Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg
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1
„Ich will dem Dürstenden aus der Quelle des Wassers des Lebens geben umsonst.“
(Offenbarung 21,6b)
Es entstand das, was immer entsteht, wenn Menschen ein leeres Herz mit der falschen Nahrung zu sättigen versuchen: Enttäuschung, Beziehungschaos, Einsamkeit.
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Das Ende der Trockenzeit in Afrika war eine mühsame Zeit. Die Landschaft war ausgedörrt. Auch der letzte Tropfen Feuchtigkeit war aus dem Boden gesaugt und von dem beißenden Staub verschlungen worden, der von der Wüste herbeigeweht wurde und Himmel und Erde in einen Schleier von fadem Gelb hüllte. Die Brunnen gaben nur eine bräunliche Brühe her. Nach einem Bad war man dreckiger als davor. Das Trinkwasser schmeckte alt, staubig. Man ging schwitzend durch den Tag, mit einem Kratzen im Hals. Alles schrie nach Regen. Trockene Lippen, entzündete Augen, ein Lechzen nach Erleichterung, nach Kühle, nach der Farbe Grün. Das war die Trockenzeit.
Endlich kam ein leises Grollen aus der Ferne; Wolken rückten an, ein unheimliches Schweigen, die Ruhe vor dem Sturm. Wir hockten auf der Veranda, hatten Badeanzüge angezogen, horchten gespannt nach dem Platschen der ersten Tropfen. Endlich der Wolkenbruch! Der Himmel schüttete in einem großen Guss alles aus, was er angestaut hatte. Wir sprangen hinaus, jubelnd vor Freude, hielten unsere Gesichter zum Himmel, öffneten unsere Münder, ließen unsere Zungen von jedem erfrischenden Tropfen Regenwasser benetzen. Schon am nächsten Morgen hatte
sich unsere müde gelbbraune Welt in schillernde Varianten von Grün verwandelt. So ein Gefühl müssen wir uns vorstellen, wenn die Bibel von Wasser spricht: ein Durst, der wehtut. Ausgetrocknete Seelen, die sich gierig auf alles stürzen, was nach Wasser aussieht: auf die Beziehung, die Geborgenheit verspricht. Auf die Karriere, die Wohlstand in Aussicht stellt. Die Tabletten, die Therapie, die Kur, die Gruppe, die Sportart, das Hobby, die neue Frisur, die Anschaffungen oder Reisen, die endlich glücklich machen. Die Gemeinde, in der ich endlich Anerkennung finde, den vollmächtigen Prediger, der meine Meinung teilt oder mich von meinen Lasten befreit und den geistlichen Sieg anbietet.
Eine Frau aus Samaria hatte versucht, den Durst ihrer Seele durch Männerbeziehungen zu stillen. Ihr Kindheitstraum war es sicher nicht gewesen, von einer sexuellen Affäre in die nächste zu stolpern, dermaßen sozial isoliert, dass sie sich nur zur Mittagszeit – in der alle anderen Siesta machten – traute, Wasser zu holen. Es entstand das, was immer entsteht, wenn Menschen ein leeres Herz mit der falschen Nahrung zu sättigen versuchen: Enttäuschung, Beziehungschaos, Einsamkeit.
Diese Frau muss tief gefallen sein. Ihrem Austausch mit Jesus können wir entnehmen, dass sie
hochintelligent ist, gebildet, theologisch versiert und geistlich aufmerksam. Jesus macht ihr keine Vorwürfe. Er lässt sich vielmehr auf die Themen ein, die im Raum stehen: lebendiges Wasser, Durst, Anbetung. „Wenn du wüsstest, wer es ist, der zu dir spricht ... so hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ (Joh 4,10).
Er lenkt ihren Blick weg vom faden, dreckigen Wasser, das ihre Seele krank macht, auf das sprudelnde, frische Wasser, das er zu bieten hat. Die Reaktion der Frau ist verblüffend. Sie rennt zurück ins Dorf, in dem keiner gut auf sie zu sprechen ist, und holt ihre Nachbarn aus ihren Häusern: „Kommt und seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe!“ (V. 29). Dass er ihr sündhaftes Leben schonungslos aufgedeckt hat, empfindet sie nicht als Bloßstellung, sondern als Befreiung.
