»ES IST SO EINE WUT IN MIR.«
Wenn dein Unternehmen scheitert
Ihr beim Erzählen zuzuhören, macht großen Spaß. Susi Hartmaier ist lustig, selbstironisch, sie hat einen guten Blick für Details, für Menschen, für das Leben. Tanz, Musik, Theater sind Sprachen, mit denen sie sich gut ausdrücken kann, sagt die 35-Jährige. Und Backen.
All diese Sprachen hat sie ordentlich gelernt: Nach ihrem Realschulabschluss machte Susi eine hauswirtschaftliche Ausbildung in Kombination mit ihrem Abitur, später eine einjährige Schauspielausbildung in München, danach ein Studium der Kultur- und Medienpädagogik. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in Berlin bei der blu:boks, einem Kultur-Sozialprojekt in Berlin-Lichtenberg.
Wenn es Susi als Kind nicht so gut ging, so erzählt es ihre Mutter heute, hat sie die Tochter schon früh in die Küche gestellt und sie einen Teig kneten lassen – danach war immer alles wieder gut. Und so waren Susis Freunde und Familie nicht überrascht, als sie sich tatsächlich mit einem Café selbstständig machte, mitten in Berlin, mit Apfelkuchen und Frühstück bis 18 Uhr. Ein Traum, der dann mit einem großen Knall platzte, aber davon wird Susi selbst erzählen.
Herbst 2015
Ich sitze mit Christian, meinem Mitbewohner, in unserer WG-Küche. Wir sind beide gerade auf Jobsuche und überlegen, was wir machen könnten. Für Christian ist klar, dass er sich gerne in der Gastronomie selbstständig machen würde. Ich traue mich das nicht. Von der betriebswirtschaftlichen Seite her fühle ich mich nicht kompetent genug. Wir sitzen am Tisch und gucken uns an. Christian hat eine kaufmännische Ausbildung, ich eine hauswirtschaftliche. Wir denken: Wieso schmeißen wir diese Kompetenzen nicht zusammen? Christian ist außerdem ein sehr guter Koch, wir haben schon zusammen auf Freizeiten gekocht und jedes Jahr gibt es ein großes Weihnachtsessen in unserer WG für alle Freunde. Wir sind also kulinarisch auf der gleichen Wellenlänge. Jeder, dem wir es erzählen, ist gleich begeistert: Wenn nicht ihr, wer dann? Und tatsächlich: Es ist etwas, das ich schon immer machen wollte. Einen eigenen Raum haben, den ich gestalten kann. Leuten außerhalb ihres Zuhauses einen Ort bieten, wo sie sich wohlfühlen, wo sie gut essen und trinken können. Eine gute Arbeitgeberin sein. Das Kochen und Backen ausleben in einem professionellen Rahmen.
Winter 2015/16
Wir nehmen uns fast ein halbes Jahr Zeit, um einen Businessplan zu schreiben, über eine Finanzierung nachzudenken, alles mit dem Jobcenter abzuklären. Wir sind in vielen Cafés unterwegs, um uns von anderen kreativen und klugen Gastronomen inspirieren zu lassen. Wir entwickeln ein eigenes Profil. In Berlin-Friedrichshain gibt es viel fancy Zeug, aber ich habe mich die ganzen Jahre, in denen ich dort schon wohne, nach einem Stück Apfelkuchen mit Streuseln gesehnt und nach Stühlen, auf denen man gut sitzen kann, und einem Ort mit guter Atmosphäre. Wir wollen deshalb ehrliche Küche, Rezepte von meiner Oma, Hausmannskost. Regional und saisonal ist uns wichtig. Und eine offene Küche mit großem Tisch möchten wir haben, wo wir Kochkurse organisieren und die wir für private Feiern vermieten
können. Mit unserem Konzept gehen wir zur Bank, fragen Familie und Freunde, ob sie uns finanziell unterstützen, weil wir beide nicht viel Eigenkapital haben. Der Businessplan macht Spaß, weil wir etwas gestalten können. Einfach auf einem Blatt Papier, wir haben noch keine Räume, kein Logo. Es ist wie eine Spielwiese. Ein schöner Prozess, bei dem viel Kreativität freigesetzt wird.
