SHONA & DAVID MURRAY
Erfrischt von der Gnade Gottes leben, wenn die Anforderungen zu groß zu werden drohen
Shona und David Murray Refresh
Erfrischt von der Gnade Gottes leben, wenn die Anforderungen zu groß zu werden drohen
Best.-Nr. 271793
ISBN 978-3-86353-793-7
Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg
Titel des amerikanischen Originals: Refresh –
Embracing a Grace-Paced Life in a World of Endless Demands © 2017 by Shona Murray
Published by Crossway, 1300 Crescent Street, Wheaton, Illinois 60187
Es wurde folgende Bibelübersetzung verwendet: Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.
1. Auflage
© 2023 Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg www.cv-dillenburg.de
Übersetzung: Svenja Tröps
Satz, Umschlaggestaltung und Umschlagmotiv: Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gerne kontaktieren: info@cv-dillenburg.de
Einleitung
Station
5: Entspannung
Station 6: Umdenken
Station 7: Reduzieren
Station 8: Auftanken
Station 9: Beziehungen
Station 10: Auferstehung
EINLEITUNG
Erdrückt. Erschöpft. Deprimiert. Panisch. Gestresst. Ausgebrannt. Kaputt. Gelähmt. Überfordert. Leer. Trifft eine dieser Beschreibungen auf Sie zu? Oder vielleicht sogar alle?
Das geht nicht nur Ihnen so. Dies sind die häufigsten Begriffe, die ich von gläubigen Frauen höre, wenn sie sich und ihr Leben beschreiben.
Was ist eigentlich aus Begriffen wie friedlich, ruhig, freudig, zufrieden, still, ausgeruht, erfrischt und erfüllt geworden? Würden Sie nicht gerne die erste Wortgruppe gegen die zweite eintauschen?
Leichter gesagt als getan, nicht wahr? Vor allem, wenn die Anforderungen zunehmen: Hausarbeit verlangt Energie, Arbeitgeber verlangen Arbeitszeit, die Gemeinde verlangt Mitarbeit, Freunde verlangen unsere Nähe, Kinder verlangen Taxifahrten, die Banken verlangen Geld, der Vereinssport verlangt Abende und Samstage, der Garten verlangt Schweiß, Missionswerke verlangen Spenden, Kranke verlangen Besuche, die Ehe verlangt Zeit, Verwandte verlangen Anrufe, E-Mails verlangen Antworten, Pinterest verlangt Perfektion, und so geht es tretmühlenartig immer weiter.
Manchmal würde man am liebsten weglaufen, nicht wahr? Oder sich ganz klein machen und unter der Decke verkriechen. Oder die Finger in die Ohren stecken und den Lärm ausblenden. Oder vielleicht würden Sie gerne die Tür verschließen, den Schlüssel, das Handy und die immer länger werdende To-do-Liste wegwerfen. Die Ansprüche sind einfach überwältigend. Und es gibt wenig Aussicht, dass sich etwas ändert, kaum Hoffnung, dass man sein Leben mit der zweiten Wortgruppe beschreiben könnte, außer, nun ja, vielleicht im Ruhestand.
Ich kann das sehr gut nachempfinden, denn ich kenne diese Situation. Wahrscheinlich saß ich sogar in einem tieferen und dunkleren Loch als viele von Ihnen – eine schmerzhafte Geschichte, die ich auf den nächsten Seiten mit Ihnen teilen werde. Im Laufe der Jahre und nach vielen Kämpfen hat mich der Herr jedoch gnädigerweise aus dem Griff der ganzen Negativbeschreibungen befreit, und nun darf ich regelmäßig positive Erfahrungen machen. Kurz gesagt: Er hat mich gelehrt und lehrt mich immer noch, wie man in einer Welt voller überwältigender Anforderungen ein Leben im gesunden Tempo führt.
