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Dasechte Leben eines Christen oder einer Gemeinde kann manchmal spannender und dramatischer sein als irgendein aufregender Kriminalroman. Dieses Buch schildert die unglaubliche Geschichte zweier Gemeinden in den Jahren 2020–2021, die trotz behördlicher Verbote, nach viel Gebet und Bibelstudium in Verantwortung vor Gott und Menschen wieder ihre Türen geöffnet haben. Sie folgten damit ihrem Gewissen und ihren biblisch geprägten Überzeugungen.
Die Folge: Unglaubliche Repressalien durch die Obrigkeit, Presse und Behörden und für James Coates schließlich Festnahme mit Hand- und Fußfesseln und wochenlange, peinliche Inhaftierung in der Untersuchungshaftanstalt von Edmonton.
Leider ist diese Geschichte, die weltweit in den Medien verbreitet und diskutiert wurde, besonders in Deutschland oft als ein Aufruf zum »zivilen Ungehorsam« kritisiert und kommentiert worden. Dabei wurde aber verschwiegen, dass dem endgültigen Entschluss, die Türen wieder zu öffnen, zunächst viele Monate der Akzeptanz der staatlichen Anordnungen, der intensiven Prüfung der Rechtslage und natürlich der biblischen Prinzipien und Beispiele vorausgegangen sind.
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Diese sehr sachliche Darstellung der Ereignisse und die vorgestellten biblischen Prinzipien zum Thema »Unterordnung« könnten eine enorme Hilfe für die gegenwärtigen meist emotionalen Diskussionen und demütigenden Auseinandersetzungen in den evangelikalen Gemeinden in Deutschland sein, um »den Sumpf der Gerüchte trockenzulegen und die Verbundenheit in Christus auch praktisch und öffentlich zu stärken«, wie es im Vorwort dieses wichtigen Buches gewünscht wurde.
— Wolfgang Bühne, Meinerzhagen
NATHAN BUSENITZ | JAMES COATES
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GOTT
oder Staat
In der Wahrheit feststehen, wenn unsere Loyalität zu Christus vom Staat herausgefordert wird
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Den geliebten Geschwistern unserer jeweiligen Gemeindefamilien, der
Grace Community Church in Los Angeles (Kalifornien, USA)
und der
GraceLife Church in Edmonton (Alberta, Kanada)
INHALTSVERZEICHNIS
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel 8
Ein Diener in Ketten
Kapitel 9
Hinter Gittern Gott vertrauen
Kapitel 10
Die Untergrundkirche von Kanada
Teil 2 – Unsere Stellungnahme
Kapitel 11
Fünf biblische Prinzipien
Kapitel 12
Biblische Ausnahmen und ihre Bedeutung für den Hirtendienst
Kapitel 13
Der Zeitpunkt ist gekommen
Kapitel 14
Die Obrigkeit auf ihre Pflicht hinweisen
Kapitel 15
Christus, Mut und Unbeugsamkeit
Anhang 1 Verfassungen und Grundgesetz
Anhang 2
»singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen«
VORWORT
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John MacArthur
In Anbetracht jüngster Ereignisse müssen drei grundlegende biblische Wahrheiten betont werden. Erstens: Die christliche Gemeinde ist unentbehrlich. Zweitens: Die Gemeinde muss sich regelmäßig und an einem (physischen) Ort als Körperschaft versammeln. Drittens: Die Gemeinde ist verpflichtet, Christus selbst dann zu gehorchen, wenn diesem Gehorsam staatliche Vorschriften und Einschränkungen entgegenstehen. Da diese Grundsätze neutestamentlich klar belegt sind, erstaunt es nicht wenig, dass sie nun kontrovers diskutiert werden, gerade auch unter den »Evangelikalen«. Doch so ist es offenbar. Es ist zu einer Fülle von Meinungsverschiedenheiten und Kompromissen gekommen. Daher ist die Botschaft dieses Buches überaus wichtig und notwendig.
Eine Gruppe von Gläubigen, die sich nicht versammelt, ist keine »Gemeinde«. Das in den neutestamentlichen Urschriften gebrauchte Wort für »Gemeinde« ist ekklesia. Schon vor der Gründung der neutestamentlichen Gemeinde bezeichnete dieses Wort eine Versammlung, eine Ansammlung von Menschen. Es setzt sich aus zwei griechischen Wortstämmen zusammen, die zusammengesetzt wörtlich »Herausgerufene« bedeuten. Insbesondere bezieht es sich auf eine aus den jeweiligen Häusern herausgerufene (oder aus einer größeren Grup-
pe herbeigerufene) Körperschaft von Menschen, die (physisch) zusammengebracht wird. Wie beim deutschen Wort Versammlung wurde das Konzept einer (physisch) zusammenkommenden Gruppe schon im Begriff ausdrücklich klargestellt.1
Die Gemeinde kommt insbesondere zum Gottesdienst zusammen, doch der wesentliche Nutzen der Zusammenkunft beinhaltet auch Gemeinschaft, Unterweisung, gegenseitige Ermutigung und gegenseitige Verantwortlichkeit. Gläubigen wird geboten, das Zusammenkommen als Christen nicht zu versäumen (Heb 10,25). Diesem Gebot folgt sogleich die ernsteste Warnung vor dem Abfall, die das Neue Testament zu bieten hat. Christliche Gemeinschaft und gemeinsame Anbetung Gottes sind daher unverzichtbar, um die geistliche Gesundheit jedes einzelnen Gläubigen zu erhalten, und sie sind (offensichtlich) auch lebensnotwendig für die christliche Gemeinde.
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Gläubige könnten durch Krankheit, Inhaftierung, Krieg, Naturkatastrophen, notwendige Reisen oder aufgrund irgendeines anderen bedeutsamen Notfalls gezwungen sein, der Versammlung vorübergehend fernzubleiben. Es gibt allerdings keine Rechtfertigung dafür, dass eine gesamte Gemeinde ihre Zusammenkünfte zur gemeinschaftlichen Anbetung für längere Zeit aussetzt. Seit dem ersten Pfingsten haben Seuchen, Pandemien und Verfolgung das Volk Gottes häufig (wenn nicht sogar pausenlos) bedroht. Nie zuvor haben treue Gemeinden auf solche Hindernisse reagiert, indem sie einfach monatelang ihre Türen geschlossen hielten und indem sie Fernunterricht-Technologien zu einem hinlänglichen Ersatz für gemeinschaftliche Anbetung erklärt hätten. Christen in Amerika und in anderen westlichen Demokratien haben den Segen und das Vorrecht erfahren, dass sie seit
1 Vgl. Kongregation (engl. congregation) von lat. congregare »sich versammeln« aus lat. con »zusammen« und lat. grex »Herde, Schar«. (A. d. Ü.)
über zwei Jahrhunderten unter Obrigkeiten gedeihen konnten, die offiziell das Recht auf freies Versammeln zum Zwecke der Anbetung vertreten und nur selten angefochten haben.
Doch COVID-19 ist ein Weckruf und erinnert die Gläubigen daran, wie zerbrechlich dieses Freiheitsrecht ist. Gemeindeälteste in angeblich freien Ländern wurden sogar wochenlang eingesperrt, weil sie während der Lockdowns von 2020 Gottesdienste abgehalten hatten. Das Beispiel von James Coates dient in dieser Hinsicht als klares Zeugnis für hirtenhaften Mut und unerschütterliche Überzeugungen.
Obwohl es Gerichtsurteile gibt, die den Gemeinden gewogen sind, bewegt sich die öffentliche Meinung derzeit in die Richtung, dass die Obrigkeit mehr Macht bekommen soll, Kirchen und Gemeinden zu zwingen, jenen Einschränkungen Folge zu leisten, die den Gemeindebesuch, die Gemeinschaft und den Gemeindegesang behindern. Doch der Widerstand der Welt gegen die Gemeinde und ihre Lehre sollte die Gläubigen nicht überraschen. »Wundert euch nicht, Brüder, wenn die Welt euch hasst« (1Joh 3,13). Jesus sagte, »weil ihr aber nicht von der Welt seid […], darum hasst euch die Welt« (Joh 15,19). Wir sind Bürger des Himmels (Phil 3,20) – und in dieser Welt nichts weiter »als Fremdlinge und als solche, die ohne Bürgerrecht sind« (1Pet 2,11). Selbst die Welt sieht die christliche Gemeinde so, wenn wir Christen unsere Berufung treu ausleben.
Das ist einer der Hauptgründe, warum das Volk Gottes regelmäßig zur gegenseitigen Ermutigung und Unterweisung zusammenkommen muss. Krisenzeiten und Widrigkeiten sind keine Gründe dafür, auf die Versammlungen der Gemeinde zu verzichten. Vielmehr ist es gerade dann unerlässlich, dass die Gläubigen sich miteinander versammeln. »Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen« (Apg 5,29).
Treue Gemeinden müssen sich versammeln, selbst wenn sie gezwungen sind, dafür in den Untergrund zu gehen. Auf
solche Weise überlebten und gediehen Gemeinden in den ersten drei Jahrhunderten trotz massiven Widerstands seitens des Kaisers. Auf solche Weise überstand die Gemeinde in Osteuropa die kommunistische Verfolgung im 20. Jahrhundert. Und auf solche Weise versammeln sich heutzutage noch viele Gemeinden in China und anderswo.
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Die Heilige Schrift liefert uns mehrere Beispiele gottesfürchtiger Menschen, die der gottlosen Tyrannei von Herrschern, die die biblische Wahrheit hassten, widerstanden hatten. Unter einem despotischen Pharao »fürchteten [die hebräischen Hebammen] Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten zu ihnen gesagt hatte« (2Mo 1,17). Elia widersetzte sich standhaft Ahab und wurde deswegen bezeichnet als jemand, »der Israel in Trübsal bringt« (1Kön 18,17). Johannes der Täufer scheute sich nicht, Herodes persönlich zurechtzuweisen und wurde dafür ermordet (Mk 6,18–29).
Evangelikale in der westlichen Welt müssen nun dieselbe Entschlossenheit aufbringen. Wir müssen uns auf erhöhten
Druck seitens der Obrigkeit und auf verschärfte Verfolgung durch den Rest der Gesellschaft einstellen. Wenn COVID-19 einmal vorüber ist (falls es je dazu kommen sollte), werden andere Krisen auf uns warten, die die Vertreter der Obrigkeit ausnutzen werden, um mittels weiterer »Not-Ermächtigungen« immer mehr Ordnungs- und Regierungsautorität über die Gemeinde durchzusetzen.
Auch heute gibt es keinen Grund, dass wir unsere Versammlungen vernachlässigen sollten. Die Gemeinde muss die Gemeinde sein, »der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit« (1Tim 3,15). Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Wir dürfen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen (Mt 5,15). Wir sind nicht dazu berufen, die Ängste einer Welt zu nähren, die verlorengeht. Unser Auftrag lautet: »Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium«
(Mk 16,15). Wir sind Kämpfer, die sich in einem geistlichen Kampf befinden. »Denn die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern göttlich mächtig zur Zerstörung von Festungen, indem wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus« (2Kor 10,4–5).
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Es ist höchste Zeit für die Gemeinde Jesu Christi, den vorherrschenden Unwahrheiten einer moralisch verdorbenen Gesellschaft entgegenzutreten und hoffnungslosen Menschen den Weg zu wahrer Hoffnung und zu erfülltem Leben aufzuzeigen. Deswegen ist die Botschaft dieses Buches so überaus notwendig. Wir sind die Botschafter des Herrn und wir müssen diese Rolle zuversichtlich ausfüllen – mit Freude und nicht mit Furcht, in tapferer Einheit – und das umso mehr, je mehr wir den Tag Christi näherkommen sehen (Heb 10,25).
— John MacArthur
VORWORT ZUR
DEUTSCHEN AUSGABE
EBTC-Verlag
Die COVID-19-Pandemie hat auch die Gemeinde Jesu Christi weltweit einem »Stresstest« ausgesetzt. Einstellungen, Prinzipien und Werte wurden im Sturm medialer Katastrophenmeldungen und Verwirrung der Staatsapparate offengelegt. Der Bibelkenner weiß, dass Gott in seiner Vorsehung gerade auch solche Umstände herbeiführt und verwendet, »damit die Bewährten offenbar werden« (1Kor 11,19, vgl. Heb 12,5–11; Jes 45,7). Die von den meisten als körperliche Gesundheitskrise verstandene Pandemie ist tiefer gesehen tatsächlich (auch) eine geistliche Gesundheitskrise, die aufzeigt, dass die körperliche Gesundheit in der Gesellschaft einen zu hohen Stellenwert eingenommen hat.
Eine Krise stellt uns an Weggabelungen und Wendepunkte, die uns (erneut) zur Entscheidung herausfordern. Wird die Gemeinde Jesu es zulassen, dass die weltlichen Mächte in die Gemeinde Jesu hineinregieren dürfen in Bezug auf ihren Glaubensinhalt, ihre Verkündigung und ihre Glaubenspraxis?
Selbst in der Bruderschaft der evangelikalen Gemeinschaften muss man die traurig stimmende Tatsache wahrnehmen, dass sich hochmütig Christ wider Christ erhebt – auf allen Ka-
nälen der modernen Medien wie auch in der klassischen kirchlichen Gerüchteküche. Besonders beschämend ist, wie beispielsweise über unsere Brüder im Glauben in den USA und Kanada in Wort und Schrift geurteilt wurde. Trotzdem wollen wir optimistisch hoffen, dass die Präsentation der Fakten und vor allem der brüderliche Diskurs (Meinungsaustausch) den Sumpf der Gerüchte trockenlegen und die Verbundenheit in Christus auch praktisch und öffentlich stärken kann.
Mit der Veröffentlichung der Geschichte unserer Glaubensbrüder in Amerika liegt uns genau dieses auf dem Herzen: den Brüdern zuhören, die schon tiefer im Feindesland kämpfend das Feuer des Feindes auf sich gezogen haben. Wir sollten ihre Geschichte anhören und die Fakten aufnehmen, um uns recht zu informieren, ohne Gerüchten und »Fake News« Raum zu geben. Aber wir wollen vor allem aus ihrem eigenen Mund erfahren, wie sie ihre Haltung und ihr Handeln vom Wort der Wahrheit her begründen, damit wir durch den Glauben des Bruders in Christus erquickt werden (Phlm 1,20) und möglicherweise davon lernen.
Möge dieses Buch also als brüderlicher Beitrag aufgenommen werden. Wir können die Chance ergreifen, voneinander zu lernen. Denn wir haben denselben Herrn, der über allen ist und den wir als Herrn (Kyrios) bekennen – und den selben Feind, der mittels der Könige und Obersten der Erde »wider den Herrn und gegen seinen Christus« wütet, wie die Urkirche mit Davids Worten schon zu beten wusste (Ps 2; Apg 4,24–26).
Lasst uns also zusammen vor dem Thron des Höchsten, vor dem wahren Haupt der Gemeinde, zusammentreten und für einen Weg flehen, der mutig beschritten ihn ehrt, Gemeinde und Geschwister eint und uns sicher ans Ziel führt.
Soli Deo gloria!
