InZeitenderFreundschaft
InZeitender Freundschaft CATHY
In Zeiten der Freundschaft
AusdemamerikanischenEnglisch vonHeideMüller
SCMHänssleristeinImprintderSCMVerlagsgruppe, diezurStiftungChristlicheMediengehört,einergemeinnützigenStiftung, diesichfürdieFörderungundVerbreitungchristlicherBücher, Zeitschriften,FilmeundMusikeinsetzt.
DasvorliegendeBuchisteinhistorischerRoman,dernatürlichauchvoreiner gewissenhistorischenKulissespielt.DieauftretendenPersonenentstammen jedochderFantasiederAutorin,undjedwedeÄhnlichkeitmitlebenden oderverstorbenenPersonenistreinzufälligundnichtbeabsichtigt.
©derdeutschenAusgabe2024
SCMVerlagsgruppeGmbH·Max-Eyth-Straße41·71088Holzgerlingen Internet:www.scm-haenssler.de;E-Mail:info@scm-haenssler.de
OriginallypublishedinEnglishintheU.S.A.underthetitle: LadiesoftheLake byCathyGohlke,Copyright©2023byCathyGohlke Germanedition©2023bySCMVerlagsgruppeGmbHwithpermissionofTyndale HousePublishers.Allrightsreserved.
Coverdesign:JacquelineL.Nuñez
Titelbilder:Coverphotographsarethepropertyoftheirrespectivecopyrightholders,andall rightsarereserved.Women©ElisabethAnsley,JoannaCzogala/TrevillionImages;lake ©JoshHawley/GettyImages;grass©Pakhnyushchy/Shutterstock;wispyclouds©kzww/ Shutterstock;sunset©RomanSigaev/Shutterstock.
DieBibelversesindfolgenderAusgabeentnommen:
NeuesLeben.DieBibel,©derdeutschenAusgabe2002und2006SCMR.Brockhausinder SCMVerlagsgruppeGmbH,Holzgerlingen.
Weiterwurdenverwendet: Lutherbibel,revidiert2017,©2016DeutscheBibelgesellschaft,Stuttgart.(LUT17)
Hoffnungfüralle ® Copyright©1983,1996,2002,2015byBiblica,Inc.®.Verwendetmit freundlicherGenehmigungdesHerausgebersFontis-BrunnenBasel.(HFA)
Übersetzung:HeideMüller
Lektorat:JessicaWollbach
Umschlaggestaltung:StephanSchulze,Stuttgart
Titelbild:Frauen©ElisabethAnsley,JoannaCzogala/TrevillionImages;Himmel,See,Gras ©3S-Grafik;Gras©C.Schulz/unsplash
Satz:Satz&MedienWieser,Aachen
DruckundBindung:GGPMediaGmbH,Pößneck GedrucktinDeutschland
ISBN978-3-7751-6210-4 Bestell-Nr.396.210
GloriaDelk,KathyChamberlin,RandiEaton, TerriGillespieundCarrieTuransky dieeinemeinegeliebteleiblicheSchwester, dieanderenmeineHerzensschwestern inLiebeundDankbarkeit
Prolog
Wir – SusannahEudoraCalhoun,RuthMasonHennessey, DorothyMarieBeldingundAdelaideRoseMacNeill –,im FolgendenLakesideLadysgenannt,schwörenheute,am 9.JuliimJahrdesHerrn1910,demTagunseresAbschlussesamMädcheninternatLakeside,feierlichdasFolgende: immerzueinanderzustehen,miteinanderdurchdickund dünnzugehen,einenregenBriefkontaktzupflegen,wo immerunsereWegeindieserWeltunshinführenmögen, undalsSchwesterneinanderzuhelfen,wannimmersich einevonunsinNotbefindet.Wirgeloben,jedeszweiteJahr hierunterdiesemPavillonzusammenzukommen,soweites inunsererMachtsteht,umunsereschwesterlichenBande zuerneuernundzufeiern.NurderTodsollunsvondiesem Gelöbnisbefreien.
UnterzeichnetundmitBlutbesiegelt,
SusannahEudoraCalhoun RuthMasonHennessey DorothyMarieBelding AdelaideRoseMacNeill
Farmington,Connecticut,den9.Juli1910
Kapiteleins
MAI1935
Eswarmirnichtschwergefallen,dieedelaussehendeEinladungskartezurAbschlussfeierdesMädcheninternatsLakeside imJulizuignorieren.Schwierigerwaresschon,diebeharrlichen BriefemeinergeliebtenBernadetteunbeachtetzulassen,die michflehentlichbat,beim»wichtigstenEreignisihresLebens« nichtzufehlen.DochmiteinemAnrufausdenVereinigtenStaatenhätteichniemalsgerechnet,alsPortiamichhinunterinden FluransTelefonrief.
»MrsMurray?«
IcherkanntedieStimmeamanderenEndederLeitungsofort. DasHerzschlugmirbiszumHals.SiebzehnJahreundfast1300 Kilometerwarenwieweggewischt.SchnellzogicheinSpitzentaschentuchherausundwickelteesumdieSprechmuschel,um meineStimmezuverfälschen.EinTeilvonmirwarsogarstolz darauf,ineinemsolchenMomentansoetwaszudenken.
