

FALSCHER PLANET
Wie Autisten die Welt erleben
Ein Kinderbuch von Holger Nils Pohl & Benjamin Dammeier

Für meine Kinder, die in eine Welt geboren wurden, die noch nicht bereit für sie war.

Warum dieses Buch?
Ich habe lange Jahre unwissend gelebt.
Jetzt, da ich weiß, dass ich Asperger-Autist (liebevoll Aspie genannt) bin und auch meine Kinder davon betroffen sind, verstehe ich so einiges mehr. Vor allem verstehe ich, dass es schwierig ist, das Thema der „Autismus Spektrum-Störung” Erwachsenen, wie auch Kindern näherzubringen.
Mit diesem Buch erzähle ich die Geschichte eines Aliens auf dem falschen Planeten. So fühlt es sich in der Haut von Aspies in unserer Gesellschaft nämlich oft an. Auf unterhaltsame, hoffentlich sympathische Weise zeigt die Geschichte einige Dinge, die sonst so schwer zu greifen sind.
Ich hoffe, dieses Buch ist Anlass zum Nachdenken, einfach eine nette Geschichte oder aber auch ein Impuls, um sich selbst, mit seinen Kindern oder anderen Menschen zum Thema Asperger-Autismus und Anderssein auseinanderzusetzen.
Holger Nils Pohl
Dieses Buch ist meine kreative persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Autismus als Betroffener. Jeder Mensch ist einzigartig. So könnte es unendliche Variationen dieser Geschichte geben. Und alle wären wahr.

Auf dem Planeten Anders lebte ein Alien extrem gemütlich. Das Leben war toll — ganz und gar, völlig vergnüglich. Es machte einfach, was es wollte. Alles war, wie es sein sollte.

Es konnte sich verwandeln in unendlich viele Gestalten, so wurde es immer wieder für etwas anderes gehalten.
Anderssein war richtig, Gemütlichkeit war wichtig.

Es bastelte gerne still und leise, Stunden, Tage, Wochen, dauernd arbeitete es für seine planetare Reise.
Es saß inmitten seiner Sachen. Damit konnte es viel machen: Segelschiffe, Motorschiffe, Luftschiffe, Raumschiffe.
Und schon bald flog es glücklich seine Kreise.


Das Alien bestaunte die funkelnden Sterne und flog weiter hinaus in die Ferne. Es wollte immer weiter, weiter durchs All. Der Tank war leer, zurück ging nicht mehr. So kam es dann auf der Erde zu Fall.


Das Alien sah sich um auf diesem falschen Planeten: Es könnte sich ja mal die Füße vertreten …


An einem Teich hörte es eine Unterhaltung. Laut, zusammenhangslos, leise, ahnungslos, lachend, flitzend, überzogen, spritzend
kam das Geschnatter der Enten zur Entfaltung.

Das Alien passte sich an, so gut es ging. Doch statt einer Ente blieb es ein komisch Ding.

Während es noch unschlüssig dastand, kamen die ganzen Enten angerannt.
„Hallo,
wer bist du denn? Niemand, den ich kenn’!”

„Wo kommst du denn her? Ähm, was machst du hier?”
„Was willst du eigentlich? Nicht lange bleiben hoffentlich?”
„Was hast du da auf dem Kopf? Uff, das ist ein komischer Zopf!”
„Oh
nein, oh nein, ohneinohnein, das kann doch gar nicht sein!”

Welche Frage war die wichtigste?
Es wusste es nicht.
Welche Antwort war die richtigste? Es wusste es nicht.
Drum stand es da, einfach, schweigend, starr. Es beantwortete alles im Stillen und sagte gegen seinen Willen:

„Hmmmmm.”


Die Enten lachten über das komische Ding und jagten es, bis es zu rennen anfing.
Erklärungen
Wenn du magst, kannst du auf den folgenden Seiten noch mehr über die Herausforderungen lernen, die wir Asperger-Autisten (liebevoll Aspies genannt) haben.


Masking
Autisten, insbesondere Aspies, sind wahre Meister im sogenannten Masking – das bedeutet, wir verhalten uns so, als wären wir genau wie Menschen ohne Autismus (die nennt man übrigens Neurotypische): Wir zeigen die gleichen Emotionen, sprechen über die gleichen Themen und passen unser Verhalten an. Dadurch verbergen wir jedoch auch unsere wahre Persönlichkeit und unsere tatsächlichen Wünsche. Dies kostet Autisten sehr viel Kraft und Energie. Und selbst wenn wir Meister in der Anpassung sind, gelingt es uns meist nicht, uns vollständig einzufügen. Irgendwie bleiben wir anders, quasi ein „komisch Ding”. Und das meine ich ganz liebevoll!
Einzigartig
Bedenke bitte stets: Wenn du einen Autisten kennst, dann kennst du lediglich eine einzelne Person, nicht alle! Keine zwei Menschen auf der Welt sind gleich, und genauso einzigartig sind die Eigenschaften und Wahrnehmungen von Aspies. Hier zeige ich dir nur einige Beispiele von wiederkehrenden Mustern. Ich will darauf aufmerksam machen und zum Nachdenken anregen.




