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Ungelöster Fall Christentum

Ein Mordkommissar hinterfragt die Aussagen der Evangelien

Kommentare zu

Ungelöster Fall ChrIstentUm

Vorwort von 19 lee strobel

Vorwort von 23 rICe brooCks

Einleitung

Der Weg Des ermIttlers

Teil 1 35

WIe man lernt, eIn ermIttler zU seIn

Zehn wichtige Prinzipien, die jeder ambitionierte Ermittler beherrschen muss

Kapitel 1 37

seIen sIe keIn «besserWIsser»

Widerstehen Sie dem Einfluss gefährlicher Annahmen

Kapitel 2 49

lernen sIe, «sChlUssFolgerUngen» zU zIehen

Verstehen Sie die Rolle des «abduktiven Denkens»

Kapitel 3 77

zIehen sIe «InDIzIen-be WeIse» hInzU

Berücksichtigen Sie das Wesen von Indizienbeweisen

Kapitel 4 99

ÜberprÜFen sIe Ihre zeUgen

Beurteilen Sie die Vertrauenswürdigkeit der Zeugen

Kapitel 5

messen sIe jeDem Wort beDeUtUng beI Untersuchen Sie Wahl und Bedeutung der Sprache

Kapitel 6

trennen sIe arteFakte von be WeIsen Legen Sie fest, welche Beweise wichtig sind

Kapitel 7

WIDerstehen sIe versChWörUngstheorIen Erkennen Sie, wie selten echte Verschwörungen sind

Kapitel 8

121

135

151

163 respektIeren sIe DIe «be WeIsmIttelkette»

Schaffen Sie Zuverlässigkeit, indem Sie die Beweise zurückverfolgen

Kapitel 9

175 erkennen sIe, Wann «genUg genUg Ist»

Freunden Sie sich mit Ihren Schlussfolgerungen an

Kapitel 10

189 bereIten sIe sICh aUF eInen angrIFF vor

Unterscheiden Sie zwischen möglichen Alternativen und berechtigten Widerlegungen

Teil 2

ÜberprÜFen sIe Das be WeIsmaterIal

Wenden Sie die Ermittlungsprinzipien auf die Behauptungen des Neuen Testaments an

Kapitel 11

Waren sIe anWesenD?

Wurden die Evangelien früh genug geschrieben, um von echten Augenzeugen verfasst worden zu sein?

211

215

Kapitel 12

WUrDen sIe bestätIgt?

Wird das Zeugnis der Evangelienschreiber von äusseren Quellen und Beweisen untermauert?

Kapitel 13

Waren sIe präzIse?

Berichteten die Evangelienschreiber fälschlicherweise von Dingen, die ihr Zeugnis widerlegen?

Kapitel 14

Waren sIe voreIngenommen?

Hatten die Evangelienschreiber Grund, hinsichtlich ihres Zeugnisses zu lügen?

Nachwort

WerDen sIe eIn ChrIst Der «z WeI entsCheIDUngen»

Entscheiden Sie sich für den Glauben und die Verteidigung der Wahrheit

243

283

319

337

Anhang 351

zeUgen UnD QUellen

Die für den Fall erforderlichen Quellen zusammentragen

Fallakten 353

saChverstänDIge

Identifizierung der Sachverständigen, die über das in jedem Kapitel beschriebene Beweismaterial umfassend aussagen können

Fallakten 361

UnterstÜtzenDe krImInalbeamte

Polizisten und Ermittler, die geholfen haben, die Argumente für das Christentum zusammenzutragen

Der Weg Des ermI ttlers

Ich bekam den Anruf gegen ein Uhr nachts. Bei der Mordkommission tätige Kriminalbeamte untersuchen auch Schusswechsel, an denen Polizisten beteiligt sind (OIS; officer-involved shooting), und zu diesem Anlass wurden alle Beamten des OIS-Teams alarmiert. Als ich am Tatort ankam, stand Officer Mark Walker an seinem Streifenwagen und sprach mit einem Inspektor, während er auf unsere Ankunft wartete. Ich gab ihm die Hand und vergewisserte mich, dass er bereit war, über den Schusswechsel zu reden. Ich begann, die Ereignisse, die zu unserem Einsatz führten, mit ihm durchzugehen.

Mark erzählte mir, dass er auf Streife war, als er einen Mann die Strasse entlangfahren sah, der wie ein Betrunkener zwischen den Fahrspuren hin und her schwankte. Er winkte den Fahrer aus dem Verkehr und näherte sich seinem Wagen. Als er sich nach vorn beugte, um mit dem Mann zu sprechen, roch er seine Alkoholfahne. Mark bat ihn, aus dem Auto zu steigen. Der Fahrer fügte sich widerwillig. Während der Mann vor seinem Auto stand, konnte Mark erkennen, dass er wütend und uneinsichtig war. Mark beschloss, ihn rasch körperlich abzusuchen, um sicherzugehen, dass der ungehaltene Fahrer keine Waffen bei sich trug. Er wusste nicht, dass der Fahrer Jacob Stevens aus einer Nachbarstadt war, ein auf Bewährung entlassener Häftling mit langen Gefängnisstrafen. Jacob war gerade erst aus dem Staatsgefängnis entlassen worden. Sein Delikt war ein tätlicher Angriff. In dieser Nacht trug er eine geladene Colt-Pistole Kaliber .45 verdeckt an seinem Gürtel. Jacob wusste,

dass er zurück ins Gefängnis müsste, würde der Officer die Waffe entdecken, und war entschlossen, das zu verhindern.