»MrsMurray,sindSiedran?«
»Ja.«
»GutenMorgen.HiersprichtMrsMeyer – DirektorinDorothyMeyervomMädcheninternatLakesideinConneticut.« MrsMeyer.Dorothy.Dot – meineDot. MirfehltendieWorte.
»Ich – ichrufewegenIhrerTochterBernadettean.«
UnddanngingmirmiteinemMalauf:WenndieSchulleiterin ausdemAuslandanrief,dannmussteesüberauswichtigsein. »GehtesBernadettegut?«
»Ja,ja,keineSorge.IchwillSieauchgarnichtbeunruhigen. Bernadettehatmichnurgebeten,SiepersönlichzuunsererAbschlussfeiereinzuladen.IhreTochterhatsichindenletztenfünf Jahrensehrangestrengtundmöchteandiesemdenkwürdigen TagunbedingtihreMutterdabeihaben.«
»Nein,Mrs –«IchbrachteihrenNamennichtüberdieLippen.
»Meyer.«Siehieltinne,alshätteichihnvergessen.»MrsMurray,esstehtmirnatürlichnichtzu,micheinzumischenoderSie zudrängen,aberBernadettehatgeäußert,dassSievielleichtaus AngstnichtindieÖffentlichkeittretenmöchten.«
»DasstehtIhnentatsächlichnichtzu.«Ichkonntenichtverhindern,dassmeineStimmezitterte.
EinenAugenblickherrschteStille.
»MrsMurray,BernadetteträgtihreeigenenNarben,unddoch hatsiesichsehrbemüht,ihreSchüchternheitzuüberwindenund inderSchuleerfolgreichzusein.SieistschnellausihremSchneckenhausherausgekommenundhatengeFreundschaftengeschlossen.IhreFreundinnensehenihreNarbengarnichtmehr. SieliebenihrenCharakter,ihreLebendigkeitundihreFürsorglichkeit.Sielieben sie. Wiewiralle.BernadettesollsogardieAbschiedsredehalten.SeienSieversichert,dasswirSiealsMutter eineswunderbarenMädchenswillkommenheißen.AufeinesolcheTochterkönnenSiestolzsein.«
Esfreutemich,dassBernadettesoerfolgreichundbeliebtwar. GenauausdiesemGrundhatteichsiedorthingeschickt.Das hatteichmirfürsiegewünscht,dennichselbsthatteesihrnie gebenkönnen.DotsStimmeklangnochgenausowievorvielen Jahren.Wennsienurwüsste … abersiedarfesniemalserfahren.
»GrüßenSieBernadetteherzlichvonmir,Mrs – aufWiederhören.«WährendDotnochsprach,ließichmitzitterndenHändendenHörersinkenundschaffteeserstimzweitenAnlauf,ihn aufdieGabelzubalancieren.IchnahmmeinTaschentuchund begann,dieEckenzukneten.
»GehtesBernadettegut?«Portia,meinelangjährigeHaushälterin – eigentlichmehrFreundinalsHausmädchen –,warauf demTreppenabsatzstehengebliebenundhattezugehört.
Ichschluckte,schobdieVergangenheitbeiseiteundriefmich zurückindieGegenwart,auchwennichkaumeinenklarenGedankenfassenkonnte.»Ja,allesinOrdnung.«
»DieFraumöchte,dassduzurAbschlussfeierkommst, stimmt’s?Deshalbhatsieangerufen?«
»Ichgeheabernichthin.«
»DubistesBernadetteschuldig.«
PortiawarzwarmeineFreundin – meineeinzige –,abersie drängtemichzusehr,undinsolchenMomentenwollteichsie amliebsteninihreSchrankenweisen.AuchwennsieüberStandesgrenzengenausodieNaserümpftewieich.
IchgingindieBibliothek,ohnesieeinesBlickeszuwürdigen.
Siefolgtemir.»DuhastsieaufdieseSchulegeschickt,damitsie lernt,aussichherauszugehenundineinLebenhineinzuwachsen, dasihrindiesenGefängnismauernhierverwehrtwar.Jetzthat sieesgeschafft,unddaraufsolltestdustolzsein.«
»IchwarschonimmerstolzaufBernadette.UndunserZuhauseistkeinGefängnis.«
»DukannstjaeinenSchleiertragen,wennduBedenkenhast.«
»Lasseseinfach,Portia.Dasgehtdichnichtsan.«
»Esgehtmichnichtsan,nachdemichmichalldieJahreum euchgekümmerthabe?DubistschonfastwiedieseMissHavershamausdemDickens-Roman,dendumirkürzlichvorgelesen hast;duwirstnochbisandeinLebensende …« »Portia,bitte.UndaußerdemheißtsieHavisham.«
Portiasagtenichtsmehr.Ichhattesiegekränktundestatmir sofortleid.NacheinerlangenWeilegingsiezurückindieKüche undmurmeltevorsichhin:»Dusolltesteinbisschenwasvon demMummzeigen,denduimmerpredigst – undeinbisschen Respektkönnteauchnichtschaden.«NochalssiedieTürhinter sichzugeschlagenhatte,vernahmichihrunverständliches Grummeln,hörteTöpfeaufdenHerdknallenundGeschirrmit lautemKlirrenimSpülbeckenlanden.