WARUM WIR DIESES BUCH
GESCHRIEBEN HABEN
Nathan Busenitz & James Coates
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Christen und christliche Gemeinden sind mittlerweile stark polarisiert bezüglich der Frage, ob man sich staatlicher
Autorität2 stets beugen solle. Da Behörden in letzter Zeit auffällig aggressiv und übergriffig gehandelt haben, um Kontrolle über das Reich Christi unrechtmäßig an sich zu reißen, mussten Gläubige erleben, wie ihre Pflichten gegenüber der Obrigkeit und ihre Unterordnung unter die Herrschaft Christi in Widerstreit miteinander geraten sind. Unsere Absicht ist es, die reine Wahrheit der Schrift zu diesem offenbaren Konflikt herauszustellen und auf dieser Grundlage eine biblische Begründung dafür zu geben, warum unsere jeweiligen Ge-
2 Wir haben die biblischen Begriffe »Obrigkeit« oder »[staatliche] Macht« (z. B. Röm 13,1.2.3; griech. exousía) und »die in Hoheit sind« (1Tim 2,2; griech. huperoché) auch mit dem Begriff »Staat« wiedergegeben. Die griech. Wörter bedeuten (hier): »Inhaber von Regierungsgewalt, sei es Behörde oder Einzelperson« bzw. »mit obrigkeitlichen Befugnissen ausgestatte Personen« (Fritz Rienecker, Sprachl. Schlüssel, 16. Aufl. [Gießen-Basel: Brunnen, 1980], sub verbo). Laut Duden bezeichnet »Staat« die »Gesamtheit der Institutionen, deren Zusammenwirken das dauerhafte u. geordnete Zusammenleben der in einem bestimmten abgegrenzten Staatsgebiet lebenden Menschen gewährleisten soll« (Deutsches Universal Wörterbuch A–Z, 2. Aufl. [Mannheim, 1989], S. 1446, sub verbo). (A. d. Ü.)
meinden gegen das übergriffige Hineinregieren der Obrigkeit öffentlich Stellung bezogen haben. Als die Behörden versuchten, unsere Gemeinden zu schließen, bestanden nämlich sowohl die Grace Community Church in Los Angeles als auch die GraceLife Church in Edmonton darauf, ihre Türen weiterhin geöffnet zu halten. Dieses Buch beantwortet die Frage, warum wir das getan haben.
Das Hauptaugenmerk dieses Buches liegt nicht auf COVID-19 selbst. Studien haben gezeigt, dass die Pandemie nicht annähernd so tödlich ist, wie es anfänglich vorhergesagt wurde.3 Gleichzeitig glauben wir, dass Gemeinden auch bei dieser Krankheit mit christusähnlichem Mitgefühl und der Fürsorge eines Hirten auf die Betroffenen eingehen sollte (vgl. Jak 5,13–14). Dies war unsere Haltung seit Beginn des Ausbruchs.
In diesem Buch geht es uns vielmehr um die Übergriffigkeit der staatlichen Gewalten, die einen Sachverhalt der öffentlichen Gesundheit ausgenutzt haben, um Angst zu schüren und Freiheiten massiv zu beschneiden. Unser Fokus liegt dabei auf den einschränkenden Maßnahmen, die von staatlichen Stellen angeordnet wurden, sowie den Auswirkungen dieser Maß-
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3 Siehe z. B. Adam T. Biggs und Lanny F. Littlejohn, »Revisiting the initial COVID-19 pandemic projections«, The Lancet Microbe 2/3, 1. März 2021, https://www.thelancet.com/journals/lanmic/article/PIIS2666-5247(21)00029-X/fulltext. Dieser Artikel wurde von der National Library of Medicine (zu Deutsch: Nationale Bibliothek für Medizin) unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33942033/ verlinkt. Siehe auch John P. A. Ioannidis, »Coronavirus disease 2019: The harms of exaggerated information and non-evidence-based measures«, 9. April 2020, ein Beitrag, der von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA (NIH, National Institutes of Health; Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums) unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7163529/ veröffentlicht wurde. Für eine Studie, die nachweist, dass ca. die Hälfte der Krankenhauspatienten keine schweren Symptome aufweist, s. David Zweig, »Our Most Reliable Pandemic Number Is Losing Meaning: A new study suggests that almost half of hospitalized with COVID-19 have mild or asymptomatic cases«, The Atlantic, 13. Sept. 2021, https://www.theatlantic.com/health/archive/2021/09/covid-hospitalization-numberscan-be-misleading/620062/.
nahmen auf Ortsgemeinden, die sich aus Gehorsam gegen Christus weiterhin versammeln wollten (Heb 10,25). In Nordamerika, einschließlich den Vereinigten Staaten und Kanada, ist die Religionsfreiheit schon immer ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft gewesen. Diese Freiheit befindet sich mittlerweile in noch nie dagewesener Weise unter Beschuss.
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Auf den folgenden Seiten erzählen wir, was unsere jeweiligen Gemeinden erlebt haben und legen die Gründe für unseren Standpunkt dar. Unsere These ist einfach: Wenn unsere Loyalität zu Christus vom Staat herausgefordert wird, müssen wir statt Menschen zuallererst Gott gehorchen (Apg 5,29). Es ist unser Gebet, dass jeder Leser dieses Buches genau dazu ermutigt wird und mit Mut und aus voller Überzeugung Stellung bezieht zur Ehre des Herrn.
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–Teil 1 –UNSERE GESCHICHTE
–Kapitel 1 –
Grace Community Church
Nathan Busenitz
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Wenn uns jemand im Herbst 2019 gesagt hätte, dass innerhalb von sechs Monaten fast jede Gemeinde in Nordamerika ihre Türen dichtmachen würde, hätten wir ihm das wohl niemals abgenommen. Damals hätte man sich nur schwer ein Szenario vorstellen können, in dem Vertreter der Obrigkeit ganz offen das Recht auf Religionsfreiheit umgehen, Vor-Ort-Gottesdienste verbieten und Gemeinden dazu zwingen, ihre Türen zu schließen. Doch 2020 war ein Jahr voller unerwarteter Drehungen und Wendungen. Ganz oben auf dieser Liste stand die weltweite Pandemie.
PANDEMIE
März–April 2020
Als das neue Coronavirus zum ersten Mal in den Schlagzeilen auftauchte, schien es nur eine ferne Bedrohung zu sein. Doch spätestens im März 2020 hatte es die Welt im Sturm
erobert. Am 11. März rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine globale Pandemie aus. Am darauffolgenden Tag erließ der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom eine Verordnung, die für den gesamten Bundesstaat Kalifornien galt. Darin untersagte er bis zum Ende des Monats jegliche Versammlung von mehr als 250 Menschen. Zu jenem Zeitpunkt wusste man nur sehr wenig über das neue Virus. Die Schlagzeilen verrieten zwar, dass die Gefahr recht unterschiedlich eingeschätzt wurde, doch viele beschrieben die Situation mit apokalyptischen Begriffen. Presseberichte klangen wie Szenen eines Science-Fiction-Romans oder eines Hollywood-Films. Wir erlebten alle aus der ersten Reihe mit, wie sich das Drama entfaltete.
Als die Situation eskalierte, fing die Gesellschaft an, sich herunterzufahren und in den Lockdown zu gehen. Am selben Tag, an dem Gouverneur Newsom seine Verordnung erließ, setzten die Profisportligen, wie z. B. die nationale Hockeyliga, die US-Fußballliga und die Baseballliga ihre Spielsaisons bis auf Weiteres entweder ganz oder teilweise aus. In den darauffolgenden Tagen sah man die systematische Schließung von allem, was nicht als systemrelevant (engl. »essential«) angesehen wurde. Insbesondere solche Aktivitäten waren tabu, bei denen sich normalerweise große Menschenmengen ansammelten.
Trotz der öffentlichen Panik wollte unser Ältestenkreis4 der Grace Community Church die Versammlungen nur ungern
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4 Das NT zeigt und lehrt, dass die christliche Gemeinde an einem Ort von einer Mehrzahl von Ältesten geleitet werden soll. Der Heilige Geist begabt die Gemeinde dazu mit Hirten-Lehrern (Eph 4,11), die die Gemeinde am Ort mit Gottes Wort und unter Gebet führen (vgl. Apg 6,4). Nach dem Sprachgebrauch der Apostel Paulus und Petrus bezeichnen Älteste (Presbyter), Aufseher (Bischöfe) und Hirten (lat. pastor) in diesem Zusammenhang synonym dieselben Personen, wenngleich jeder Ausdruck einen besonderen Aspekt der Leiterschaftsperson und deren Aufgaben hervorhebt (vgl. Apg 20,17ff; 1Pet 5,1ff). Im Buch verwenden wir für die Schar der Ältesten einer
einstellen. Das regelmäßige Zusammenkommen der Heiligen wird immerhin in der Schrift befohlen (Heb 10,25). Die Entscheidung, unsere wöchentlichen Zusammenkünfte, wenn auch nur vorübergehend, abzusagen, war keine Angelegenheit, die unsere Ältesten auf die leichte Schulter nahmen. Die E-Mail-Korrespondenz des Ältestenkreises enthielt folgenden Lagebericht, der am Vormittag des 12. März verschickt wurde: »Wir haben nicht vor, die Gottesdienste oder andere Gemeindeveranstaltungen abzusagen. Heute Morgen hat das kalifornische Gesundheitsamt empfohlen, von Zusammenkünften mit mehr als 250 Personen abzusehen, aber das ist nicht verpflichtend. Es ist gut möglich, dass man uns die Anweisung erteilt, die Gemeinde zu schließen. Solange das nicht passiert, werden wir uns weiterhin treffen. Natürlich können jene, die Gesundheitsprobleme haben, oder jene, die kein Risiko eingehen wollen, zuhause bleiben.« Die E-Mail fuhr mit folgender seelsorgerlichen Ermutigung fort: »Die überwältigende Angst, die dieses Land im Griff hält, ist traurig. Doch dies ist auch eine Gelegenheit, die Mitglieder der Grace Community Church zu ermutigen und zu stärken. Zudem bietet dies eine offene Tür für das Evangelium in unserem ungläubigen Umfeld. Für alle von der Angst Ergriffenen können wir uns keinen besseren Ort vorstellen, als mit Gottes Volk im Gottesdienst zu sein und gemeinsam über die Vorsehung und Güte unseres Heilandes Jesus Christus nachzudenken.«
Es war unser Anliegen, uns wie jede Woche üblich weiterhin zu versammeln. Die Situation veränderte sich allerdings rapide. Als sich unsere Ältesten an jenem Abend trafen, hatten
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Ortsgemeinde Ausdrücke wie: Ältestenkreis, Gemeindeälteste oder Gemeindehirten. Wegen des Bedeutungswandels der Begriffe Presbyter, Bischof und Pastor vermeiden wir diese Wörter, wo es geht. Der Sprecher der Ältesten wird in gewissen Traditionen auch als der (Haupt-/Senior-)Pastor bezeichnet, obgleich er nur – wie Petrus unter den Zwölfen – ein Primus-inter-pares ist. (A. d. Ü.)
sich die Umstände wesentlich geändert. Als Vorsichtsmaßnahme und mit Rücksicht auf Bitten von Vertretern der Obrigkeit beschlossen wir, die Vor-Ort-Gottesdienste zeitweilig einzustellen. Am 15. März entschied sich die Grace Community Church für einen ausschließlichen Livestream-Gottesdienst. John MacArthur predigte über die Realität der Sterblichkeit und die Hoffnung, die nur durch Christus kommt. Seine Botschaft konzentrierte sich auf Matthäus 6,25–34 und war ein deutlicher Aufruf, uns nicht immer mehr in Sorgen zu verstricken, sondern stattdessen dem Herrn zu vertrauen. Die Wahrheit dieses Abschnitts stand im krassen Kontrast zum bangen Sorgen der Kultur um uns herum. Beim Zuschauen von zuhause wurden alle Gemeindeglieder darauf hingewiesen, in der Fürsorge unseres himmlischen Vaters zu ruhen als Mitglieder seiner Familie, die ihre Zukunft ihm anvertraut haben.
Am 19. März trat eine Lockdown-Verordnung mit Ausgangssperre in Kraft und das gewöhnliche Leben kam zum Stillstand. Die Situation in Kalifornien spiegelte das wider, was auch landesweit geschah: Die gesamte Gesellschaft ging in den Lockdown. Fast alles schloss seine Türen – von Disneyland bis zum Yosemite Nationalpark. Schulen verlegten sich auf reinen Online-Unterricht, Restaurants leerten ihre Speisesäle und Familien kauerten in ihren Wohnungen zusammen, um die täglichen Lagebesprechungen zur öffentlichen Gesundheit aus Washington DC im Fernsehen anzuschauen. Die Regale in den Lebensmittelgeschäften leerten sich zunehmend, als Leute sich mit Hamsterkäufen auf das Schlimmste vorzubereiten versuchten. Ende März hatten sich Länder wie z. B. Indien in vollen Lockdown begeben und die olympischen Spiele von Tokyo waren um ein Jahr aufgeschoben worden. Hier in den Vereinigten Staaten beantragte eine Rekordzahl von Amerikanern Arbeitslosenhilfe. In weniger als einem Monat war alles verschwunden, was wie normales Leben aussah.
Als sie der Gesellschaft den Stillstand verordneten, versicherten uns unsere politischen Führer, dass dies nur für kurze Zeit sei. Doch aus den zwei Wochen, die zum »Abflachen der Kurve« gedacht waren, wurden schnell 30 Tage, um »die Ausbreitung des Virus zu stoppen«. Die Tage wurden zu Wochen und die Wochen zu Monaten. Die relativ kurze Unterbrechung des normalen Lebens, auf die wir uns einstellen sollten, entwickelte sich schnell zu einem Dauerzustand ohne Ende in Sicht. Eine Folge war, dass Gottes Volk zu leiden begann. Das christliche Leben kann nicht in Isolation, sondern nur in Gemeinschaft gelebt werden. Gläubige sind Glieder des Leibes Christi (1Kor 12,12–26). Kein Körperteil kann alleine überleben, es bedarf der Gemeinschaft mit den anderen Gliedern des Leibes, um funktionieren, wachsen und gedeihen zu können. Da unsere Ältesten wussten, wie unersetzlich die Versammlungen der Gemeinde für die geistliche Gesundheit der Herde ist, erkannten sie die dringliche Notwendigkeit, entsprechend zu handeln. Wir konnten die wöchentlichen Zusammenkünfte der Gemeinde nicht weiterhin mit gutem Gewissen aussetzen. Von allen Schließbefehlen und Verboten von persönlichen Zusammenkünften zielten die schädlichsten auf Gemeinden. Welche Gefahr das Virus auch immer für die Gesundheit unserer Bürger darstellte, die Schließung der Gemeinden in Amerika stellte eine noch größere Gefahr dar. Die Auswirkungen machten sich innerhalb nur weniger Monate bemerkbar, als Bürgerunruhen ausbrachen, denen kein geistlicher Einfluss entgegengehalten werden konnte.
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PROTESTE
Mai–Juni 2020
Der Tod von George Floyd im Mai 2020 traf einen empfindlichen Nerv im Herzen der amerikanischen Geschichte und Selbstidentität. Der Aufschrei deswegen war im ganzen Land zu hören. Nach Monaten leergefegter Straßen füllten Scharen von Demonstranten die Straßen unserer Städte. Sie marschierten, knieten5 und beteiligten sich an Sprechchören, um ihren vereinten Widerstand gegen die rassistische Ungerechtigkeit kundzutun.