Ein Leben im gnädigen Tempo
Ein Leben im gnädigen Tempo? Was ist das? Es ist ein Lebenstempo, dem fünf verschiedene Quellen göttlicher Gnade zur Verfügung stehen, um sich zu erfrischen und zu regenerieren. Erstens ist da der motivierende Gnadenbrunnen. Früher wurden wir von Geld, Schönheit, Karriere, dem Bild der Vorzeigefamilie oder der Auffassung angetrieben, man müsse
sich Gottes Gunst erst verdienen. Aber anstatt uns zu füllen und Erfüllung finden zu lassen, haben uns diese Motive ausgelaugt und ausgetrocknet. Jetzt aber senken wir täglich unsere Eimer in die unerforschlichen Tiefen von Gottes rettender Gnade in Christus hinab, um seine überfließende Barmherzigkeit und Liebe kostenlos und ohne Gegenleistungen zu empfangen. Gefüllt bis zum Überlaufen mit der Gnade des Evangeliums sind wir nun voller Energie und Begeisterung, ihm zu Hause, im Beruf und in der Gemeinde zu dienen, während unser Herz im folgenden Takt schlägt: „Danke, danke, danke.“
Zweitens ist da der mäßigende Gnadenbrunnen. Die Gnade mäßigt unsere Erwartungen an uns selbst und an andere. Am Fuß des Kreuzes haben wir unsere Sünde und unsere Sündhaftigkeit erkannt. Wir haben gelernt, dass wir nicht perfekt sind und es nie sein werden. Wenn wir fallen und versagen, machen wir uns deshalb keine Vorwürfe und quälen uns nicht.
Stattdessen bringen wir unsere Sünden ruhigen Herzens nach Golgatha, im Wissen, dass Gottes Gnade all unsere Unvollkommenheiten vergibt und uns liebevoll als vollkommen in Christus annimmt. Wir müssen nicht dienen, Opfer bringen oder leiden, um menschliche oder göttliche Anerkennung zu erlangen, weil Christus bereits an unserer Stelle gedient, geopfert und gelitten hat. Seine Vollkommenheit mäßigt unseren Perfektionismus, wenn wir uns erinnern: „Angenommen, angenommen, angenommen.“
Drittens werden wir durch den Gnadenbrunnen der Vermehrung erfrischt. Wir glauben nicht mehr, dass alles von uns und unseren Bemühungen abhängt. Vielmehr vertrauen wir, dass Gott unsere wenigen Brote und Fische vermehren
Viertens hilft uns der Gnadenbrunnen des Loslassens, Gott die Kontrolle über unser Leben abzugeben. Wir vertrauen seiner souveränen Herrschaft nicht nur für unsere Errettung, sondern in jedem Bereich des Lebens. Ja, wir arbeiten immer noch fleißig und sorgfältig, aber die loslassende Gnade ordnet sich in aller Demut den Rückschlägen, Problemen und Enttäuschungen unter und akzeptiert sie als eine Art Test, als Vertrauensbeweis, wie sehr wir daran glauben, dass Gott alles unter Kontrolle hat. Wenn wir versucht sind, unser Leben und das Leben anderer bis ins kleinste Detail zu steuern und zu beherrschen, lassen wir unseren Eimer in diesen erfrischenden Brunnen fallen, während wir uns selbst zuflüstern: „Loslassen, loslassen, loslassen.“
Schließlich gibt es noch den empfangenden Gnadenbrunnen, der sich bei näherer Betrachtung als Ansammlung kleinerer Brunnen erweist. Jeder von ihnen steht für eine der gnädigen Gaben Gottes an seine bedürftigen Geschöpfe: ein wöchentlicher Sabbat, Schlaf, Bewegung, Familie und Freunde, Gemeinschaft mit anderen Christen und vieles mehr. Früher haben wir als Familie diese Gaben vor lauter Hektik und Alltagsstress verdrängt, weil wir dachten, dass wir sie nicht bräuchten. Aber ein Leben im gnädigen Tempo schöpft auch aus diesen Quellen und sagt sich: „Nimm, nimm, nimm!“
14 wird. Wir lehnen uns nicht zurück und legen die Hände in den Schoß, aber wir versuchen auch nicht, alles zu übernehmen. Wir säen und gießen, erkennen aber auch, dass es Gott ist, der das Wachstum bewirkt. Gottes Segen vervielfacht unser Wirken in einer Weise, die man nicht durch Überstunden oder menschliche Kraftanstrengungen erreichen könnte. Wie beruhigend und besänftigend sind diese Erkenntnis und das Gebet, das sie hervorbringt: „Vermehre, vermehre, vermehre!“
Je mehr man erkennt, dass unser himmlischer Vater diese Brunnen zu unserem Wohl geplant und gebohrt hat, desto mehr empfangen und genießen wir ihr erneuerndes und erfrischendes Wasser.