InderBibliothekschlossichdieTür,lehntemichmitdem RückendagegenundknirschtemitdenZähnen.Wennichdie Erinnerungennurauchsoleichtaussperrenkönnte.
IchzogdieVorhängezurSeiteundöffnetealleFensterweit, umdieSonneeinzulassen.
InHalifaxwarendlichderFrühlingeingezogen.DerverlockendeDuftvonFlieder,vermischtmitdemdererstenRosen, Wicken,MaiglöckchenundPfingstrosenströmtedurchdieoffe-
nenFensterherein.Eswarimmernochkühlgenug,umabends nachSonnenuntergangdenOfenzuschüren,abertagsüberwollteichFrühlingsluftriechen.
IchlegtemireineweitereStrickjackeumdieSchultern,setzte michanmeinenSchreibtischundrücktedenStapelmitdenSeitenmeinesManuskriptsgerade,dasichüberarbeitenwollte.Es gabvielzutunandiesemTag,undichwürdemichvonDorothys AnrufnichtvonderArbeitabhaltenlassen.
MirstocktederAtem.
Dorothy.Dot.Dottie.MeinebesteFreundin.Früher.Vorlanger Zeit.Waswürdestdusagen,wennduwüsstest,dassdieFrauam anderenEndederLeitungtatsächlichichwar,nichtRosaline Murray?DassBernadetteinWirklichkeit … Nein.IchwürdediesenGedankennichtzuEndedenken.AberdieErinnerungan Dot,undmitihranRuthundSusannah,die LakesideLadys,an meineJahreamMädcheninternatLakeside … undsovieles mehr … ichwolltemichnichtdaranerinnern.Aberwiekönnte ichesvergessen?
HERBST1905
NiemalswäreichaufeinInternatgegangen,niemalshätteichdie Mädchenkennengelernt,wennderSturmnichtgewesenwäre –derverheerendeSturm,dervölligunvermitteltzwischendem FestlandundderPrinz-Edward-Insellosbrach.
EshättenureinTagesausflugnachHalifaxzumEinkaufen werdensollen.MeineElternhatteneigentlichvorderNachtzurückseinwollen.Wind,RegenundDunkelheitkamen – meine Elternaberkamennicht.GenausowiesieTagfürTagimLeben einsgewesenwaren,gingensiegemeinsamindenTod. IchwarelfJahrealtundamTagdesSturmsinderSchule.So nanntenwirihn.EsgabeinLebenvordemTagdesSturmsund einLebendanach.Mit22anderenKindernbesuchteicheine Dorfschule,inderalleKlasseninzweiKlassenzimmernunterge-
brachtwaren.UnsereLehrerinschickteunsnachHause,alsder Himmelsichverdunkelte.ImRückblickfindeichdasunverantwortlich.WirhättenimSchulhausbleibenunddenSturmgemeinsamdurchstehensollen.AberdieLehrerinwarnochjung undinmeinenAugennichtsohellimKopf.
AlsichvölligdurchnässtzuHauseankam,schürteichein Feuer,machtemireinspärlichesAbendessenundschriebnoch einwenigTagebuch,bevorichinsBettging.DerSturmtobte biszurMorgendämmerung.Inmeinenelf,beinahezwölfLebensjahrenhatteichaufderInselschonsomanchesUnwetter erlebt.NormalerweisehätteichkeineAngstgehabt.Ichhätte geglaubt,dassdieFähremeinerElternwegendesSturmsbestimmtimHafenvonHalifaxfestsaßundamnächstenMorgeneintre ffenwürde.AberirgendwiespürteichimDunkelder Nacht,dassesdiesmalanderswar;dassmeineElternniemals zurückkommenwürdenundichamnächstenMorgentatsächlicheinWaisenkindwäre.Undichfragtemich: Wassollich dannnurtun?
NachundnachwurdenLeichenamUferderPrinz-EdwardInselangeschwemmt – maleine,dannzweioderdrei.Ichhörte, dasseinortsansässigerFischermeineElternschonidentifiziert hatte,nochbevorichzumHafenkam.WerderFischerwar,habe ichnieerfahren.Icherinneremich,dassichzweiTagenachdem SturmamStrandeinenderhochhackigenrotenSchuhemeiner Mutterfand.Siewarsostolzdaraufgewesen,solcheSchuhezu besitzen.Derzweitebliebverschwunden.
DieBeisetzungenderOpferzogensichdieganzeWocheüber hin.MeinHalbbruderLemuelkamausHalifax,umderBeerdigungbeizuwohnen,denNachlassunsererElternzuregelnund dasHauszuverkaufen.EristVatersSohnausersterEhe – Vaters FrauwarbeiderGeburtdeszweitenKindesverstorben.
