GLEN SCRIVENER
Was du dir schon immer gewünscht hast
Glen Scrivener
Das Geschenk
Was du dir schon immer gewünscht hast
Best.-Nr. 275031
ISBN 978-3-98963-031-4
Christliche Verlagsgesellschaft mbH
Am Güterbahnhof 26 | 35683 Dillenburg info@cv-dillenburg.de
Best-Nr. 180263
ISBN 978-3-85810-672-8
Missionswerk Mitternachtsruf
Ringwiesenstrasse 12a | CH-8600 Dübendorf kontakt@mnr.ch
Titel des englischen Originals:
The Gift
© Glen Scrivener 2019
Published by The Good Book Company thegoodbook.co.uk
Es wurde folgende Bibelübersetzung verwendet: NeÜ bibel.heute, © 2010 Karl-Heinz Vanheiden und Christliche Verlagsgesellschaft
1. Auflage
© 2025 Christliche Verlagsgesellschaft mbH
Am Güterbahnhof 26 | 35683 Dillenburg info@cv-dillenburg.de
Übersetzung: Brigitte Hahn
Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft mbH
Umschlagmotiv: © CV Dillenburg und freepik.com janniwet
CPI Books GmbH, Leck
Printed in Germany
Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gern kontaktieren: info@cv-dillenburg.de
Vorwort
„Das wäre doch nicht nötig gewesen!“
„Es kommt von Herzen.“
„Das ist viel zu viel!“
„Ich musste es einfach besorgen. Es ist wie für dich gemacht.“
„Das ist richtig toll!“
„Ich wusste, dass es dir gefallen würde.“
„Es gefällt mir nicht nur, ich finde es super!“
Geben und Empfangen ist das Herzstück von Weihnachten. In Wirklichkeit ist es das Herzstück des Lebens, aber an einem bestimmten Tag des Jahres packen wir es in Geschenkpapier und verzieren es mit einer Schleife. Es wird zu einem Tanz, den wir unseren Kindern von klein auf beibringen, mit Worten wie: „Warte, bis du dran bist!“ – „Gib Lilli ihr Geschenk!“ – „Wie sagt man? Danke!“ – „Zuerst die Karte!“ – „Gib Tante Johanna einen Kuss!“ – „Jetzt hör auf zu weinen. Socken sind doch ein sehr schönes Geschenk.“
Ob wir nun Traditionen pflegen oder nicht, wir alle neigen dazu, an alten Gewohnheiten festzuhalten, wenn es um Weihnachten geht. Vielleicht meinst du, ein vernünftiger, moderner Mensch zu
sein und das alles ganz locker zu sehen, aber Jahr für Jahr fallen wir alle in bestimmte Verhaltensmuster zurück. Eventuell merken wir es erst in dem Augenblick, wenn jemand Fremdes in unserer Mitte auftaucht – vielleicht der neue Freund unserer Schwester oder ein Austauschstudent, der über die Feiertage nicht nach Hause fahren kann. Plötzlich merken wir, wie uns eine innere Stimme zuflüstert: „Oh weh, der arme Kerl ... Der hat ja keine Ahnung, wie Weihnachten abläuft.“ Aber ganz bestimmt denkt diese fremde Person genau das Gleiche von uns.
Vielleicht warst du zu Weihnachten auch schon als fremder Gast bei anderen Leuten. Ich habe diese Erfahrung sehr oft gemacht. Alle anderen scheinen die Regeln zu kennen, denn sie sind ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Aber du sitzt auf dem Sofa und beobachtest alles mit großen Augen. Du kommst dir vor, als würdest du im Fernsehen die erste Folge eines Schwedenkrimis gucken. „Mit wem genau ist sie noch mal verwandt? Ist das bei ihnen zu Hause normal? Was passiert als Nächstes?
Soll ich es mal googeln?“
Du versuchst, deine Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen, und achtest darauf, deine Gastgeber mindestens 17-mal für das leckere Essen zu loben. So etwas kann richtig anstrengend sein. Aber für die „Insider“ ist das alles gar nicht seltsam. Nein, nein, denn genau so läuft Weihnachten hier ab.
Aber ich frage mich, was ein echter Außenseiter zu unserer Art, Weihnachten zu feiern, sagen würde. Was würde jemand von einem anderen Planeten von unserer Geschenkeaktion halten, um nur ein Beispiel zu nennen? Es ist alles so sonderbar. Wir unternehmen große Anstrengungen, um ein Geheimnis aus den Geschenken zu machen. Wir verstecken die Kassenbelege, wir verstecken die Einkaufstüten, und wir verstecken unsere Einkäufe unter dem Bett oder ganz oben im Schrank. Wir packen die Geschenke in buntes Papier ein – allein diese Merkwürdigkeit ist für bestimmte Branchen ein Millionengeschäft! Bevor wir die Geschenke auspacken, schleppen wir einen Baum rein. Wir knallen eine fast zwei Meter hohe Nordmanntanne mitten in unser Wohnzimmer (oder, seltsamer noch, eine Plastikversion einer fast zwei Meter hohen Nordmanntanne) – nur, damit wir darunter die Geschenke drapieren können. Und dann ist es endlich so weit: Es ist Weihnachten, Zeit für die Geschenke! Auch für diesen Teil des Festes hat jeder seine eigenen Traditionen. In manchen Familien gibt es ein fröhliches Gerangel um die Geschenke. Bei anderen geht es gesitteter zu. Jedes Familienmitglied bekommt das für ihn oder sie bestimmte Geschenk. Der oder die Betreffende wiegt es prüfend in der Hand, schüttelt es sanft und ruft brav aus: „Was ist da wohl drin?“ Das Ganze ist eine gut inszenierte Scharade und im Grunde
lächerlich. Aber wir lieben dieses Theater und spielen deshalb mit.