In unserer Gemeinde, Grace Community Church, traf sich John MacArthur mit einer Gruppe afro-amerikanischer Gemeindeglieder und Theologiestudenten. Er wollte gerne wissen, was ihnen auf dem Herzen lag und wie sie die Sache aus ihrer Perspektive sahen. Sie trafen sich in seinem Büro und unterhielten sich etliche Stunden offen über die Ereignisse im Land. Während dieses Treffens fragte er, wie unsere Gemeinde der schwarzen Bevölkerung das Evangelium am besten nahebringen konnte. Gemeinsam erkannten sie fünf Möglichkeiten, wie wir helfen konnten. Am darauffolgenden Sonntag war bei uns Vatertag, der 21. Juni. John begann seine Predigt, indem er unseren Gemeindegliedern diese Empfehlungen vortrug.6 Zuerst müssen wir deutlich machen, dass Rassismus Sünde ist. Es ist eine Form von Hass, der sowohl dem Gesetz Gottes als auch dem Evangelium Christi widerspricht. Zweitens sollten wir jenen Mitgefühl entgegenbringen, die darunter lit-
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5 Die symbolische Geste des Niederkniens wurde 2016 durch den Football-Spieler Colin Kaepernick als Protest gegen Rassismus gegen »People of Color« eingeführt und von der Bewegung Black Lives Matter und anderen übernommen. (A. d. Ü.)
6 Siehe John MacArthur, »Act Like Men«, eine am 21. Juni 2020 gehaltene Predigt. Die Mitschrift ist auf der Webseite von Grace to You erhältlich unter: https://www.gty.org/library/sermons-library/81-82/act-like-men.
ten. Die Schrift fordert uns auf, mit den Weinenden zu weinen (Röm 12,15). Drittens müssen wir bereit sein zum Zuhören. Wenn wir jemandem das Evangelium nahebringen, sollten wir vorher aufmerksam zugehört haben, was jener Person auf dem Herzen liegt. Viertens sollten wir die gegenwärtige Zeit als Gelegenheit nutzen, anderen die Liebe Christi zu zeigen. Im Gegensatz zu dem Hass, der unsere Gesellschaft auseinanderreißt, sollte die Gemeinde für ihre christusähnliche Fürsorge bekannt sein. Und schließlich baten die Männer unsere Gemeinde, sie bei ihren Bemühungen zu unterstützen, die Grundlage für eine nächste Generation von gottesfürchtigen Vätern zu schaffen. Dieser fünfte Punkt diente dann als Überleitung zur verbleibenden Vatertagspredigt. Die Ermahnung an unsere gesamte Gemeinde, für eine Generation von Söhnen zu sorgen, die Christus ehren und »wie Männer handeln«, erschallte deutlich aus dem Predigttext, 1. Korinther 16,13.
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Die Proteste, die im Mai begonnen hatten, zogen sich über den ganzen Monat Juni hin. Viele der Demonstrationen wurden gewalttätig und zerstörerisch. Amerika schaute schockiert zu, wie sich Innenstädte im gesamten Land in chaotische Schlachtfelder verwandelten. Die Krawalle und Plünderungen erstreckten sich von Washington DC bis in den Bundesstaat Washington, wobei Seattle sogar die Kontrolle über sechs Häuserblocks verlor. Am 8. Juni gelang es »CHOP« (Capitol Hill Occupied Protest; zu Deutsch: Kapitolhügel-BesetzungsProtest) das Stadtviertel um den Kapitolhügel unter Kontrolle zu bekommen, einschließlich des Polizeireviers Ost. Die Besetzung, die sich später in »CHAZ« (Capitol Hill Autonomous Zone; zu Deutsch: Autonome Zone Kapitolhügel) umbenannte, endete erst, als die Polizei Anfang Juli die Besetzer entfernte.
Die Anarchie von Seattle stand stellvertretend für das Chaos, das auch in anderen Metropolen herrschte. In New York
City wurden Edelläden vandalisiert und ihre mit Luxusartikeln bestückten Regale leergeräumt. In Portland dauerten die Proteste fast 200 Tage lang an, sie verwandelten sich nach Einbruch der Dunkelheit häufig in Zerstörungsstreifzüge. In Minneapolis versprach der Stadtrat, die städtische Polizei völlig abzuschaffen. Hier in Los Angeles kam es wie in vielen anderen Städten zum Einsatz der Nationalgarde, um für Frieden zu sorgen. John MacArthur sprach das Chaos und die Gewalt in einer Predigtreihe an, um zu verkündigen, was das Wort Gottes mit Blick auf diese beunruhigenden Entwicklungen zu sagen hat. Er verurteilte den Vandalismus und die Gewalttätigkeit, weil sie Gott verunehren.
Als die Polizei- und Ordnungskräfte immer mehr angegriffen wurden und die Schlagzeilen der Nachrichtenorgane überall zur Abschaffung der Polizei aufriefen (»Defund the police!«), legte unsere Gemeinde großen Wert darauf, die zahllosen Polizeibeamten zu unterstützen, die sich mit großer Mühe für den Schutz unserer Bevölkerung einsetzen. Als einen greifbaren Ausdruck unserer Dankbarkeit luden wir Polizeikräfte in unsere Gemeinde ein, um ihnen ein Mittagessen zu spendieren. Die an jenem Nachmittag ausgegebenen
»In-N-Out-Hamburger«7 dienten als Symbol unserer dankbaren Anerkennung. Doch dabei handelte es sich nicht um die einzige »Mahlzeit«, die an jenem Tag dargereicht wurde. Jeder Polizeibeamte erhielt zudem ein kostenloses Exemplar der John MacArthur Studienbibel. 8
Von der Kanzel aus betonte John, dass Gott unverzichtbare Gesellschaftsstrukturen verordnet hat, um das Böse in Schach
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7 In-N-Out-Burger ist eine US-amerikanische Schnellrestaurantkette mit einer engagiert christlichen Unternehmensführung. (A. d. Ü.)
8 In den USA ist es durchaus üblich, dass Einsatzkräfte (auch Polizisten) in dieser oder ähnlicher Form geehrt und beschenkt werden. In Deutschland ist dies gemäß Beamtenstatusgesetz (BeamtStG § 42) verboten. (A. d. Ü.)
zu halten und das Gute zu fördern. Zu den das Böse zurückhaltenden Einflüssen gehören das Gewissen, die Familie, die Gemeinde und die Polizeikräfte. Wenn die Kultur den Einfluss dieser von Gott eingesetzten Strukturen außer Kraft setzt und aus dem Weg räumt, kommt es zu verheerenden Konsequenzen. Am 14. Juni erklärte er in einer Predigt:
Gott hat der Welt Zügel angelegt, die das Böse zurückhalten und in die Schranken verweisen sollen: Zuerst das in Herz und Gewissen eingeschriebene Gesetz Gottes. Die gegenwärtige Kultur hat dies vollkommen zerstört. Zweitens die Zügel der Familie und der elterlichen Autorität sowie der Erziehungsmaßnahmen, derer sich Eltern bedienen, um die Sünde ihrer Kinder in Schach zu halten. Die vorherrschende Kultur hat auch dieses Hemmnis zerstört. Zudem durchlebt die Gemeinde sehr schwere Zeiten in Anbetracht ihres Pragmatismus und ihrem Anliegen, Sünder unterhalten und ihnen ein wohliges Gefühl vermitteln zu wollen, so dass sie sich nicht mehr entschieden gegen die Sünde stellt. Und es überrascht uns überhaupt nicht, dass das nächste und einzige noch vorhandene Hemmnis die Polizei ist. Und nun wird auch diese unentwegt angegriffen.9
Unsere Gemeinde erkannte die führende Rolle an, die die Polizeikräfte zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Frieden spielen (s. Röm 13,4). Der Polizei die Finanzierung zu entziehen, wie von einigen vorgeschlagen wurde, spiegelte nur einen weiteren Schritt wider in der Abwärtsspirale der amerikanischen Gesellschaft hin zur Gesetzlosigkeit (Röm 1,18–32).
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9 John MacArthur, »How Should Christians Respond to the Riots?«, eine am 14. Juni 2020 gehaltene Predigt. Die Mitschrift ist auf der Webseite von Grace to You erhältlich unter https://www.gty.org/library/sermons-library/81-81/how-should-christians-respondto-the-riots.
Das Chaos und die Zerstörung infolge der Krawalle zeigten zudem, wie überaus notwendig der Einfluss der Gemeinde als erhaltendes und mäßigendes Element in der Kultur doch ist. Der Herr Jesus sagte seinen Nachfolgern:
Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden. Ihr seid das Licht der Welt; eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht eine Lampe an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Lampenständer, und sie leuchtet allen, die im Haus sind. Ebenso lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen. (Mt 5,13–16)
Die Gemeinde soll für die ungläubige Welt um uns herum sowohl ein erhaltendes Element (Salz) als auch ein Hoffnungsstrahl (Licht) sein. Doch wie können wir dieser Verantwortung nachkommen, wenn unsere Türen verschlossen bleiben?
HIRTENFÜRSORGE
Sommer 2020
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Die gewalttätigen Unruhen, die die Schlagzeilen des Sommers bestimmten, belegten zwei wichtige Tatsachen. Erstens entlarvten sie die Doppelmoral der Obrigkeit, die religiöse Zusammenkünfte untersagte, aber Demonstranten öffentlich ermutigte, Schulter an Schulter durch die Straßen zu marschieren. Die Politisierung der Pandemie war noch nie offensichtlicher als jetzt: In einem Wahljahr wurde das öffentliche Gesundheitswesen benutzt, um Zwietracht zu säen und eine
politische Agenda voranzutreiben. Obwohl unsere Ältesten den Bedenken wegen möglicher Gesundheitsgefahren nicht gleichgültig gegenüberstanden – aus welchem Grund wir auch weiterhin die Option anboten, über Livestream am Gottesdienstgeschehen teilzunehmen –, waren wir nicht bereit, die Gemeinde aus politischen Gründen geschlossen zu halten.
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Zweitens unterstrichen die negativen Auswirkungen des Lockdowns die Unverzichtbarkeit der Gottesdienste der Gemeinde. Der zerstörerische Charakter der Krawalle belegte dies auf breiter Front. Doch da waren auch die verheerenden Folgen der sozialen Isolation im Lebensalltag der einzelnen Menschen. Die Fälle schwerer Einsamkeit, der Depression und die Selbstmordrate schnellten in die Höhe. Auch andere soziale Probleme verschlimmerten sich, von schädlichen Süchten bis hin zu Ehe- und Familienkonflikten. Unsere Ältesten wurden Zeugen dieser negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft um uns herum und wurden zunehmend besorgter darum, unsere Gemeindefamilie beschützen zu müssen. Unseren Leuten war die Sicherheit und die Lebensfreude vorenthalten worden, die sich aus der regelmäßigen praktischen Gemeinschaft der Heiligen ergeben. Aus Gründen der geistlichen Fürsorge sahen wir uns genötigt, die Türen der Gemeinde wieder zu öffnen und ihnen das Versammeln zu ermöglichen.
Während des Monats Juni begannen einige unserer Gemeindeglieder, sonntags zum Gemeindegelände zu kommen, um sich während des Livestreams in den Gemeindesaal zu setzen. Auch Vertreter der Polizei tauchten auf – nicht, um Auflagen durchzusetzen, sondern einfach, um der Predigt des Wortes Gottes zuzuhören. Sie fühlten sich zu unserer Gemeinde hingezogen aufgrund der Unterstützung und Fürsorge, die sie hier erhalten hatten. Zu jenem Zeitpunkt war die Grace Community Church nicht offiziell geöffnet. Doch unsere Gemeindeglieder fingen an, trotzdem aufzutauchen, weil sie
dazu von ihrer Liebe zu Christus und ihrer Liebe füreinander motiviert wurden. Ihr hartnäckiges Verlangen nach Gemeinschaft machte unserem Ältestenkreis klar, dass wir unsere Türen wieder ganz offiziell und öffentlich öffnen mussten. Als wir schließlich unsere Gottesdienste für den Besuch vor Ort wiederaufnahmen, fragten sich einige, warum wir uns überhaupt dazu hatten hinreißen lassen, sie zeitweise auszusetzen. Um diese Frage zu beantworten, veröffentlichten unsere Ältesten die folgende Stellungnahme. Sie dient als passender Abschluss für diesen Teil unserer Geschichte:
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Die Ältesten der Grace Church hatten die ursprüngliche Verfügung der Regierung nicht deshalb erwogen und in freier Entscheidung in sie eingewilligt, weil wir glaubten, dass der Staat das Recht hätte, Gemeinden vorzuschreiben, wann, ob oder wie sie ihre Gottesdienste zu halten haben. Im Klartext heißt das, dass wir glauben, dass die ursprünglichen Verfügungen damals genauso eine unrechtmäßige Einmischung der Obrigkeit in gemeindliche Angelegenheiten darstellten, wie die aktuellen Verfügungen. Da wir zu jenem Zeitpunkt allerdings unmöglich in der Lage waren, den wahren Schweregrad des Virus zu kennen, und weil uns Menschen so am Herzen liegen, wie sie auch unserem Herrn am Herzen lagen, glauben wir, dass der Schutz der öffentlichen Gesundheit vor ernsthaften Krankheitserregern zurecht eine Aufgabe der Christen als auch der Obrigkeit darstellt. Deshalb folgten wir freiwillig den anfänglichen Empfehlungen unserer Regierung. Für Christen ist es selbstverständlich in Ordnung, wenn sie wegen einer Krankheit oder einer akuten Bedrohung der öffentlichen Gesundheit vorübergehend davon absehen, sich mit den Heiligen zu versammeln. Als der verheerende Lockdown begann, sollte er lediglich eine kurzfristige Notlösung sein mit dem erklärten Ziel, »die Kurve abzuflachen« – d. h., man wollte die Infektionsrate verlangsamen, um sicherzustellen, dass die Krankenhäuser
nicht überlastet würden. Außerdem gab es Schrecken einjagende Vorhersagen über die Todesrate. In Anbetracht dieser Faktoren unterstützten die Ältesten die Maßnahmen, indem sie die Richtlinien befolgten, die für Gemeinden erlassen worden waren.
Doch das heißt nicht, dass wir damit unsere geistliche Autorität an die weltliche Obrigkeit abgetreten hätten. Wir haben von Anfang an betont, dass sich unser freiwilliger Entschluss, obrigkeitliche Auflagen einzuhalten, jederzeit ändern könnte, falls die Auflagen über das angegebene Ziel hinausgehen oder falls Politiker sich ungebührlich in Gemeindeangelegenheiten einmischen oder falls uns Gesundheitsbeamte weitere Einschränkungen auferlegen sollten, die darauf abzielen, den Auftrag der Gemeinde zu untergraben. Wir trafen jede Entscheidung im Bewusstsein unserer eigenen Verantwortungslast. Unser Wunsch war es, beim Handeln jede erdenkliche Fürsorge und Vernunft walten zu lassen. Daher nutzten wir einfach die frühe Gelegenheit, die Bedenken der Gesundheitsbeamten zu unterstützen und um den selben Bedenken unter unseren Gemeindegliedern Raum zu bieten (Phil 4,5).