Als Mark Jacob Stevens bat, sich umzudrehen, damit er ihn untersuchen könne, wandte sich Jacob für einen Moment ab und zog seine Waffe. Blitzschnell drehte er sich zurück zu Mark und richtete die Pistole auf seinen Brustkorb.

«Ich wusste, dass er mir zuvorgekommen war», sagte Mark, als er mir den Vorfall erzählte. «Er hatte seine Waffe gezogen und auf mich gerichtet, noch bevor ich die Hand an meine legen konnte.»

Jacob hatte nicht vor, sich auf eine Diskussion mit Mark einzulassen. Er hatte beschlossen, nicht zurück ins Gefängnis zu gehen, auch wenn es bedeutete, diesen Polizeibeamten töten zu müssen. Jacob richtete seine Waffe auf Mark und krümmte den Finger am Abzug. Mark stand vor dem Kampf seines Lebens, und er war im Nachteil. Er lag Sekunden hinter seinem Gegner.

Alle, die für die Durchsetzung des Gesetzes sorgen, wissen, wie wichtig es ist, eine kugelsichere Weste zu tragen. In der Ausbildung wurde uns der Umgang mit diesen Westen beigebracht, und irgendwann haben die meisten von uns erfahren, wie sie sich im Praxistest bewähren. Wir wussten, dass sie ein Geschoss aufhalten konnten, auch Kaliber .45. In dieser Nacht sollte Marks Weste einem Test unterzogen werden.

«Ich spannte meine Bauchmuskeln an und bereitete mich auf den Schuss vor, als ich meine Waffe aus dem Halfter zog. Mir war klar, die erste Runde würde an ihn gehen.»

Mark wusste zwar, dass seine Weste den Aufprall eines Geschosses vom Kaliber .45 aushalten konnte, aber in dieser Nacht musste er zum ersten Mal auf diesen Ausrüstungsgegenstand vertrauen. In diesem aussergewöhnlichen Augenblick veränderte sich Marks Blickrichtung von «glauben, dass» zu «glauben an». Es ist eine Sache, zu glauben, dass die Weste Leben retten kann, und eine andere, ihr zu vertrauen, dass sie das eigene Leben rettet. Mark überlebte offenbar den Angriff, sonst hätte er ihn uns nicht beschreiben können. Die Lektion, die ich von Mark gelernt habe, hatte allerdings eine weitaus grössere Wirkung auf mein Leben, als er je wissen wird.

Der WeChsel von «glaUben, Dass» zU «glaUben an»

Ich war 35 Jahre alt, als ich zum ersten Mal aufmerksam der Predigt eines Pastors zuhörte. Ein Kollege hatte mich über Monate immer wieder in seine Gemeinde eingeladen, und obschon ich ihn immer wieder vertröstet hatte, erklärte ich mich eines Tages bereit, der Einladung zu folgen, und besuchte mit meiner Familie einen Gottesdienst am Sonntagmorgen. Mir gelang es, das meiste von dem, was der Pastor sagte, zu ignorieren, bis er ein Bild von Jesus zeichnete, das mich aufmerken liess. Er charakterisierte ihn als einen echt cleveren Typ, der einige überraschend kluge Dinge über das Leben, die Familie, Beziehungen und Arbeit gesagt habe. Die Aussagen wirkten für mich stimmig. Obgleich ich kein Interesse hatte, meine Knie vor Jesus als Gott zu beugen, war ich zumindest bereit, ihn als Lehrer zu respektieren, dem man zuhören kann. Eine Woche später kaufte ich mir meine erste Bibel.

Meine Freunde kannten mich als eingefleischten Atheisten, als Skeptiker, der Christen und die christliche Weltanschauung kritisch analysierte. Aber plötzlich las ich die Evangelien, um zu erfahren, was Jesus zu sagen hatte. Etwas an den Evangelien zog meine Aufmerksamkeit auf sich, mehr als Ermittler denn als Person, die an der alten Philosophie eines imaginären Weisen interessiert war. Zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben hatte ich bereits als Streifenpolizist gedient sowie als Mitglied des Bandensonderkommandos, des Metro-Teams (Überprüfung von Drogendelikten auf der Strasse), des SWAT-Teams und des Crime-Impact-Teams (Überprüfung von Berufsverbrechern). Ich hatte Hunderte (wenn nicht sogar Tausende) Augenzeugen und Verdächtige verhört. Mir war die Art von Augenzeugenaussagen vertraut, und ich wusste, wie Beweise vor Gericht beurteilt werden. Etwas an den Evangelien schien mir mehr zu sein als eine mythologische Erzählung. Die Evangelien schienen tatsächlich alte Augenzeugenberichte zu sein.