Frühling 2016
Der spannende Part beginnt damit, eine geeignete Immobilie zu finden. Das ist richtig schwierig, weil die Mieten so teuer sind. Wir wollen außerdem in unserem Kiez bleiben, weil wir den am besten kennen. Wir finden ewig nichts, das groß genug, aber bezahlbar ist und eine gute Lage hat.
Und dann klappt es doch: am Boxhagener Platz, dem zentralen Marktplatz im Friedrichshain, wo die ganzen coolen Läden und Cafés und der Wochenmarkt sind. Der Laden, eine ehemalige Kneipe, ist furchtbar. Es riecht nach Pipi, Kaka, Rauch. Ich denke, ich halte es hier keine fünf Minuten aus. Ich will nichts anfassen, es ist so eklig. Aber Christian kann erkennen, was daraus werden könnte. Er malt mir den Grundriss auf. Zur Straße geht ein riesiges Schaufenster, und Christian sieht schon, wie die Leute da drin mit ihrem Kuchenteller und ihrem Kaffee sitzen wie in einem Wohnzimmer, mit schönen Lampen im Fenster und Sofas und Sesseln. Die Miete liegt bei 3 800 Euro kalt. Wir haben durchgerechnet, was wir einnehmen müssen, und wir wissen, dass es erst mal eine knappe Kiste wird, weil es ungefähr drei Jahre dauert, bis ein Café läuft. Wir wissen aber auch, dass wir kaum gute Alternativen haben. Wir schlafen ein paar Nächte schlecht und denken: »Wir sind heiß, wir haben das Konzept in der Schublade, wir machen das.«
Sommer 2016
Wir fahren zur Hausverwaltung, Christian hat vorher schon Kommentare über den Vermieter und die Hausverwaltung im Internet gelesen, aber so recht können wir
das alles nicht glauben – leider, im Nachhinein. Wir hätten einfach gleich umdrehen sollen. Wir gehen trotzdem hin und unterschreiben.
September 2016
Wir renovieren. Viele Leute kommen und helfen uns. Unsere Freunde schrubben stundenlang Fliesen im Klo oder beizen Türrahmen ab, die sicher fünfzig Jahre lang einfach immer überstrichen wurden. Es gibt noch keine Küche, wir bauen eine rein, mein Vater fliest den Tresen mit spanischen Fliesen. Es ist Wahnsinn, wie viel Unterstützung wir erfahren, weil alle Leute so Bock haben auf dieses Café und darauf, Teil davon zu sein, diesen Raum zu verwandeln.
Oktober 2016
Ich mache meine ersten Erfahrungen als Geschäftsfrau und Chefin. Die Handwerker und Lieferanten wollen immer meinen Mann sprechen. Am Anfang mache ich mir noch die Mühe, zu sagen, dass Christian nicht mein Mann ist, noch nicht mal mein Partner, sondern mein Geschäftspartner. Ich betone, dass ich die Chefin bin, dass sie mit mir sprechen können.
Einer fragt: »Ja, haben Sie denn keinen Mann?« Irgendwann lasse ich die Leute in dem Glauben, dass Christian mein Mann ist, weil ich keine Kapazitäten habe, jedes Mal aufzuklären. Aber es ist ein bescheuertes Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Es gibt auch Situationen, wo ich Christian hole, weil ich keine Ahnung von Elektroanschlüssen habe. Er übrigens auch nicht! Aber die Handwerker fühlen sich wohler, das mit ihm zu besprechen. Ich merke: Das könnte spannend werden. Als Frau und Chefin. Vor allem, weil es auch noch einen Mann gibt. Wäre ich alleine, würde ich mich anders durchsetzen, glaube ich. Dann würde ich einfach sagen: »Ich bin die Chefin, schießen Sie los.« Man merkt, wie Leute es gewöhnt sind, von Männern etwas gesagt zu bekommen. Es ist eine Erfahrung, die ich überhaupt nicht erwartet habe.
November 2016
Wir kommen aus einer Zeit der Arbeitslosigkeit und plötzlich stehen wir in diesem Ding, gefühlt 24/7. Wir besorgen innerhalb von drei Monaten die gesamte Einrichtung und treffen am Tag unzählige Entscheidungen. Es ist cool, und es funktioniert. Ich bin so beflügelt! Ich bekomme Arbeitslosengeld. Und plötzlich gehe ich mit Summen um, die ich noch nie vorher in den Händen hatte. Die Verantwortung, die ich habe, mit diesem Geld gewissenhaft umzugehen, aber auch in dieser kurzen Zeit etwas Schönes auf die Beine zu stellen – das ist Wahnsinn.