Diese unverminderten Einschränkungen bestehen allerdings seit nunmehr 20 Wochen. Es ist offensichtlich, dass sich die ursprünglichen Vorhersagen bezüglich der Todesrate als falsch erwiesen haben und dass das Virus nicht annähernd so gefährlich ist, wie man es ursprünglich befürchtet hatte.10
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10 Ein Beispiel: In einem im August 2020 in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Artikel, der als Beitrag auf der Webseite der amerikanischen Nationalbibliothek für Medizin und des nationalen Gesundheitsinstitutes (US National Library of Medicine/ National Institute of Health) veröffentlicht wurde, schrieben Forscher der Universitäten von Stanford, Northwestern und Sydney Folgendes: »In der frühen Phase zogen erfahrene Modellierer Parallelen zwischen COVID-19 und der Spanischen Grippe, die über 50 Millionen Todesopfer im Durchschnittsalter von 28 Jahren gefordert hatte. Wir beklagen alle den aktuellen Stand der Todesopfer. Allerdings belaufen sich die Todesopfer nach dem Stand vom 18. Juni auf ca. 450.000 mit einem Durchschnittsalter von ca. 80 Jahren und normalerweise mehreren Vor- und Begleiterkrankungen. Herausragende Wissenschaftler erwarteten, dass es in den USA innerhalb von vier
Trotzdem sind bereits ungefähr 40 Prozent des Jahres vergangen, ohne dass unsere Gemeinde grundsätzlich in der Lage war, so zusammenzukommen, wie sie es normalerweise tut. Die Ältesten können den Hirtendienst an ihrer Herde nur sehr eingeschränkt tun. Die Einheit der Gemeinde nach innen und die Wirkungen der Gemeinde nach außen wurden bedroht. Gläubige entgingen Gelegenheiten, einander zu dienen. Außerdem hat sich das Leid der Christen, die besorgt, ängstlich, in Not, schwach oder ansonsten auf Gemeinschaft und Ermutigung dringend angewiesen sind, dermaßen verschlimmert, dass es weit über das hinausgeht, was man halbwegs als vertretbar oder als notwendig ansehen könnte. Größere öffentliche Veranstaltungen, die für das Jahr 2021 geplant waren, sind bereits abgesagt worden, was darauf hinweist, dass sich die Vertreter der Obrigkeit darauf vorbereiten, die Einschränkungen bis ins nächste Jahr hinein und darüber hinaus beizubehalten. Das zwingt Gemeinden dazu, sich zwischen dem klaren Befehl unseres Herrn und der Obrigkeit entscheiden zu müssen. Da wir uns der Autorität unseres Herrn Jesus Christus fügen, ist es unser freudiger Entschluss, ihm zu gehorchen.11
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Wochen zu 100 Millionen Fällen kommen würde. Auch die Vorhersagen bezüglich der Voraussetzungen für die Krankenhäuser und die Intensivpflege gingen an den tatsächlichen Zahlen total vorbei. Politiker und Regierungsbeamte vertrauten Modellen (manchmal sogar sogenannten Black-Boxen ohne eine offengelegte Methodologie), die davon ausgingen, dass das Gesundheitssystem völlig überlastet werden würde. Doch nur sehr wenige Krankenhäuser gerieten schließlich an die Belastungsgrenze und wenn, dann auch nur für ein paar Wochen. Die Stationen der meisten Krankenhäuser blieben weitgehend leer. Die erwarteten Anstürme blieben aus.« John P. A. Ioannidis, Sally Cripps und Martin A. Tanner, »Forecasting for COVID-19 has failed«, 25. August 2020. Dieser Artikel ist online abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7447267/. 11 Addendum (zu Deutsch: Nachtrag) zu »Christ, not Caesar, Is Head of the Church« (zu Deutsch: »Christus, nicht Cäsar, ist das Haupt der Gemeinde«), 24. Juli 2020, veröffentlicht auf der Website der Grace Community Church, https://www.gracechurch.org/news/posts/1988.
–Kapitel 2 –
WAS TUT DANN DER GERECHTE?
Nathan Busenitz
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Es war das allererste Mal, dass ich eine Predigt ausschließlich über Zoom12 hielt. Ich war zwar daran gewöhnt, diese Online-Plattform zu nutzen, um in einem virtuellen Klassenzimmer zu lehren, doch einen Bildschirm anzupredigen, war eine neue Erfahrung für mich. Nachdem ich mir meinen Morgenkaffee zu Gemüte geführt hatte, loggte ich mich an jenem Sonntagmorgen in den virtuellen Konferenzraum unserer Erwachsenen-Sonntagschule ein. Da ich die Galerieansicht eingestellt hatte, konnte ich in die Wohnzimmer der anderen teilnehmenden Familien hineinschauen. Sie saßen – ebenfalls mit ihrem Kaffee in der Hand – auf der Couch oder um den Esszimmertisch, um sich dem Studium von Gottes Wort zu widmen.
12 Ein Internet-basiertes System für Videokonferenzen des US-amerikanischen Softwareunternehmens Zoom Video Communications. (A. d. Ü.)
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–Kapitel 5 –
GraceLife Church
James Coates
Im Herbst 2019 befand ich mich im Abschlussjahr des »Doctor of Ministry«-Programms am The Master’s Seminary. Es gehörte zu den Anforderungen dieses Programms, eine Predigtreihe zu entwickeln, die auf unsere jeweilige Heimatgemeinde zugeschnitten war. Mein Projekt konzentrierte sich auf die Theologie der Verkündigung, ihren vorrangigen Stellenwert im Leben der Gemeinde und wie die Gläubigen die heiligende Wirkung der Verkündigung am besten nutzen können.
Im Abschnitt über die Theologie der Verkündigung sprach ich Themen wie die Autorität Gottes, die Stimme Gottes und die Gegenwart Gottes im gepredigten Wort an. Hinsichtlich der Frage, wie wichtig die Zusammenkünfte der Gemeinde sind, waren all diese Aspekte sehr relevant. Doch es war die dritte Komponente, die entscheidend war: Die Verkündigung von Gottes Wort vermittelt dem Volk Gottes die Gegenwart Gottes (1Kor 14,24–25). Diese Überzeugung ist nicht nur biblisch und stimmt mit der historischen reformatorischen Sicht der Wortverkündigung überein, sondern sie hebt auch die
Bedeutung der persönlichen Zusammenkünfte der gesamten Gemeinde hervor.
Das Ergebnis des gesamten Projekts war, dass die Gemeindeglieder nicht nur eine hohe Wertschätzung und eine biblisch korrekte Auffassung von der Wortverkündigung entwickelten, sondern dass sie die gemeindlichen Zusammenkünfte noch mehr als früher schätzten. Sie verstanden, dass die gemeindlichen Zusammenkünfte keinen Selbstzweck darstellten, sondern ein entscheidend wichtiges Mittel zur Förderung des geistlichen Wachstums und zur Verherrlichung Gottes ist (Joh 15,8).
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DER LOCKDOWN BEGINNT
März 2020
Als der Lockdown in Kanada begann und Einschränkungen für kirchliche Zusammenkünfte umgesetzt wurden, war meine erste Reaktion recht skeptisch. Dennoch verhielten wir uns anfänglich regelkonform, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens befanden wir uns im selben Boot wie alle anderen. Wir kannten den Schweregrad des Virus nicht. Die anfänglichen Hochrechnungen und Modelle führender Wissenschaftler sagten eine Pandemie apokalyptischen Ausmaßes voraus.39 Zweitens hatten wir überhaupt keine Ahnung, wie unser Rechtssystem funktioniert. Als unsere Obrigkeit der Öffentlichkeit Geldstrafen in Höhe von 100.000 kanadischen Dollar beim ersten Verstoß und 500.000 kanadischen Dollar beim Folgeverstoß androhte, waren die Konsequenzen für Nicht-
39 Madeline Osburn, »The Scientist Whose Doomsday Pandemic Model Predicted Armageddon Just Walked Back the Apocalyptic Predictions«, The Federalist, 26. März 2020, https://thefederalist.com/2020/03/26/the-scientist-whose-doomsday-pandemicmodel-predicted-armageddon-just-walked-back-the-apocalyptic-predictions/.
befolgen ziemlich überzeugend: Nach einem zweiten Verstoß wären wir bankrott gewesen. Drittens: Als wir uns einen Überblick über die Reaktionen der Gemeindeleitungen anderer angesehener Gemeinden in unserer Provinz (Alberta) und in den Vereinigten Staaten verschafften, stellten wir fest, dass man sich im Allgemeinen an die Gesundheitsauflagen hielt. Unter dem zusammen genommenen Gewicht dieser Faktoren entschlossen wir uns, dem Großteil der beim ersten Gesundheitsnotstand verkündeten Verordnungen Folge zu leisten.
Es war allerdings offensichtlich, dass wir dies nur ungern taten. Am Sonntag, dem 29. März, nahm ich mir vor meiner Predigt geraume Zeit, um die Situation vor der versammelten Gemeinde anzusprechen. Dabei wies ich auf die Spannung zwischen Römer 13 und Hebräer 10,25 hin und sagte Folgendes: »Wir haben es also mit diesen beiden Befehlen zu tun, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen und bezüglich derer wir Weisheit brauchen, um zu wissen, wann der Tatbestand erfüllt ist, dass die Obrigkeit ihren Zuständigkeitsbereich überschritten hat und somit gegen die Autorität Gottes verstößt. Demzufolge müssten wir dann die Entscheidung treffen, ob wir Gott oder Menschen gehorchen wollen.« Meine Abneigung (für Letzteres) war so offensichtlich, dass ich eine E-Mail von einem besorgten Gemeindeglied erhielt, welches dachte, dass wir uns doch mit etwas größerem Eifer und größerer Freudigkeit regelkonform zeigen sollten.
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Die Einhaltung der vorgegebenen Kapazitätsgrenzen bedeutete für uns, die Gottesdienstbesucherzahlen zunächst auf 250, dann auf 50 und dann auf 15 zu begrenzen. Das ging sehr schnell: Während uns am 15. März noch 250 Gottesdienstbesucher erlaubt waren, wurden uns am 29. März nur noch 15 zugestanden. Das Kapazitätslimit von 15 blieb bis zum Sonntag, dem 17. Mai (acht Wochen lang) in Kraft. Da wir allein schon ungefähr sieben Personen brauchten, um den Livestream
möglich zu machen, waren wir kaum mehr in der Lage, uns in irgendeiner Form zu versammeln.
DIE REAKTION DER GEMEINDE UND DIE AUSWIRKUNGEN
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März–Juni 2020
Unsere Gemeinde liebt es, Zeit miteinander zu verbringen, insbesondere an Sonntagen. Wir sind von jeher eine Gemeinde gewesen, die viel von Gemeinschaft hält. Während viele Gemeinden sich leeren, bevor die Uhr Mittag schlägt, sind unsere Leute bis in den späten Nachmittag zusammen. Wenn sie dennoch schon kurz nach dem Gottesdienst gehen, hat es oft damit zu tun, dass sie andere zu sich nach Hause eingeladen haben. Sich rein online zu »versammeln«, genügte den Ansprüchen unserer Gemeinde überhaupt nicht. Natürlich versuchten sie, das Beste aus den »Online-Zusammenkünften« herauszuholen. Doch hätte man es ihnen nicht zweimal sagen müssen, und sie wären sofort begeistert wieder in das Gemeindegebäude zurückgekehrt.
Unsere Gemeindeglieder sind stets gut informiert, sowohl theologisch als auch im Allgemeinen. Sie denken kritisch über Kultur, Politik, Medizin, Bildung usw. nach. In vielen Fällen lag auch ein gesundes Maß ans Skepsis gegenüber der Reaktion der Obrigkeit auf das Virus vor. Einige in unserer Gemeinde waren der Ansicht, wir hätten unsere Türen noch früher wieder öffnen sollen, als wir es letztlich dann taten, sie offenbarten aber stets eine unterstützende und fügsame Einstellung.
Dennoch war es unglaublich schwierig, während dieser Monate auf die Zusammenkünfte zu verzichten. Insgesamt
waren es 14 Wochen, in denen wir uns nicht als Gemeinde versammelten. Viele in unserer Gemeinde litten erheblich darunter, weil wir nicht nur auf den gemeinsamen Gottesdienst verzichten mussten, sondern weil auch die ganze Welt dabei war, aus den Fugen zu geraten. Große wirtschaftliche Ungewissheit, Sorgen, wie es weitergeht, und ein anhaltendes Gefühl des Isoliertwerdens machten sich breit. Gerade in solchen Zeiten ist der Leib Christi für die Ermutigung und das Ausharren überlebenswichtig. Im Gegensatz dazu mussten wir uns nun voneinander fernhalten.
HIRTENDIENST AN EINER ABWESENDEN HERDE
März–Juni 2020
Während dieser Zeit befand ich mich in der Anfangsphase meiner Predigtreihe durch Johannes 3. Das bedeutete für mich, dass ich Johannes 3,16 vor einer Kamera in einem leeren Gebäude predigte. Obwohl das Feedback unserer Gemeindeglieder nach wie vor positiv war, gab es einen Moment, der besonders entmutigend für mich war. Meine Familie und ich waren gerade von unserem Livestream nach Hause zurückgekehrt und ich war dabei, mein Jackett aufzuhängen. Ich hatte die zurückliegende Woche fleißig in der Schrift geforscht. Ich hatte gerade mein ganzes Herz in meine Predigt hineingelegt und war dennoch nicht in der Lage, mich mit dem Großteil der Menschen, die meiner geistlichen Obhut anvertraut worden waren, persönlich auszutauschen. Wie ging es ihnen wohl? War jemand von ihnen schwach und angeschlagen? Wurde jemand zu einer Sünde verführt? Die Worte des Apostel Paulus, die er in Verbindung mit solchen Bedenken anbrachte, schie-
nen mir besonders relevant zu sein (2Kor 11,28–29). Ich erinnere mich noch gut, wie ich laut zu mir sagte: »Was, um alles in der Welt, machen wir nur?«
Es ist unmöglich, einer abwesenden Herde als Hirte treu und wirksam zu dienen. Sogar die Wortverkündigung ist ja so gedacht, dass sie von Mensch zu Mensch, vom Prediger zur versammelten Schar, erfolgt. Als Prediger geht man auf sein Publikum ein und es kommt zu Wechselwirkungen zwischen dem Prediger und den Versammelten. Schon alleine das Bild eines Hirten und seiner Herde bezeugen dies. Wie kann ein Hirte eine Herde weiden, die abwesend ist? Wie kann er sie beschützen? Wie kann er sich um ihre Wunden kümmern? Wir sollten uns davor hüten, das Leben im Leib Christi derart zu vergeistigen, dass die persönlichen Zusammenkünfte als belanglos betrachtet werden. Immerhin geht die Erlösung die ganze Person an – sowohl den Körper als auch die Seele.
VORBEREITUNGEN ZUR WIEDERERÖFFNUNG
Juni 2020
Obwohl unser Ältestenkreis sich entschieden hatte, sich den Gesundheitsauflagen zu beugen, war jeder von uns aktiv dabei, so viel wie möglich über die Pandemie und darüber, wie damit umgegangen wurde, in Erfahrung zu bringen. Schließlich kamen wir immer mehr zu der Überzeugung, dass die Reaktion der Obrigkeit auf das Virus eine Überreaktion war und dass das Virus nicht so schlimm war, wie es die Behörden ursprünglich vorhergesagt hatten. Die Statistiken der Gesundheitsbehörde der Provinz Alberta bestätigten diese Einschätzung. Doch zu jenem Zeitpunkt hatten wir noch keine ernst-
hafte Diskussion darüber geführt, unsere Gemeindetüren wieder zu öffnen.
