SZENE REPORTAGE
EINE NACHT ALS CYBORG WIE CHILLI-VOLONTÄRIN LILIANE HERZBERG IM SCHLAFLABOR DURCHGECHECKT WURDE
19 Uhr: Ich erreiche die Schlafmedizinische Station der Klinik für Psychia trie und Psychotherapie des Freiburger Uniklinikums. Kaum gemütlicher als ein Standard-Krankenhauszimmer ist der Raum, in dem ich übernachten soll: Tisch und Stühle, ein alter Kassettenrekorder, Blumenbilder an den Wänden sowie ein simples Singlebett schmücken den Raum. Und dann wäre da noch die Kamera, die bedrohlich an der Wand hängt. 19.15 Uhr: Nach einer kurzen Einführung beginnt die Verkabelung, nach der ich aussehe wie ein Cyborg. Zuerst werden Elektroden an meinem Kopf befestigt. Damit sie die Nacht über in den Haaren halten, verwendet der Pfleger, der ano-
Foto: © Philip Thomas
Friedlich: Noch weiß Liliane Herzberg nicht, was sie in der Nacht erwartet.
nym bleiben möchte, eine Gips-Paste. Ich beginne mich unwohl zu fühlen. Während er Elektroden hinter die Ohren und ins Gesicht sowie ein „Schnarchmikrofon“ an den Kehlkopf klebt, erzählt er mir von den außerordentlichsten Schichten: „REM-Verhaltensstörungen zum Beispiel sind verrückt. Normalerweise fährt der Körper die Muskelfunktion in der Traumphase so weit wie möglich runter.“ Hin und wieder gebe es jedoch Ausnahmen. Die Patient·innen kommen ins Labor, weil sie ihre Träume ausleben: „Ein älterer Herr kämpfte etwa im Schüt-
zengraben: Er ist aufgestanden, hat sich hinter dem Bett versteckt und mit imaginären Handgranaten geworfen.“ 19.30 Uhr: Während ich mir das Szenario vorstelle, wird mir schon ein Gurt mit Dehnungssensor für die Messung des Atems am Bauch und einer an der Brust angelegt. An den Finger kommt ein Oximeter für die Sauerstoffsättigung und Pulsfrequenz, ein Elektrokardiogramm (EKG) wird an Schlüsselbein und Rippen befestigt sowie Elektroden an den Beinen. Zuletzt bekomme ich eine Nasensonde, mit der ich mich endgültig würdelos fühle. 19.55 Uhr: Mit all den Kabeln heißt es nun, probeweise zu „schlafen“ und alle Funktionen zu testen. Dafür lege ich mich ins Bett und kommuniziere mit der Pflegekraft über die im Zimmer installierte Freisprechanlage. „Wir müssen nachts alle zehn Minuten die Patient·innen auf den Monitoren überprüfen“, erklärt der Pfleger. „Alles tipptopp“, ertönt es schließlich von oben. 21 Uhr: Ein paar letzte Details werden geklärt, dann bin ich alleine und es wird ruhig. Die Kamera läuft, wenn auch nur „nebenbei“. Ich fühle mich unange-
MEINE SORGEN KINDER AN DIE MACHT
Vor einigen Tagen habe ich mich nach langer Abstinenz wieder mal in die Boulderhalle getraut. Zunächst lief es unerwartet gut, doch nach mehreren unsanften Abstürzen musste ich mich gegenüber einer besonders fiesen Route geschlagen geben. Kaum hatte ich das Feld geräumt, übernahm auch schon ein Kind, vielleicht zehn Jahre alt, meinen Platz. Todesmutig kletterte es an der Wand hinauf, als sei es, nun ja, ein Kinderspiel. Für mein Selbstbewusstsein nicht gerade förderlich. 20 CHILLI OKTOBER 2021
Kinder, die Erwachsene bloßstellen, liegen im Trend. Und damit meine ich nicht nur Greta & Co., die Politiker·innen Untätigkeit vorwerfen. Manchmal schaffen es Kinder wie niemand sonst, politische Würdenträger·innen vorzuführen. Das kann Armin Laschet bei Late Night Berlin ebenso treffen wie Tino Chrupalla im Gespräch mit einem ZDF-Kinderreporter. Darum: Mehr Kinder in den politischen Journalismus! Sie werden ihren Beitrag dazu leisten, das politische Berlin or-
dentlich auf Vordermann zu bringen. Die Anwesenheit wissbegieriger und gewitzter Quälgeister wird die Damen und Herren von AfD bis Linke dazu motivieren, öfter mal nachzudenken, bevor sie den Mund aufmachen. Im besten Falle bringen die Jungreporter·innen sie dazu, wieder etwas Utopie und Aufbruch zu wagen. Und wenn die Kinder abends noch Zeit haben: Kommt in die Boulderhalle und motiviert mich zu sportlichen Höchstleistungen. Pascal Lienhard
«
S
chlaf ist die beste Medizin – sagt nicht nur ein altes Sprichwort, sondern auch die Forschung. Während des Schlummerns erleben Körper und Geist überlebenswichtige Regenerationsprozesse. Bei Problemen lohnt sich deshalb der Gang in ein Schlaflabor. chilli-Volontärin Liliane Herzberg hat in einem übernachtet und erfahren, was ihr in unruhigen Nächten helfen kann.