Ich habe so viele Verhöre durchgeführt und hatte so viel Erfolg damit, Verdächtige zum «Auspacken» zu bewegen, dass mich meine Abteilung an eine Reihe von Ermittlungsschulen schickte, um meine Fähigkeiten zu verfeinern. Letztendlich wurde ich in Forensischer Aussagenanalyse (FSA) ausgebildet. Indem ich diese Methodik gewissenhaft anwandte und genau untersuchte, wie Verdächtige Pronomen auswählen, Zeitformen benutzen und Zeit ver-

dichten oder ausdehnen (zusammen mit vielen anderen linguistischen Hinweisen), konnte ich normalerweise feststellen, ob eine Person das Verbrechen begangen hatte. Häufig war ich sogar imstande, die Tageszeit eines Verbrechens herauszufinden! Wenn mir diese Technik so unglaubliche Einblicke in die Aussagen von Verdächtigen und Zeugen liefern konnte, warum könnte ich sie dann nicht einsetzen, um die Behauptungen der Evangelien zu überprüfen? Ich fing an, FSA beim Studium des Markusevangeliums anzuwenden. Innerhalb eines Monats und trotz meiner tief sitzenden Skepsis und Bedenken kam ich zu dem Schluss, dass das Markusevangelium der Augenzeugenbericht des Apostels Petrus war. Ich bewegte mich langsam von der Vorstellung, dass Jesus ein weiser Lehrer war, hin zum Glauben an seine Aussagen über sich selbst. Mein Weg verlief von beiläufiger Zustimmung zu engagiertem Vertrauen, von glauben, dass zu glauben an. Meine gegenwärtige Aufgabe ist es, alte ungelöste Mordfälle zu untersuchen. Im Gegensatz zu anderen geringfügigeren Verbrechen wird ein ungelöster Mordfall nie abgeschlossen, bei Morduntersuchungen läuft die Zeit nie ab. In meiner speziellen Dienststelle gibt es Dutzende von ungeklärten Mordfällen, die offen bleiben und nur darauf warten, dass sich jemand die Zeit nimmt, sie noch einmal aufzurollen. Es gibt eine Menge Ähnlichkeiten zwischen der Untersuchung von alten ungelösten Fällen und dem Überprüfen der Behauptungen des Christentums. Ungeklärte Mordfälle liegen meist weit zurück, und es gibt nur wenig bis kein forensisches Beweismaterial. Diese Art von Fällen wird manchmal auf der Basis von Augenzeugenaussagen gelöst, auch wenn zwischen dem Verbrechen und dessen Untersuchung viele Jahre liegen. Selbst wenn es keinen lebenden Augenzeugen des Mordes mehr gibt, finden sich doch Zeugen, die helfen können, die Ereignisse zusammenzutragen, die zum Verbrechen oder zum Verhalten eines Verdächtigen nach der Tat geführt haben. Diese Zeugen können auf vielerlei Weise beurteilt werden, um ihre Zuverlässigkeit zu bestätigen. Am Ende kann ein überzeugender, auf Indizien basierender Fall entstehen, wenn Zeugenaussagen gesammelt und diese Beobachtungen anhand weniger verfügbarer gerichtsmedizinischer Beweise bestätigt werden. Auf der Grundlage dieses Ansatzes habe ich eine Reihe von Verdächtigen in alten unaufgeklärten Mordfällen, die glaubten,

sie wären mit ihrem Verbrechen ungeschoren davongekommen, verhaftet und erfolgreich strafrechtlich verfolgt.

Das Christentum stellt eine Behauptung über ein längst vergangenes Ereignis auf, für das es wenige oder keine forensischen Beweise gibt. Wie bei ungelösten Fällen kann die Wahrheit über das Geschehen herausgefunden werden, wenn man die Aussagen von Augenzeugen überprüft und sie mit den wenigen uns zur Verfügung stehenden zusätzlichen Beweisen vergleicht. Wenn die Augenzeugen beurteilt werden können (und sich ihre Aussagen mit den uns verfügbaren Mitteln bestätigen lassen), kann ein ebenso überzeugender, auf Indizien basierender Fall für die Behauptungen des Neuen Testaments entstehen. Aber existieren überhaupt glaubwürdige Augenzeugenaussagen, die das bestätigen können? Das wurde zur wichtigsten Frage bei meiner persönlichen Überprüfung des Christentums. Waren die Evangelien Augenzeugenberichte oder lediglich moralistische Mythen? Waren die Evangelien glaubwürdig oder angefüllt mit unzuverlässigen, übernatürlichen Absurditäten? Die wichtigsten Fragen, die ich über das Christentum stellen konnte, fielen somit in meinen Kompetenzbereich. Ich hoffe, in diesem Buch etwas von dieser Fachkenntnis mit Ihnen teilen zu können. Irgendwo auf meinem Weg von «glauben, dass» zu «glauben an» erzählte mir ein Freund von C. S. Lewis. Nach dem Lesen von Mere Christianity (Pardon, ich bin Christ) kaufte ich mir alles, was er geschrieben hatte. Ein Zitat aus God in the Dock (Gott auf der Anklagebank) begleitete mich über Jahre. Lewis bemerkte ganz richtig: «Das Christentum ist eine Erklärung, die, wenn falsch, keine Bedeutung hat, ist sie aber wahr, von unendlicher Bedeutung ist. Was es aber nicht sein kann, ist einigermassen bedeutend.»1 Wenn das Christentum wahr ist, ist es auch wert, sich damit auseinanderzusetzen. Mit den Jahren habe ich meine Skepsis ebenso beibehalten wie das unbedingte Bedürfnis, Fakten zu überprüfen, obschon ich von «glauben, dass» zu «glauben an» gewechselt war. Immerhin bin ich nach wie vor ein Kriminalbeamter. Ich denke, ich habe ein paar Dinge gelernt, die Ihnen dabei helfen können, die wahren Aussagen der Bibel zu überprüfen.