Durch den Dialog mit einem anderen Gemeindeältesten in unserer Provinz bemerkte ich, dass ich bislang noch nicht über die aktuell zentrale Frage gepredigt hatte. Am Anfang des Lockdowns hatte ich den Gemeindegliedern zwar aus den Psalmen Zuspruch zukommen lassen, doch die große Frage, die im Raum stand, hatte ich noch nicht direkt angesprochen. Am ersten Sonntag im Juni hielt ich daher aus Römer 13 eine Predigt mit dem Titel »Die Obrigkeit auf ihren Platz verweisen«. Meine Gliederungspunkte waren: Der Ursprung, der Zweck und die Ehre der Obrigkeit. Ich betonte das Gebot, sich der Obrigkeit unterzuordnen. Ich sprach über die Folgen davon, wenn wir unser Gesundheitswesen der Verwaltung der Obrigkeit überlassen. Doch ich stellte auch die offensichtliche und hierher gehörende Frage: Gibt es irgendwelche Grenzen für die staatliche Autorität? Die biblische Antwort ist ein ganz klares Ja. Wann ist diese Grenze erreicht? Wenn unser Gehorsam gegen Gott mit unserem Gehorsam gegenüber der menschlichen Obrigkeit in Konflikt steht.
Würde man diese Predigt mit Teil 2 dieses Buches vergleichen, so würde man ein großes Maß an Kontinuität entdecken – sowohl bei der Bestimmung der Umstände, wo es angebracht ist, zivilen Ungehorsam zu üben, als auch bei der Beschreibung der Einstellung, die wir als Nachfolger Christi an den Tag legen sollten. Jene Predigt war es dann auch, die sowohl die Ältesten als auch die Glieder unserer Gemeinde darauf vorbereitete, unsere Gemeindetüren wieder zu öffnen. Am darauffolgenden Sonntag predigte ich über den anderen im Zusammenhang mit dieser Diskussion oft zitierten Abschnitt, über Hebräer 10,19–25. Ich gab der Predigt den Titel »Ein Aufruf zum Ausharren« und gliederte sie nach der Grundlage und den Mitteln unseres Ausharrens. Die GrundLeseprobeebtc.org
lage unseres Ausharrens ist Christus. Die Mittel sind dreierlei: Gott im Gebet nahen (Heb 10,22), Festhalten an der Schrift (Vers 23) und Anreizung zur Liebe und zu guten Werken durch das gemeinsame Zusammenkommen (Verse 24–25).
Bei der Anwendung in Verbindung mit dem gemeinsamen Zusammenkommen betonte ich das besondere Wesen einer Zusammenkunft der Gemeinde und dass wir gegenwärtig nicht so als Gemeinde zusammenkamen (die erlaubte Kapazität zu jenem Zeitpunkt war auf 50 Personen beschränkt). Ich wies darauf hin, dass der Augenblick kommen würde, wo es notwendig sein würde, uns mit oder ohne den Segen unserer Obrigkeit und unserer Nachbarschaft als Leib Christi komplett zu versammeln. Außerdem merkte ich an, dass es eine Verbindung gibt zwischen dem Versäumen des Zusammenkommens und dem Risiko des Abfallens vom Glauben, weil der Autor des Hebräerbriefes in den darauffolgenden Versen eine der ernstesten Warnungen in Bezug auf den Abfall ausspricht. Hier liegt eine große Gefahr. Älteste, die sich bemühen, ihre gemeindliche Herde in Treue gegenüber dem Herrn zu hüten, sollten dies sehr sorgfältig bedenken.
Nach diesen beiden Predigten waren unsere Ältesten und ein Großteil unserer Gemeindeglieder bereit, zu unseren gemeinsamen Zusammenkünften zurückzukehren, auch wenn dies den Auflagen der Obrigkeit zuwider lief.
ENDE DES ERSTEN
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GESUNDHEITSNOTSTANDES
Juni 2020
Der erste ausgerufene Gesundheitsnotstand lief Mitte Juni aus und der Premierminister unserer Provinz (vergleichbar mit
einem Gouverneur in den USA oder einem Ministerpräsidenten in Deutschland) entschied sich, ihn nicht zu erneuern. Das bedeutete, dass die Gesundheitsauflagen nicht mehr länger rechtlich durchsetzbar waren. Es gab zwar Richtlinien für Anbetungsstätten, aber es waren eben nur Richtlinien. Obwohl die strengen Kapazitätsgrenzen nicht mehr galten, riefen diese Richtlinien dazu auf, persönliche Sicherheitsabstände einzuhalten (sog. »social distancing«). Damit waren Gemeinden im Grunde angehalten, die Anzahl ihrer Gottesdienstbesucher so zu begrenzen, dass jeder den entsprechenden Sicherheitsabstand einhalten konnte. Wir öffneten dessen ungeachtet unsere Türen. Es oblag nun der Entscheidung eines jeden Einzelnen, seine Risikotoleranz bzgl. des Virus abzuwägen. Anstatt persönliche Sicherheitsabstände vorzuschreiben oder durchzusetzen, überließen wir diese Entscheidung jedem einzelnen Gemeindeglied.
Unser erster Vor-Ort-Gottesdienst wurde am 21. Juni 2020 abgehalten. Am Freitag zuvor schickten wir eine Bekanntmachung an unsere Gemeindeglieder hinaus, worin Folgendes stand:
Hallo GraceLife-Familie!
Nach reiflicher Überlegung, intensiver Diskussion und ernsthaftem Gebet geben wir mit Vorfreude und gespannter Erwartung bekannt, dass wir an diesem Sonntag, dem 21. Juni, zu annähernd normalen Gottesdiensten zurückkehren werden. Wir sind zudem begeistert anzukündigen, dass wir miteinander das Abendmahl feiern werden!
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1. Da wir die Türen für unsere Gottesdienste wieder öffnen, ist es äußerst wichtig, dass wir uns fleißig darin üben, die Einheit zu bewahren, die wir in Christus haben (Eph 4,3). Einige finden diese Rückkehr zu unseren Zusammenkünften verfrüht und für andere geschieht sie nicht früh ge-
nug. Daher müssen wir in den schwierigen Fahrwassern der nächsten Wochen besonders darauf achten, einander in Liebe und mit Nachsicht zu begegnen. Wir müssen auch verstehen, dass es durchaus triftige Gründe dafür gibt, dass jemand die Rückkehr zu den Zusammenkünften noch ein Weilchen aufschiebt. Ob berufliche Gründe, ein hohes Risiko bei Erkrankung oder enger Kontakt mit einer Person mit hohem Risiko, in jedem Fall ist sorgfältiges Abwägen angebracht, bevor man wieder am Vor-Ort-Gottesdienst teilnimmt.
2. Für jene, die die Gottesdienste wieder besuchen werden, ist es wichtig, dass wir weiterhin verantwortungsvoll handeln und sinnvolle Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dementsprechend ermutigen wir jeden, sich zumindest noch ein paar Wochen zurückzuhalten, was Umarmungen und Händeschütteln anbelangt. Wir wissen, dass dies schwierig sein wird, insbesondere in Anbetracht der Liebe und Zuneigung, die wir füreinander empfinden. Doch dabei handelt es sich um Vorsichtsmaßnahmen, die zu ergreifen sind, um Infektionen vorzubeugen. Außerdem müssen wir daran denken, dass einige von uns aus den oben genannten Gründen mehr darauf achten müssen, Sicherheitsabstände einzuhalten, und sie darin unterstützen.
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3. Obwohl es unser Gebet ist, dass der Herr diese Entscheidung, unsere Zusammenkünfte wiederaufzunehmen, segnen möge, indem er keine Infektionen zulässt, und obwohl Infektionen das Potenzial haben, negative öffentliche Aufmerksamkeit auf GraceLife zu ziehen, so verstehen wir, dass dies dennoch geschehen könnte. Der Premierminister von Alberta hat betont, dass es durch das Öffnen der Provinz mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Infektionen und Todesfällen kommen wird. Wir verstehen aber auch, dass dieses Risiko von jeher bei Influenza (Grippe) und verschiedenen anderen Viren gegeben war. Darüber hinaus
ist dieses Risiko auch jedes Mal vorhanden, wenn wir das Haus aus irgendeinem anderen Grund verlassen. Deshalb muss jede Person bei der Entscheidung, ob sie zu Zusammenkünften zurückkehrt oder nicht, dieses Risiko selbst abwägen. Wenn man Symptome der Krankheit hat, sollte man selbstverständlich zu Hause bleiben.
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4. Wenn wir unsere Gottesdienste wieder aufnehmen, wird im Gemeindesaal wahrscheinlich nicht genügend Platz vorhanden sein, um während des strukturierten Teils unserer Zusammenkünfte (d. h., im Gottesdienst an sich) persönliche Sicherheitsabstände einzuhalten. Wenn du gerne zurückkommen möchtest und genügend Platz für persönliche Sicherheitsabstände benötigst, melde dich bitte an. Die Empore wird eigens für diesen Zweck reserviert werden. Außerdem wird der Kücheneingang für jene reserviert, die auf der Empore sitzen wollen. Er bietet leichten Zugang zur Treppe, die zur Empore hinaufführt, und bietet auch einen leichten Ausgang. Je nachdem, wie viele Leute sich für diese Option anmelden, könnte eine wöchentliche Rotation erforderlich sein, ähnlich der Rotation, die wir in den letzten Monaten angewandt haben.
5. Was die derzeitigen Richtlinien betrifft, so verstehen wir sie momentan so, dass persönliche Sicherheitsabstände gesetzlich weder erforderlich noch durchzusetzen sind. Sie werden lediglich empfohlen. Während wir also jeden ermutigen, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung des Virus zu mindern, geschieht dies weniger aus der Perspektive, dass dies von staatlicher Seite vorgeschrieben ist, sondern vielmehr aus Gründen der Weisheit und Vorsicht. Bei der Wiederöffnung unserer Türen für die Zusammenkünfte gehen wir davon aus, dass uns sowohl COVID-19 als auch die Empfehlung, persönliche Sicherheitsabstände einzuhalten, auf absehbare Zeit begleiten werden. Diese Einsicht hat teilweise zu unserer Entscheidung beigetragen, unsere Gottesdienste wieder
abzuhalten. Die Gründe, die gegen eine Wiederöffnung der Gemeinde vorgebracht werden könnten, könnten möglicherweise auch für den Rest des Jahres 2020 gegeben sein, aber uns für eine so lange Zeit nicht zu versammeln, würde Gott verunehren, der uns geheißen hat, uns regelmäßig zu versammeln, und dessen souveräner Fürsorge sein Volk stets zu vertrauen hat.
6. Obwohl wir davon ausgehen, dass sich einige Gemeindeglieder dafür entscheiden werden, ein wenig länger zu warten, bis sie zurückkehren, haben wir beschlossen, am kommenden Sonntag das Mahl des Herrn zu feiern. Wir tun dies in dem Bewusstsein, dass auch unter normalen Umständen nie die Gesamtheit der Gemeindeglieder beim Mahl des Herrn anwesend ist. In Anbetracht der Tatsache, dass wir unsere Gottesdienste nun wieder abhalten und dass wir die Anzahl der Gottesdienstbesucher nicht mehr beschränken, glauben wir, dass auch die Feier des Herrenmahles berechtigt ist. Dass wir diese so wunderbare, vom Herrn selbst verordnete Erinnerungsfeier zeitweilig aufgeben mussten, war uns sehr schwer gefallen. Daher beabsichtigen wir, am kommenden Sonntag wieder auf diese Weise unseres Herrn zu gedenken. Wir werden Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass die Mahlfeier so sicher und unbedenklich wie möglich vonstatten geht.
7. Am kommenden Sonntag, dem 21. Juni, wird die Krabbelstube (Kleinkinderbetreuung) vorläufig noch geschlossen bleiben. Wenn sich daran in den nächsten Wochen etwas ändern wird, werden wir euch rechtzeitig informieren.
Ungeachtet dessen, wie du persönlich zu dieser Entscheidung stehst, bete bitte, dass der Herr unsere Zusammenkünfte anerkennen und segnen möge. Wir haben uns in den vergangenen drei Monaten weitgehend an die Auflagen der Obrigkeit gehalten. Wir haben dies aus Gehorsam gegenüber
dem Herrn getan (Röm 13,1–7). Und Gehorsam gegenüber dem Herrn führt uns nun dazu, dass wir unsere Zusammenkünfte wieder aufnehmen (Heb 10,24–25). Möge Gott verherrlicht werden! Mögen die Seinen erbaut werden! Und möge all das, was wir tun, von der Liebe füreinander geleitet und bestimmt werden: »Alles bei euch geschehe in Liebe« (1Kor 16,14).
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–Kapitel 6 –
SCHLIESSUNGEN UND ÜBERZEUGUNGEN
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Unsere
Entschlossenheit, die Gemeinde für Gottesdienste wieder zu öffnen, wurde nur wenige Sonntage später auf die Probe gestellt. Aufgrund einiger positiver Fälle entschieden wir Anfang Juli, unsere Türen vorsichtshalber wieder zu schließen und den Gottesdienst für die nächsten beiden Sonntage ausschließlich als Livestream anzubieten. Folgende Ankündigung verschickten wir am Freitag, dem 10. Juli:
Liebe GraceLife-Familie, in Anbetracht der COVID-19-Fälle, die unlängst unter unseren Gemeindegliedern aufgetreten sind, werden wir unsere Gottesdienste an den nächsten beiden Sonntagen auf den Livestream begrenzen. Das gibt uns ein Zeitfenster, in dem weitere mögliche Fälle zutage treten können. Vorerst planen wir, im Anschluss daran unsere annähernd normalen Gottesdienste abzuhalten, beginnend mit Sonntag, dem 26. Juli. Je
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–Teil 2 –UNSERE STELLUNGNAHME
–Kapitel 11 –
FÜNF BIBLISCHE PRINZIPIEN
Nathan Busenitz
Vor fünf Jahrhunderten, im Jahr 1521, stand der protestantische Reformator Martin Luther vor Kaiser Karl V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und mächtigsten Monarchen Europas. Ein paar Monate zuvor (3. Januar 1521) war Luther von der Römisch-katholischen Kirche exkommuniziert worden. Wegen seiner lautstarken Einwände gegen theologische Irrtümer und die religiöse Korruption der römischen Kirche wurde er wegen Ketzerei angeklagt. Würde er überführt werden, würde Luther wahrscheinlich zum Tode verurteilt werden.
Die kaiserliche Ratsversammlung, Reichstag genannt, tagte in Worms. Luther traf am 16. April 1521 dort ein und erschien am darauffolgenden Tag um vier Uhr nachmittags vor der Versammlung. Man präsentierte ihm einen Stapel seiner Bücher und fragte ihn, ob er bereit sei, die angeblichen Irrlehren, die diese enthielten, zu widerrufen. Da er erkannte, was auf dem Spiel stand, und da er eine wohlbedachte Antwort
geben wollte, erbat sich der deutsche Reformator Bedenkzeit. Man gab ihm 24 Stunden.
Am darauffolgenden Tag, dem 18. April 1521, erklärte Luther mutig vor dem Reichstag, dass er seine Ansichten nicht widerrufen würde. Er äußerte die berühmten Worte: »Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilen allein glaube ich, da […] sie […] sich selbst widersprochen haben, so bin ich […] überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!«60 Anstatt sich dem Druck zu beugen und sich zurückzuziehen, trotzte er mutig denjenigen, die Autorität über ihn hatten, einschließlich des Kaisers selbst.
Luthers Mut gründete sich auf seine Überzeugungen, und diese Überzeugungen waren ihrerseits verankert in seiner Hingabe an die Oberautorität Christi und dessen Wortes. Sein Gewissen war »gefangen in dem Worte Gottes«. Dessen Autorität verdrängte die Autorität der Päpste, Konzile und sogar die des Kaisers. Trotz der Möglichkeit, eingesperrt oder hingerichtet zu werden, geriet Luther vor dem mächtigsten Monarchen seiner Zeit nicht ins Wanken. Er blieb seinen biblischen Überzeugungen treu, weigerte sich, gegen sein Gewissen zu verstoßen, und vertraute sich dem Herrn an.
