internationaler Bike-Magazine. Er sah gut aus und konnte verdammt gut fahren – eine seltene Kombination, vor allem in Europa. So startete er nach dem Abi eine Karriere, die er selbst managte. „Ich war meine eigene globale One-Man-Show: Manager, Presse sprecher, Trainer und mehr. Ich war überarbeitet, aber oft untertrainiert. Manchmal war mein Training das Fotoshooting selbst!“ Aber es funktionierte. Sein Geld verdiente er auch mit Shows und BMXRennen. Und dann das: „1999 wurde ich auf meiner Heimbahn nur Vizemeister. 52
mit dem Lift im Bike-Resort Sun Peaks rauffahren durften, um die Stelle anzu schauen, auf der sie drehen wollten, sagte Tarek: „What a beautiful view from a wheelchair.“ Er hatte eigentlich „chairlift“ gemeint, also Sessellift – und doch war der Satz beinahe prophetisch. Was die wenigsten wissen: Tareks Halbbruder, der im österreichischen Kärnten lebt, sitzt seit einem Kletter-Unfall im Rollstuhl. Kurz dachte er an ihn. Zwei Stunden nach diesem Satz schlug der Blitz bei Tarek ein. Der Landehügel war unter dimensioniert, er zu hoch gesprungen. In mehreren M etern Höhe warf er das Bike weg. Bei der L andung auf den Beinen gab der oberste Lendenwirbel auf. Sofort waren bestialische Schmerzen da. Taubheit. Und die Vermutung, dass die BikeKarriere unwiderruflich zu Ende war.
PIONIER DER LÜFTE
Tarek sprang den später ikonisch gewordenen Stunt „Mushroom Drop“ in Moab, Utah, als Erster.
wenn es hinter den Kulissen nicht immer so glitzerte – aber wen kümmerte das schon: „Nach meinem ersten Auftritt in ‚Kranked‘ musste ich reihenweise Autogramme geben – etwas, was mir all die Cover und die sportlichen Erfolge im BMX nie gebracht hatten.“
Der Einschlag: ein Sturz, der plötzlich alles veränderte Für „Kranked 5“ sollte im Spätsommer 2002 im kanadischen British Columbia gedreht werden, jenem Geburtsort des Freeriding. Ein neuer Berg, große Verwirrung bezüglich der Drehgenehmigungen, alles sehr konfus. Als die Rider endlich
Wenn Tarek Rasouli von jener Zeit spricht, in der er den Grundstein zu allem Weiteren legte, beginnt er noch im Krankenhaus in Kanada. Der freundliche 150-Kilo-Pfleger mit der Piepsstimme. Dann das Dreibettzimmer in der Reha in Murnau, wo sich der eine Nachbar gar nicht und der andere nur einen Arm bewegen konnte, was diesem immerhin das Kettenrauchen ermöglichte. Tarek lag fröhlich dazwischen: „Ich habe einen Luxus-Querschnitt! Volle Beweglichkeit der Arme und Hände, sogar der Bauchmuskeln. Was soll ich da jammern?“ Eine Eigenschaft, die Trial-Legende Danny MacAskill an Rasouli bewundert: „Ich habe Tarek noch nie – niemals – über seinen Zustand klagen gehört.“ In seinem Inneren sieht es bisweilen freilich anders aus: „Natürlich habe ich Schmerzen. Jeden Tag. Aber andere sind viel schlechter dran.“ Man würde seine Schmerzen nicht ahnen, genau wie man vergisst, dass der charismatische Mann mit den vielen Ideen im Rollstuhl sitzt, wenn man länger mit ihm zu tun hat. Seine Zuversicht und sein Anpackergeist sind es auch, die ihn schnell in Kontakt mit Gleichgesinnten bringen – etwa mit den Machern der Wings for Life Stiftung, die sich für die Heilung von Querschnitts lähmung einsetzt (s. Kasten S. 55). Als Stiftungs-Botschafter spricht Tarek seit über 15 Jahren anderen Betroffenen Mut zu, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. THE RED BULLETIN
SCOTT MARKEWITZ
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Im Ziel hab ich geweint, weil ich so enttäuscht war.“ Tarek war da immerhin schon 24 Jahre alt. Er stellte das BMX in die Ecke, konzentrierte sich voll aufs Mountainbike – aber nicht auf Rennen, sondern auf Videoproduktionen. Mit immer actionreicheren Clips wuchs er in die Freeride-Szene rein, die sich ausgehend vom kanadischen British Columbia gerade etablierte. Das Medium jener Tage war die VHS-Kassette, die KultReihe hieß „Kranked“. Dort fuhren die Götter. Dank seiner Professionalität, aber auch seinem Style arbeitete sich Tarek bis zu den Fro-Ridern nach oben. Seine Sponsoren inszenierten ihn als Sonnyboy mit Models, Party und Glamour, selbst