DerSchock,dasVerpackenvonMuttersundVatersBüchern undderVerkaufundAbtransportvonMuttersHarmoniumgab mirbeinahedenRest – ichwarnochnichteinmalfähig,Tagebuchzuschreiben,obwohldasmeinabendlichesRitualwar,seit ichschreibenkonnte.Nachaußenhinließichmirweniganmer-
ken.IchwolltenichtweinenvormeinemHalbbruder,denich kaumkannte,derschonlangeausgezogenunddreizehnJahre älterwaralsich.
ImRückblickkommtesmirnaivvor,zudenken,ichkönnte weiteraufderInselleben.Ichhattegeglaubt,Lemuelwürdemir erlauben,zumeinerbestenFreundin,ElizaBillings,undihrer Familiezuziehen.Wirwarenvonkleinaufunzertrennlichgewesen:inderKirche,inderSchule,beigemeinsamenUrlaubenam Strand.ZuElizasundmeinemErstaunenbotenihreElternes nichteinmalanundLemuelspöttelteübermeineVorstellung vonWohltätigkeit.
Dabegriff ich:Erwollte,dassichdieInselverließ,dieInselmit ihrenzerklüftetenHügelnundTälern,denrauenWindenund weitläufigenWäldern,mitihrenMillionenvonWildblumenim Sommer,ihrerfelsigenSteilküsteausrotemSandstein.Wiesollte ichohnealldaslebenkönnen,ohnediefrischeMeeresbriseam Morgen?EswareinTeilmeinesLebens,einTeilvonmir.
DieVorstellung,Lemuelkönntewollen,dassichmitihm,seinerFrauundseinemkleinenSohninHalifaxlebte,ließmich erschaudern.IchhasstedieStadtundwarseinerFraubishererst zweimalbegegnet – abererhatteganzanderePlänefürmich.
»DugehstabnächsteWocheinsMädcheninternatLakesidein Connecticut.EsisteineguteMädchenschulemiteinemausgezeichnetenRuf.Dortsolltestdugutzurechtkommen.«
»IchsollwegvonderPrinz-Edward-Insel?«AlsichdieseWortelautaussprach,stiegplötzlicheindickerKloßinmeinerKehle auf,größerundraueralsjederSteinanderKüste.
»Naja,hierbleibenkannstdujaschlecht.WirhabenschließlichkeineVerwandtenmehraufderInsel.«
»WasistmitdenMacNeills,diedasPostamtbetreiben?Sind dienichtentferntmitunsverwandt?«
»Diesindzualt«,widerspracher,»undaußerdemsindsie nichtVatersMacNeills.SiehabenkeinerleiVerpflichtung.«
»Aber …«
»EinkleinerKoffer,Adelaide.Mehrbrauchstdunicht.Die Kleiderordnungiststreng.WennesdorteineSchuluniformgibt,
sorgeichbeiderSchulleitungdafür,dassdusiebekommst.Du reistmorgenfrühab.«
»Morgenfrüh?IchsollallemeineSachenzurücklassen?« Mein Zuhauseverlassen – denOrt,womeinKörper,meinHerzund meineSeelewohnen?
ErließdenBlicküberdiePuppenaufmeinemRegalschweifen,überdieBücherstapelnebenmeinemBett,dieKörbevoller SteineundKiefernzapfeninmeinemZimmer – undschüttelte dannangewidertdenKopf.
»Ichmussmichzumindestverabschiedenvon …« »NiemanderwartetdasvoneinemMädchenindeinemAlter nacheinemsolchenEreignis.Ichmussberuflichzurücknach Halifax,undjefrüherduinderSchuleeinsteigst,destobesser; destowenigerStoff versäumstdu.Obwohlichmirvorstellen kann,dassduvielleichteineKlassewiederholenmusst,ummit denanderenmithaltenzukönnen.DiePrinz-Edward-Inselhat inSachenBildungnichtvielzubieten.«Hätteergeschnaubt, hätteesnichtspöttischerklingenkönnen.
AlleerwarteneinWortzumAbschiedundeinDankeschönfür das,wassiefürmichgetanhaben,wassiefürmichwaren,undich musssiebitten,jaanflehen,mirimfernenConnecticutzuschreiben.SelbsteinemMädcheninmeinemAlterwaralldasschmerzlichbewusst.
Abernatürlichsagteichdasnicht.IchginginmeinZimmeran diesemletztenAbendimaltenHaus;demHaus,indemichgeborenwurde,womeineElternmichnochvorwenigenWochen ansichgedrückt,michgeküsstundmirversicherthatten,wie sehrsiemichliebten.LeiseschlossichmeineTür,lehntemich dagegenundbrachinTränenaus.
IndiesemzartenAlterahnteichnochnicht,dassdasMädcheninternatLakesidemeineRettungseinwürde – vorLemuel undseinerKaltherzigkeit;davor,alsPflegekindimstaatlichen SystemzulandenundvonFamiliezuFamilie,vonOrtzuOrt geschobenzuwerden.Ichahntenochnicht,dassichdortein ZuhauseundeineFamiliefindenundsieeinesTagesjähwieder verlierensollte.