Im Laufe dieses Buches werden wir diese Gnadenbrunnen Gottes öffnen und lernen, wie und wann wir von ihren erfrischenden Wassern trinken können.
Nur für Frauen?
Aber warum richtet sich dieses Buch primär an Frauen? Leben Männer nicht auch auf der Überholspur, verausgaben und überanstrengen sich und brennen aus? Ja, das tun sie, und deshalb hat mein Mann David ein Buch für Männer geschrieben: Reset. Leben im Rhythmus der Gnade in einer Burnout-Kultur1. Aber durch persönliche Erlebnisse und unsere jahrelange Erfahrung in der Seelsorge haben wir herausgefunden, dass es zwar viele Überschneidungen gibt in der Art, wie Männer und Frauen Stress und Depressionen erleben, man jedoch wichtige geschlechtsspezifische Unterschiede bei Ursachen und Lösungen beachten sollte, sodass wir zwei separate Bücher als gerechtfertigt sahen. Aber ich wünsche mir, dass auch Männer dieses Buch lesen, denn ein größeres Verständnis für die speziellen Kämpfe von Frauen wird ihnen helfen, ihren Glaubensschwestern zu dienen, sich gegen die kulturelle Entwicklung zu stemmen und gemeinsam ein Leben im gnädigen Tempo zu führen.
1 David Murray, Reset. Leben im Rhythmus der Gnade in einer Burn-out-Kultur, Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg, 2023
Ich möchte Sie auch ermutigen, das Buch Ihren Töchtern und jüngeren Freundinnen weiterzugeben, denn es sind nicht nur Frauen mittleren Alters und ältere Frauen, die sich überfordert fühlen. Die Generation der Millennials (die 18- bis 33-Jährigen) hat ein höheres Stressniveau als der nationale Durchschnitt. Dabei erklärten 39 Prozent, dass ihr Stresslevel im letzten Jahr gestiegen ist, 52 Prozent schlafen Monat für Monat wegen verschiedenster Belastungen schlechter, und 20 Prozent sind so depressiv oder gestresst, dass sie auf Medikamente zurückgreifen müssen.2 Wenn Sie sich in dieser Statistik wiederfinden, habe ich eine gute Nachricht für Sie: Dieses Buch zeigt Ihnen biblische Prinzipien, Methoden und Muster, die Ihren Körper und Ihre Seele erfrischen werden, sodass Sie anfangen können, ein von Gnade erfülltes und durch Gnade bewegtes Leben zu führen, anstatt ein Teil dieser Statistik zu werden.
Unser Gemeinschaftswerk
Vielleicht fragen Sie sich, wie wir gemeinsam ein Buch geschrieben haben und wie sich der Inhalt von Reset für Männer und der von Refresh für Frauen unterscheiden. Was hat David geschrieben, was habe ich geschrieben, was haben wir beide geschrieben, und wie erkenne ich die jeweiligen Passagen? Nachdem wir uns verschiedene gemeinsam verfasste Bücher angeschaut hatten, entschieden wir uns dagegen, Refresh in der Wir-Form zu schreiben, weil es für Frauen ist und David
2 Jayson, Sharon: „The State of Stress in America“, in: USA Today (07.02.2013), unter: https://eu.usatoday.com/story/news/nation/2013/02/06/stresspsychology-millennials-depression/1878295/.
nun mal keine Frau ist. Außerdem gefiel uns der Gedanke nicht, immer von „ich (Shona)“ zu „ich (David)“ zu wechseln, wenn wir auf Material von Reset zurückgriffen. Das würde irgendwie seltsam wirken. Daher schreibe ich durgehend aus meiner, Shonas, Sicht, obwohl wir dieses Buch eigentlich gemeinsam geschrieben haben. Wo gibt es also Unterschiede und Schnittmengen bei unseren Büchern?