Anfang Januar 2017
Der Tag vor der Eröffnung des »Café Düsselmaier«. Wir hängen mit Freunden Lampen auf bis in die Nacht, meine Eltern machen die ersten Spülgänge mit der Maschine. Es ist zeitlich super eng. Der Vertreter sagte, das Geschirr komme auf jeden Fall noch im Dezember, aber es kam nicht. Zum Glück können wir welches aus einer Gemeinde ausleihen. Wir haben uns schon während der Renovierung davon verabschiedet, dass es so läuft wie geplant, aber das hier war natürlich überhaupt nicht vorgesehen. Das Ersatzgeschirr ist auch nicht so, wie wir es wollen, es gibt nicht mal Espressotassen. Das Holzregal fehlt. Die Miet-Küche ist auch noch nicht eingebaut. Aber eine Freundin klebt die Silhouette der künftigen Küche mit Gaffer-Tape an die Wand, es sieht aus wie ein Kunstwerk.
Mitte Januar 2017
Es geht also los. Aber es ist Januar, und Januar ist der schlechteste Monat in der Gastronomie. Es ist merkwürdig, weil wir aus einer so geschäftigen Zeit kommen. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind ganz motiviert, und dann nehmen wir am ersten Tag vielleicht 100 Euro ein. In der ganzen ersten Woche geht gar nichts, in der zweiten Woche ist es ein bisschen besser. Wir wussten schon, dass die Leute im Januar eher denken: »Wir machen jetzt Sport, wir gehen nicht ins
Café, wir müssen unser Geld zusammenhalten, weil wir an Weihnachten so viel ausgegeben haben, wir hatten außerdem gerade erst frei.« Das ist ganz normal: Es gibt Phasen im Jahr, wo viel los ist, und Phasen, wo wenig los ist. Aber wir stehen ganz am Anfang. Die Kuchentheke ist voll, wir sind voll motiviert, und dann kommt niemand.
Ende Januar 2017
Ich sehe die Leute in dem relativ leeren Raum sitzen. Und merke, dass das schon ein Café ist, auch wenn noch nicht alles fertig ist. Aber die Atmosphäre ist da: Geschäftigkeit, die Kaffeemühle mahlt, Kaffee läuft durch, die Kuchenvitrinentür klappt auf und zu, jemand macht was mit Kleingeld. Es geht nicht um Perfektion, es geht um die Leute hier im Moment, die Kaffee und Kuchen bekommen und sich mit ihren Freunden treffen und sich in einer Atmosphäre unterhalten, die wir gerade gestalten.
Februar 2017
Die Sache nimmt ganz schön Fahrt auf. Am Wochenende ist superviel los. Die ersten ruhigen Wochen konnten wir gut nutzen, um uns einzuarbeiten – das war gut.
Finanziell zwar ein Desaster, aber fürs Reinkommen und Ankommen war es eine wertvolle Zeit.
September 2017
Ich möchte wirklich eine gute Chefin sein. Aber ich merke, dass es das Schwerste überhaupt ist, in so einem Arbeitskontext jedem Mitarbeiter gerecht zu werden. Die meisten machen das ja nicht, weil sie eine große Liebe fürs Servieren oder für die Gäste haben, sondern weil es ein Job ist, wo man im besten Fall ein ordentliches Trinkgeld kriegt, flexibel ist, relativ überschaubar Verantwortung übernimmt und Sachen macht, die man schnell lernen kann. An solchen Leuten kann man sich
abarbeiten, wenn man als Chefin den Anspruch hat: Ich will euch sehen, ich will euch fördern, ich will euch motivieren. Ich will es gut machen, aber merke, dass da kein großer Spielraum ist. Ich kann froh sein, wenn die Mitarbeiter pünktlich sind. Immerhin sagen unsere Leute, die schon Gastro-Erfahrung haben, dass sie noch nirgendwo gearbeitet haben, wo es so respektvoll zuging, trotz Stress. Ich hatte schon Leitungsverantwortung in anderen Kontexten, aber immer mit einem anderen Chef im Hintergrund. Plötzlich diejenige zu sein, die sagt, wie es gemacht wird und dann wird es auch so gemacht, auch wenn es eine dumme Idee ist, finde ich für mich herausfordernd. Auszuhalten, dass ich manchmal ungerecht bin oder Leuten was unterstelle. Anzuerkennen, dass ich als Chefin, die das doch gut machen will, auch Fehler mache, dauert schon eine Zeit lang. Barmherzig mit mir zu sein und nicht nur mit den Mitarbeitern. Mir zuzugestehen: Okay, du machst das hier zum ersten Mal. Du kannst wirklich sagen, du gibst dein Bestes. Aber alle machen Fehler, und du halt auch.