Kapitelzwei
SEPTEMBER1905
AmnächstenTag,meinemzwölftenGeburtstag,bestiegenwir dieFährenachHalifax.LemuelerwähntemeinenEhrentagnicht einmal.Ichfragtemich,obernichtwusste,wannichGeburtstag hatte,oderoberihmeinfachegalwar.Gedankenverlorensahich zurKüstehinüber,bisdierotenFelseninderFerneverschwandenundderrot-weißeLeuchtturmineinemMeervonTränen verschwamm.AuchanderentriebderWindandiesemTagsalzigeTränenindieAugen,weshalbichmirkeineSorgenmachte, wasLemuelvonmirdenkenmochte.
InHalifaxzerrteichmeinenKofferanLand,zumTragenwar erzuschwer.IchhattemeinewenigeninLedergebundenen Schätzesodichtwiemöglichgepackt – DiegesammeltenGedichtevonRobertBurns undRomaneausderFederliebgewordener Freunde,dieichnatürlichniepersönlichkennengelernthatte: CharlesDickens,LouisaMayAlcott,RobertLouisStevenson. DanebendieTagebücher,diemirmeinVaterüberdieJahregeschenkthatte,undeinpaarKleidungsstücke.Sovieleshatteich zurücklassenmüssen.
Ichfragtemich,obeinneuesMädchendortlebenundindem weichenSteppbettinmeinemvertrautenaltenZimmerschlafen würde.ObsiewohlmeineKiefernzapfenundSteine,meineFedersammlungvonHaubentauchern,NachtschwalbenundEichelhähernentdeckenwürde?Obsiedasalleszuschätzenwüsste?OderwürdeihreMutteresgleichindenAbfallwerfen?
GemeinsamschlepptenwirmeinenKoffervomFähranleger zumSchifffahrtsbüro – Lemuelfassteaneinem,ichamanderen Endean.Erliefsoschnell,dassichkaummitihmSchritthalten konnte.
WährendmeinBruderhineinging,umdieFormalitätenzu erledigen,warteteichdraußen.IchhieltmeinGesichtmitgeschlossenenAugenzurSonnegewandt,inderHoffnung,dass
ihrewarmenStrahlenmeineErstarrunglösenunddieletzten TränenimKeimerstickenwürden.
NacheinerhalbenStundestürmteeinäußerstübellauniger Lemuelheraus,packtemeinenKofferamHenkel,hievteihnsich aufdieSchulterundriefmirimLaufennach:»Komm,Adelaide. ZurvollenStundeläufteinSchiff aus.Wennwirunsbeeilen, kriegstduesnoch.«
EinSchiff?Jetztschon? IchhattemeineSchwägerinodermeinenNeffennochgarnichtzuGesichtbekommen.EigentlichhätteichmindestensüberNachtbeiihnenbleibensollen.IchhechteteLemuelhinterher.SchnellesLaufenwarichgewohnt,eraber flogförmlich.
WirerreichtendenLandungssteg,kurzbevorerhochgezogen wurde.LemueltrugmeinenKofferanDeck,zeigtedemBeamten meineFahrkarte,ließmeinenKofferfallenunddrehtesichzu mirum,ohnemirindieAugenzusehen.»Dasklapptschon. VonBostonausnimmstdueinenZugnachHartford.Dortwird jemandvonderSchuleaufdichwarten.DeinZugticketbrauchst duamBahnhofnurabzuholen.IchschickeeinTelegrammund lasseesaufmeinenNamenausstellen.«
MirschwirrtederKopf.Esgingallessoschnell.»Wiekomme ichdennvomSchiff zumBahnhof?«
»NimmeinfacheineDroschke,meineGüte!«
AlsseiichschonmeinganzesLebenlanggereist – alshätteich eineblasseAhnung,wovonersprach.ErmussmeinePanikgespürthaben,dennergriff inseineBrusttascheundzogeinen Umschlagheraus.»Damitsolltestduauskommen,bisichein Taschengeldkontofürdicheingerichtethabe.«Nochimmer miedermeinenBlick.DerSchiffsbediensteteräuspertesichlaut. »Jetztgehschon.DuhältstjaalleWeltauf.«
»Lemuel!«BeiallseinerUnfreundlichkeitwareraufderWelt alles,wasmirvonmeinerFamiliegebliebenwar.
»Adelaide.«Endlichsahermichan.»Daswirdschon.Ich … ichschreibedir.«ErbrachtedenSatzkaumheraus.Ichfragte mich,obertatsächlichWorthaltenodermichsofortvergessen würde,sobaldermichloswar.Unddannwarerweg.
»Hierlang,Miss.«EinübertriebenfröhlicherSchiffsjunge schlepptemeinenKoffer.EinSeilwurdeüberdieGangwaygehängt.Ichweißnicht,wasdraußenpassierte,obLemuelwartete, ummirzumAbschiedzuwinken,umzusehen,wiedasSchiff denHafenverließ – undichNovaScotia,vielleichtfürimmer. IchfolgtedemSchiffsjungenhinunterineinenfinsterenGang undmussteblinzeln,ummeineAugenandieplötzlicheDunkelheitzugewöhnen.