1 C. S. Lewis, God in the Dock: Essays on Theology and Ethics (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1970), S. 101.

Ich sage Ihnen im Voraus, dass ich Ihnen von einigen Beispielen aus meiner Laufbahn als Ermittler in alten ungelösten Mordfällen berichten werde, von denen ich im Lauf der Jahre so manches gelernt habe. Ich möchte Ihnen ein paar Polizeigeschichten erzählen. Ich habe diese Schilderungen jedoch sorgfältig bearbeitet, die Namen der beteiligten Personen geändert und die Details jedes einzelnen Falls geringfügig modifiziert, um Polizisten und Opfer zu schützen. Ich hatte das Privileg, an einigen der wichtigsten und bekanntesten Fälle in unserer Stadt in den vergangenen zwanzig Jahren zu arbeiten. Obgleich ich möchte, dass Sie sowohl aus unseren Fehlern als auch unseren Erfolgen lernen, ist es mir wichtig, das Privatleben der Kriminalbeamten (und das der Opferfamilien) zu respektieren.

Wenn Sie, so wie ich es früher tat, die Bibel skeptisch ablehnen, könnten Ihnen meine Erfahrungen und Einsichten helfen, die Schreiber der Evangelien in einem neuen Licht zu sehen. Wenn Sie Christen begegnet sind, die ihren Glauben nicht ausreichend verteidigen konnten, möchte ich Sie bitten, geduldig mit uns zu sein, da die christliche Überlieferung intellektuell widerstandsfähig und gehaltvoll ist, auch wenn wir Gläubigen hin und wieder nicht in der Lage sind, Ihre herausfordernden Fragen überzeugend zu beantworten. Die Antworten sind vorhanden; Sie müssen nicht erst Ihr Gehirn ausschalten, um zu glauben. Ja, es ist möglich, wegen und nicht trotz der Beweise ein Christ zu werden. Vielen von uns ist genau das passiert. Wenn Sie bereits ein Gläubiger sind, können meine Erfahrungen Ihnen neue Instrumente an die Hand geben, mit denen Sie Ihren Glauben energischer und fundierter verteidigen können. Sie lernen möglicherweise etwas Neues über die Geschichte des Christentums oder das Wesen und die Macht von Beweisen. Ich möchte Ihnen Mut machen, ein gut informierter Christ zu werden, damit Sie Gott mit Ihrem Verstand anbeten und ein Verteidiger des christlichen Glaubens werden. Lassen Sie uns mit zehn einfachen Prinzipien der Beweisführung anfangen, die Ihren Blick auf das Christentum für immer verändern können.

W Ie man lernt, eIn ermI ttler

zU seIn

Zehn wichtige Prinzipien, die jeder ambitionierte Ermittler beherrschen muss

Kapitel 1

Prinzip #1

seIen sIe keIn « besser WIsser»

«Jeffries und Wallace», schnauzte Alan ungeduldig, während sich der junge Beamte beeilte, unsere Namen auf den Bericht vom Tatort zu schreiben. Alan hob das gelbe Band an und kroch mit Schmerzen darunter durch, weil er dabei sein schlimmes Knie belasten musste. «Ich werde langsam zu alt dafür», sagte er, während er den Mantel über seinem Anzug aufknöpfte. «Es wird immer später in der Nacht, wenn sie uns alarmieren.»

Das war mein erster Tatort eines Mordfalls, und ich wollte mich nicht zum Narren machen. Jahrelang hatte ich mit Raubüberfällen zu tun gehabt, aber an Mordermittlungen war ich bisher nicht beteiligt gewesen. Ich war besorgt, dass ich den Tatort irgendwie verunreinigen könnte. Ich machte kleine, vorsichtige Schritte und folgte Detective Alan Jeffries wie ein junger Hund. Alan arbeitete schon mehr als fünfzehn Jahre für dieses Einsatzkommando und hatte nur noch fünf Jahre bis zum Ruhestand. Er war sachkundig, rechthaberisch, selbstbewusst und mürrisch. Ich mochte ihn sehr.

Wir standen einen Augenblick dort und schauten uns den Leichnam des Opfers an. Die Frau lag teilweise unbekleidet auf ihrem Bett, stranguliert. Es gab keine Anzeichen eines Kampfes und eines gewaltsamen Zutritts in ihre Wohnung, nur eine 46-jährige Frau, die in einer äusserst unvorteilhaften Stellung tot dalag. Mir jagten die Gedanken durch den Kopf, während ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was ich in dem zweiwöchigen Seminar zur Mordfallermittlung vor Kurzem gelernt hatte. Ich wusste, es gab wichtige Beweisstücke, die erhalten und gesammelt werden mussten. Ich bemühte

mich, die «Datenmenge» am Tatort zu bewerten. In welchem Verhältnis standen die Beweise und der Mörder? Konnte der Tatort wieder so hergerichtet werden, dass er Rückschlüsse auf die Identität des Täters zulässt?

