KAPITEL 1
Einleitung
Dieses Kapitel kündigt das absolute Gericht über das Volk, die Vegetation und das Vieh an. Wir können es als das dunkle Kapitel bezeichnen, ohne Hoffnung.
Gerichtsankündigung über das Land
Joel 1,1-2
«Das Wort des Herrn, das an Joel, den Sohn Petuels, erging: Hört das, ihr Ältesten, und achtet darauf, alle Bewohner des Landes: Ist so etwas jemals in euren Tagen oder in den Tagen eurer Väter geschehen?» (vgl. 5Mo 4,32; Jes 7,17; Dan 12,1; Mt 24,21; Hebr 1,1; 2Petr 1,21).
Es passierte etwas, das noch nie da gewesen war – etwas viel Schlimmeres als eine zufällige Naturkatastrophe. «Ist so etwas jemals in euren Tagen oder in den Tagen eurer Väter geschehen?» Das bedeutet, dass diese Menschen Augenzeugen waren von Ereignissen, die sich zu ihrer Zeit zutrugen. Sie wurden sogar angewiesen, die Erinnerung an diese Katastrophe weiterzugeben:
Joel 1,3
«Erzählt davon euren Kindern, und eure Kinder ihren Kindern, und deren Kinder dem künftigen Geschlecht!» (vgl. Ps 78,4).
Das beispiellose Gericht weist auf die grosse Drangsal hin, über die Jesus in Matthäus 24,21 sagte: «Denn dann wird eine grosse Drangsal sein, wie von Anfang der Welt an bis jetzt keine gewesen ist und auch keine mehr kommen wird.» Aber das hier Beschriebene ist anders. Wir könnten es eine Vorerfüllung der grossen Drangsal nennen.
Verwüstung des Landes
Joel 1,4
«Was der Nager übrig liess, das hat die Heuschrecke gefressen, und was die Heuschrecke übrig liess, das hat der Fresser verzehrt, und was der Fresser verschonte, das hat der Verwüster aufgefressen.»
Eine verheerende Invasion von Insekten verschlingt praktisch die ganze Ernte. Für Mensch und Tier scheint nichts übrig zu bleiben.
Das gilt auch für unsere Zeit. Trotz unserer technischen Fortschritte und Erfindungen sowie der Tatsache, dass in den Industrienationen nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung an landwirtschaftlichen Prozessen beteiligt sind, sind wir, was Lebensmittel angeht, nach wie vor von Gottes Gnade abhängig. Denken Sie nur einen Augenblick darüber nach, was passieren würde, wenn es in den nächsten drei Jahren nicht regnete. Ein Jahr würden wir wahrscheinlich durchhalten, in Staaten mit grossen Lebensmittelvorräten vielleicht sogar zwei. Bewässerung wäre ebenfalls eine Möglichkeit, wenn auch nur eine sehr begrenzte. Ohne Regen würde das Leben auf der Erde zugrunde gehen.
Ein rauschhafter Zustand
Inmitten dieses Unglücks lesen wir die Warnung:
Joel 1,5
«Wacht auf, ihr Trunkenen, und weint, und jammert, ihr Weintrinker alle, wegen des Mosts, weil er euch vom Mund weggenommen ist» (vgl. Jes 32,10).
Die Menschen lebten offenbar in einem rauschhaften Zustand. Sie bemerkten nicht, was vor sich ging. Ihre Trunkenheit machte sie realitätsfremd. Das ist sowohl buchstäblich als auch geistlich der Fall. Eine berauschte Person hat den Bezug zur Realität verloren; sie kann nicht mehr vernünftig denken.
Unbekannter Feind
Als wäre das nicht genug, kommt als nächstes auch noch der
Feind:
Joel 1,6
«Denn ein Volk hat mein Land überzogen, das ist mächtig und ohne Zahl; es hat Zähne wie Löwenzähne und ein Gebiss wie eine Löwin» (vgl. Offb 9,8).
Die feindliche Nation wird nicht namentlich genannt. Über sie wird nur gesagt, dass sie «Zähne wie Löwenzähne und ein Gebiss wie eine Löwin» hat.
Feigenbaum und Weinstock sind verdorrt
Als nächstes sehen wir, wie beliebte Fruchtsorten an der Reihe sind:
Joel 1,7
«Meinen Weinstock hat es verwüstet und meinen Feigenbaum kahl gefressen; sogar die Rinde hat es vollständig abgeschält und weggeworfen; weiss geworden sind seine Zweige» (vgl. Jes 5,6).
Der Weinstock symbolisiert Frieden und Entspannung, während der Feigenbaum für Ruhe, Schatten und Nahrung steht.
Jetzt ist alles verschwunden – das totale Gericht.
Priester und Bauern trauern
Joel 1,8-12
«Klage wie eine Jungfrau, die mit Sacktuch umgürtet ist wegen des Bräutigams ihrer Jugend! Speisopfer und Trankopfer sind dem Haus des Herrn entzogen; es trauern die Priester, die Diener des Herrn. Das Feld ist verheert, der Acker trauert; denn das Korn ist verwüstet, das Obst ist verdorrt, die Ölbäume sind verwelkt. Die Bauern sind enttäuscht, die Winzer jammern wegen des Weizens und der Gerste; denn die Ernte des Feldes ist verloren. Der Weinstock ist verdorrt, der Feigenbaum verwelkt, Granatbäume, Palmen und Apfelbäume – alle Bäume des Feldes sind verdorrt, ja, den Menschenkindern ist die Freude vergangen» (vgl. Spr 2,17; Jes 22,12; 24,7; Jer 12,11; 14,3; 48,33; Hos 9,1-2).