Als solche, die sich an das protestantische Prinzip Sola Scriptura (lat. für: »Allein die Schrift«) halten, dass nämlich
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60 Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms. Zitiert aus: Owen Anderson, »The First Amendment and Natural Religion«, 15–44 in: The Cambridge Companion to the First Amendment and Religious Liberty, Hrsg. Michael D. Briedenbach und Owen Anderson (New York: Cambridge University Press, 2020), S. 28. Deutsches Zitat nach: »Luther und seine wahren Worte«, https://www.worms.de/de/kultur/stadtgeschichte/wusstensie-es/liste_persoenlichkeiten/2006-11_luthers-wahre-worte.php, abgerufen am 12.01.2022. (A. d. Ü.)
die Heilige Schrift unsere einzige und höchste Autorität für Glaubensinhalt und Glaubenspraxis ist, sind wir ebenfalls verpflichtet, uns an das Wort Gottes zu halten. Beim Suchen eines gangbaren Weges in komplexen Situationen, z. B., wie wir auf staatliche Einschränkungen während einer globalen Pandemie zu reagieren haben, ist es sinnvoll, erst einmal die themenbezogen maßgeblichen biblischen Prinzipien zu ermitteln. Diese Grundsätze informieren unser Gewissen, bilden Überzeugungen und liefern uns einen Gott verherrlichenden Rahmen für eine rasche Entscheidungsfindung.
In diesem Kapitel werden wir fünf biblische Prinzipien untersuchen bezüglich der Fragen, wie ein Gläubiger auf die Obrigkeit reagiert und in welcher Beziehung er zu ihr steht. Das Kapitel nennt jeweils zunächst das Prinzip und führt dieses dann mit durchnummerierten Unterpunkten, die weitere Begründung und Klarheit liefern, weiter aus. Obwohl die gegebenen Informationen nicht erschöpfend sind, werden sie den Lesern hoffentlich einen biblischen Ausgangspunkt liefern, von dem aus man diese wichtigen Fragen durchdenken kann.
PRINZIP 1: HÖCHSTE TREUEPFLICHT
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Warum haben die Ältesten der Grace Community Church in Los Angeles und der GraceLife Church in Edmonton ihren Standpunkt eingenommen? Die Antwort beginnt mit der festen Überzeugung, dass Christus das Haupt der Gemeinde ist. Als der Herr der Seinen ist er unsere höchste Autorität. Unsere allerhöchste Loyalität gilt ihm. Wenn Gott und Staat kollidieren, müssen wir Christus mehr gehorchen als Menschen (Apg 5,29).
1. Die christliche Weltanschauung gründet auf eine Hingabe an die Herrschaft Jesu Christi (Röm 10,9). Ein Christ zu sein
bedeutet, ein Nachfolger von Jesus Christus zu sein. Wir verstehen unser Leben als Anbetung Christi. Bei allem, was wir tun, sind wir beständig bestrebt, ihn zu ehren und ihm zu gefallen (Röm 12,1; 2Kor 5,9).
2. Wir erkennen an, dass Jesus der Herr über (a) alle Schöpfung (Apg 10,36), (b) alle Nationen (Dan 7,14; Röm 10,12), (c)die Gemeinde (Eph 1,19–23) und (d) das Leben eines jeden Gläubigen (Röm 14,7–9) ist. Eines Tages wird seine Oberherrschaft von jeder Zunge bekannt werden und jedes Knie wird sich beugen, um sich ihm zu unterwerfen (Phil 2,9–11).
3. Da der Herr Jesus unsere höchste Autorität ist, ordnen wir uns zuallererst und vor allem ihm unter. Unsere Loyalität ihm gegenüber übersteigt und übertrumpft unsere Loyalität gegenüber jeder anderen Autorität. Als die religiöse Obrigkeit Israels Petrus und den anderen Aposteln verbot, Jesus zu verkündigen, verweigerten die Apostel den Gehorsam. Sie sahen sich genötigt, Christus mehr zu gehorchen, als jeder irdischen Obrigkeit. Lukas berichtet davon in Apostelgeschichte 4,18–20: »Und als sie [die religiösen Führer] sie gerufen hatten, geboten sie ihnen, sich durchaus nicht in dem Namen Jesu zu äußern noch zu lehren. Petrus aber und Johannes antworteten und sprachen zu ihnen: ›Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören als auf Gott, urteilt ihr; denn uns ist es unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden.‹«
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4. Unsere Loyalität gegenüber Christus wird von der Realität untermauert, dass wir zuallererst und vor allem Bürger des Himmels sind (Phil 3,20–21). In dieser Welt sind wir Fremdlinge und ohne Bürgerrecht (Heb 11,13; 1Pet 2,11). Unser himmlisches Bürgerrecht prägt unsere Perspektive bezüglich der zeitlichen Dinge dieser Welt (vgl. 1Joh 2,16–17).
5. Eines Tages werden wir vor Christus Rechenschaft ablegen (Röm 14,12; 2Kor 5,10). Er ist unsere höchste Autorität und vor ihm müssen wir letztendlich Rechenschaft ablegen. Er ist der Richter aller Menschen (Joh 5,25–27) und der Herr, der seine Gemeinde prüft und in Augenschein nimmt (Offb 2–3). Sein Maßstab für Erfolg ist die Treue ihm gegenüber (Mt 25,21). Was wir in diesem kurzen Leben auch an Leid oder Verfolgung erfahren, ist nichts im Vergleich mit der ewigen Belohnung, die jene erwartet, die ihm treu sind (2Kor 4,17).
6. Da unsere höchste Loyalität Christus gehört, ist sein Wort unsere höchste Autorität (s. Mt 7,26; Joh 10,27; Kol 3,16). Wie wir auf Vertreter der Obrigkeit reagieren, ergibt sich aus der Wahrheit der göttlichen Offenbarung, die sich auf den Seiten der Heiligen Schrift wiederfindet.
7. Als Christen zeigen wir unsere Liebe zu ihm durch unseren Gehorsam ihm gegenüber (Joh 14,15; 15,14). Wenn wir uns staatlichen Autoritäten unterordnen, tun wir dies immer aus Gehorsam gegenüber Christus. Im umgekehrten Fall, wenn uns der Gehorsam gegenüber unserem Herrn abverlangt, dass wir uns Auflagen oder Verfügungen der Obrigkeit widersetzen müssen, gilt das Prinzip: »Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen« (Apg 5,29).
Wir verstehen, dass jede menschliche Autorität von Gott delegiert ist, der selbst über alle Herrscher und Reiche souverän erhaben ist. Er hat in seinem Wort definiert, was die ordnungsgemäße Rolle der Obrigkeit ist. Bibelabschnitte wie Römer 13 definieren, was Gott mit den staatlichen Autoritäten beab-
PRINZIP 2: SOUVERÄNE EINSETZUNG
sichtigt. Wenn Vertreter der Obrigkeit die ihnen von Gott verordneten Grenzen ihrer Autorität überschreiten, verstoßen sie gegen den, der ihnen ihre Autorität verliehen hat.
1. Gott hat die höchste Autorität über das gesamte Universum. Keine andere Autorität existiert ohne seine ausdrückliche Erlaubnis und souveräne Festlegung (Ps 10,16; 22,29; 47,8; 1Tim 1,17). Daniel 4,29b erklärt, »dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem er will.«
2. Nachdem er das Universum erschaffen hatte, gab Gott Menschen Autorität, über die Erde zu herrschen (1Mo 1,26–30; 2,15). Außerdem gab er ihnen das Recht, die Todesstrafe zu verhängen (1Mo 9,6). Diese göttlichen Verordnungen liefern die Grundlage der menschlichen Regierung (Röm 13,1–7).
3. Jede menschliche Obrigkeit erhält ihre Autorität von Gott (Dan 2,37.44; 4,22b; 5,21; 7,27). Er legt die zeitlichen und geographischen Grenzen jedes Reiches, jeder Nation und jeder menschlichen Regierungsautorität fest (Apg 17,26; vgl. Spr 21,1).
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4. Jeder Vertreter der Obrigkeit muss vor Gott darüber Rechenschaft ablegen, wie er die Autorität, die Gott ihm verliehen hat, ausgeübt hat (Röm 13,6). Ein anschauliches Beispiel dieses Prinzips ist, wie Gott in Daniel 4 mit Nebukadnezar verfährt. Nebukadnezar war der mächtigste Herrscher der damaligen Welt, aber er wurde auf dramatische Weise gedemütigt, um zu lernen, was sein rechtmäßiger Platz unter Gottes Machtvollkommenheit war.
5. Gott hat die ordnungsgemäße Rolle der Obrigkeit in seinem Plan festgelegt. Diese Rolle besteht in erster Linie darin, das Gute zu fördern und die Rechtschaffenen zu schützen, und gleichzeitig das Böse zu verhindern und die Gottlosen zu be-
strafen (Röm 13,1–6). Herrschende, die gut regieren, indem sie die biblische Moral hochhalten und ihrem Volk dienen, erhalten das Lob der Schrift (2Kön 22,2; 2Chr 25,2). Umgekehrt werden jene Herrschenden verurteilt, die ihr Volk in die Gottlosigkeit führen (1Kön 15,26; 2Kön 23,37).
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6. Die Obrigkeit hat das Recht, Steuern einzutreiben, um ihren gottgegebenen Zweck zu erfüllen. Christen werden aufgefordert, ihre Steuern zu zahlen (Röm 13,6–7). Die Verpflichtung, Steuern zu zahlen, ist nicht abhängig davon, dass die Obrigkeit auch tatsächlich gemäß biblischer Prinzipien handelt. Jesus wies seine Nachfolger an, ihre Steuern zu entrichten, und zwar sogar an die heidnische römische Obrigkeit (Mt 22,21).
7. Wenn eine Obrigkeit ihre Amtsmacht missbraucht, indem sie ihre Autorität außerhalb des ihnen von Gott verordneten Zwecks einsetzt, verstößt sie gegen Gottes Gesetz. Kein Vertreter der zivilen Obrigkeit steht je über dem Gesetz Gottes.
8. Bürger leiden darunter, wenn Vertreter der Obrigkeit ihre Autorität auf gottlose oder korrupte Weise ausüben (Spr 29,2.4). Solche Situationen können insbesondere für Gläubige eine Herausforderung sein, da sie auf eine Weise leben wollen, die den Herrn ehrt. Dennoch sollen Gläubige dem Herrn vertrauen, dass er alles wieder in Ordnung bringt und dass er die Taten gottloser Herrscher richten wird (Ps 11,1–7, Röm 12,14–21).
9. Eines Tages wird Gott eine perfekte Obrigkeit errichten, und zwar unter der Herrschaft seines Sohnes, des Herrn Jesus Christus (Dan 7,13–14). Gläubige freuen sich auf den Tag, an dem der Herr wiederkommt (1Thes 1,10; Tit 2,11–14). Er wird sein Reich aufrichten und wird als der vollkommene König herrschen (Offb 20,1–6). Seine Herrschaft wird auf ideale Weise erfüllen, wie Gott sich das Wesen und die Funktion der Obrigkeit vorgestellt hat.
PRINZIP 3: WELTLICHE ANFEINDUNG
Als Christen sollten wir erwarten, dass wir durch die Hand jener, die zur Welt gehören, leiden. Das schließt auch die Verfolgung durch nicht-christliche Vertreter der Obrigkeit mit ein. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo die Treue zu Christus dazu führt, dass Ungläubige – auch solche in Machtpositionen –uns anfeinden.
1. Obwohl Gott die Obrigkeit dazu bestimmt hat, das Gute zu fördern und zu schützen und das Böse zu unterbinden und zu bestrafen, tun gefallene menschliche Obrigkeiten oft das Gegenteil. Mit solchem Tun spiegeln sie die Verdorbenheit und die Feindseligkeit der Welt wider (Röm 1,18–32). Was Gott betrifft, so lacht und spottet er derer, die sich ihm widersetzen im Wahn, dass es ihnen tatsächlich gelingen könnte, seine Pläne und Absichten zu durchkreuzen (Ps 2,1–12).
2. Während der gesamten Menschheitsgeschichte waren feindselige Obrigkeiten der Hauptverfolger von Gottes Volk gewesen. Die Pharaonen von Ägypten versklavten und unterdrückten die Israeliten. Die Könige Israels und Judas verfolgten häufig die Propheten. Herodes richtete Jakobus hin und sperrte Petrus ein (Apg 12,1–3). Römische Kaiser, wie z. B. Nero, verfolgten auf grausamste Weise die junger Gemeinde. Und am Ende wird der Antichrist dem Volk Gottes während der Großen Trübsalszeit nach dem Leben trachten (Offb 13,7–8).
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3. Der Herr Jesus warnte seine Nachfolger, dass sie von feindlich gesinnten Obrigkeiten misshandelt und verfolgt werden würden (Mt 10,16–20; Lk 12,8–12). In Johannes 15,18–21 sagte er ihnen: »Wenn die Welt euch hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieb haben; weil ihr aber nicht von der Welt seid,
sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt. Erinnert euch an das Wort, das ich euch gesagt habe: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten. Aber dies alles werden sie euch tun um meines Namens willen, weil sie den nicht kennen, der mich gesandt hat.«
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4. Auch Jesus selbst wurde falsch beschuldigt, ihm wurde unrechtmäßig der Prozess gemacht und schließlich wurde er von niederträchtigen Vertretern der Obrigkeit gekreuzigt. Trotz seiner Unschuld wurde er wie ein gemeiner Verbrecher behandelt (Jes 53,9; Lk 24,32) und als Staatsfeind hingerichtet (vgl. Joh 19,12).
5. Obwohl Jesus schwer misshandelt wurde, reagierte er darauf nicht mit Zorn, Bosheit, Gewalt oder Vergeltung. In seinem Leiden offenbarte er vielmehr vorbildlich Langmut, Geduld und Stillschweigen (Jes 53,7). Darin hinterließ er uns ein Beispiel, dem wir folgen sollen (1Pet 2,21–25).
6. Gläubige sollten damit rechnen, dass sie von der Obrigkeit verfolgt werden, und zwar nicht aufgrund irgendeines Fehlverhaltens ihrerseits, sondern einfach wegen ihrer Treue zu Christus. Wenn sie aus diesem Grund leiden, sind sie Gesegnete. Der Apostel Petrus betonte diesen Gedanken in 1. Petrus 4,14–16: »Wenn ihr im Namen Christi geschmäht werdet, glückselig seid ihr! Denn der Geist der Herrlichkeit und der Geist Gottes ruht auf euch. Dass doch niemand von euch leide als Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder als einer, der sich in fremde Sachen mischt; wenn aber als Christ, so schäme er sich nicht, sondern verherrliche Gott in diesem Namen.«
7. Die Kirchengeschichte ist voller Beispiele von Menschen, die um Christi willen gelitten haben und gestorben sind. Praktisch von Anfang an wurden die Apostel für ihre Loyalität zu
Jesus bestraft. Aber sie waren »voll Freude, dass sie gewürdigt worden waren, für den Namen [Jesu] Schmach zu leiden« (Apg 5,40–42).
8. Abschnitte wie z. B. Römer 13,1–7 und 1. Petrus 2,13–17 sollten vor dem Hintergrund der Verfolgung und des Leidens interpretiert werden, weil dies der Zusammenhang ist, in dem sie geschrieben wurden (s. Röm 12,14–21; 1Pet 3,13–18). Wir können aus diesen Abschnitten lernen, dass Gläubige selbst bei Verfolgung angewiesen sind, gegenüber der Obrigkeit eine Haltung der Unterwürfigkeit zu pflegen. Christen reagieren nicht mit Vergeltung oder Gewalt, sondern mit Güte, Geduld, Respekt und Nachsicht.
