Lass uns in die Hand des HERRN fallen!
G uo M uyun
Es gibt ein beliebtes Lied, das nach einem Gedicht von Yu Xinqiao entstand. Der Refrain, der auch der Titel des Liedes ist, lautet: „Wenn ich sterben muss, lass mich in deinen Händen sterben.“ In 2. Samuel 24 legt Gott David drei Katastrophen zur Wahl vor: Krieg, Hungersnot und Pest. David antwortet mit Worten, die dem Refrain des Liedes ähneln: „Lass uns doch in die Hand des HERRN fallen ... Aber in die Hand der Menschen lass mich nicht fallen!“ Mit anderen Worten: „Wenn ich sterben muss, lass mich in den Händen des HERRN sterben.“
In der Bibel lesen wir, dass Gott manchmal Katastrophen schickt, um sündige, rebellische Menschen zu bestrafen. Die drei häufigsten Strafen sind Hungersnöte, das Schwert und die Pest. In Hesekiel 7,15 heißt es: „Das Schwert ist draußen und die Pest und der Hunger drinnen. Wer auf dem Feld ist, wird durchs Schwert sterben; und wer in der Stadt ist, den werden Hunger und Pest fressen.“ Und in der Johannesoffenbarung gibt es eine bekannte Stelle über eines der schlimmsten Gerichte in der Endzeit: „Und
Betrachtungen über das Zerbrochensein siehe, ein fahles Pferd, und der darauf saß, dessen Name ist „Tod“; und der Hades folgte ihm. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Tod und durch die wilden Tiere der Erde“ (Offb 6,8). Es gibt noch viele andere Bibelstellen, die klarstellen, dass viele der sogenannten Naturkatastrophen von Gott geschickt wurden.
Wenn wir uns in die Geschichte und die Bibel vertiefen und die Realität beobachten, sehen wir, dass verschiedene Völker auf ganz unterschiedliche Weise auf von Gott geschickte Katastrophen reagiert haben, und die Unterschiede können riesig sein. Als die zehn Plagen über Ägypten kamen, tat der Pharao nicht Buße, sondern rief: „Bleib stark, Ägypten!“ Als dagegen Ninive – eine Stadt, die womöglich noch böser und grausamer war als Ägypten –kurz vor dem Untergang durch Pest und Erdbeben stand, tat die ganze Stadt Buße in Sack und Asche.
Die heutige Realität zeigt ähnliche Unterschiede. Als die Pandemie sich über China hinaus verbreitete, strebte Großbritannien die „Herdenimmunität“ an – die Körper der Menschen als eine Art neue chinesische Mauer. Die USA ordneten einen nationalen Gebetstag an und entwickelten verschiedene Technologien und Medikamente und kostenlose Tests. Und Italien reagierte ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg; die Menschen sangen auf den Balkonen, während die Regierung ihr Bestes tat, die anderen Länder zu kopieren.
Die Bibel sagt voraus, dass in den letzten Tagen der Erde die Reaktion der Menschen auf die Katastrophen noch schlimmer sein wird. In Offenbarung 9,20-21 lesen wir:
Und die Übrigen der Menschen, die durch diese Plagen nicht getötet wurden, taten auch nicht Buße von den
Werken ihrer Hände, nicht mehr anzubeten die Dämonen und die goldenen und die silbernen und die bronzenen und die steinernen und die hölzernen Götzenbilder, die weder sehen noch hören noch wandeln können. Und sie taten nicht Buße von ihren Mordtaten noch von ihren Zaubereien noch von ihrer Unzucht noch von ihren Diebstählen.
Und in Offenbarung 16,8-11 heißt es:
Und der vierte [Engel] goss seine Schale aus auf die Sonne; und es wurde ihr gegeben, die Menschen mit Feuer zu versengen. Und die Menschen wurden von großer Hitze versengt und lästerten den Namen Gottes, der über diese Plagen Macht hat, und sie taten nicht Buße, ihm Ehre zu geben. Und der fünfte goss seine Schale aus auf den Thron des Tieres; und sein Reich wurde verfinstert; und sie zerbissen ihre Zungen vor Schmerz und lästerten den Gott des Himmels wegen ihrer Schmerzen und wegen ihrer Geschwüre, und sie taten nicht Buße von ihren Werken.
