EINSATZ-TAGEBUCH





Dieter Erath


Einsatztagebuch
Mit Gott bei der Polizei Dieter Erath
Best.-Nr. 271883
ISBN 978-3-86353-883-5
1. Auflage
© 2024 Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg www.cv-dillenburg.de
Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg Fotos (Umschlag/Innenteil): CPV
Bibelverse wurden zitiert nach: NeÜ bibel.heute, © 2010 Karl-Heinz Vanheiden und Christliche Verlagsgesellschaft (NeÜ).
Hoffnung für alle, © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc. ® mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis-Brunnen Basel (HfA).
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT).
Schlachter-Übersetzung – Version 2000, © 2000 Genfer Bibelgesellschaft (SLT).
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gern kontaktieren: info@cv-dillenburg.de
Einleitende Worte
Aus 43 Jahren im Polizeiberuf habe ich für dieses Büchlein beispielhaft 43 Situationen quer aus meinem polizeilichen Alltag ausgewählt. Überwiegend sind es knappe Schilderungen, darunter schöne, meistens aber schmerzhafte und nachdenkliche Einsatzbeschreibungen. Natürlich gäbe es unzählige weitere Erlebnisse. Als Polizist hat man es oft mit den Schattenseiten des Lebens und mit dramatischen Schicksalen zu tun. Meine Erfahrungen haben mein Leben und Denken ganz wesentlich geprägt. Entscheidend für mich war immer, wie ich mich verhalte, wie ich mit einer bestimmten Situation umgehe und welche Lebenserfahrung ich daraus mitnehme. Wichtig war mir, nicht in eine Routine zu verfallen, sondern stets den einzelnen Menschen zu sehen.

Oftmals drängten sich mir Fragen auf: Warum lässt Gott eine bestimmte Situation zu? Gibt es Gerechtigkeit? Gibt es einen gerechten Gott? Wie kann ein Mensch das verkraften? Auch aus meinem Glauben heraus habe ich auf diese Fragen nicht immer eine Antwort finden können. Heute weiß ich: Auch diese Fragen haben mich schließlich nur näher zu Gott gebracht. Näher zu dem Gott, der mit den Menschen und ihrer Not mitleidet. Der seinen eigenen Sohn zu einer dramatischen Rettungsaktion auf diese Welt gesandt hat. Und der mich in jeder Lebens- und in jeder Einsatzsituation liebevoll begleitet und nicht aus den Augen gelassen hat.
Vorwort
Die Buchreihe „Mit Gott bei der Polizei“ traf zu unserer Freude auf großes Interesse und musste mehrmals nachgedruckt werden. Das hat uns motiviert, mit diesem Buch erneut einen Blick in die spannende und interessante Welt des Polizeialltags zu werfen. Polizeihauptkommissar Dieter Erath arbeitet seit 43 Jahren bei der Schutzpolizei in BadenWürttemberg und ist seit vielen Jahrzehnten Mitglied der Christlichen Polizeivereinigung. Und so sind es nicht zufällig 43 Kurzgeschichten geworden, in denen Dieter seine dienstlichen Erlebnisse schildert. Nicht jedes Mal war es ein Großeinsatz, aber er berichtet in der Summe spannend und zum Nachdenken anregend. Sein Buch ermöglicht dem Leser einen interessanten Einblick in die vielfältigen Herausforderungen der schutzpolizeilichen Arbeit. Ist es doch die Holger Clas, Erster Kriminalhauptkommissar, Erster Vorsitzender der Christlichen Polizeivereinigung e. V.

Schutzpolizei, die in der Regel als Erstes am Einsatzort wichtige gefahrenabwehrende und strafverfolgende Maßnahmen einleiten muss. Im polizeilichen Jargon spricht man vom „ersten Angriff“. Ein typischer Fachterminus, hinter dem sich Dramatik, Zeitdruck, Emotionalität und eine häufig unklare Lage verbergen. Und wenn dann der Einsatzbericht geschrieben ist, die Kriminalpolizei die weiteren Ermittlungen übernommen hat und sich andere Stellen um die Opfer und Angehörigen kümmern, steht schon längst wieder der nächste Einsatz, der nächste „erste Angriff“, an. Wie es mit „seinem“ Fall weitergeht, erfährt der Schutzpolizist oftmals nicht.
Wer, wie Dieter Erath, mit Gott bei der Polizei ist, muss den Herausforderungen und Belastungen des Dienstes nicht allein begegnen, sondern weiß um eine besondere Quelle der Kraft und des Trostes – und auch der Weisheit, denn in der Bibel heißt es: „Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern und ohne Vorwurf gibt; so wird sie ihm gegeben werden“ (Jakobus 1,5; LUT). Es sind besondere Erfahrungen, die wir als Christen in der Polizei machen. Davon möchte dieses „Einsatztagebuch“ von Dieter Erath berichten.