Zum einen sind die Gesamtstruktur und die meisten der behandelten Themen in beiden Büchern identisch. David erklärt in seinem Buch, dass ein Großteil der erlangten Weisheiten aus vielen Jahren des gemeinsamen Lebens, des gemeinsamen Leidens, des gemeinsamen Lernens und der gemeinsamen Seelsorge mit anderen Menschen stammt. Deshalb sind unsere Gedanken mittlerweile fast identisch.
Die strukturelle und thematische Ähnlichkeit soll dazu beitragen, dass Ehepaare, die die Bücher gemeinsam durcharbeiten wollen, sich mit dem gleichen Inhalt auseinandersetzen und gleichzeitig die wesentlichen Unterschiede der Erfahrungswelt von Männern und Frauen mit Stress, Burnout, Angst und Depression erkennen können.
Zum anderen wird in Refresh meine Geschichte anstelle von Davids Geschichte erzählt. In Reset erzählt David, wie ein Burn-out ihn beinahe umgebracht hätte – zweimal. In Refresh ersetze ich diese Erlebnisse durch meine eigene schmerzhafte Geschichte davon, wie ich in ein tiefes Loch aus Depression und Angst gerutscht bin und wie Gott mich gnädig daraus befreit hat.
Zu guter Letzt habe ich die „Männerpassagen“ für Frauen umgeschrieben. Obwohl wir anfangs dachten, wir könnten das Frauenbuch schreiben, indem wir das Männerbuch hier und da ein wenig abwandeln, wurde uns bald klar, dass
es bei allen großen Ähnlichkeiten auch zahlreiche wichtige Unterschiede in der weiblichen Erfahrung von Burn-out gibt. Das führte zu viel mehr Arbeit, als wir beide erwartet hatten, aber wir waren uns einig, dass es wichtig war, das vorliegende Buch so „weiblich“ wie möglich zu gestalten, um den Leserinnen einen maximalen Nutzen zu bieten. Im Zuge dessen wurden auch einige Abschnitte hinzugefügt, für die es in Reset keine Entsprechung gibt.
Obwohl wir beide etwas unsicher waren, wie wir es schaffen würden, ein gemeinsames Projekt wie dieses zu bewältigen, überraschte uns Gott wie schon so oft und nutzte die Erfahrung, um uns einander näherzubringen und uns eine immer tiefere Wertschätzung dafür zu geben, wie wunderbar sich Mann und Frau in Gottes Plan für die Ehe ergänzen. Kurz vor dem Abschluss durften wir unsere Silberhochzeit feiern. Wir fanden, dass das Schreiben von Refresh uns auf wunderbare Weise an Gottes Güte und Barmherzigkeit erinnert hatte, die uns alle Tage unseres Lebens begleiten. Wir hoffen und beten, dass Sie von den Weisheiten profitieren, die Gott uns im Laufe der Jahre lehrte, und dass das, was wir lernen durften, Sie erfrischt, Sie zu einem Leben im Tempo der Gnade in einer Welt überwältigender Anforderungen führt und Ihnen hilft, das gesunde Gleichgewicht von Motivation aus Gnade und Mäßigung aus Gnade zu erfahren, wie es der Apostel vorlebte:
Deshalb lasst nun auch uns, da wir eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, jede Bürde und die uns so leicht umstrickende Sünde ablegen und mit Ausdauer laufen den vor uns liegenden Wettlauf, indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm
liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. (Hebr 12,1-2)
REALITÄTSTEST
Ich war ein Häuflein Elend. Die Wogen des seelischen Schmerzes überrollten mich so heftig, dass ich kaum noch atmen konnte. Ich grübelte darüber nach, wie eine Person, die immer so glücklich gewesen war und wusste, wie sehr sie von Gott gesegnet war, sich auf einmal so hilflos und hoffnungslos fühlen konnte. Fünf Monate hatte ich mich heftig dagegen gewehrt, an die Möglichkeit einer Depression zu denken. Schließlich war es Teil meiner Arbeit als Hausärztin, Patienten bei der Bewältigung von Depressionen zu helfen. Warum hörte ich jetzt meine Geschichte in ihren Berichten? Warum hatte ich solche Angst, mir einzugestehen, dass ich mich selbst in ihren Geschichten erkannte?