Mein Schöpfer, der mich kennt wie kein anderer – der meine Niedertracht, mein Versagen, meine Sünde vor Augen hat –, macht mir trotzdem eine Liebeserklärung, geht mir eifrig nach, reicht mir eine vergebende Hand dar, wirbt um mich, weil er nicht ohne mich sein will. Das ist die Liebe, nach der sich jede menschliche Seele sehnt. Das ist das Wasser, das alles gesund macht, was es berührt (Hes 47), und Herzen verwandelt – umsonst für jeden zu haben, der dürstet!
2
Der Heilige Geist –
Tröster oder Polizist?
Ein Mensch, der wirklich vom Heiligen Geist erfüllt ist, ist von einer tiefen Demut gekennzeichnet.
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Ich liebe Menschen, die eine Sehnsucht nach Gott haben. Die mehr von seinem Wirken erleben, mehr von seiner Gegenwart in ihrem Leben spüren wollen, sich vom Heiligen Geist gebrauchen lassen, um Menschen für Jesus zu gewinnen. Ich hoffe, dass ich auch zu dieser Gruppe gehöre.
Im Studium traf ich auf eine andere Sorte Menschen, die „mehr wollten“ und die wir Studenten „Heilig-Geist-(HG)-Polizisten“ nannten. Einer von ihnen schlenderte mit seinem Notizblock von einem Gottesdienst zum nächsten und beurteilte, wie viel Heiliger Geist „zu spüren“ war. Für uns Studenten war er eine Witzfigur, ein übergeschnappter Charismatiker. Wenige Jahre später war er in keiner christlichen Versammlung mehr zu finden, rühmte sich der satten Umsätze, die er in seinem Geschäft erzielte, besaß zwei teure Autos und erzählte stolz, der Heilige Geist „habe ihm gezeigt“, dass das Geben des Zehnten nicht biblisch sei.
Auch danach suchten uns wieder HG-Polizisten heim. Kaum hatte eine Gruppe junger Menschen angefangen, sich in unserem Wohnzimmer zu versammeln, um die Bibel zu studieren und sich gegenseitig in der Nachfolge Jesu zu ermutigen, standen sie vor der Tür, die HG-Polizisten.
Sie hatten „vom Herrn den Eindruck“, dass hier nicht genug Kraft, nicht genug Gegenwart Gottes, nicht genug Salbung sei. Sie „hörten vom Herrn“, dass sie, mit ihrem besonderen Draht zum Heiligen Geist, bei der neuen Gemeindegründung das Sagen haben sollten. Mutige Geschwister, die sie auf ihre stolze Anmaßung hinwiesen, bekamen die volle Wucht ihres Ärgers zu spüren. Die Störenfriede verließen die Gemeinde wutentbrannt. In 31 Jahren Gemeindearbeit gab es kaum eine Zeit, in der nicht Heilig-Geist-Polizisten an der Tür klopften. Ihre Merkmale? Sie suggerieren, dass es unter ihrer Regie eine kraftvollere Frömmigkeit gibt als das, was in der lokalen Gemeinde gelebt wird. Sünde und Buße spielen keine Rolle. Das Kreuz Jesu wird lediglich als Kraft- und Siegesquelle angepriesen, nicht als Einladung zu einem Leben der Selbstverleugnung und der Heiligung. Die Bibel warnt eindringlich vor ihnen (Mt 7,15 u. a.). Sie schießen aus dem Hinterhalt, beurteilen andere, lassen sich aber nicht selbst beurteilen. Ein HG-Polizist, der unsere Gemeinde monatelang plagte, vergnügte sich, wie sich herausstellte, während der Woche in Swinger-Clubs und mit Pornografie, während er sonntags die Gemeindeleitung drangsalierte, dass die Gemeinde nicht feurig und eifrig genug sei.
Wie unterscheidet man zwischen den wahren Heilig-Geist-Erfüllten und den Heilig-GeistPolizisten? Die Bibel ist eindeutig: Ein Mensch, der wirklich vom Heiligen Geist erfüllt ist, ist von einer tiefen Demut gekennzeichnet und einem Verlangen danach, den Heiligen zu dienen und die Gemeinde Jesu zu bauen. Er lebt christus- und bibelzentriert, er rühmt sich des Kreuzes Jesu. Die Spielregeln, nach denen er lebt, sind in Galater 5,22-23 aufgelistet: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit. Menschen, die einen Mangel an Heiligem Geist beklagen, sind oft selbst der Grund, warum der Heilige Geist nicht wirken kann. Denn „Gott widersteht den Stolzen und gibt den Demütigen Gnade“ (Jak 4,6), und „an ihrer Frucht werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,16).