Überforderung
Zu viele Fragen, bei denen es keine eindeutigen Antworten gibt, können schnell zu Überforderungen führen. Aspies versuchen herauszufinden, welche Frage die wichtigste ist und welche Antwort am passendsten wäre. Und weil wir nichts Falsches sagen wollen, analysieren wir sogar, welche Antwort angemessen wäre, auch wenn wir es vielleicht nicht wirklich so meinen. Das passiert teils unbewusst, teils bewusst und führt damit schnell zu Überforderung.
Spezialinteresse
Oft haben Autisten ein „Spezialinteresse”. Das ist ein Thema, das sie fasziniert und dem sie am liebsten all ihre Zeit widmen würden. Für Menschen ohne Autismus (Neurotypische) kann dies oft wie eine übertriebene Leidenschaft wirken. Aber Aspies sind einfach nur glücklich, wenn sie ihrem Spezialinteresse nachgehen können. Ihre gesamte Welt dreht sich häufig nur um dieses eine Thema. Alles andere kann als weniger wichtig empfunden oder sogar als störend betrachtet werden.




Lärm
Lärm und Geräusche aller Art können oft problematisch sein. Sie wirken auf uns nervtötend oder gar beängstigend. Oft sind sie auch Auslöser für sogenannte Meltdowns: eine Überlastung des Gehirns, die nach außen hin häufig als Nervenzusammenbruch oder „Ausraster” wahrgenommen wird. Es fühlt sich dann an, als würde der Lärm das innere Kartenhaus unseres Gehirns zum Einsturz bringen. Manchmal sind es sogar nur ganz leise Geräusche wie das Ticken einer Uhr, die uns zur Weißglut bringen.
Verzögerung
Manchmal antworten Aspies mit etwas Verspätung auf Fragen, nachdem sie ihre Antworten sorgfältig abgewogen haben. Diese Antworten wirken dann oft unpassend, da das Gespräch bereits fortgeschritten ist. Doch für Autisten bleiben diese Fragen immer noch relevant und ein Teil des Gesprächs, denn für sie ist das Thema ohne ihre Antwort noch nicht abgeschlossen. Es kommt auch häufig vor, dass wir Fragen vorwegnehmen und beantworten, bevor sie überhaupt gestellt wurden, weil wir glauben, bereits zu wissen, welche Fragen als nächstes kommen.




Nähe
Viele von uns Aspies tun sich schwer mit körperlicher Nähe. Sie kann uns unbehaglich sein, und oft sind wir unsicher, wie wir darauf reagieren sollen. Das betrifft nicht nur den Umgang mit Fremden, sondern auch die Menschen, die uns nahestehen – Freunde, Geschwister, Eltern oder Lebenspartner. Wenn Autisten Umarmungen erwidern, können diese oft etwas mechanisch wirken. Es ist immer besser, einen Aspie vorher zu fragen, ob es in Ordnung ist, ihn oder sie zu umarmen.
Unterhaltungen
Gespräche und überhaupt mit anderen zusammen zu sein, das ist immer wieder eine große Herausforderung für Aspies. Es ist für uns oft schwierig zu verstehen, was unser Gegenüber von uns erwartet. Besonders Ironie und Sarkasmus sind für uns sehr schwer als solche zu erkennen. Deshalb kann es passieren, dass unsere Reaktionen nicht zur Situation passen. Zum Beispiel kann unser Lachen aufgesetzt wirken oder sogar komplett ausbleiben, wenn ein Witz erzählt wird.




Feingefühl
Häufig haben wir kein feines Gespür für die jeweilige Situation oder unser Gegenüber. Daher kann es passieren, dass wir unpassende Witze erzählen, ohne es zu bemerken. Dies kann sich auch darin äußern, dass Aspies über ein Thema sprechen, das eigentlich gar nicht im Mittelpunkt des aktuellen Gesprächs steht. Wenn wir unsicher sind, was wir sagen sollen, neigen wir dazu, auf unser Spezialinteresse zurückzugreifen – was allerdings oft nicht zum Thema passt.
Metaphern
Das Verständnis für metaphorische (also bildhafte) und indirekte Ausdrücke Sprache ist Aspies nicht in die Wiege gelegt. Wir müssen uns dieses im Laufe des Lebens hart erarbeiten, und dennoch gelingt es uns meist nicht vollständig. Metaphern und indirekte Redewendungen nehmen Aspies oft wörtlich, ohne dass ihnen bewusst ist, dass sie eine andere Bedeutung haben könnten. Und falls es uns doch bewusst ist, dann haben wir immer noch die Schwierigkeit, die richtige Bedeutung zu erkennen.