„Nur Schwache fühlen sich überfordert und brennen aus. Nur Christen, die genetisch dazu veranlagt sind oder eine echte Tragödie erlebt haben, bekommen Depressionen. Normale Christen wie ich haben keine. Ich muss vom Glauben abgefallen sein und bin depressiv, weil Gott mich verlassen hat. Es gibt keine Hoffnung für mich. Niemand und nichts
kann mir helfen. Selbst wenn es jemand könnte, möchte ich nicht ohne Gott leben. Doch ich weiß nicht mehr, wer er ist. Ich weiß nicht, wo er ist. Ich sehe ihn nirgends. Warum hat er mich verlassen? Wird er mich jemals retten? Oder werde ich in völliger Verzweiflung sterben?“
Minute für Minute, Tag für Tag grübelte ich und wurde von schrecklichen Gedanken über Gott und meine eigene tragische Bestimmung gequält. Bis ich eines Tages im März 2003 meinem Mann David in einer Tränenflut vorschluchzte: „Ich komme mir vor wie ein Schiff, das an einem Felsen zerschellt ist. Mein Leben ist vorbei!“ In diesem Moment hatte er eine Erkenntnis, die uns beide auf einen für uns lebensverändernden Kurs brachte, einen Kurs, der schließlich neue Erfrischung für mein Leben brachte und mich lehrte, wie ich in einer Welt voller überwältigender Anforderungen ein Leben im gnädigen Tempo führen kann.
Panikattacken
In den Monaten vor meinem Schiffbruch litt ich unter extremer Erschöpfung und Appetitlosigkeit. Ich hatte schlichtweg keine Lust zu essen. Eines Abends versuchte ich, mich zu entspannen und ein Buch zu lesen, als ich plötzlich wie aus dem Nichts eine furchtbare Angst in mir spürte, dass etwas Schreckliches passieren würde. Mein Herz pochte heftig und ohne ersichtlichen Grund und ließ sich einfach nicht beruhigen. In den folgenden Wochen erlebte ich mehrere dieser Angstattacken.
Ich war tieftraurig und musste manchmal ohne ersichtlichen Grund weinen. Ein Gefühl von Einsamkeit überschattete
mich, selbst wenn ich von Menschen umgeben war, die mich liebten. Ich war gefangen in zwanghaften Gedankenspiralen, manchmal grübelte ich ohne Anlass stundenlang über traurige Ereignisse. Die Panikattacken häuften sich, sodass ich in ständiger Angst lebte. Mein Herz pochte heftig, manchmal stundenlang. Ablenkung schien das beste Mittel zu sein, also stürzte ich mich in Arbeit, um diesen seltsamen und schrecklichen Gefühlen zu entkommen, aber auch weil es so viel zu tun gab. Meine Schaffensfreude war verflogen. Windelwechseln, kochen, einkaufen, zwei lebhafte kleine Jungs, ein quirliges Kleinkind und meine Schwangerschaft – das alles machte mir irgendwie Angst. Ich fürchtete mich vor den Morgenstunden und wollte mich am liebsten unter der Bettdecke verkriechen, aber ein starkes Pflichtgefühl und ein Gespür für die Bedürfnisse anderer ließen mich weitermachen … und weiter und weiter. Es vergingen Wochen, in denen ich kaum schlafen konnte, und ich weinte noch viel mehr. Ich konnte mich für nichts mehr begeistern. Ich hatte das Gefühl, eine schlechte Mutter, eine schlechte Ehefrau, eine schlechte Tochter und eine schlechte Christin zu sein. Schuldgefühle wegen einer Unzahl von unerledigten – oder nach meinen Maßstäben schlecht erledigten – Aufgaben erdrückten mich. Und obwohl ich rannte, so schnell ich konnte, erschien die Ziellinie in unerreichbarer Ferne zu liegen.
Von Verzweiflung umfangen
Es wurde immer schwieriger, mich in meiner Stillen Zeit zu konzentrieren, und ich hatte das Gefühl, dass der Herr weit weg war. Eine innere Erschöpfung hatte mich fest im Griff.