«He, aufwachen!», Alans Stimme durchbrach meine Gedanken. «Wir müssen hier einen Mörder fassen. Mach dich auf die Suche nach ihrem Ehemann; das ist unser Mann.»

Was? Hatte Alan das schon herausgefunden? Er stand da und sah mich mit einer Spur Ungeduld und Verachtung an. Er zeigte auf ein gerahmtes Bild, das umgeworfen auf dem Nachttisch lag. Unser Opfer wurde liebevoll von einem Mann umarmt, der in ihrem Alter zu sein schien. Anschliessend wies er auf Männerkleidung hin, die auf der rechten Seite ihres Schranks hing. Hier schienen mehrere Sachen zu fehlen.

«Ich mache das schon ziemlich lange, Junge», sagte Alan, während er sein Notizbuch öffnete. «Von ‹Fremden› ausgeübte Morde sind recht selten. Der Kerl ist wahrscheinlich ihr Ehemann, und meiner Erfahrung nach töten sich Ehepartner gegenseitig.» Alan zeigte systematisch auf eine Reihe von Beweisstücken und deutete sie auf der Grundlage seiner Annahme. Es gab keinen gewaltsamen Zutritt; das Opfer schien nicht weiter gekämpft zu haben; das Bild auf dem Nachttisch war umgeworfen worden; im Schrank schien Männerkleidung zu fehlen – Alan betrachtete das alles als Bestätigung seiner Theorie. «Kein Grund, es kompliziert zu machen, Anfänger; meistens ist es ganz einfach. Finde mir den Ehemann, und ich zeige dir den Mörder.»

Wie sich herausstellte, war es doch etwas schwieriger. Wir konnten die Identität des Verdächtigen drei Monate lang nicht feststellen, und dann war es schliesslich der 25-jährige Nachbar des Opfers. Er kannte sie kaum, schaffte es aber, dass das Opfer in der Nacht, als er sie vergewaltigte und tötete, die Tür für ihn öffnete. Sie war single, und der Mann auf dem Foto war ihr Bruder (er besuchte sie gelegentlich aus Übersee und deponierte ein paar Kleidungsstücke in ihrem Schrank). Alle Annahmen von Alan waren falsch, und sie bestimmten unseren Blick auf das Beweismaterial. Alans Philosophie schadete seiner Methodik. Wir folgten nicht den Beweisen, um zu erkennen, wo sie hinführten; wir hatten uns bereits entschieden, wohin sie führen würden, und suchten lediglich nach einer Bestätigung. Zum Glück setzte sich die Wahrheit durch.

Wir alle haben unsere Grundannahmen, die Einfluss auf unsere Sicht von der Welt um uns herum haben können. Ich habe gelernt, mein Bestes zu geben und jede Ermittlung mit offenen Augen zu beginnen und mit unvoreingenommenem Verstand für alle reellen Möglichkeiten. Ich versuche, mich nicht in eine bestimmte Philosophie oder Theorie zu verbeissen, bis sich aufgrund der Beweislage eine als die sinnvollste hervortut. Das habe ich auf die harte Weise gelernt; ich habe mehr als genug Fehler gemacht. Eines weiss ich mit Sicherheit (nach der Arbeit an neuen und alten Mordfällen): Man kann eine Untersuchung nicht mit einer Philosophie beginnen, die das Ergebnis diktiert. Objektivität ist das oberste Gebot, das erste Prinzip der Ermittlungsarbeit, das sich jeder von uns einschärfen muss. Es klingt sehr einfach, aber unsere vorgefassten Annahmen verstecken sich meist, sodass es schwerfällt, sie herauszufinden und zu erkennen.

geIstlIChe grUnDannahmen

Als Atheist vertrat ich viele Annahmen, die die Art und Weise belasteten, wie ich mich den Behauptungen des Christentums näherte. Ich wurde in der «Star Trek»-Generation (der Originalbesetzung, wohlgemerkt) von einem atheistischen Vater erzogen, der nahezu dreissig Jahre lang Polizist und Kriminalbeamter war, bevor ich als Polizeibeamter anfing. Die zunehmend säkulare Gesellschaft hatte mich überzeugt, dass die Naturwissenschaft letzten Endes alle Rätsel des Lebens erklären würde, und ich hatte mich auf die Vorstellung versteift, dass wir schliesslich eine natürliche Antwort für alles finden würden, was wir einst für übernatürlich gehalten haben.

Meine frühen Jahre als Ermittler der Mordkommission verstärkten diese Annahmen nur noch. Was würden schliesslich meine Partner denken, wenn ich alle Beweise in einem schwierigen Fall untersuche und (nachdem ich keinen Verdächtigen ausmachen konnte) zu dem Schluss komme, dass ein Geist oder Dämon den Mord begangen hat? Sie würden mich mit Sicherheit für verrückt erklären. Alle Mordermittler gehen davon aus, dass übernatürliche Wesen keine akzeptablen Verdächtigen sind, und viele Kriminalbeamte lehnen das Übernatürliche ganz und gar ab. Sie müssen in der realen Welt arbeiten, in der «natürlichen Welt», wo das Prinzip von Ursache und Wir-

kung gilt. Wir setzen eine bestimmte Philosophie voraus, wenn wir anfangen, unsere Fälle zu untersuchen. Diese Philosophie nennt sich «philosophischer Naturalismus» (oder «philosophischer Materialismus»).