Der Historiker Lei Haizong hat einmal gesagt, dass in der Antike diese drei Arten von Katastrophen – Schwert, Hunger und Pest –der Reduzierung zu groß gewordener Bevölkerungen durch natürliche Auslese dienten.2 Wir müssen hier nicht diskutieren, ob diese Aussage von der Evolutionstheorie beeinflusst ist; Haizong beschrieb eine schlichte Tatsache. Er legte auch dar, dass die gewöhnlichen Menschen einem vom Buddhismus übernommenem Schicksalsverständnis anhingen, das seine eigene Logik hatte. Es gab in der chinesischen Geschichte zum Beispiel einen Bauernführer namens Huang Chao, den die Menschen für einen Teufel
über das Zerbrochensein hielten, der in die Welt gekommen war, um Feiglinge und Hungernde zu töten. Wenn er zu dir kam, warst du dem Tod geweiht.
Als Historiker schlug Lei ein Modell vor, das er „Theorie der maximalen Zunahmen und Abnahmen“ nannte und das für ihn das Prinzip hinter den Bevölkerungsfluktuationen im Laufe der Geschichte Chinas war. Wenn die Zahl der Menschen im Land den Sättigungspunkt erreicht oder gar überschritten hatte, nahm sie wieder ab, bis der Punkt erreicht war, wo es Ackerland ohne Bauern gab und Nahrung ohne Menschen, die sie verzehrten.
In der Nähe des Sättigungspunktes litt die Gesellschaft gleichsam von oben nach unten: Die Regierung wurde immer korrupter und legte den Bürgern harte Steuern auf. Unter dem doppelten Druck des Hungers und der Besteuerung gaben stärkere Mitglieder der unteren Schichten ihr Land ab, um in den Städten als Händler zu arbeiten; andere wurden Banditen, Landstreicher oder Bettler. Als immer mehr Ackerland aufgegeben wurde, wurde aus fruchtbarem Ackerboden Brachland, mit entsprechend weniger Erträgen und einem wachsenden Hungersnot-Risiko. Je mehr Brachland es gab, desto mehr sank die Produktivität. Je weniger Produktivität, umso mehr Hunger; je mehr Hunger, desto mehr Banditen. Und je mehr Banditen, umso mehr Brachland.
Dieser Teufelskreis führte schließlich dazu, dass brave Bürger und Banditen nicht mehr voneinander zu unterscheiden waren. Das Land wimmelte nur so von umherziehenden Rebellen. Dies führte unweigerlich zu großen Massakern. Hatte dann schließlich einer der Rebellen alle übrigen Rebellen ausgeschaltet, wurde er der nächste Kaiser.
Nach einer Periode der Unruhen setzte sich so schließlich ein neuer Herrscher durch und vereinigte das Land wieder – und auf
einmal war das Angebot an Land und Lebensmitteln wieder größer als die Nachfrage. Da es weniger Menschen, aber große Flächen Brachland gab, konnte die Bevölkerung wieder wachsen, ohne vom Hunger bedroht zu sein, und es begann eine Zeit des Friedens und Wohlstands, die ein paar Dutzend bis mehrere hundert Jahre andauern konnte – wie unter den Kaisern Wen und Jing in der HanDynastie, Kaiser Guangwu (ebenfalls Han-Dynastie), Kaiser Taizong in der Tang-Dynastie und während der Blütezeit der Qing-Dynastie.
All diese Perioden waren relativ kurze goldene Zeitalter, die auf die Unruhen und Massaker der jeweils vorangegangenen Dynastie folgten. Das Leben in diesen Blütezeiten war relativ einfach und friedlich, aber sie dauerten nie lange an. Ein paar dutzend Jahre oder ein Jahrhundert später überschritt die Bevölkerungszahl wieder den Sättigungspunkt, und das alte Elend kam zurück.
Dies ist die Sicht von Lei Haizong, und sie kann einem Angst machen. Denn nach diesem Modell kommt es alle paar Jahrzehnte oder Jahrhunderte zur nächsten Katastrophe. Was uns vor die Frage stellt: Was können wir tun, um von solchen historischen Gesetzmäßigkeiten (um nicht zu sagen: Flüchen) frei zu werden? Wie können wir diese furchtbaren Situationen der Pest, des Schwertes und des Hungers überleben?