Eines Abends, als ich versuchte zu beten, aber wieder mit den Gedanken abschweifte, sodass ich nicht mehr wusste, was ich gerade gedacht oder gesagt hatte, überkam mich das Gefühl, als würde ich von einer Klippe stürzen; ich fiel tiefer und tiefer, aber der Boden kam nicht. Meine komplette Gefühlswelt brach in sich zusammen. Die ganze Nacht hindurch schwankte ich zwischen Schlaf- und Wachzustand. Die furchtbarsten Bilder und Gedanken über Gott strömten wie eine unaufhaltsame Flut in meinen Verstand. Ich antwortete mit Versen von mir vertrauten Psalmen, die ich immer wieder in dem verzweifelten Versuch wiederholte, mich an Gott und seine Verheißungen zu klammern. Ich weinte und schrie zu Gott, aber die Dunkelheit der Verzweiflung wich nicht. Wie ein winziges Boot, das in einem aufgewühlten Sturm sein Steuerruder verloren hat, war mein Verstand gebrochen, meine Gefühle verkrüppelt, und die Wellen der Verzweiflung rissen mich gnadenlos in die Tiefe.
Keine Ruhe
Während dieser dunklen Zeit schlief ich oft vor Erschöpfung ein, wachte aber wenige Minuten später plötzlich wieder auf und wurde von der Wucht der seelischen Pein überwältigt. Ich kam zu dem Schluss, dass der Herr mich dem Teufel übergeben habe, dass ich gar nicht gläubig sein könne und dass mir nichts anderes übrig bliebe, als zur Hölle zu fahren. Jeden Morgen schreckte ich, lange bevor mein Wecker klingelte, wie ein aufgescheuchter Vogel auf. Während der Rest des Hauses noch schlummerte, musste ich aufstehen, um diesem Schmerz zu entfliehen. Wellen von quälenden Gedanken
überspülten die Ufer meines Herzens: „Was wird mit meinen Kindern auf dem Weg in die Ewigkeit geschehen? Wer wird sie aufziehen? Was für eine Tragödie unermesslichen Ausmaßes – eine Mutter, die ihren Verstand und ihre Seele verloren hat. Damit werden sie leben müssen. Was soll aus David werden, meinem armen Ehemann, der sieht, dass bei mir etwas ganz schrecklich schiefläuft, es aber nicht verstehen kann? Was wird mit dem Baby geschehen, das ich in mir trage und zu dem ich keine emotionale Bindung spüre?“
Realität versus Unwirklichkeit
Unter größten Anstrengungen versuchte ich, mich auf tröstende Verse aus der Bibel zu konzentrieren, doch dabei wurde ich immer zwanghafter. Alle Ermutigungen der Bibel legte ich gegen mich aus, und alle Verurteilungen wandte ich auf mich an. Als wäre das nicht schon genug, stürzte ich mich auf Bücher, von denen ich hoffte, dass sie mich aus diesen dunklen Tiefen würden retten können: Bücher wie Gnade für den größten Sünder von John Bunyan, The Christian in Complete Armour (übersetzt: Der Christ in vollständiger Waffenrüstung; nicht auf Deutsch erhältlich), ein Buch über die geistliche Waffenrüstung von William Gurnall, und Geistliche Krisen und Depression von Martyn Lloyd-Jones. Ich konnte aus diesen Büchern einige Wahrheiten herauspicken, die meinen Hoffnungsfunken am Leben hielten, aber das alles war viel zu viel und erschöpfte mich nur noch mehr.
Manchmal holte die Realität mich ein, aber nur gelegentlich und für kurze Zeit. Der Herr hatte doch gesagt: „Ich will dich nicht aufgeben und dich nicht verlassen“ (Hebr 13,5). Er
stillte den Sturm für die Jünger. Er würde doch niemanden abweisen, der ihn aufrichtig sucht. Worum war es eigentlich in den letzten 25 Jahren meines christlichen Lebens gegangen? Er würde doch niemals jemanden erretten, um ihn dann wieder loszulassen. Und so schwankten meine Gedanken täglich hin und her.
Kaum war ich in der Realität angekommen, machten trügerische Gedanken, subjektive Gefühle und irreale Lügen jede Hoffnung wieder zunichte.