Winter 2017
Durch die Kochschule kann ich meine pädagogische Ader ausleben, weil ich Leuten gern Sachen beibringe. Oft kommen Unternehmen zum Teambuilding zu uns, vor Weihnachten sind wir fast jeden Abend ausgebucht. Dann zeige ich, wie man eine Zwiebel schneidet, und den Teilnehmern gehen die Augen über, weil sie denken: »Ach krass, ist ja voll einfach mit dem Trick!« Menschen, die das nicht von ihren Eltern oder ihrer Oma gelernt haben, gehen beglückt nach Hause. Das finde ich voll cool. Es ist wertvoll für mich, solche Erkenntnisse zu vermitteln.
Frühling 2018
Es war uns von Anfang an klar, dass wir viel arbeiten müssen, aber wir wollten das. Ich bin meist von morgens um acht bis abends um halb acht da, Christian kommt morgens später und bleibt dafür am Abend. Wir putzen selbst, wir kaufen selbst
ein, und weil wir nicht so viele Lagermöglichkeiten haben, müssen wir richtig oft einkaufen gehen. An den Wochenenden kommen wir fast an unsere Kapazitätsgrenzen. Das ist ein gutes Zeichen, aber ich habe oft auch keine Zeit, um aufs Klo zu gehen, wenn ein Frühstückszettel nach dem anderen reinkommt (und das bis 18 Uhr). Es macht uns sehr glücklich, umsatzmäßig ist es unglaublich, von der Auslastung supercool, aber von der Belastung für uns und die Mitarbeiter sehr viel.
Herbst 2018
Ich merke, dass mein Glaube erwachsener ist, als ich dachte. Sonntags arbeite ich immer und kann dadurch in keine Kirche gehen, und unter der Woche schaffe ich es auch nicht, regelmäßig einen Hauskreis zu besuchen. Mein Glaube muss sich aus anderen Sachen speisen oder Impulse holen. Gott erfahre ich nun in ganz anderen Situationen und er ist treu. Ich merke, dass da ganz schön viel in mir drin ist und ich nicht immer nur den Input von außen brauche. Gott ist so kreativ und steht einfach in meiner Küche bei mir. Manchmal erlebe ich sogar Wunder, wenn irgendetwas plötzlich wieder funktioniert oder jemand einspringt. Es sind so kleine Stoßgebete, und dann läuft es. Da sehe ich Gottes Handschrift drin. Und sonntagmorgens, wenn ich eine halbe Stunde allein in der Küche stehe, höre ich ganz laut Musik und halte da meinen Gottesdienst, während ich Kuchen backe oder die Spülmaschine aufheize. Es ist eine tolle Erfahrung für mich zu sehen, dass mein Glaube nicht an Umständen hängt. Und Gottes Treue nicht daran, wie viel ich in der Bibel lese oder bete.
Februar 2019
Auch wenn man etwas liebt, kann es irgendwann zur Belastung werden. Manche Freunde verstehen das nicht, sie denken, dass ich mir doch gerade meinen Traum erfülle. Ja, das mache ich! Aber es kann manchmal auch ein Albtraum sein, wenn es einfach zu viel ist. Wenn ich keine Zeit mehr habe, um zu regenerieren, keine
Zeit habe, um Beziehungen zu pflegen. Ich habe zum Glück gute Freunde, die im Café vorbeikommen, kurz in die Küche reingucken und fragen, wie es mir geht. Oft habe ich aber nicht einmal zwei Minuten, um zu antworten, weil da zehn Frühstückszettel liegen und ich Eier braten muss.