Wer den Heiligen Geist wirklich sucht, sucht bei Menschen, die sich wie Jesus eine Schürze umbinden, um anderen die Füße zu waschen; die sich bei den Armen, Kranken und Sterbenden aufhalten; die sich als Erste tröstend und helfend melden, wenn es Not gibt. Er sucht dort, wo verkündigt, gelacht, ermutigt, gesungen und freudig gedient wird, wo das Wort Gottes nicht als Keule gegen die Geschwister missbraucht, sondern für das eigene Leben zu Herzen genommen wird.
3
Demut – die vergessene Tür zum Segen
Demut bringt einen Segen, der nicht auf die Reize dieser Welt angewiesen ist. „ “
Wenn jemand mir erzählt, dass er den Schlüssel zu harmonischen Beziehungen, Erfolg und Glück gefunden hat, dann merke ich auf. Wer will das alles nicht? Die Bibel spricht von einer Charaktereigenschaft, die diese Dinge tatsächlich in Aussicht stellt, eine feste Garantie für die Gunst Gottes und die Gunst unserer Mitmenschen. Wenn du diese Eigenschaft besitzt, freut sich deine Familie, wenn du an der Tür erscheinst; deine Kollegen sind erleichtert, wenn du bei Projekten dabei bist; Gott selbst findet an dir Gefallen. Wir schätzen diese Eigenschaft in anderen, haben aber unsere liebe Mühe damit, sie im eigenen Leben zu pflegen. Dafür, dass sie so viel verspricht, bekommt sie in der christlichen Szene erstaunlich wenig Aufmerksamkeit. Kongresse, Seminare, Artikel dazu sucht man vergeblich. Ich rede von Demut.
Die Bibel wimmelt von Leckerbissen dazu. Paulus ermahnt die Gläubigen in Philippi: „... in der Demut achte einer den anderen höher als sich selbst“ (Phil 2,3). In seinem Brief an die Kolosser beschreibt er die Merkmale eines demütigen Herzens: „herzliches Erbarmen, Güte ... Milde, Langmut.“
Jakobus warnt seine Leser: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er
Gnade“ (Jak 4,6). Petrus greift den Gedanken in seinem Brief wieder auf (1Petr 5,6).
Von Jesus selbst kommt die Beobachtung: „Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11; Mt 23,12).
Der Schreiber der Sprüche bietet Anreize für ein demütiges Herz an: „Die Folge der Demut und der Furcht des Herrn ist Reichtum und Ehre und Leben“ (Spr 22,4).
Schon im Alten Testament spricht der Prophet Jesaja die Nähe Gottes dem zu, der „zerschlagenen und gebeugten Geistes ist“ (Jes 57,15).
Falls die zahllosen Bibelstellen dazu nicht überzeugen, bietet jede biblische Biografie Anschauungsmaterial, das die Dringlichkeit dieser Aufforderungen untermauert. Josef wird erst brauchbar, nachdem Gott und seine Mitmenschen ihm wichtiger geworden sind als die Erfüllung seiner eigenen Träume. David wird erst König, nachdem er sich wiederholt geweigert hat, die Herrschaft auf eigene Faust an sich zu reißen.
Genau das ist die Ironie der Sache: Der Weg, Segen zu bekommen, setzt die Bereitschaft voraus, auf Segen zu verzichten. Gott um seinetwillen zu suchen und nicht um seiner Gaben willen. Ergriffen vom Hersteller zu sein anstatt von
dem Produkt. Segen gibt es nur über den Weg des Kreuzes. Gib, und es wird dir gegeben. Stirb, und du wirst leben. Verliere dich, und du wirst dich finden. Geh nach unten, und du kommst nach oben.
Keinen einzigen Vers finden wir in der Bibel über Selbstbewusstsein, Selbstfindung, die Durchsetzung eigener Lebensziele, die Entdeckung eigener Talente und Berufungen, die gezielte Pflege des eigenen Glücks und die Optimierung der eigenen geistlichen Ambitionen und Erlebnisse. Auch Frömmigkeit kann eine ichzentrierte Angelegenheit sein, die zum gleichen Ziel führt wie alle ich-zentrierten Angelegenheiten: Verbitterung, Frust und geistlichem Tod.
Demut befreit uns vom Elend des Egoismus. Sie bringt einen Segen, der auch durch Zeiten der Not hindurchträgt, auch jenseits des Grabes.