Die meisten von uns aus der «Star Trek»-Generation verstehen diese Philosophie, auch wenn wir sie nicht perfekt artikulieren können. Der philosophische Naturalismus lehnt die Existenz von übernatürlichen Akteuren, Mächten, Wesen oder Realitäten ab. Er beginnt mit der grundlegenden Prämisse, dass allein Naturgesetze und -kräfte jedes zu prüfende Phänomen erklären können. Wenn es eine Antwort zu entdecken gilt, bestimmt der philosophische Naturalismus, dass wir sie finden müssen, indem wir das Verhältnis zwischen materiellen Objekten und natürlichen Kräften untersuchen – mehr nicht. Übernatürliche Kräfte werden per Definition ausgeschlossen. Die meisten Naturwissenschaftler fangen mit dieser Grundannahme an und ziehen keine Antwort in Betracht, die nicht strikt physisch, materiell oder natürlich ist. Selbst wenn ein spezielles Phänomen von keinem natürlichen, materiellen Prozess oder einer Reihe von Kräften erklärt werden kann, weigert sich die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler, eine übernatürliche Erklärung zu erwägen. Richard Lewontin (ein Evolutionsbiologe und Genetiker) verfasste eine Rezension zu einem Buch von Carl Sagan und räumte ein, dass die Naturwissenschaft dazu neigt, jede übernatürliche Erklärung zu ignorieren, auch wenn die Beweise andeuten, dass es keine natürlichen, materiellen Erklärungen gibt.

PhilosoPhischer naturalismus

Die auf Grundannahmen basierende Überzeugung, dass in der Welt nur Naturgesetze und -kräfte (im Gegensatz zu übernatürlichen Kräften) wirken. Philosophische Naturalisten glauben, dass ausserhalb des natürlichen Bereichs nichts existiert.

Wir stehen auf der Seite der Naturwissenschaft, trotz der offenkundigen Absurdität einiger ihrer Gedankenkonstrukte, trotz ihres Versagens, viele ihrer übertriebenen Versprechen im Hinblick auf Gesundheit und Leben zu erfüllen, trotz der Toleranz der Naturwissenschaftler gegenüber unbegründeten Geschichten, weil wir eine vorrangige Verpflich-

tung haben, eine Verpflichtung gegenüber dem Materialismus. Es ist nicht so, als würden uns die Methoden und Institutionen der Naturwissenschaft irgendwie zwingen, eine materielle Erklärung der Welt der Phänomene zu akzeptieren. Im Gegenteil, wir wurden von unserem grundsätzlichen Festhalten an materiellen Ursachen gezwungen, ein Ermittlungssystem und eine Reihe von Konzepten zu schaffen, die materielle Erklärungen hervorbringen, ganz gleich, wie sehr sie gegen die eigene Intuition gehen oder unerklärlich für Nichteingeweihte sind. Ausserdem ist der Materialismus absolut, da wir einen Fuss Gottes in der Tür nicht zulassen können.2

Naturwissenschaftler sind da nicht allein; auch viele Historiker haben sich einer naturalistischen Grundannahme verpflichtet. Die Mehrheit der historischen Gelehrten akzeptiert beispielsweise die Historizität der neutestamentlichen Evangelien hinsichtlich Leben und Lehre Jesu und der Bedingungen im 1. Jahrhundert, als Jesus lebte und diente. Gleichzeitig lehnen viele dieser Historiker aber die Historizität der im Neuen Testament beschriebenen Wunder ab, ungeachtet der Tatsache, dass diese Wunder neben den Ereignissen geschildert sind, die Gelehrte als historisch korrekt anerkennen. Warum akzeptieren sie einige Ereignisse, während sie andere abweisen? Weil sie dem Übernatürlichen gegenüber voreingenommen sind.

Bart Ehrman (ein bekannter agnostischer Professor für Religionsstudien an der Universität von North Carolina in Chapel Hill) führte einmal in der britischen Radiosendung Unbelievable? eine Diskussion mit Michael Licona (Forschungsprofessor für das Neue Testament am Southern Evangelical Seminary).3 Während sie über die Beweise für die Auferstehung sprachen, liess Ehrman eine naturalistische Annahme erkennen, die unter vielen Historikern weit verbreitet ist. Er sagte: «Über das Entscheidende haben wir meiner Meinung nach noch gar nicht geredet, darüber, ob es so etwas wie einen historischen Beweis für ein Wunder überhaupt geben kann. Ich denke,

2 Richard Lewontin, «Billions and Billions of Demons», Rezension von The Demon-Haunted World: Science as a Candle in the Dark, von Carl Sagan, New York Review, 9. Januar 1997, S. 31.