Der herrliche Sonnenschein und das Lied der Frühlingsvögel waren eine Qual. Die Schönheit des Nachthimmels und die Vielzahl der Sterne, die von einem treuen Schöpfer zeugten, brachen mir nur noch mehr das Herz. Ich dachte an meine Kindheit zurück, als ich oft vor meinem Zuhause in den schottischen Highlands gesessen, in den Himmel geguckt und ein altes englisches Lied gesungen hatte, das die Worte aus Psalm 8,4-5 wiedergab:
Wenn ich anschaue deinen Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Sohn, dass du dich um ihn kümmerst?
Doch diese freie und glückliche Kindheit lag hinter mir, das Leben war vorbei. Ich hatte den Herrn verloren – falls ich ihn je gehabt hatte. Er war für immer fort. Alle Hoffnung war dahin.
Ein geistliches Problem?
Als Hausärztin hatte ich viele Menschen in ähnlichen Situationen behandelt, und wenn mir jemand meine eigene Geschichte im Sprechzimmer erzählt hätte, wäre mir eine objektive Diagnose nicht schwergefallen: „Psychisch labil, schwere Depression.“ Mein subjektives Denken – das viel überzeugender und hartnäckiger war – redete mir jedoch ein, dass mein Problem geistlicher Natur sei und es mir an geistlichem Willen oder Vertrauen mangele. Wenn ich nur mehr Glauben an Gott hätte, dann wäre alles in Ordnung. Immerhin gilt ja: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13). Aber ich befand mich im Auge des Sturms, geschwächt und desorientiert, und das ist nicht der beste Ort, um ein präzises Urteil zu fällen. Als ich schließlich im März 2003 am Tiefpunkt angelangt war, beschlossen David und ich, meinen Vater einzuschalten. Als Pastor hatte er in 50 Dienstjahren einige Erfahrungen gesammelt, und wir waren zuversichtlich, dass er in der Lage sein würde, mein geistliches Problem zu finden. Nachdem er mir jedoch lange zugehört hatte, kam er zu der festen Überzeugung, dass es sich weniger um ein geistliches Problem handelte als vielmehr um ein seelisches und körperliches Problem, das geistliche Folgen nach sich zog. Er sagte, dass ich aufgrund vieler Faktoren, einschließlich Burn-out und Langzeitstress, körperlich und seelisch am Ende sei. Meine normalen körperlichen und psychischen Prozesse seien beeinträchtigt, und infolgedessen würde das Wertvollste in meinem Leben zutiefst in Mitleidenschaft gezogen – meine Beziehung zum Herrn. Das war ein gewaltiger Wendepunkt für David und mich, und er führte dazu, dass Gott dafür sorgte, dass ich mich auf wundervolle Weise erholen konnte
und mein Leben herrlich erfrischt wurde, wovon ich Ihnen im weiteren Verlauf dieses Buches berichten möchte.
Auch wenn Ihre Geschichte vielleicht nicht so ernst oder schwerwiegend ist wie meine, so habe ich doch durch meine späteren Erfahrungen in der Seelsorge und durch viele Gespräche mit Frauen eines gelernt: Viele Christinnen machen genau das, was mich fast zerstört hätte: Sie versuchen, ein überfrachtetes Leben in einem Tempo zu führen, das auf Dauer einfach nicht zu halten ist. Auch wenn nicht alle am Ende zusammengekauert auf dem Boden liegen und sich dem Tod nahe fühlen, so wie ich, leiden viele und finden sich irgendwo in diesem Spektrum wieder:
gestresst ängstlich überfordert ausgebrannt traurig depressiv selbstmordgefährdet
Dank Gottes Gnade war mein Lauf an jenem Punkt noch nicht beendet, und Ihrer muss es auch nicht sein. Ich lade Sie ein zu einem Besuch im Refresh-Fitnessstudio. (Auf Deutsch würde man diesem Studio vielleicht den Namen „Zu neuer Frische“ geben, da Refresh aber kürzer ist, lassen Sie uns dabei bleiben!) Lernen Sie gemeinsam mit mir, wie man in einer Welt voller überwältigender Anforderungen ein Leben im Tempo der Gnade führen kann.