DerSchiffsjungeöffnetedieTürzurKabine,verstautemeinen KofferamFußendeeinerderschmalenKojenundwarteteeinen MomentmitaufgehaltenerHand.Ichverstandnicht,warum. NachdemichihneinigeAugenblickeangestarrthatte,zogerein Gesicht,alshätteichauchihnirgendwieenttäuscht.Dann schlosserdieTürundließmichallein.
LemuelhattemireinTicketinderzweitenKlassegebucht.Die KajütehattezweiKojen,einedavonwaranscheinendschonbelegt.
IchsetztemichaufdieBettkanteundmeineKehlewartrocken,ichsehntemichnacheinemSchluckWasseroderTee. Vielleichtstecktenmiraucheinfachmeinezurückgehaltenen TränenwieeinKloßimHals.
WiegernehätteichdievertrautenArmeummichgespürt,die jetztaufderInsel,aufdemkleinenFriedhofvorderhölzernen Kircheruhten.Irgendwannlegteichmichhin,zogdieKniean undwickeltemeinenMantelfestummich.
AlsichdieAugenaufschlug,saheineältereFraumitstreng hochgestecktemDutt,ausdemeinigegraueSträhnenheraushingen,stirnrunzelndaufmichherab.
Ichschrecktehochundwusstenichtgenau,obichträumte. »Oh!«,keuchtesie.»Ichwolltedichnichterschrecken,Liebes. IchbinMrsSimmons,MildredSimmons.Offenbarteilenwiruns dieseKajüte.Undwerbistdu?«
IchrappeltemichhochundbefeuchtetemeineLippen.»Adelaide.AdelaideMacNeill.«
»WasfüreinhübscherNamefüreinreizendesMädchen!«Sie sahsoaus,alswürdesieeswirklichsomeinen.»Geradewarder letzteAufrufzumAbendessenfürdiezweiteKlasse.Ichmache michgleichaufdenWegindenSpeisesaal.Möchtestdumitkommen?Ichwarmirnichtsicher,obdunichtlieberschlafenwillst, aberbiszumFrühstückgibtesdannnichtsmehr.«
IchhatteseitdemMorgennichtsmehrgegessen.Undauchda hatteichnurmühsameineTasseTeeundeinehalbeScheibe trockenenToasthinuntergebracht.MeinknurrenderMagensagtemir,dassichvielleichtdochetwasessenkönnte.»Ja,danke.« VerschlafenhobichdieFüßeausderKojeundschobmireine HaarsträhneausdemGesicht.Bestimmtsahichschlimmaus, ganzzerknittertundzerzaust.»MussichmichzumEssenumziehen?IstdaseingroßesSchiff?Mutterhattemireinmalgesagt, dasssichdieLeuteaufgroßenSchiffenzumAbendessenumziehen.«
MrsSimmonslächelte.»Umziehenmüssenwirunsnicht,aber eineBürstekönntenichtschaden.«
IchblinzeltedieTränenweg,mitdenenichseitdemTagdes Sturmsandauerndkämpfte,undkramteinmeinemKoffer. DannzogichdieHaarbänderausmeinenZöpfenundversuchte, meinHaarzuentwirren.
»Darfich?«,botMrsSimmonsmiranundhieltdieHandnach meinerBürsteauf.Ichschniefte,reichtesieihrunddrehteihr denRückenzu,damitsiebesserbürstenkonnte.Eswarbestimmt garnichtsoleicht,dennichwarfastsogroßwiesie.
»DeineElternmüssendichfüreinesehrverantwortungsvolle jungeDamehalten,wennsiedichalleinaufdieReiseschicken.« Siebürsteteganzvorsichtig.
Michschauderteundichversuchte,michzusammenzunehmen.Wennsiedochnurnichtsoetwassagenwürde!
»AberKind,duzitterstja.Gehtesdirgut?« »Ja.Schon.«
Alssiefertigwar,flochtsiemirhinteninderMitteeinenZopf. »So.Jetztistesschonbesser.Wollenwir?«Siegingvoraus.Noch niewarichsodankbargewesen,dassjemanddieDingeindie Handnahm.MrsSimmonsführtemichdurcheinLabyrinthvon Gängen,hinaufaufeinesderDecksunddurchweitereTürenin einenSpeisesaal.IchhattenochnieeinensogroßenRaummitso vielengedecktenTischengesehen.»HieristderTischfürunsere Kajüte.Schau,dasindnochzweiPlätzenebeneinanderfrei.Wie schön.«
IchachteteaufAnzeichenvonSarkasmusoderVerachtungin ihrerStimme,wieichsiebeiLemuelherausgehörthatte,aberich hörtenichtsdergleichen.ZumGlückstelltesiemirwährendder MahlzeitnurbelangloseFragenwie Spürstdu,wiedasSchiff schaukelt?SchmecktdirdieSuppe?WardiePastetenichtlecker?
DieanderenLeuteanunseremTischinteressiertensichnichtfür uns,wasmirganzrechtwar.
NachdemAbendessenschlendertenwirinderwohltuenden KühlederNachtüberdasDeckundließenunsdieSeeluftum dieOhrenblasen.EinwillkommenesGeschenk.MrsSimmons drängtemichnicht,auchwennihrsicherkaltwar.