3 Bart Ehrman und Mike Licona, «Biblical Evidence for the Resurrection», Gastgeber der Diskussion

Justin Brierly, Unbelievable? Radiosendung, 16. April 2011, Zugang am 9. März 2023, https://youtu.be/ DgcHGnjN1PQ.

die Antwort lautet eindeutig ‹Nein›, und ich glaube, nahezu alle Historiker stimmen mir in diesem Punkt zu.» Ehrman lehnt den Gedanken ab, dass irgendein historisches Zeugnis den Beweis für ein Wunder erbringen könnte. In seinen Worten würde es bedeuten, dass «man sich auf etwas ausserhalb unserer natürlichen Erfahrung beruft, um zu erklären, was in der Vergangenheit geschah». Es sollte uns nicht überraschen, dass Ehrman die Tatsache der Auferstehung angesichts dieser Grundannahme ablehnt. Seine Schlussfolgerung ist naturalistisch, da er keine andere Möglichkeit zulässt, selbst wenn das Beweismaterial eine andere Deutung nahelegt.

mentale sperren

Keine antwort auf die eigentliche frage geBen

Ich begann, die Gefahr philosophischer Annahmen zu verstehen, während ich als Ermittler der Mordkommission arbeitete. Alan und ich standen am Tatort und gaben unser Bestes, die Frage zu beantworten: «Wer hat diese Frau ermordet?» Einer von uns hatte bereits eine Antwort. Normalerweise begehen Ehepartner oder Liebhaber Morde wie diesen – Fall abgeschlossen. Wir mussten bloss den Ehemann oder Liebhaber dieser Frau finden. Es war, als würden wir fragen: «Hat ihr Ehemann sie getötet?», nachdem wir zuerst jeden anderen Verdächtigen ausser ihren Mann ausgeschlossen hatten. So überrascht es nicht, dass Alan zu seinem Schluss kam, denn er war durch diese Prämisse festgelegt.

Wenn wir unsere Schlussfolgerungen in unsere Untersuchungen hineinschmuggeln, indem wir sie zur Prämisse machen, dann finden wir wahrscheinlich keine Antwort auf die eigentliche Frage und kommen zu Schlussfolgerungen, die unseren Annahmen entsprechen und nicht die Wahrheit der vorliegenden Sache erfassen.

Als ich noch ein Atheist war, tat ich genau dasselbe. Ich stand vor den Beweisen für Gott und wollte die Frage beantworten: «Existiert Gott?» Aber als Naturalist startete ich die Untersuchung mit der Annahme, dass ausserhalb der Naturgesetze und -kräfte und materiellen Objekte nichts existiert. Ich stellte mir die Frage: «Gibt es ein übernatürliches Wesen?», hatte aber zuvor die Möglichkeit von irgendetwas Übernatürlichem ausgeschlossen.

Wie Alan kam ich zu einem bestimmten Schluss, weil dieser durch meine Prämisse vorgegeben war. Das ist die klarste Art von Voreingenommenheit, nicht wahr? Sich gedanklich bereits festgelegt zu haben, bevor man überhaupt anfängt zu denken.

begInnen sIe mIt leeren hänDen

Nur weil sie an das Übernatürliche glauben, wird Christen oft vorgeworfen, sie seien «voreingenommen». Diese Anschuldigung hat in unserer heutigen pluralistischen Gesellschaft ein grosses Gewicht. Voreingenommene Menschen werden als ungerecht und arrogant angesehen, und sie sind sich ihrer Position allzu sicher. Niemand möchte für eine Person gehalten werden, die rechthaberisch und voller Vorurteile ist. Aber täuschen Sie sich nicht, wir alle haben Standpunkte, Meinungen und Vorstellungen, die unseren Blick auf die Welt beeinflussen. Jeder, der Ihnen sagt, er sei vollkommen objektiv und ohne vorherige Grundannahmen, hat ein anderes, grösseres Problem: Er ist entweder erstaunlich naiv oder ein Lügner.

Die Frage ist nicht, ob wir Vorstellungen, Meinungen oder bereits bestehende Standpunkte haben oder nicht; die Frage ist, ob wir uns dadurch von einer objektiven Untersuchung der Beweise abhalten lassen. Es ist durchaus möglich, im Vorfeld eine bestimmte Meinung zu haben, sie aber dennoch aussen vor zu lassen, um Beweismaterial fair prüfen zu können. Darum bitten wir Geschworene immer wieder. Im Staat Kalifornien werden Geschworene wiederholt aufgefordert, «während des Prozesses offen an die Dinge heranzugehen» und «ihre Entscheidung nicht von Vorurteilen, Sympathie, Voreingenommenheit oder der öffentlichen Meinung beeinflussen zu lassen».4 Die Gerichte gehen davon aus, dass Menschen Vorurteile, Sympathien und Voreingenommenheiten haben und sich der öffentlichen Meinung bewusst sind. Dennoch wird von den Geschworenen erwartet, «offen an die Dinge heranzugehen». Geschworene müssen den Gerichtssaal mit leeren Händen betreten und all ihr ‹Gepäck› im Flur zurücklassen. Jeder fängt mit einem

4 Richterrat von Kalifornien, Judicial Council of California Criminal Jury Instructions, LexisNexis Matthew Bender (offizieller Herausgeber der Geschworenenbelehrungen des Richterrats), CalCrim Paragraf 101, abgerufen am 5. April 2023, https://www.courts.ca.gov/documents/CALCRIMITC_2014MayJune.pdf.