Die Antwort liegt in der Geschichte von David. In 2. Samuel 24,1-9 lässt David eine Zählung der wehrfähigen Männer in Israel durchführen. Solche Zählungen waren nichts Falsches; sie waren nicht an sich moralisch oder unmoralisch. Ob eine solche Zählung berechtigt war oder nicht, hing von ihrer Motivation und vom Kontext ab. Nun, David war in seinem Leben als König von Israel
allgemein als ein Mann bekannt, der gottesfürchtig und tapfer war, aber er beging zwei große Sünden, und dies war eine davon.
Davids Motiv für die Zählung war schlicht festzustellen, wie viele Soldaten ihm im Kriegsfall zur Verfügung standen. Damit folgte er der Praxis der Nachbarländer. Er vergaß dabei glatt, dass er keinen der zahlreichen Siege im Laufe seiner glänzenden militärischen Karriere allein durch seine militärische Macht errungen hatte. In seiner sensationellen ersten Schlacht nahm der junge David einen glatten Stein und seine Schleuder und tötete damit den Riesen Goliat. Er errang seine Erfolge nicht, weil er die besseren Waffen oder Kampftechniken hatte, sondern weil Gott an seiner Seite war. Als David sein Volk zählte, vergaß er, wie er seine Karriere begonnen hatte.
Und so führte seine Zählung der wehrfähigen Männer zur Katastrophe. Wie es im Sprichwort heißt: Ein unfähiger Befehlshaber bedeutet eine unfähige Truppe. Die Torheit eines Königs traf die ganze Nation. Was nicht heißt, dass es Pech für die Israeliten war, David als ihren Repräsentanten zu haben. Das ganze Volk profitierte, wenn David Schlachten gewann, Städte eroberte und Beute machte. Der König war die Regierung, die für das ganze Volk stand; David schloss für sein Volk Bündnisse mit Gott und mit anderen Nationen. Er konnte dem Volk Segen bringen – aber er konnte es auch in Nöte und Strafen führen, wenn er sündigte.
Solange wir zu einem Volk gehören, haben wir immer Menschen über uns, die uns vertreten – aktiv oder passiv, bewusst oder unbewusst, diesen oder jenen. Den absoluten Individualisten gibt es nicht. Niemand kann von sich behaupten: „Ich brauche niemanden, der mich vertritt.“ Ich kann den, der mich vertreten soll, bestenfalls selbst wählen. Und selbst diese Person ist nicht direkt erreichbar für mich.
David hatte gesündigt. Aber er hatte Glück im Unglück: Ein Prophet kam zu ihm, der das Volk vertrat und der – noch wichtiger – für Gott sprach. Der Prophet Gad sprach schlicht und voller Vollmacht, denn in Israel, wo Gott regierte, war David nur für das Schwert zuständig, während die Propheten die Stimme Gottes waren. Gad konfrontierte den König ohne Umschweife.
Seine Botschaft kann man so zusammenfassen: „Du hast eine Sünde begangen; jetzt kannst du dir eine von drei Strafen aussuchen.“ Als Gad auf David zeigte und sagte: „Du hast gesündigt“, wagte der König es nicht, ihm zu widersprechen. Er hörte auf das Wort Gottes und bekannte seine Sünde, ohne zu zögern. Seine Buße begann damit, dass ihm das Gewissen schlug. Die Bibel berichtet: „Aber nachdem David das Volk gezählt hatte, schlug ihm das Herz. Und David sagte zum HERRN: Ich habe sehr gesündigt mit dem, was ich getan habe. Und nun, HERR, lass doch die Schuld deines Knechtes vorübergehen, denn ich habe sehr töricht gehandelt!“ (2Sam 24,10).
Wenn im alten China Pestilenz, Überschwemmungen oder Hungersnöte kamen, gaben die Kaiser einen Erlass heraus, in welchem sie die Schuld auf sich nahmen und bekannten, dass sie sich gegen den Himmel versündigt hatten. Oft war dies ein bloßes Lippenbekenntnis. Sie konnten sich sicher nicht vorstellen, dass Nachfolger in späteren Jahrhunderten sich noch nicht einmal zu solch einem Lippenbekenntnis aufraffen konnten. Aber diese Buß-Erlasse konnten es nicht mit Davids Schuldbekenntnis aufnehmen.