WirmachtenunszumSchlafengehenfertig,daraufbedacht, einandergenügendPrivatsphärezulassen.AlswirdasLichtgelöschthatten,flüstertesienacheinerWeileausihrerKojeaufder anderenSeite:»Würdestdugernereden,Liebes?«
IhremitfühlendeStimmeöffnetebeimiralleSchleusen.Unter ersticktemSchluchzenerzählteichihrvondemheftigenSturm, vonmeinenEltern,dieindenaufgewühltenWellenüberBord gespültwordenwaren,vonderBergungihrerLeichen,vonMutterseinsamemrotemSchuh,vonihremBegräbnis,vomKommenLemuelsunddemVerkaufunseresHauses.Icherzählteihr vonunseremübereiltenAufbruchnachHalifax,dermirnicht einmaldieZeitgelassenhatte,michvonmeinenFreundenzu verabschiedenodernocheinmalzumGrabmeinerElternoder einemmeinerLieblingsortezugehen:zumWäldcheninder SchluchtoderzurKlippe,diewachendüberdemUferstand.Jetzt warichaufdemWegindieStaaten,zueinerSchule,inderich
niemandenkannte,undLemuelhattemirversichert,dassichals MädchenvonderInselmitanderenKindernsowiesonichtwürdemithaltenkönnen.
MrsSimmonshörtemiraufmerksamzu,schnieftenurabund anundriefoderflüsterteeinmitfühlendes»Oh«,ummeinen Erzählflussnichtzuunterbrechen.Ichredete,bisichvölligerschöpftwar,bismeineTränenversiegtwaren,dasZitternaufgehörthatteundichganzstilldalag.ErstdannbegannMrsSimmons,lautzubeten.
»UnserlieberGottundVater,mitgebrochenemHerzenkommenwirheuteNachtzudirinunsererTrauerüberdenfurchtbarenVerlustvonAdelaidesgeliebtenEltern.Wirtrauernumdie starkenArme,diesienunnichtmehrumsichspürenkann,um dasZuhause,dassiesosehrgeliebthat – wosiegeborenwurde, sichgeborgenfühlteundindemsiezueinerjungenFrauheranwachsenwollte.
Herr,sieistjetztaufeinerReiseinsUngewisse.Seidubeiihr, Vater.LassesiedeineLiebeundFürsorgeerfahren.Stelleandere MenscheninihrLeben,dieihrhelfen.ErinneresiejedenTag greifbardaran,dasssieaufihrerLebensreisenichtalleinist.Halte dusie,führesie,beschützesie,Vater,undschenkeihrdieGewissheit,dasssiedeinegeliebteTochterist.
Danke,dassdugutfürunssorgstundunsfürunsereReisein dieserKajütezusammengeführthast,Herr.Nurdukonntestuns einsolchesGeschenkmachen.SegneAdelaide,lassesieheute NachtgutschlafenundmorgenfrühaufwachenmitderZuversichtunddemFrieden,dienurdugebenkannst.
Danke,Vater,dassdumichmitdiesemreizendenMädchen zusammengebrachthast.ImNamenJesusChristus,unseres Herrn,Amen.«
»Amen«,flüsterteichsoleise,dassichhoffte,Gottwürdees überhaupthören.
»GuteNacht,Liebes.«
»GuteNacht,MrsSimmons.«
WiderErwartenschliefichtatsächlichtiefundfestundkonnte michauchnichterinnern,geträumtzuhaben.
AlswirinBostonanlegten,warMrsSimmonsfestentschlossen,michsicherindenZugnachHartfordzusetzen.Ichhatte auchnichtvor,ihrdasauszureden.
SiehieltWortundwartete,bisichmeinTicketamSchalter abgeholthatte.Dannerklärtesiemirausführlich,wasichauf meinerReisewissenmusste,undzogsogareinenBogenBriefpapierausihrerReisetasche,aufdemsieallesaufschrieb.Dafür warichihrsehrdankbar,dennsounerfahren,wieichwar,würde ichsicherlichdasmeistewiedervergessen.Bevorwirunsverabschiedeten,schriebsiemirnochihreAdresseuntenaufden Briefbogen.
»Wenndudichdanneingelebthast,musstdumirschreiben undmirallesüberdeineneueSchuleerzählen.Ichmöchtewissen,wasdeineLieblingsfächersindundwiedeineneuenFreundinnenheißen.Duwirstbestimmtnichtlangeeinsamsein.Jedes Mädchenwirdsichmitdiranfreundenwollen,Adelaide,unddu findestganzsichereineoderzweirichtignetteFreudinnen,wenn dudeineAugenunddeinHerzoffenhältstunddenanderen MädchendeinfreundlichesLächelnschenkst.Denkimmerdaran.«
GenauwieMrsSimmonshätteichmirmeineGroßmutter odermeinenSchutzengelvorgestellt … Ach,wäresiedochmeine Großmuttergewesen!
IchlehntemichausdemFensterundwinkteihrnach,bisder ZugumeineKurvefuhrundichsienichtmehrsah.Esfühltesich seltsaman,ganzalleineindemAbteilzusitzen,alsoschauteich eineWeileausdemFensteraufdievorbeiziehendeLandschaft, dannbetrachteteichdasPapier,dasichinderHandhielt.