Richtiger Planet?
Oft fühlen sich Aspies, bewusst oder unbewusst, als wären sie auf dem falschen Planeten gelandet. Das ist ein Gefühl, das ich gut nachvollziehen kann. Häufig denkt unsere Gesellschaft, Aspies müssten sich anpassen, um den Erwartungen zu entsprechen. Doch ich bin der Überzeugung, dass Aspies nicht „umgeformt” werden sollten. Wir sollten sie so wertschätzen, wie sie sind: als besondere Menschen – wie du und ich, nur eben auf ihre eigene, einzigartige Weise. Dies gilt übrigens nicht nur für Aspies oder Autisten im Allgemeinen, sondern für alle Menschen! Schließlich ist jeder Mensch einmalig.
Selbstbewusst
Wir blühen regelrecht auf, wenn wir auf Gleichgesinnte oder wahrhaft verständnisvolle Menschen treffen. Wir haben dann weniger Sorge, etwas misszuverstehen oder unserem Gegenüber auf die Füße zu treten. Aspies können gesprächig, humorvoll, aktiv und selbstbewusst sein, wenn sie verstanden werden. In solchen Situationen können wir die Maske der Anpassung ein wenig herunter lassen und uns mehr aus uns heraus wagen.


Du bist besonders

Unabhängig davon, ob du neurotypisch, autistisch oder auf eine andere Weise neurodivergent bist (also einfach anders als viele Menschen) – du bist besonders und einzigartig. Du bist du selbst. Einige Dinge fallen dir leicht, andere schwer und manche kannst du vielleicht gar nicht. Und das ist in Ordnung.
Manchmal, genau wie unser Alien, würdest du vielleicht gerne jemand oder etwas anderes sein. Ich zum Beispiel wäre gerne einmal ein Schnabeltier – das war schon immer mein Lieblingstier.
In welches Tier würdest du dich gerne einmal verwandeln? Und was könntest du dann besonders gut? Wärst du eine mutige Maus? Ein eleganter Elefant? Oder vielleicht ein lustiger Löwe?


Schnapp dir ein Blatt Papier und zeichne oder beschreibe ein Tier, in das du dich gerne verwandeln würdest. Überlege, was dieses Tier so besonders macht oder welche Eigenschaften es hat, die zu dir passen könnten. Wenn du Anregungen brauchst, schau dir die gezeichneten Tiere auf dieser Seite an! Viel Spaß dabei!


Holger Nils Pohl
Text und Layout
Holger ist ein Kreativer, visueller Stratege und vielseitiger
Autor. Ob Sachbücher, Kinderbücher, Gedichte oder Fantasyromane – er schreibt sie alle mit Leidenschaft. Sein Autismus verleiht ihm einen besonderen Blick auf die Welt, der sich oft in seinen Werken widerspiegelt. Als Trainer teilt er sein Wissen weltweit und kann einfach nicht aufhören, neue Ideen zu schmieden und kreativ zu sein – über alle Grenzen und Zeitzonen hinweg!
Holger ist aber auch gelernter Tischler und liebt es, mit Holz zu arbeiten. Das riecht immer so toll!
Zuhause, in der Nähe von Köln, teilt er sein Leben mit seiner Frau und ihren drei gemeinsamen Kindern. Aber die Familie besteht nicht nur aus Menschen – sie haben auch eine ganze Bande von Haustieren. Holger füttert gerne die Kaninchen und streichelt die Pferde, wenn er nicht gerade mit dem Hund spazieren geht. Und wenn er mal eine Pause braucht, findet man ihn als lebendes Katzenmöbel für die beiden Russian Blues der Familie.
Benjamin Dammeier
Illustration


Benjamin ist ein echter Tausendsassa: Zeichner, Maler, Grafiker, Illustrator und ein wandelndes Tierlexikon von skurrilen Figuren und Tierdarstellungen. Er kann mit einem Bleistift ein Lächeln auf dein Gesicht zaubern, die Welt erklären oder von Grund auf neu gestalten.
Benjamin ist auch begeisterter Pen & Paper-Spieler. Er reist regelmäßig in fremde Welten, kämpft gegen Drachen, rettet Prinzessinnen und löst knifflige Rätsel mit der Macht seiner Vorstellungskraft und ein paar Würfeln.
Wenn Benjamin nicht gerade die nächste große Quest plant oder an einem neuen Charakter arbeitet, findet man ihn in seinem gemütlichen Zuhause in Köln. Dort lebt er mit dem ältesten und knurrigsten Mitbewohner, den man sich vorstellen kann – seiner Schildkröte Herkules. Herkules mag alt und grantig sein, aber seine Geduld kennt keine Grenzen. Genau wie Benjamins Vorstellungskraft.