Montags, wenn ich freihabe, haben die anderen keine Zeit, und das ist manchmal schmerzhaft. Zu sehen, dass ich für diese eine Sache, die ich sehr gerne mache, ganz viel Zeit habe, aber für andere Sachen keine Zeit oder Kraft oder Kapazität mehr da ist. Gerade im letzten Jahr haben Christian und ich beide gemerkt, dass wir dünnhäutig geworden sind und uns schneller ärgern. Es ist furchtbar zu erleben, wie man sich durch so einen Dauerstress verändert. Wir können leider nicht gut gegensteuern, weil wir es uns in diesen ersten drei Jahren nicht leisten können, zum Beispiel eine Putzkraft einzustellen. Uns ist klar, dass wir erst mal einfach durchhalten und auf die finanziellen Ressourcen aufpassen müssen. Es gibt keine andere Möglichkeit.
Juli 2019
Wir haben einen Mietvertrag für drei Jahre bekommen, was bei Unterzeichnung sinnvoll war, weil man nach drei Jahren sehen kann, ob der Laden läuft oder nicht. Oft gehen solche Verträge über zehn Jahre, und man kann sie nicht einfach kündigen. Nach drei Jahren sagen wir dem Vermieter also, dass wir gerne verlängern würden. Wir haben schon mit einer Mieterhöhung gerechnet, aber 20 Prozent! Das können wir nicht zahlen. Daraufhin beendet der Vermieter das Mietverhältnis sofort. Der Vermieter besitzt 200 Objekte in Berlin, ihn interessiert kein Einzelschicksal. Wir müssen innerhalb von zwei Wochen ausziehen, weil wir mit zwei Mieten im Rückstand sind. Ich rufe einen Anwalt an, aber auch er kann nichts ändern. Wir stehen im Laden, alle Rollläden unten, völlig geschockt. »Okay«, sagen Christian und ich, »dann machen wir morgen zu.« Ab da funktioniere ich. Arbeite alles ab, was abzuarbeiten ist. Rufe die Mitarbeiter an: »Ihr braucht morgen nicht kommen.«
Fristlos gekündigt. Das ist furchtbar. Leuten, die seit zwei Jahren bei uns arbeiten, von einem Tag auf den anderen sagen zu müssen: »So, das war’s.«
Es tut gut, dass die Gäste und unsere Freunde sich empören. Viele kennen das Problem, finden keinen bezahlbaren Wohnraum für ihre Familie oder kennen kleine Läden, die auch zumachen mussten. Wir können keine Lösung finden, weil es ein strukturelles Problem ist und kein von uns Gastronomen gemachtes. Unser Laden hat funktioniert. Wir hatten schon Reservierungen für November, Dezember. Diese Frustration, dieser Ärger und so viel Hilflosigkeit. Wir haben nicht schlecht gewirtschaftet. Wir hatten keine schlechten Produkte. Wir haben alles richtig gemacht, und jetzt entscheidet ein reicher Mann für uns. Einfach nur, weil er es kann.
Wir räumen innerhalb einer Woche alles aus. Einen Großteil der Möbel verkaufen wir noch direkt im Laden. Es ist schön zu sehen, wie Stammkunden einen Sessel nach Hause tragen oder sich eine Vase mitnehmen. Es fühlt sich an, als ob das Düsselmaier zu Hause bei den Leuten weiterlebt, ein bisschen zumindest. Der Vermieter sagt, dass wir alles rausreißen müssen, die Theke, die ganzen Elektro- und Wasseranschlüsse, alles – unabhängig davon, ob der Nachmieter es brauchen könnte.
Mein Papa hat diese Theke gebaut und mit spanischen Fliesen gefliest, und nun stehe ich da und sehe, wie er diese Fliesen wieder abschlägt. Das bricht mir fast das Herz. Aber wir sind nicht allein. Alle unsere Freunde, die vor drei Jahren beim Einzug mitgemacht hatten, sind jetzt wieder dabei beim Auseinanderbauen. Sie mieten ein Lager für uns an, organisieren einen großen Transporter, fahren tausendmal hin und her, unsere Mitarbeiter packen in ihrer Freizeit Geschirr in Zeitungspapier. Ich kann das in diesem Moment gar nicht honorieren.