Fontanes Kriegsgefangenschaft (Leseprobe)

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KRIEGSJOURNALIST AUF ABWEGEN Verhaftung

Ausflug nach Domrémy Es gab Hinweise, es besser nicht zu tun. Vor allem die »Mahnungen seiner Freunde zur äußersten Vorsicht«. Aber Fontane habe sich »nicht abhalten lassen«, erinnerte sich Henriette von Merckel.1 Auf seiner Reise zu den Kriegsschauplätzen wollte er unbedingt ins Jeanne-d’Arc-Land, um zwei bedeutende Stätten der französischen Nationalheiligen zu besuchen: Domrémy und Vaucouleurs. In Domrémy, wo Jeanne d’Arc um 1412 geboren wurde, sollen ihr mit dreizehn Jahren die Heilige Katharina, später auch die Heilige Margarete und der Erzengel Michael erschienen sein. Deren göttliche Botschaft war immer dieselbe: Jeanne müsse Frankreich von den Engländern befreien. Diese Befreiung hätte einen Konflikt beendet, der als Hundertjähriger Krieg (1337–1453) in die Geschichte eingegangen ist. Im benachbarten Vaucouleurs versuchte Jeanne d’Arc 1429 den zunächst skeptischen Burgkapitän Robert de Baudricourt für ihre Mission zu gewinnen. Nachdem Baudricourt Jeanne einer Prüfung ihres Glaubens unterzogen hatte, stattete er sie mit einer Eskorte und einem Schwert für die Reise an den französischen Hof aus. Noch im selben Jahr begleitete die inzwischen Siebzehnjährige den französischen König Karl VII. bei der entscheidenden Schlacht vor Orléans gegen die Engländer – und verhalf Frankreich zum Sieg. Während die Franzosen Jeanne d’Arc daraufhin als Heilige verehrten, wurde sie in England als Hexe verdammt. Als sie ein Jahr später in die Hände der Engländer fiel, wurde sie 1431 durch die Inquisition zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Gestalt des heldenhaften Bauernmädchens zu einem Nationalmythos der FranzoVerhaftung

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