Das Refresh-Studio
Wenn wir ein neues Fitnessstudio entdeckt haben, wollen wir uns normalerweise sofort an all die trendigen Geräte begeben und loslegen. Heute sind wir das erste Mal im Refresh-Studio.
Es ist ein imaginäres Fitnessstudio, das man sich aber nicht wie eine typische Muckibude vorstellen sollte, sondern als einen Ort, an dem man erfrischt wird. Deshalb kommt die erste Station im Refresh-Studio auch ganz ohne Geräte aus. Vielmehr beginnen wir mit einem ausführlichen Beratungsgespräch, das uns hilft, unsere Schwächen aufzudecken. Ich habe lange nicht verstanden, wie wichtig das ist.
Als ich vor zehn Jahren von Schottland in die USA zog, lernte ich das Phänomen der Fitness-Fanatiker in einem völlig anderen Maßstab kennen. In jeder amerikanischen Stadt schien es etliche Fitness-Wunderländer zu geben, in denen in Lycra gekleidete und mit Ohrstöpseln versehene Damen das Eisen stemmten, literweise schwitzten und Shakes schlürften – und zwar keine leckeren Milchshakes, sondern Proteinshakes. Die Namen von Fitnessstudios wie Elite Fitness und Planet Fitness beschworen in meinem Kopf eine surreale Welt herauf, in der jede Frau wie Pamela Reif aussah – supergesund, superschlank, superhübsch und niemals müde.
Auch David und ich erlagen schließlich dem MarketingHype und meldeten uns für zwei schöne Körper an. Wir hatten eine kurze, kostenlose Sitzung mit einem Personal Trainer, der uns aber letztlich kaum mehr mitgab als ein kopiertes Blatt mit denselben Übungen für David wie auch für mich. Keine Fragen, keine Untersuchung, keine Analyse unserer Schwachstellen oder Problemzonen. Und los ging’s! Wir stemmten die Eisen und freuten uns auf große Muskeln (David) und etwas kleinere Zahlen auf der Waage (ich) nach nur wenigen lockeren Einheiten. Aber nichts geschah – kein einziger Muskel wurde größer, kein einziges Pfund schmolz dahin. Ziemlich bald verlief die Sache im Sand – abgesehen von diesem fiesen Zweijahresvertrag.
Sechs Jahre später versuchten wir es erneut, allerdings in einem anderen Fitnessstudio, und dieses Mal begann es mit einer ausführlichen Fragestunde und einem Test zum Ausschluss von Verletzungen und dem Aufspüren von Schwachstellen. David wurde sogar an ein Gerät angeschlossen, das verschiedene körperliche Faktoren maß und eine Reihe komplizierter Diagramme und Tabellen ausdruckte, um ihm zu zeigen, woran er arbeiten musste. Als ich kürzlich meine 14-jährige, an Diabetes erkrankte Tochter Joni für ein Bewegungsprogramm anmeldete, verbrachte der Trainer die gesamte erste Sitzung und einen Teil der zweiten Sitzung damit, zu reden, zahlreiche Fragen zu stellen und Einschätzungen vorzunehmen, während alle anderen Besucher des Fitnessstudios fleißig trainierten. Ich sah Joni an, wie genervt sie war, aber ich verstand jetzt, wie wichtig es ist, Probleme und Schwächen zu identifizieren, um einen Fitnessplan erstellen zu können, der genau auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten ist und maximalen Erfolg verspricht.
Deshalb heißt die erste Station in unserem imaginären Fitnessstudio „Realitätstest“. Es geht darum, dass wir unsere Mauern und Masken fallen lassen und der Wahrheit ins Auge sehen. Diese Überprüfung offenbart unsere Bedürfnisse, hält nach Warnzeichen Ausschau, hilft uns, Probleme und Schwächen zu erkennen, verbindet Themen, von denen wir nicht wussten, dass sie zusammenhängen, und motiviert uns, die anderen neun Stationen im Refresh-Studio in Angriff zu nehmen. Halten wir also inne, lassen wir uns verkabeln, um eine Diagnose zu bekommen, welchen Schaden unser Tempo in verschiedenen Aspekten unseres Lebens schon angerichtet hat. Nicht alles davon wird auf Sie