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PRINZIP 4: UNTERWÜRFIGE HALTUNG
In der Regel sollten Gläubige jenen gehorchen, die Autorität über sie haben. Es gibt jedoch Gelegenheiten, wo sie sich den Autoritäten nicht fügen können, weil sie Gott mehr gehorchen müssen (Apg 5,29). Aber selbst da, wo es nicht möglich ist, sich der Obrigkeit zu fügen, bleibt dem Gläubigen weiterhin geboten, eine Haltung des Respekts und des Anstands an den Tag zu legen. Sie dürfen nicht mit Gehässigkeit, Gewalt oder Rachsucht reagieren.
1. Es gibt vier Schlüsselabschnitte im Neuen Testament, die direkt ansprechen, wie ein Christ auf die Regierung reagieren soll: Römer 13,1–7, 1. Timotheus 2,1–8, Titus 3,1–2 und 1. Petrus 2,13–17. Diese Abschnitte leiten Gläubige konsequent an, vorbildliche Bürger zu sein, die sich in Zivilsachen den Regierungsbehörden unterordnen.
2. Diese Abschnitte müssen unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten theologischen Prinzipien ausgelegt werden. Zum Beispiel verstehen wir, dass unsere Loyalität zu Christus stets höher steht, als unsere Verpflichtung, menschlichen Herrschern zu gehorchen. Wenn Gott und die Obrigkeit miteinander in Widerstreit stehen, müssen wir Gott mehr gehorchen als Menschen (Apg 5,29).
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3. Diese Abschnitte sollten auch in Anbetracht jener Männer verstanden werden, die sie niedergeschrieben haben. Die Bedeutung der Texte muss mit den Vorbildern ihrer Autoren zusammenpassen. Petrus weigerte sich öffentlich, dem Predigtverbot nachzukommen, das ihm die Autoritäten Israels auferlegt hatten (Apg 4,19–20; 5,27–32). Außerdem floh er bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten aus dem Gefängnis (Apg 5 und 12). Damit brach er nicht nur das Gesetz, sondern der Umstand seiner erfolgreichen Flucht führte zudem zum Tod jener Soldaten, die ihn bewacht hatten (Apg 12,19). Paulus entzog sich dem Zugriff der Behörden, indem er sich in einem Korb außen an der Stadtmauer herabließ und von Damaskus floh (Apg 9,23–25). Er weigerte sich, den Hauptleuten (Magistraten; griech. stratēgós) von Philippi Folge zu leisten, als sie ihn baten, heimlich die Stadt zu verlassen, nachdem sie ihn misshandelt hatten, obwohl er römischer Bürger war (Apg 16,35–40). Er wurde mehrmals verhaftet und entweder eingesperrt oder anderweitig bestraft (2Kor 11,23–25; Eph 6,20; Phil 1,7; Heb 13,3.23), weil er sich weigerte, es zu unterlassen, das Evangelium zu verkündigen. Sowohl Petrus als auch Paulus wurden letztendlich im Rahmen der kaiserlichen Verfolgung Neros als Staatsfeinde hingerichtet. Ihre Vorbilder zeigen, dass es nicht an und für sich unrecht ist, sich gegen die Obrigkeit zu stellen. Es kommt vielmehr darauf an, warum man dies tut.
4. Diese Abschnitte sollten im Rahmen ihres unmittelbaren Kontextes (Zusammenhang im umgebenden Bibeltext) verstanden werden. Wenn wir z. B. Römer 13 untersuchen, können wir eine Reihe von Schlüsselbeobachtungen machen (s. unten). Ein Beispiel: Wenn Gläubige angehalten werden, den staatlichen Gewalten Untertänigkeit zu erweisen (Röm 13,1), so ist dies in Übereinstimmung mit der zuvor genannten Forderung, selbst auf Feinde friedlich zu reagieren (Röm 12,14–21). Was zivile Angelegenheiten angeht, sollten Gläubige danach trachten, ihrer Obrigkeit zu gehorchen. In Römer 13,1a formuliert Paulus dieses Prinzip klar und deutlich: »Jede Seele sei den obrigkeitlichen Gewalten untertan«. Der Apostel bringt denselben Gedanken auch in Titus 3,1–2 zum Ausdruck.
5. Der Grund dafür, dass Gläubige sich der zivilen Obrigkeit unterordnen sollen, liegt darin, dass diese Obrigkeit von Gott eingesetzt wurde. Indem sich die Gläubigen menschlichen Herrschern unterordnen, ordnen sie sich Gott unter, der diese Herrscher souverän eingesetzt hat. Paulus sagt das so: »denn es gibt keine Obrigkeit, außer von Gott, diejenigen aber, die bestehen, sind von Gott eingesetzt« (Röm 13,1b).
6. Wenn Menschen gegenüber der Obrigkeit eine aufmüpfige, autoritätsleugnende Einstellung einnehmen, widersetzen sie sich letztendlich der Autorität Gottes. Sie werden die Konsequenzen ihres Ungehorsams ernten, weil Gott der Obrigkeit das Recht gegeben hat, jene, die gegen sie rebellieren, zu bestrafen (und sogar hinzurichten). Römer 13,2 macht diesen Punkt deutlich: »Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes; die aber widerstehen, werden ein Urteil über sich bringen.«
7. Gottes Plan für die Obrigkeit bestimmt ihr, dass sie in der Gesellschaft das Gute unterstützen und hochhalten, das Böse jedoch abwehren und abschrecken soll. Wenn eine Obrigkeit
richtig funktioniert, beschützt sie diejenigen, die Gutes tun, und bestraft jene, die Böses tun. Wenn sie das tut, funktioniert die Obrigkeit als Gottes Dienerin. Paulus erklärt dies in Römer 13,3–4: »Denn die Regenten sind nicht ein Schrecken für das gute Werk, sondern für das böse. Willst du dich aber vor der Obrigkeit nicht fürchten? So übe das Gute aus, und du wirst Lob von ihr haben; denn sie ist Gottes Dienerin, dir zum Guten. Wenn du aber Böses verübst, so fürchte dich, denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe für den, der das Böse tut.«
8. Indem sie der Obrigkeit untertan sind, können Gläubige einer eventuellen Strafe entgehen und gleichzeitig ein reines Gewissen vor dem Herrn bewahren. Deshalb schreibt Paulus: »Darum ist es notwendig, untertan zu sein, nicht allein der Strafe wegen, sondern auch des Gewissens wegen« (Röm 13,5).
9. Es ist richtig (und notwendig), dass Gläubige Steuern entrichten, damit der Obrigkeit die Mittel zur Verfügung stehen, die nötig sind, ihren gottgegebenen Verantwortlichkeiten nachzukommen. Der Text von Römer 13 sagt dies ausdrücklich: »Denn deswegen entrichtet ihr auch Steuern; denn es sind Gottes Beamte, die eben hierzu unablässig tätig sind« (Röm 13,6).
10. Gläubige sollen der Obrigkeit die Ehre, die Ehrerbietung und die Steuern zukommen lassen, die ihr rechtmäßig zustehen (vgl. 1Pet 2,17). Die Worte des Paulus könnten die Gläubigen in Rom durchaus schockiert haben, insbesondere während der Herrschaft eines boshaften Kaisers wie Nero. Dennoch ist die Anweisung des Paulus klar und deutlich: »Gebt allen, was ihnen gebührt: die Steuer, dem die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Furcht, dem die Furcht, die Ehre, dem die Ehre gebührt« (Röm 13,7).
11. Das gute Verhalten, das Gläubige kennzeichnet, gründet sich nicht auf menschliche Gesetzgebung, sondern auf das Gesetz Gottes. Diese Wahrheit erkennt an, dass Gottes Gesetz stets über den Gesetzen der menschlichen Obrigkeit steht. Paulus deutet diesen Gedanken in Römer 13,8–10 an, nachdem er erläutert hat, wie die staatlichen Gewalten recht zu ehren seien: »Seid niemand irgendetwas schuldig, als nur einander zu lieben; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn das: ›Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren‹, und wenn es irgendein anderes Gebot gibt, ist in diesem Wort zusammengefasst: ›Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.‹ Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe die Summe des Gesetzes.«
12. Wenn Gläubige gewaltfrei und auf eine Weise reagieren, die von Liebe und Rechtschaffenheit gekennzeichnet ist, dann leuchten sie wie ein helles Licht in der Dunkelheit (Mt 5,12–16). Dies stimmt auch mit dem Verhalten überein, das sie als Nachfolger Jesu kennzeichnen sollte (Röm 13,11–13). Solch vorbildliches Verhalten dient dann den beobachtenden Ungläubigen als Zeugnis.
13. Gläubige werden auch angewiesen, für jene zu beten, die Autoritätspositionen bekleiden. In 1. Timotheus 2,1–2 wird dies betont. Paulus schreibt dort: »Ich ermahne nun vor allen Dingen, dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und würdigem Ernst.«
14. Der Herr Jesus liefert uns das perfekte Beispiel dafür, wie wir uns sowohl in Beziehung zu einer ungläubigen Kultur als auch in Beziehung zur Obrigkeit verhalten sollen. Paulus unterweist seine Leser: »zieht den Herrn Jesus Christus an« Leseprobeebtc.org
(Röm 13,14) und Petrus sagt, dass Christus das Beispiel sei, dem Gläubige folgen sollten (1Pet 2,21–25).
15. Es ist bemerkenswert, dass Jesus sich nicht immer an die Einschränkungen oder Vorschriften hielt, die ihm von den örtlichen Obrigkeiten auferlegt wurden.
a. Zum Beispiel ignorierte Jesus im Widerspruch zu den Pharisäern die nichtbiblischen Vorschriften, die jene dem Sabbathgebot hinzugefügt hatten (Mk 3,1–6). Außerdem gestattete er seinen Jüngern, bestimmte außerbiblische Vorschriften zu missachten, wie z. B. zeremonielle Handwaschungen (Mk 7,1–13).
b. Im Widerspruch zu den Sadduzäern (die den Tempel kontrollierten) reinigte Jesus den Tempel bei zwei unterschiedlichen Gelegenheiten (Joh 2,13–22; Mt 21,12–17). Weil Jesus so beliebt war, betrachtete ihn der Hohepriester als einen Staatsfeind, der hingerichtet werden musste (Joh 11,47–53).
c. Bei mehreren Gelegenheiten tadelte Jesus die Führer Israels öffentlich wegen ihrer Korruptheit (vgl. Mt 23,13–29). Seine unerschrockene Stellungnahme bzgl. ihrer Leiterschaft und seine Bereitwilligkeit, gegen ihre rabbinischen Regeln zu verstoßen, führte dazu, dass sie Jesus mit Groll und Feindseligkeit entgegentraten (vgl. Lk 6,11).
d. Manchmal verbarg sich Jesus, um der Gefangennahme durch seine Feinde zu entgehen (Joh 8,59). Er wich Herodes aus, obwohl Herodes ihn sehen wollte (Lk 9,9). Aber als er dann verhaftet worden war, leistete er keinen Widerstand, sondern litt anstelle dessen bis zum Tod (Joh 18,11.36).
16. Diese Beispiele aus dem Leben des Herrn geben uns Aufschluss darüber, wie wir uns der Obrigkeit unterordnen sollen (Röm 13,14; 1Kor 11,1; 1Pet 2,21–25). Jesus hielt sich nicht an
Vorschriften, die dem Gesetz Gottes widersprachen oder die zur korrupten Gesetzlichkeit der religiösen Gebräuche des ersten Jahrhunderts einen Beitrag leisteten (Mk 7,1–14).
Weitere hilfreiche Gedanken zu Römer 13, insbesondere was die Rolle der von Gott eingesetzten Obrigkeit angeht, finden sich in Kapitel 14 dieses Buches.
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PRINZIP 5:
UNTERSCHIEDLICHE AUTORITÄTSBEREICHE
Während Gläubige aufgerufen sind, sich der menschlichen Obrigkeit unterzuordnen, ist ihnen auch klar, dass es Dinge gibt, die außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der menschlichen Obrigkeit stehen. Aus der Geschichte wissen wir, dass Gläubige z. B. die Art und Weise, wie man Gottesdienste durchführt, Lehrüberzeugungen und Gemeindeordnungen als Angelegenheiten angesehen haben, die nicht der Autorität des Staates unterliegen. Unter Gemeindeordnung (engl. church polity) verstehen wir hier die Regelungen zur Leitungsund Organisationsstruktur der Gemeinde. Solche Angelegenheiten fallen in den Zuständigkeitsbereich der Ältesten der jeweiligen Ortsgemeinde; sie legen fest, wie sie ihre Herde am besten leiten und umsorgen.
1. Unser perfektes Vorbild, der Herr Jesus Christus, wies unterschiedliche Autoritätsbereiche aus, als er seine Jünger lehrte, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott zu geben, was Gottes ist (Mt 22,21). Dies liefert uns ein Grundgerüst dafür, zwischen dem weltlichen Bereich (Staat, Säkular-
bereich) und dem heiligen Bereich (Kirche, Sakralbereich) zu unterscheiden.
2. Paulus wiederholt dieselbe Wahrheit in Römer 13,7, wo er dasselbe Wort »gebt« (griech. apodidōmi) verwendet, das auch Jesus in Matthäus 22,21 gebrauchte. Paulus schreibt: »Gebt allen, was ihnen gebührt: die Steuer, dem die Steuer, den Zoll, dem der Zoll, die Furcht, dem die Furcht, die Ehre, dem die Ehre gebührt.« Indem er auf Christi Worte zurückverweist, übernimmt und bekräftigt Paulus dieselbe Unterscheidung zwischen dem Weltlichen und dem Heiligen.
3. Auch bei Petrus klingt die Lehre Christi aus Matthäus 22,21 wider, wenn er in 1. Petrus 2,17 zwischen »fürchtet Gott« und »ehrt den König« unterscheidet. Auch in 1. Petrus 2–3 spricht Petrus die unterschiedlichen Autoritätsbereiche an. Der heilige Bereich der Gemeinde wird in 1. Petrus 2,1–10, der weltliche Bereich der Gesellschaft und der Regierung in 1. Petrus 2,11–17 und 3,8–17 angesprochen. Ein dritter Bereich, der des Haushalts (der zur Zeit der Römer auch Sklaven beinhaltete), wird in 1. Petrus 2,18–20 und 3,1–7 angesprochen.
4. In 1. Korinther 6,1–9a wendet Paulus dieses Prinzip auf die Gläubigen in Korinth an. Sie sollten ihre internen Streitigkeiten nicht vor ein weltliches Gericht bringen, sondern sollten sich vielmehr an die geistliche Autorität der Gemeinde wenden, um eine Konfliktlösung herbeizuführen. Differenzen zwischen Gläubigen sollen im heiligen Bereich der Gemeinde beigelegt werden, nicht im weltliche Bereich. Die Ermahnung des Paulus ist klar und deutlich:
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Darf jemand unter euch, der eine Sache gegen den anderen hat, vor den Ungerechten rechten und nicht vor den Heiligen? Oder wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? Und wenn durch euch die Welt gerichtet wird, seid
ihr unwürdig, über die geringsten Dinge zu richten? Wisst ihr nicht, dass wir Engel richten werden, geschweige denn Dinge dieses Lebens? Wenn ihr nun über Dinge dieses Lebens zu richten habt, so setzt diese dazu ein, die gering geachtet sind in der Versammlung. Zur Beschämung sage ich es euch. So ist nicht ein Weiser unter euch, der zwischen seinen Brüdern zu entscheiden vermag? Sondern es rechtet Bruder mit Bruder, und das vor Ungläubigen! Es ist nun schon überhaupt ein Fehler an euch, dass ihr Rechtshändel miteinander habt. Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen? Aber ihr tut unrecht und übervorteilt, und das Brüder! Oder wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden?