Für die meisten von uns ist Heiligabend ein altehrwürdiges Geschenke-Ritual, bei dem jeder Schritt eine bestimmte Bedeutung hat. Wir kennen unsere Rolle dabei, und wir spielen sie gut. Vielleicht machen wir uns über unsere seltsamen Traditionen lustig, aber es gibt einen guten Grund dafür: Das Geben und Nehmen ist nämlich eine ernste Sache.
Hast du dich je gefragt, warum?
Geben
Erinnere dich kurz an diesen einen Moment an Heiligabend: Du überreichst ein Geschenk, das du mit viel Liebe ausgesucht hast. Es ist kein Geschenkgutschein von Amazon, keine Pralinenschachtel, sondern etwas Sinnvolles. Vielleicht ist es viel zu teuer. Oder vielleicht hast du es selbst gemacht. Oder es ist etwas, das du schon im April gesehen hast. Du hast damals gewusst, dass es genau das Richtige ist. Jetzt ist der wichtige Moment gekommen: Du überreichst das Geschenk einem geliebten Menschen, und der oder die andere streckt die Hand aus, um es in Empfang zu nehmen. Zwischen euch gibt es nur das Geschenk. Es ist mehr als ein in Geschenkpapier verpackter Gegenstand, sondern das Geschenk bist du.
Bei wirklich wichtigen Geschenken legen wir einen Teil von uns selbst mit hinein. Es sind nicht bloß Gegenstände, sondern sie drücken unsere
Persönlichkeit aus und zeigen, wie viel uns der oder die Beschenkte bedeutet. Und wenn ein Geschenk mit Freude und Dankbarkeit angenommen wird, gibt es kein schöneres Gefühl auf der ganzen Welt. Wir sind vor Freude wie in einem ekstatischen Rausch. Das meine ich wörtlich, denn das Wort „Ekstase“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „aus sich heraustreten“. Beim Ablauf von Geben und Nehmen geht es darum, dass du dich in Gestalt dieses Geschenks selbst überreichst an jemanden, den du gernhast. Du legst dein Herz und deine Seele in das Geschenk, und wenn der oder die Beschenkte es annimmt, wirst in einem tieferen Sinn du selbst angenommen. Durch das Geschenk bist du über dich selbst hinausgegangen und hast in der Umarmung des oder der Beschenkten ein Zuhause gefunden. Du bist „außer dir“ vor Freude. Geben ist Ekstase.
Nehmen/Empfangen
Jetzt stell dir vor, wie du ein Geschenk annimmst. Wieder ist es kein Geschenkgutschein, sondern etwas Wertvolles. Vielleicht hast du schon lange ein Auge darauf geworfen, aber nicht gewagt, ein so teures Geschenk zu erwarten. Oder vielleicht ist dir dieses bestimmte Geschenk nie in den Sinn gekommen. Du hast noch nicht einmal gewusst, dass es existiert. Aber sobald dein Blick darauf fällt, weißt du, dass es genau das Richtige ist. Wie von einem Instinkt geleitet rufst du aus: „Wow, das ist
einfach perfekt! Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“ In diesem Augenblick lächelt der Geber oder die Geberin und erwidert: „Ich weiß, dass es nicht nötig ist, aber es kommt von Herzen!“ Und das ist auch ehrlich gemeint. Geben macht Freude, ja, sogar ekstatische Freude.
Meistens gehört das Empfangen von Geschenken bloß zum „Weihnachtstheater“. Wir reißen das Geschenkpapier auf und rufen begeistert: „Oh! Seife am Seil! Wie letztes Jahr – das wäre doch nicht nötig gewesen!“ Dabei ist nur der letzte Teil dieser Reaktion ehrlich gemeint. Aber dann, alle Jubeljahre einmal, bekommen wir Geschenke, die uns zutiefst berühren – Geschenke, die tatsächlich „viel zu viel“ sind. Solche Geschenke sind erlebte Gnade, denn wir empfangen viel mehr, als wir verdienen. Wenn wir auf der Empfängerseite einer solchen Großzügigkeit stehen, erleben wir eine Wertschätzung, die alle unsere Erwartungen übersteigt. Wir sind nicht nur gerührt über den Wert dieses Geschenks, sondern über den Wert, den wir in den Augen des oder der Schenkenden haben. Ja, so etwas wäre wirklich nicht nötig gewesen, aber es kommt von Herzen. Die Geber des Geschenks haben es so gewollt, weil sie uns wollen und uns damit ihre Liebe zeigen möchten. Deshalb trifft uns diese Erfahrung mitten ins Herz. Aus diesem Grund ist Weihnachten (oder zumindest der Gedanke von Weihnachten) eine so willkommene Auszeit von unserem übrigen Leben.
Zu einem Großteil geht es in unserem Leben um das Streben nach Zielen. Wir verbringen unsere Zeit damit, uns den nötigen Respekt, einen bestimmten Status, einen Platz in der Gesellschaft zu verdienen. Wir sind auf der Jagd nach Belohnungen, nach Erfolg, nach Geld. Aber auch wenn wir diese Ziele erreichen, sind wir im günstigsten Fall stolz, fühlen uns unentbehrlich oder sind einfach nur erschöpft. Das Streben nach diesen Zielen kann uns nicht das geben, wonach wir uns am meisten sehnen: Wir wollen gewollt sein und geliebt werden.
Deshalb bedeutet uns das Geben und Nehmen zu Weihnachten so viel. Deshalb bewahren wir die Traditionen, verpacken die Geschenke und stellen den Tannenbaum auf. Denn für das Geben und Nehmen wurden wir geschaffen.