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Glücklich und gesund alt werden

Jeder will alt werden, aber nicht alt sein – vor allem nicht gebrechlich und krank. „Guod ältor weda im Heandorwold“ ist ein einzigartiges Projekt, zu dem sich sechs Gemeinden zusammengeschlossen haben. Ziel ist es, Bedürfnisse und Anforderungen älterer Menschen im hinteren Bregenzerwald zu erfassen und zu optimieren.

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Text: Christine Mennel, Foto: iStock

Edwin ist Witwer. Mit seinen 74 Jahren ist er noch sehr rüstig, aber nach dem Tod seiner Frau oft allein. Allmählich fühlt er sich überfordert mit den größeren Aufgaben, kann sich aber sonst gut selbst versorgen. Sein Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, nagt an ihm. Edwin ist aus Pappe – aber er steht für die vielen älteren Menschen, denen es auch so geht. Edwin ist Teil der Arbeitsgruppe des Projektes „Guod ältor weda im Heandorwold“ und vertritt den typischen, rüstigen Wälder, der noch vieles beitragen könnte und möchte.

Gemeinsam wachsen Ideen

Sechs Gemeinden rund um die Kanisfluh haben erkannt, dass die aktuellen Betreuungs- und Pflegeangebote im Hinterwald künftig nicht mehr ausreichend sein werden. Schon jetzt stellen fehlende Betreuungs- und Pflegefachkräfte die Institutionen vor große Herausforderungen. Das Altenwohn- und Pflegeheim Haus St. Josef in Au etwa wurde 1986 als Akutstation unter anderen Bedürfnissen als heute gebaut. Damals diente es unter anderem als Pflegestation für den ganzen hinteren Bregenzerwald und war auch für werdende Mütter erste Anlaufstelle. Heute haben sich die Anforderungen geändert, „dem Haus darf mehr Leben eingehaucht werden“, nennt Martin Natter das Haus als ein Beispiel. Er ist Gemeindevertreter und Obmann des Krankenpflegevereins in Au. Die Gemeinde möchte, gemeinsam mit Schnepfau, Schoppernau, Warth, Schröcken und Damüls die Seniorenbetreuung verbessern. Dazu gehören neben Betreutem Wohnen auch Mobilität und soziale Angebote, Tagesbetreuung für die Entlastung pflegender Angehöriger, Urlaubsvertretungen etc. Dass Bedarf vorhanden ist, darauf einigte man sich bei der ersten Auftaktveranstaltung vor drei Jahren. Aus diesem Treffen, zu der die Bürgermeister, Dorfbevölkerung und Interessierte eingeladen waren, entstand unter anderem eine Zusammenarbeit mit connexia – Gesellschaft für Gesundheit und Pflege. Einig waren sich alle: Es soll

Welchen Beitrag können ältere Menschen für die Gemeinschaft leisten?

• Besuche gleichaltriger Menschen, Kontakte pflegen – und Werte an junge Menschen weitergeben. • Senioren sind wichtig für jüngere Kinder und besitzen viel Lebenserfahrung. • Sie können Aufgaben im dörflichen Leben übernehmen, für die die Jungen keine Zeit haben. • Einfach „da sein“. Ältere Menschen zeigen uns, dass man sehr viel schaffen kann, wenn man will. • Die Geschichten von früher erzählen, damit sie nicht vergessen werden. • Ruhe bewahren in diesen hektischen Zeiten. • Zufriedenheit vorleben.

Wenn sich Menschen verbinden, können Ideen wachsen: Der kleine Heandorwold übernimmt mit dem Projekt „Guod ältor weda im Heandorwold“ eine große Vorreiterrolle.

Bewegung in das Thema kommen, Situation und Bedarf sollen klarer definiert und die Koordination optimiert werden. „Wichtig ist es, verschiedene Möglichkeiten anbieten zu können“, ergänzt Martin Natter. Aus der ersten Zusammenkunft entwickelte sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus einem Dreierteam der connexia mit Martin Hebenstreit, Daniela Egger und Isabella Natter-Spets und den beiden Obmännern des Krankenpflegevereins Wilfried Erath (Schoppernau) und Martin Natter (Au). Im Oktober 2019 startete der erste Workshop mit 20 Personen, die Ergebnisse sollen im kommenden Frühjahr als Maßnahmenpaket zusammengefasst sein und vorgestellt werden.

Bürger haben das Wort

Wie schätzt die Bevölkerung das Älterwerden in den Gemeinden ein, wie fühlt es sich gerade für Betroffene an, was für Ideen haben die Bürger und wo sehen sie Potenziale zur Verbesserung? Oder ganz konkret: Welchen Beitrag können ältere Menschen für die Gemeinschaft leisten? Das und noch mehr wollten die Teams wissen. Um dazu Informationen zu erhalten, wurden an alle 1500 Haushalte Fragenkarten gesendet mit der Bitte um Antworten nach konkreten Kriterien. Knapp 4000 Menschen leben in den sechs Gemeinden, sie alle waren eingeladen, ihre Anliegen und Wünsche zu kommunizieren. Außerdem wurden zwölf Interviews mit Fachkräften, Betroffenen, pflegenden Angehörigen und mit älteren Menschen geführt. Die rund 200 Antworten enthielten wertvolle Informationen und eine Fülle von berührenden Wünschen und Anregungen, die ein schönes Bild zeichnen vom guten Leben im Alter.

Vier Themenfelder

Es entstanden vier Arbeitsfelder: Betreubares und gemeinschaftliches Wohnen, mobile und teilstationäre Angebote, Mobilität und barrierearme Umgebung sowie soziale Teilhabe. Der einhellige Tenor war aber deutlich: Wenn schon alt werden, dann zuhause. In der gewohnten Umgebung bleiben zu können, ist für die psychische Gesundheit ein wichtiger Pfeiler. Die Möglichkeit, nach wie vor in der Region zu wohnen, ist für das Sozialgefüge – wie den Besuchsmöglichkeiten von Familie, Freunden und Bekannten – ein maßgeblicher Faktor. Auch im hinteren Bregenzerwald ist die Einsamkeit älterer Menschen ein ernstzunehmendes Thema.

Politik ist gefordert

Aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppen, die bis Ende März zu den vier Themen arbeiten, soll die weitere Planung entstehen, so dass das entstandene Wissen in die Breite wirken kann und ganz konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Damit betagte Menschen so lange wie möglich eigenständig sein können, gilt es bestehende Institutionen wie den mobilen Hilfsdienst (Mohi), Essen auf Rädern und Krankenpflegeverein auszubauen. „Hier ist die öffentliche Hand gefragt“, sagt etwa Wilfried Erath. Auch in Sachen Mobilität gibt es besonders im Sommer Handlungsbedarf, wenn das Angebot des Skibusses wegfalle. Wilfried Erath wünscht sich aber auch, dass sich die Dörfer mehr einbringen. Impulse wären altersgerechte, leistbare Wohnmöglichkeiten zu schaffen, eventuell mit zentralem Wohnbereich und privatem Schlafraum, so wie es bereits im städtischen Bereich gute Beispiele gibt. „Denn“, bekräftigt der KPV-Obmann, „das Pflegeheim sollte der letzte Schritt sein.“

Blog: https://blog.heandorwold.at/

© privat

Die Projektleitung

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Martin Natter, Obmann Krankenpflegeverein Au

Dipl. BW (FH) Wilfried Erath, Obmann Sozialsprengel Hinterwald

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