MitderListe,dieMrsSimmonsmiraufgeschriebenhatte, fühlteichmichnichtmehrganzsohilflosundallein.Ichlehnte michzurück,seufzteundschlossdieAugen.MuttersGesicht tauchtevormirauf,danndasmeinesVaters.IchsahMutters leuchtendeAugenundihrLächelnmitdenGrübcheninihren Wangen.VaterrunzeltebesorgtdieStirn,seindunklesHaar
zeigteschonSpurenvonGrau.WiegernehätteichdieHand nachihnenausgestreckt.WennichdieAugenöffnenwürde,wärensienichtmehrda,alsohieltichsiegeschlossenundmuss wohlirgendwanneingeschlafensein.
EinPfiff rissmichausdemSchlaf,alsderZugmiteinemRuck zumStehenkam.NeueReisendestiegeneinundeinMannsetzte sichmirgegenüber.Ichwandtemichdemonstrativabundsah ausdemFenster.HoffentlichwürdeerkeinGesprächanfangen.
Ichkonzentriertemichdarauf,mirdasMädcheninternat Lakesidevorzustellen.ObeswirklichaneinemSeelag?EinSee warzwarnichtmitdemMeerzuvergleichen,aberMrsSimmons hattegesagt,dassauchSeeneinengewissenZauberinnehaben könnten. Zauber.FrüherhatteichanMagiegeglaubt,anFeen undZwergeausvergangenerZeit,aberderTodmeinerEltern hattemirdenGlaubenansolcheDingeausgetrieben.Ichfragte mich,obichinderSchuletatsächlicheineFreundinfindenwürde,wieMrsSimmonseserwartete – nichtirgendeineFreundin, sonderneine beste Freundin.Oh,wieichmirdaswünschte.
DerZugfuhrindenBahnhofvonHartfordeinundbremste zweimalsoruckartig,dassmeinMantelausderGepäckablage fiel.DerMann,dermirgegenübersaß,fingihnauf,bevorerzu Bodenfiel.»Dergehörtdir,oder?«Erlächelte.
»Danke,Sir.«Ichspürte,wiemirdasBlutindieWangen schossundsammelteverlegenmeineSachenzusammen.
DieTürendesAbteilsöffnetensichundwirstiegeneinernach demanderenaus.
Lemuelhattegesagt,jemandvonderSchulewürdemicham Bahnhofabholen,aberichhattekeineAhnung,werdassein könnte,wiederjenigeaussahoderwoichwartensollte.DieUnsicherheitergriff micherneut.Aberichweigertemichzuweinen unddachteanMrsSimmons’ Rat. »Stelldichaufrechthin,holtief Luft,spricheinGebetundüberlege,welcheMöglichkeitendu hast.«
Siehattegesagt,ichsollenacheinemManninBahnhofsuniformAusschauhalten,ihmmeinenGepäckscheinzeigenundihn bitten,meinenKofferindenWarteraumderDamenzubringen. Sicherwürdederjenige,dermichabholenwollte,dortnachmir suchen.EndlichfandicheinenAngestellten.Erlüfteteseinen HutundnahmmirdenGepäckscheinab.IchfolgteeinerGruppe vonFrauen,diesozielstrebigunterwegswaren,alswüsstensie genau,wohinsiewollten.TatsächlichbetratensieeinenWartesaalfürDamen.
IchfandeinenPlatzganzaußenaufeinerBank.WenigeMinutenspäterstellteeinKofferträgermirmeinenKoffervordie Füße.EinehalbeStundeverging,danneineStunde.Esdämmerte schonundichfragtemichallmählich,wasichtunwürde,wenn derWartesaalodergarderganzeBahnhofgeschlossenwürde undichalleinaufdemBahnsteigzurückbliebe.
WenigeAugenblickespäterflogdieTüraufundeinMädchen, nichtvielälteralsich,stürmteherein – einMädchenmitflammendrotem,zerzaustemHaar,funkelndengrünenAugenund SommersprossenaufderNase.SieließihrenBlicküberdieGesichterimRaumschweifen.Ichsetztemichaufrechthin.Alssich unsereBlicketrafen,grinstesiefastsowiedieGrinsekatzeaus AliceimWunderland undkamdirektaufmichzu.»MacNeill? AdelaideMacNeill?«
»Ja,dasbinich.«Erleichtertstandichauf.
Sieergriff meineHandundschütteltesiekräftig.»Dorothy Belding.NennmichDot.WillkommeninLakeside – odererst einmalinHartford.IchbindeineTutorin – zumindestbismorgen,bisdudeineoffizielleTutorinbekommst.«
IchhattekeineAhnung,wovonsiesprach.
»Hastdunichtmehrdabei?«SiewarfeinenBlickaufmeinen Koffer.
IchschütteltedenKopf,soperplex,dassichkeinenTonherausbrachte.
»DureistmitleichtemGepäck?Gutso.YoungClemkommt kaumvomFleck,wennderWagenschwerbeladenist.Sosollten wiresgutschaffen.«SiepacktemeinenKofferaneinemEnde