Einen Segen, der nicht auf die Reize dieser Welt angewiesen ist. Christen, die auch nach vielen Jahren immer noch von ihrem Glauben schwärmen und das Reich Gottes bauen, haben die ewige Sucherei nach der eigenen geistlichen Selbstverwirklichung eingestellt. Mit Freude achten sie andere höher als sich selbst.
Das ist wahrer Segen. Das ist Demut.
Zu Gast bei Jesus
Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?
1. Korinther 6,19
Die zweitletzte Kurve, bevor wir in die Straße abbogen, wo unsere Großeltern wohnten, war das Signal für die Predigt meiner Mutter zum Thema „Wie ihr Enkelkinder euch bei Oma verhalten sollt“. Es war der übliche Regelkatalog: das Haus nicht gleich erstürmen, die Hand geben, nicht sofort fragen, was es zum Essen gibt oder wo die Süßigkeiten versteckt sind, sondern wie es Oma und Opa geht. Small-Talk-Themen für den Tag: Opas Herzflimmern, Omas Augen, die Rosensträucher im Garten, der Fischteich, ob sie in letzter Zeit von den Verwandten in Kanada gehört hätten. Kurze Diskussion darüber, wer von uns freiwillig und fröhlich fragen würde, ob er beim Tischdecken helfen könne, wer nachher ebenso freiwillig beim Abwasch helfen würde (ohne gestupst zu werden), die Erinnerung daran, für alles „bitte“ und „danke“ zu sagen, keine Streitereien, keine dreckigen Schuhe auf Omas Parkett, aufpassen mit Omas Porzellan, keine dummen Kommentare über Opas Zigaretten oder wenn er sich den Boxkampf im Fernseher ansehen wollte. Und das krönende Schlusswort: „Vergesst nicht: Ihr seid zu Gast im Haus eines anderen!“
Zu Gast im Haus eines anderen. Sich von seiner besten Seite zeigen, immerzu überlegen: „Darf ich das in diesem Haus? Wie ist hier die
Hausordnung? Was passt dem Gastgeber, was würde ihm nicht gefallen?“ Ein ganz schön hoher Anspruch. Auch für diejenigen, die bei Jesus zu Gast waren. Denn überall, wo er auftrat, war Jesus der Gastgeber. Der, der nicht einmal einen Stein hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte (Lk 9,58), gab den Ton an – ob im Haus des Pharisäers Simon (Lk 7,36-50), bei seinen Freunden in Betanien (Lk 10,38-42) oder bei der Schwiegermutter des Petrus (Lk 4,38-40). Der Schöpfer der Welt hatte kein Zuhause; er war selbst das Zuhause. Jeder spürte instinktiv: Die Hausregeln dieses Mannes galt es zu beachten. In dem Moment, in dem ich den Chefsessel meines Lebens räume und Jesus zu meinem Herrn und Meister erkläre, ist er nicht mehr ein Gelegenheitsgast, sondern mein Gastgeber. Mein Lebenshaus wird zu seinem Eigentum; meine Zeit, meine Talente, mein Geld, meine Gedanken, mein Körper gehören ihm. Ich bin lediglich Verwalterin, Haushälterin. Dieses Bewusstsein hat nach und nach tiefgreifende Auswirkungen auf mein Verhalten. Genauso wie ich in Omas Haus Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen musste, will ich mich Jesus gegenüber verhalten. Die Bibel nennt diesen Prozess „Heiligung“. Das bedeutet: die Anweisungen ausführen, die er als Gastgeber
erteilt. Entscheidungen treffen, die ihm, meinem Hausherrn, entsprechen. So denken, wie er denkt. Die Inneneinrichtung so gestalten, wie es ihm gefällt. Das Haus sauber und instand halten. Dafür sorgen, dass er sich wohlfühlt.
Was bewegt einen Menschen dazu, etwas dermaßen Irrsinniges zu machen und die Kontrolle über sein Leben pauschal und freiwillig in die Hände eines anderen zu legen? Für mich ist es einfach: Es ist der Anblick zweier Balken auf einem Berg; es sind die Schreie eines Mannes, der dort einen langsamen und qualvollen Tod erleidet, der den ultimativen Preis bezahlt, um mich von dem grausamen Hausherrn freizukaufen, dem ich früher gedient habe.
Dem, der sein Leben für mich gab, zu dienen und bei ihm Gast zu sein – das ist wahre Freiheit. Mir selbst nicht mehr zu gehören, ein Tempel seines Heiligen Geistes zu sein – das ist Leben im Überfluss!