Holger Clas
Wie würdest du entscheiden?
Um 22:00 Uhr beginnen wir unseren Nachtdienst. Kurz darauf kommt eine Frau mit ihrem Lebenspartner zu uns aufs Revier. Sie legt mir ärztliche Unterlagen vor, aus denen ersichtlich ist, dass ihr früherer Mann nicht wie bisher angenommen der Vater ihrer kleinen Tochter ist. Der Vaterschaftstest beweist, dass der neue Lebenspartner der wahre Vater ist. Ihr Ex-Mann würde sich jedoch weigern, diese Tatsache anzuerkennen, und das kleine Mädchen nicht an sie herausgeben. Das Kleinkind befindet sich aktuell in der Wohnung ihres Ex-Mannes, und sie befürchtet, dass er dem Kind aus Rache und Eifersucht etwas antut. Nun verlangt sie von der Polizei, ihr Kind umgehend aus der Wohnung ihres Ex-Mannes zu holen.
Ein erstes Gespräch mit dem Ex-Mann ergibt, dass er das Kind keinesfalls freiwillig herausgeben will, „nur über meine Leiche“! Doch die Frau besteht weiterhin darauf. Um ihren Willen durchzusetzen, müssten wir die Wohnung mit mehreren Beamten stürmen. Ich habe die Befürchtung, dass es dann erst recht zur Eskalation kommen und dem Kind etwas passieren könnte.
Zur Entscheidung des weiteren Vorgehens telefoniere ich mit dem Bereitschaftsstaatsanwalt. Dieser erklärt mir kurz angebunden, dass er nicht zuständig sei. Also will ich mich an den Bereitschaftsrichter wenden. Dieser hat jedoch keine telefonische Verbindung hinterlegt, weshalb eine Streife zum Wohnhaus des Richters fährt und ihn an den Funk holt.
Ich muss die ganze Geschichte über Funk erläutern, während alle Kollegen gespannt mithören können. Ich spüre, wie auch der Richter mit einer Entscheidung ringt. Schließlich fragt er mich, wie ich die Gefahrensituation persönlich einschätze. Ich sage, dass ich das Kind in dieser Nacht entgegen dem Anspruch der Mutter bei ihrem Ex-Mann lassen würde. Ich glaube nicht, dass der Mann dem Kind etwas antun wird. Der Richter folgt schließlich meinem Rat. In dieser Nacht geht alles gut! Dafür bin ich Gott dankbar. Am nächsten Tag kann die Situation in Ruhe gelöst werden.
Die Polizei muss oftmals unter Zeitdruck, trotz unklarer Fakten und auch bei nicht eindeutiger Rechtslage weitreichende Maßnahmen treffen.
In diesem Sachverhalt konnte zum Zeitpunkt des Einsatzes aus objektiver Sicht von einer konkreten Gefahr für Leib und Leben des Mädchens ausgegangen werden. Darüber hinaus könnte gegen den Ex-Mann der Verdacht einer „Entziehung Minderjähriger“ (§235 StGB) vorgelegen haben. Die tatsächlichen Sorgerechtsverhältnisse waren vor Ort allerdings schwer zu beurteilen.
Die Polizei ist sowohl auf dem Gebiet der Strafverfolgung als auch der Gefahrenabwehr zuständig. Soweit die eigentlich zuständige Behörde, beispielsweise das Jugendamt, nicht erreicht werden kann, trifft die Polizei darüber hinaus unaufschiebbare Maßnahmen. Die Staatsanwaltschaft hat nur im Rahmen der Strafverfolgung eine Sachleitungskompetenz gegenüber der Polizei.
Verzweifelt
In der Nacht werden wir zum Eisenbahntunnel gerufen –einem abgelegenen Abschnitt des Bahngleises. Der schockierte Lokführer berichtet uns, wie sich plötzlich eine Person mit erhobenen Händen vor den Zug gestellt hat. Die Person wird bei dem wuchtigen Aufprall gegen den Zug in unzählige Stücke zerrissen. Die Körperteile verteilen sich über eine längere Strecke auf dem Bahngleis. Wir durchsuchen die Kleidungsreste nach möglichen Identitätspapieren, bis wir fündig werden. Der Mann hat nicht bedacht, was er den Hilfskräften zumutet. Wie verzweifelt mag dieser Mensch gewesen sein?

Vermisst
Wir haben Spätdienst an einem Sonntag. Am Bahnhof kontrollieren wir eine Jugendliche. Es stellt sich heraus, dass das 14-jährige Mädchen von zu Hause ausgerissen
und bereits seit einigen Tagen als vermisst gemeldet ist. Wir nehmen es mit zur Wache. Im Gespräch wird schnell klar, dass die Jugendliche unter keinen Umständen zu den Eltern zurück möchte. Sie fühlt sich völlig unverstanden. Bereits seit über einem Jahr hat sie nicht mehr mit ihren Eltern gesprochen. Irgendwie kann ich sie dazu überreden, unter „Polizeiaufsicht“ mit ihren Eltern zu reden. Nun gilt es, auch die Eltern zur Polizei und zum Gespräch mit ihrer Tochter zu bewegen. Nach ca. zwei Stunden sind die Eltern auf der Wache. Endlich kann eine Aussprache stattfinden. Ich bete leise für die Familie, dass sie einen Neuanfang beginnen können.
Interessiert mich nicht
Es ist 4:00 Uhr nachts, als ich mit meinem Streifenkollegen in einer Tiefgarage in Brackenheim einen elfjährigen Jungen allein antreffe. Das Kind steht erkennbar unter Alkoholeinwirkung. Ein freiwilliger Test ergibt 0,5 Promille. In der Annahme, dass er von seinen Eltern bereits vermisst wird, bringen wir den Jungen nach Hause. Nach langem Läuten an der Haustür öffnet der Vater. Wir schildern ihm die Situation. Doch zu unserem Erstaunen zeigt er nicht einen Funken Interesse an seinem Sohn. Dass dieser nicht zu Hause war, hatte er noch nicht einmal bemerkt. Armes Kind!