Mehr Aufmerksamkeit
für Autismus
Hat dir und deinen Kindern das Buch gefallen? Dann würdest du uns einen riesigen Gefallen tun, indem du es weiterempfiehlst!
Eine Rezension wäre fantastisch und hilft uns ungemein. Aber auch persönliche Empfehlungen an Freunde, Familie oder Bekannte sind unschätzbar wertvoll. Und bedenke: Dieses Buch eignet sich wunderbar als Geschenk – für Jung und Alt.
Je mehr Menschen sich mit dem Thema der Autismus-SpektrumStörung auseinandersetzen, umso größer die Chance, dass wir eine Gesellschaft werden, in der jeder so sein darf, wie er oder sie ist.
Wenn du dieses Buch jemandem online zeigen möchtest, kannst du das mit diesem Link hier tun: holgernilspohl.com/falscher-planet

Workshops und mehr
Ich, Holger, komme gerne in eure Schule oder eure Organisation und führe Workshops zum Thema Autismus durch oder gebe Impulse. Wir lesen dieses Buch gemeinsam, machen praktische Übungen, diskutieren und reflektieren. Das kann ganz kurz sein (eine Schulstunde) oder auch einen ganzen Tag dauern. Es kommt nie Langeweile auf. Ich habe „Falscher Planet” schon in der Entstehungsphase vielen Gruppen von Kindern und auch Erwachsenen vorgelesen und mich mit ihnen darüber unterhalten. Wirklich alle waren begeistert, wohlwollend und überschwänglich positiv.
Als Autor, Autist und Vater bringe ich eine einzigartige Perspektive und Tiefe in meine Workshops. Meine jahrelange Erfahrung in professionellen Trainings und meine Lehrtätigkeit an zwei Hochschulen haben es mir ermöglicht, Wissen und Empathie auf eine Weise zu verbinden, die Teilnehmern aller Altersgruppen zugutekommt. Meine Leidenschaft für das Thema und meine persönliche Nähe zum Autismus sind das Herzstück meiner Arbeit, die ich mit Freude und Engagement weitergebe. Melde dich einfach per E-Mail bei mir unter mail@holgernilspohl.com, wenn du interessiert bist. Ich freue mich!
Günstige Mengenpreise
und Organisationen
für Schulen
Wenn du zehn Bücher oder mehr erwerben möchtest, gibt es empfohlene Mengenpreise für Endabnehmer. Du kannst deine Lieblingsbuchhandlung darauf hinweisen oder mir einfach eine E-Mail schreiben an mail@holgernilspohl.com. Wir melden uns dann bei dir!
NEUFELD VERLAG
© 2024 Neufeld Verlag Neudorf bei Luhe
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar
Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson Text, Layout und Design: Holger Nils Pohl
Illustrationen: Benjamin Dammeier
Lektorat: Boris Alexander Knop
Herstellung: optimal media GmbH, Röbel/Müritz
ISBN 978-3-86256-192-6, Bestell-Nummer 590 192
Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages neufeld-verlag.de
Bleiben Sie auf dem Laufenden: newsletter.neufeld-verlag.de neufeld-verlag.de/blog facebook.com/neufeldverlag youtube.com/@neufeldverlag

NEUFELD VERLAG
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der jeder willkommen ist!
Foto © Conny Wenk, Stuttgart
Ein Vorlesebuch zum Thema Anderssein und Autismus für Kinder ab 4





Dagmar Eiken-Lüchau (Text) Tanja Husmann (Illustrationen) Mia – meine ganz besondere Freundin
„Ich bin Lotte. Und das ist Mia. Wir gehen in denselben Kindergarten. Mia ist besonders. Und sie ist toll! – Mia ist besonders toll! Meine Freundin.“
Diese Geschichte hilft, das Verhalten und die Gefühle von Kindern, die anders sind, besser zu verstehen.
Mias Besonderheit ist ihr frühkindlicher Autismus. Aber eigentlich geht es nur darum, ganz normal mit dem Anderssein umzugehen.
32 Seiten • Hardcover • DIN A4
ISBN 978-3-86256-079-0
Neufeld Verlag, 4. Auflage