Als solche, die dem Reich Gottes angehören, sollten wir niemals weltlichen Autoritäten etwas delegieren, was im Bereich der Gemeinde behandelt werden sollte.
5. Neben dem Staat und der Gemeinde hat Gott auch die Familie als Gesellschaftsstruktur eingesetzt, die dazu da ist, das Gute zu fördern und das Böse einzudämmen (2Mo 20,12; Eph 6,1–4). Diese Strukturen wurden von Gott konzipiert, um das soziale Gefüge zusammenzuhalten. Ohne die Strukturen der Familie, der Gemeinde und der Regierung würde die Gesellschaft bald in Anarchie und Chaos abdriften.
6. Wir erkennen an, dass es zwischen diesen Autoritätsbereichen Überlappungen gibt. Doch im Allgemeinen sollen sich Bürger der Regierung in zivilen Angelegenheiten (Röm 13,1–7), Kinder den Eltern in Familienangelegenheiten (Eph 6,1–2) und Gläubige ihren Ältesten in gemeindlichen Angelegenheiten (1Kor 16,16; Heb 13,7) unterordnen. Der Autor des Hebräerbriefes bringt die richtige Reaktion auf geistliche Autorität mit den folgenden Worten zum Ausdruck: »Gehorcht euren Führern und seid fügsam; denn sie wachen über eure Seelen (als solche, die
Rechenschaft geben werden), damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies wäre euch nicht nützlich« (Heb 13,17).
7. Alle, die Positionen geistlicher Autorität in der Gemeinde einnehmen, sollten ihre gottgegebene Rolle nicht an die Obrigkeit abtreten. Älteste werden vor Christus darüber Rechenschaft ablegen müssen, wie sie die ihnen anvertraute Herde gehütet haben. Denken wir über die Ermutigung nach, die Petrus seinen Mitältesten zukommen lässt (1Pet 5,1–4):
Die Ältesten nun unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden des Christus und auch Teilhaber der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: Hütet die Herde Gottes, die bei euch ist, indem ihr die Aufsicht nicht aus Zwang führt, sondern freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, sondern bereitwillig, und nicht als solche, die über ihre Besitztümer herrschen, sondern die Vorbilder der Herde sind. Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.
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8. Die Unterscheidungen zwischen diesen Autoritätsbereichen sind insbesondere dann wichtig, wenn diese Bereiche in Konflikt miteinander geraten. Wenn die zivile Obrigkeit sich in die Religionsausübung (Gottesdienst), Lehre oder Ordnung und Struktur der Gemeinde einmischt, hat sie ihren gottgegebenen Kompetenzbereich überschritten.61 Um die Worte Jesu aus Matthäus 22,21 zu gebrauchen, mischt sich dann der Kaiser in das ein, was Gottes ist.
9. Dieses Prinzip wurde durch die Jahrhunderte der protestantischen Kirchengeschichte hindurch als selbstverständlich angesehen. Es gehörte auch zu den Grundprinzipien, auf denen
61 In der Juristensprache wird diese Übergriffigkeit mit ultra vires bezeichnet. (A. d. Ü.)
sich die Religionsfreiheit in den Vereinigten Staaten (und in anderen westlichen Nationen, wo man zwischen Kirche und Staat unterscheidet) gründet. Das geschichtliche Beispiel der Puritaner und der (presbyterianischen) schottischen »Covenanters«, wie sie auf das vom Staat aufgezwungene Book of Common Prayer (Gebetbuch der anglikanischen Kirche) reagierten, liefert einen überzeugenden Präzedenzfall. Jene Gläubigen aus dem 16. und 17. Jahrhundert waren bereit, ihre Karrieren, ihre Freiheit und sogar ihr Leben aufzugeben, um ihre Gemeinden vor den Einmischungen und Übergriffen der Obrigkeit zu schützen.
NACHDENKEN ÜBER DIESE PRINZIPIEN
Wenn wir nun über diese fünf biblischen Prinzipien nachdenken, erkennen wir an, dass wir zu allererst und vor allem Nachfolger des Herrn Jesus und Bürger seines Reiches sind. Als solchen gebietet er uns, den bürgerlichen Autoritäten mit einer fügsamen und respektvollen Einstellung zu begegnen. Da wir anerkennen, dass Gott obrigkeitliche Autorität über uns eingesetzt hat, streben wir danach, jenen, denen Gott Autoritätspositionen über uns verliehen hat, (in unseren Handlungen) gehorsam und (in unserer Einstellung) fügsam zu sein.
Gleichzeitig erkennen wir an, dass Christus geistliche Leiter über die Gemeinde gesetzt hat, die ihm direkt dafür verantwortlich sind, wie sie die ihr anvertraute Herde hüten. Die Vertreter der Obrigkeit haben keine Zuständigkeit und keine Autorität über den Gottesdienst, die Lehre und die Ordnung der Gemeinde. Diese Wahrheit ist nicht nur biblisch, sondern sie wird auch vom Ersten Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika anerkannt. Wenn der Staat
seinen von Gott gegebenen Autoritätsbereich überschreitet und die Gemeinde mit in der Bibel nicht enthaltenen Auflagen belegt, dann können sich die Gläubigen nicht daran halten. Die Folge davon mag sein, dass Christen Verfolgung und Leiden trifft, weil sie nicht bereit sind, sich zu fügen.
Da weltliche Obrigkeiten oft mit der Gemeinde in Konflikt stehen, können Christen damit rechnen, von den Vertretern der staatlichen Gewalt verfolgt zu werden. Wenn dies geschieht, dürfen wir nicht mit Gehässigkeit, Rache oder Gewalt reagieren. Stattdessen zeigen wir eine fügsame Haltung, indem wir auf ehrbare Weise leiden. Es sollte unser Anliegen sein, als unbescholtene Bürger zu leben, damit wir nicht nur den Zorn der Regierung vermeiden, sondern, was noch wichtiger ist, weil wir danach trachten, (a) dem Gesetz Gottes zu gehorchen und (b) ein überzeugendes Zeugnis der Rechtschaffenheit und Liebe vor der ungläubigen Welt um uns herum abzulegen.
Im nächsten Kapitel werden wir untersuchen, was die Bibel über zivilen Ungehorsam lehrt. Außerdem werden wir erörtern, wie unsere Ältesten diese Prinzipien bei ihrer Reaktion auf die Gesundheitsauflagen und die Lockdowns der Regierung umgesetzt haben.
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– Kapitel 12 –
BIBLISCHE AUSNAHMEN UND IHRE BEDEUTUNG
FÜR DEN HIRTENDIENST
Nathan Busenitz
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Im
letzten Kapitel haben wir gesehen, dass die Bibel Gläubige dazu beruft, sich der Obrigkeit unterzuordnen. Der Grund dafür ist, dass Gott die menschliche Obrigkeit verordnet und die Vertreter der Obrigkeit für ihre diversen Rollen und Verantwortlichkeiten eingesetzt hat. Von Christen wird erwartet, dass sie gesetzestreue Bürger sind und die Auflagen und Gesetze befolgen, die von der Obrigkeit erlassen werden. Es gibt allerdings Ausnahmen zu dieser Regel. Wie wir bereits gesehen haben, hat sich der Herr Jesus nicht immer an die Vorschriften und Einschränkungen gehalten, die von den Führern Israels auferlegt worden waren. Wenn wir den ganzen Ratschluss der Schrift in Betracht ziehen, finden wir weitere solche Beispiele. Diese Ausnahmen betreffen Angelegenheiten oder Situationen, in denen es angebracht oder sogar notwendig ist, dass Gläubige der Regierung nicht gehorchen.
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– Anhang 1 –
VERFASSUNGEN UND GRUNDGESETZ
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Uwe A. Seidel
Wirerfreuen uns in Deutschland einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dies darf uns jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass bei aller Ähnlichkeit und gemeinsamer Tradition die Grundrechte der USA und Kanadas doch etwas anders begründet, organisiert und formuliert sind, als wir das beim Grundgesetz der BRD vorfinden. Dies kann hier nur sehr verkürzt skizziert werden.
(I) Deutschland ist bundesstaatlich und als parlamentarische Demokratie verfasst. Das Grundgesetz (GG) der BRD garantiert »die ungestörte Religionsausübung« (Art. 4 (2)). Zudem gilt: »Die Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.« (Art 8 (1)).
Das Grundgesetz muss nach dem Dossier Deutsche Demokratie der Bundeszentrale für politische Bildung (2010, siehe www.bpb.de) als Abwehrrecht gegen staatliche Tyrannei verstanden werden: »Grundrechte schützen den Freiheitsraum des Einzelnen vor Übergriffen der öffentlichen Gewalt, es sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Zugleich sind sie Grundlage der Wertordnung der Bundesrepublik Deutschland, sie gehören zum Kern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes. […] Menschenrechte sind
überstaatliche Rechte, sie gehören zur Natur des Menschen, es sind natürliche, angeborene Rechte. Dazu gehören die meisten Grundfreiheiten, wie Freiheit der Person, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit.« Insofern ist es Bürger- wie Christenpflicht, die praktische Beschneidung gottgegebener Menschenrechte beim Nächsten nicht stumm und widerstandslos hinzunehmen, sondern den Rechtsweg zu gehen und vor allem die Verantwortlichen an den Willen Gottes zu erinnern. Dies ist im zweitgrößten Gebot (Nächstenliebe) impliziert. Im AT wie im NT sehen wir vorbildliche Beispiele, wie sich Glaubende der obrigkeitlichen Tyrannei demütig, aber entschlossen, widersetzten und wie Gott seine Wortführer (Propheten) zu unrechtmäßig handelnden Regierenden sandte und diese ernst zurechtweisen ließ.
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(II) Die US-Amerikaner haben sich 1787/88 als freies Volk eine republikanische Verfassung gegeben – eine der ältesten der Welt – und damit eine föderale Republik in Form eines Präsidialsystems konstituiert. Die Verfassung enthält das Bekenntnis zu Recht und Gesetz und einen verbindlichen Grundrechtekatalog, die Bill of Rights (1791). Im Ersten Verfassungszusatz wird ausdrücklich festgelegt: »Der Kongress soll kein Gesetz erlassen, das eine Einrichtung einer Religion zum Gegenstand hat oder deren freie Ausübung beschränkt, oder eines, das Rede- und Pressefreiheit oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln […]«. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, dass die »Pilgerväter« seinerzeit aus Europa geflüchtet waren, weil sie wegen der Ausübung ihres Glaubens von Kirche und Staat verfolgt und häufig umgebracht wurden.
Präsident D. Eisenhower hat den Gottesbezug gesetzlich verankert: 1954 im Fahneneid (The Pledge of Allegiance): »eine Nation unter Gott« und 1956 im offiziellen Motto der USA: »Wir vertrauen auf Gott« (In God We Trust). Präsident George
W. Bush hat dieses Motto zum 50. Jahrestag (30. Juli 2006) unter Bezug auf die Segnungen des Schöpfers offiziell bekräftigt. (III) Die Verfassung der Kanadier ähnelt aufgrund der Entstehungsgeschichte Kanadas der Verfassung des Vereinigten Königreichs (erst 1982 erhielt Kanada Unabhängigkeit in Verfassungsfragen). Die Verfassung besteht aus mehreren Dokumenten, darunter die Kanadische Charta der Rechte und Freiheiten. Darin steht u. a.: »Kanada ist gegründet auf Prinzipien, die die Oberherrschaft Gottes und die Rechtsstaatlichkeit anerkennen«. Bezüglich der grundlegenden Freiheiten steht: »Jeder hat die folgenden grundlegenden Freiheiten: (a) die Freiheit des Gewissens und der Religion; […] (c) Freiheit des friedvollen Versammelns […]«. Diese Rechte werden garantiert und können nur durch »vernünftige Grenzen, wie sie gesetzlich vorgeschrieben sind, und wie sie in einer freien und demokratischen Gesellschaft nachweislich gerechtfertigt werden können, unterworfen werden«. Auch hier wird die »Oberherrschaft Gottes« formell bekundet, was auch im Sinne einer »Zivilreligion« verstanden werden kann.72
Die Verfassungen der freien Länder des Westens, denen wir so viel zu verdanken haben, sind also durchaus unterschiedlich, wenngleich sie gemeinsame Werte vertreten und daher inhaltlich teilweise sehr ähnlich sind. Für Christen ist daher entscheidend, dass sie letztlich nicht auf der Grundlage der ver-
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72 Unter »Zivilreligion« versteht man (nach Robert N. Bellah, 1967) den religiösen Anteil einer politischen Kultur, der notwendig ist, damit ein demokratisches Gemeinwesen, das eine Trennung von Kirche und Staat vorgenommen hat, funktioniert. Der Begriff wurde vom Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) geprägt. Die Zivilreligion in den USA hat andere Formen als in Deutschland, sie scheint aber in Begriffen wie »Leitkultur« oder »Verfassungspatriotismus« auf. Nach dem Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde liefert die Werteordnung unseres Grundgesetzes tatsächlich eine Selbststabilisierung, hat aber auch die Gefahr eines staatlichen Totalitarismus. Die Frage ist: Wer oder was ist unsere höchste Autorität? Siehe auch: Karl Baral, »Zivilreligion oder Christusnachfolge?«, Nürnberg: VTR, 2019.
schiedenen Verfassungen der Völker argumentieren, sondern auf der Grundlage der Heiligen Schrift, dem ewigen Wort der Wahrheit (Joh 17,17).
ZUR BESONDEREN SITUATION IN DEUTSCHLAND
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Die Geschichte der Deutschen gibt uns besonderen Anlass, demütig zu sein und uns umso enger an Gottes Wort zu halten in allen Angelegenheiten von Kirche und Staat. Es muss daran erinnert werden, dass sich die BRD nicht als laizistischer Staat (wie z. B. Frankreich) konstituiert hat. Die Verfasser des Grundgesetzes hatten nach Kollaps des »Dritten Reiches« und angesichts der Katastrophe, die dieses deutsche Reich über die Menschheit gebracht hat, in der Präambel des Grundgesetzes ausdrücklich den Rückbezug auf Gott formuliert. Sie schrieben: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, […] hat sich das Deutsche Volk […] kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.«73 Dies sollte ihre Demut, die Begrenztheit menschlichen Tuns und ihre Abkehr von totalitären Staatsformen, die die staatliche Macht als »absolut« betrachten und als Selbstzweck begreifen, ausdrücken.74
Dieses Auf-Gott-geworfen-sein verdrängt der sich im Konzept der »Zivilreligion« immer mehr absolut setzende Staat, einhergehend mit der Leugnung seiner Legitimation und Verantwortung vor dem einen Gott der Bibel. Folglich verzichten immer mehr Minister auf den Eidformelzusatz »So wahr mir
73 In historischer Fassung vom 23.05.1949; genauso die aktuelle Fassung.
74 Siehe: »Zum Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes«, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags (Sachstand WD 3-3000 067/16 vom 01.03.2016).
Gott helfe!«. Unter der Forderung der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates wird Gott geleugnet, dafür setzt sich der Staat selbst zum höchsten Wert und Gut, er vergottet sich also. Dies aber ist ein Kennzeichen totalitäter Systeme.