Die Wahl, die David traf, zeigt sein bedingungsloses Gottvertrauen. Sieben Jahre Hungersnot, drei Monate Krieg oder drei Tage Pest – David hatte die Wahl. Egal, wie er sich entschied, er würde Tod über sein Volk bringen. Er erwiderte Gad: „Mir ist
sehr angst! Lass uns doch in die Hand des HERRN fallen, denn seine Erbarmungen sind groß! Aber in die Hand der Menschen lass mich nicht fallen!“ (2Sam 24,14). Wer Gott wirklich kennt, wird sich immer so entscheiden. David wusste, dass es schrecklicher ist, in die Hände der Menschen zu fallen, für die hier die Hungersnot und der Krieg standen. Er wusste ganz genau, dass Gott zwar Katastrophen schickt, diese aber auch stoppen kann. Er kann schlagen, aber er kann auch heilen, und er ist der Gnädige. Indem wir uns in die Hand Gottes fallen lassen, stellen wir uns unter seine Gnade, was die beste Wahl in einer schwierigen Situation ist. Und so traf Gott die Wahl für David. Der Gott, dessen Gnade groß ist, schickte die Pest. 70 000 Tote in drei Tagen – die Zahl mag uns schockieren, aber verglichen mit der Hungersnot und dem Krieg war dies möglicherweise die gelindeste Strafe. Natürlich sind 70 000 Tote etwas sehr Ernstes; wenn wir dem japanischen Regisseur Takeshi Kitano folgen, haben wir es hier mit dem Tod eines Menschen zu tun, der sich 70 000-mal ereignete.3
Indem wir uns in die Hand Gottes fallen lassen, stellen wir uns unter seine Gnade, was die beste Wahl in einer schwierigen Situation ist.
Angesicht einer solch furchtbaren Situation war Davids Bekenntnis umso dringender. Seine Worte kamen stockend, aber er stand zu seiner Verantwortung. Er betete zu Gott: „Siehe, ich habe gesündigt, und ich habe verkehrt gehandelt! Aber diese Schafe, was haben sie getan? Lass doch deine Hand gegen mich und gegen das Haus meines Vaters sein!“ (2Sam 24,17). Bereits vor diesem Gebet hatte der gnädige Gott dem Gerichtsengel Einhalt geboten.
David selbst war der Schuldige. Aber wie kann jemand, der selbst schuldig ist, die Schuld anderer tragen? Wenn eine MafiaBande gemeinsam ein Verbrechen begeht und später einer
von ihnen sich dem Gericht stellt und sagt: „Ich bin bereit, die Schuld von meinem Boss zu tragen“, wird der Richter sagen: „Was können Sie an seiner Schuld tragen? Sie haben Menschen getötet; Sie müssen zuerst Ihre eigenen Taten bekennen und Ihre eigene Schuld tragen.“ David war schuld an der Katastrophe. Derjenige, der das Verbrechen begangen hat, ist schuldig. Man kann nicht die Schuld eines anderen tragen.
Andererseits war das Volk selbst auch nicht unschuldig. Als die Israeliten durch die Wüste zogen, begingen sie gemeinsam große Sünden, die dazu führten, dass Gott ihnen in seinem Zorn die Pest schickte. Wie es in Prediger 1,9 heißt: „Es gibt gar nichts Neues unter der Sonne.“ Diese furchtbare Szene nach der Volkszählung ist eine Wiederholung dessen, was im 4. Buch Mose geschah. Die meisten im Volk hatten Gott vergessen und waren stolz auf ihre militärische Macht und die Macht ihrer Nation. Laut Davids Volkszählung gab es in Israel 800 000 wehrfähige Männer und in Juda 500 000 – eine beeindruckende Zahl. Aber wenn man sich auf seine eigene Stärke verlässt und nicht auf Gott, kann keiner dieser 1,3 Millionen tapferen Männer sagen, er sei unschuldig. Ich stelle mir vor, dass es, als die Pest kam, viele in Israel gab, die sich nach wie vor weigerten, ihre Sünden zu bekennen, und stattdessen einander weismachten, dass die Philister sie vergiftet hatten. Oder vielleicht versuchten sie verzweifelt, sich ein wenig Ysop zu besorgen, der von der israelischen Zeitung „Truth Daily“ so stark beworben wurde … Davids Bereitschaft, seine Verantwortung zu tragen, verdient unsere Anerkennung, denn er sagt damit: „Ich habe gesündigt, und ich und das Haus meines Vaters sind bereit, die Strafe zu tragen. Aber bitte verschone diese Menschen.“ Er versuchte nicht, die Schuld abzuschieben, machte keine großen Worte; er nahm die Strafe auf sich und stellte sich persönlich den Konsequenzen,