Päckchen Vorurteilen an. Wir müssen (nach besten Kräften) der Versuchung widerstehen, dass unsere Vorurteile bestimmtes Beweismaterial (und somit auch gewisse Schlussfolgerungen) ausser Kraft setzen, bevor wir überhaupt mit der Untersuchung angefangen haben.

Als Skeptiker weigerte ich mich, selbst die geringste Möglichkeit von Wundern zu akzeptieren. Meine Bindung an den Naturalismus hielt mich davon ab, solchen Unsinn auch nur in Erwägung zu ziehen. Aber nach meiner Erfahrung mit falschen Annahmen am Tatort beschloss ich, dass ich fair mit meinen naturalistischen Neigungen umgehen wollte. Ich konnte nicht mit meiner Schlussfolgerung beginnen, und wenn die Beweise auf die reale Existenz Gottes hindeuteten, eröffnete sich dadurch auch die Möglichkeit für Wunder. Wenn Gott wirklich existierte, dann war er der Schöpfer von allem, was wir im Universum sehen. Und somit hat er Materie von Nichtmaterie getrennt, Leben von Nichtleben; er schuf Raum und Zeit. Gottes Erschaffung des Universums wäre gewiss nicht weniger als … ein Wunder. Wenn es einen Gott gab, der den Ursprung des Universums erklären konnte, wären kleinere Wunder (wie z. B. das Gehen auf dem Wasser oder die Heilung von Blinden) gar nicht so beeindruckend. Wenn ich die Wahrheit über die Existenz eines wunderwirkenden Gottes erfahren wollte, musste ich zumindest meine Annahmen über Wunder ablegen. Meine Erfahrung an Tatorten hat mir dabei geholfen. Das heisst nicht, dass ich jetzt jedes Mal nach übernatür-

lichen Erklärungen suche, wenn ich keine einfache oder schnelle natürliche Erklärung finde. Es bedeutet einfach nur, dass ich offen bin, der Beweisspur zu folgen, wo sie mich hinführt, auch wenn sie die Existenz eines wunderwirkenden Designers andeutet.

Ein WErkzEug für diE EinsatztaschE, Ein tipp für diE chEcklistE

Neben meinem Bett steht immer eine Ledertasche. Darin befinden sich alle Sachen, die ich brauche, wenn ich mitten in der Nacht zu einem Mordfall gerufen werde. Meine Einsatztasche enthält normalerweise eine Taschenlampe, leere Notizblöcke, Plastikhandschuhe, ein digitales Aufnahmegerät, einen Fotoapparat und (natürlich) meine Waffe und die Polizeimarke. In meiner Tasche findet sich auch eine investigative Checkliste, die ich mir vor vielen Jahren ausgedacht hatte, als ich noch neu im Job war. Obschon ich nur noch selten auf sie zurückgreifen muss, steht sie doch für jahrelang angesammelte Weisheit, die ich von Partnern, Fortbildungskursen, Ausbildungsseminaren, erfolgreichen Ermittlungen und missglückten Versuchen gewonnen habe. Möglicherweise sind Sie an der Zusammenstellung Ihrer eigenen Einsatztasche und Checkliste interessiert. Wenn das der Fall ist, können Sie dieses erste Prinzip in Bezug auf Grundannahmen hinzuzufügen; es wird Ihnen bei der Untersuchung der Evangelien gute Dienste leisten.

Als Atheist erlaubte ich es meiner Überzeugung vom Naturalismus zu Unrecht, meinen Blick auf das Beweismaterial für Gottes Existenz zu verfälschen. Ich versäumte, zwischen Wissenschaft (der systematischen, rationalen Untersuchung von Phänomenen) und Szientismus (der Weigerung, etwas anderes ausser natürlichen Ursachen in Betracht zu ziehen) zu unterscheiden. Ich war 35 Jahre alt, als ich erkannte, wie unvernünftig es von mir war, die Möglichkeit von irgendetwas Übernatürlichem auszuschliessen, bevor ich mich überhaupt daranmachte, die übernatürlichen Behauptungen des Christentums zu prüfen. Wenn ich in dieser Zeit nicht natürlich erklärbaren Phänomenen begegnete, vergrub ich mich einfach und verweigerte mich hartnäckig der Möglichkeit, dass etwas Übernatürliches am Werk sein könnte. Ich wollte die Reise nicht mit leeren Händen oder einem neutralen Denken beginnen.

Obwohl ich heute Christ bin, ist mir klar, dass viele von uns beobachtete Phänomene zufriedenstellend durch das Verhältnis zwischen Materie und Naturgesetzen erklärt werden können. Aus diesem Grund versuche ich, nicht gleich übernatürliche Erklärungen zu finden, wenn das Beweismaterial eine natürliche Ursache stützt. Nicht das ganze Handeln Gottes ist ausschliesslich wundersam. Gott wirkt nach wie vor, auch in der Wechselwirkung zwischen der von ihm geschaffenen Materie und den Naturgesetzen, die sein Wesen widerspiegeln (das ist in der Tat wundersam genug). Deshalb versuche ich meinen skeptischen Freunden Mut zu machen, ihre natürlichen Erklärungen zu überprüfen. Allerdings respektiere ich auch die Behauptungen von Naturalisten, wenn sie durch Beweise gestützt sind.

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