Das deutet nicht etwa eine begrenzte Form des Gerichts an, sondern die völlige Verwüstung des Landes Juda. Weder Zukunft noch Wiederherstellung werden verheissen. Volk und Priester trauern, denn Land und Früchte «sind verdorrt».
Die biblische Prophetie wird abgelehnt
Wenn man diese Prophezeiungen liest, erkennt man, warum die Christenheit, sogar bibeltreue Gemeinschaften, so wenig Interesse am prophetischen Wort hat. Wer will schon über Klagen, Katastrophen, Verwüstung und Tod reden? Haben wir nicht alle Pläne für die Zukunft? Junge Leute träumen von einer Karriere, von Hochzeit, Kindern und Wohlstand. Die Älteren denken an ihre «goldenen Jahre». Die Prophetie macht diesen Plänen allzu oft einen Strich durch die Rechnung. Sie passt einfach nicht in unser Leben. Daher erreichen Aufforderungen wie «wacht auf» oder «umgürtet euch» nicht mehr das Herz der Menschen. Die biblische Prophetie steht einem hemmungslosen Leben und einer religiösen Philosophie von Gesundheit, Reichtum und Wohlstand im Wege. Wir leben in einer Zeit, in der die Worte aus Offenbarung 3,17 gelten: «Ich bin reich und habe Überfluss, und mir mangelt es an nichts!» So reagiert die Gemeinde in den meisten Fällen auf die biblische Prophetie.
Religion im Visier
Joel 1,13-16
«Umgürtet euch und klagt, ihr Priester! Jammert, ihr Diener des Altars! Kommt her und verbringt die Nacht im Sacktuch, ihr Diener meines Gottes! Denn Speisopfer und Trankopfer sind dem Haus eures Gottes entzogen. Heiligt ein Fasten, beruft eine allgemeine Versammlung, versammelt die Ältesten, alle Bewohner des Landes, zum Haus des Herrn, eures Gottes, und schreit zum Herrn! Ach, was für ein Tag! Ja, der Tag des Herrn ist nahe, er kommt als eine Verwüstung vom Allmächtigen! Ist nicht vor unseren Augen die Nahrung weg-
genommen worden, Freude und Frohlocken von dem Haus unseres Gottes?» (vgl. 5Mo 12,7.12; 2Chr 20,3.13; Jer 4,8; 39,7; Am 5,16-18).
Israel/Juda wird nicht aufgerufen, sich im Herrn zu freuen, sondern: «Heiligt ein Fasten … und schreit zum Herrn!» Sie sollen erkennen, dass «der Tag des Herrn» herannaht.
Grosse Drangsal
Sogar inmitten des Gerichts bricht sich Gottes Gnade Bahn mit der Aufforderung: «Heiligt ein Fasten … und schreit zum Herrn!»
Der Prophet stellt das Ausmass des Gerichts fest, insbesondere das religiöse Versagen jener Zeit, und geht weit darüber hinaus zu den letzten Tagen.
Mit dieser Prophezeiung offenbart Joel nicht nur die Menschheitsgeschichte, begrenzt auf Israel/Juda, sondern auch ihr
Ende, wenn der Tag des Zorns über alle Nationen der Erde kommt.
Das Vieh ist verstört
Nichts entkommt dem Gericht Gottes – weder der Erdboden noch die Vegetation oder das Vieh.
Joel 1,17-18
«Verdorben sind die Samenkörner unter den Schollen, die Speicher stehen leer, die Scheunen zerfallen; ja, das Korn ist verwelkt! O wie seufzt das Vieh, wie sind die Rinderherden verstört, weil sie keine Weide haben; auch die Schafherden gehen zugrunde!»
Der Prophet Joel wird nicht ausgenommen. Er ist Teil seines Volkes und seines Landes. Deshalb lesen wir sein Gebet:
Joel 1,19-20
«Zu dir, o Herr, will ich rufen; denn das Feuer hat die Auen der Steppe verzehrt, und die Flamme hat alle Bäume des offenen Feldes versengt! Auch die Tiere des Feldes lechzen nach dir, weil die Wasserbäche vertrocknet sind und das Feuer die Auen der Steppe verzehrt hat» (vgl. 1Kö 17,7; Hi 38,41; Ps 104,21).
Gottes Gnade wird geoffenbart
Diese schrecklichen Katastrophen sind für uns heute nur schwer zu fassen. Wir gehen in einen Supermarkt, voll bestückt mit allerlei Delikatessen, und kaufen, was wir wollen. Den Gläubigen ist jedoch bewusst, dass das reichhaltige Angebot nur eine Erweiterung der Gnade Gottes und Seiner Verheissung an die ganze Menschheit ist: «Von nun an soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, solange die Erde besteht!» (1Mo 8,22). Deshalb beten die Gläubigen auch weiterhin: «Gib uns heute unser tägliches Brot» (Mt 6,11).
KAPITEL 2
Einleitung
Obwohl im zweiten Kapitel weiterhin schreckliche Gerichte und der Tag des Herrn in den ersten 11 Versen angekündigt werden, ist auch von Hoffnung für Israel die Rede. Der Herr gibt eine spezielle Verheissung: die Wiederherstellung des Landes Israel und des Volkes. Den Kern dieser Hoffnung beschreiben die Worte: «Mein Volk soll nie mehr zuschanden werden!»
Das kommende weltweite Gericht
Joel 2,1
«Stosst in das Schopharhorn in Zion und blast Lärm auf meinem heiligen Berg, dass alle Bewohner des Landes erzittern; denn der Tag des Herrn kommt, ja, er ist nahe» (vgl. 4Mo 10,5; Ps 87,1; Ob 1,15; Zef 1,14).
Zion ist das unmittelbare Ziel. Das stimmt mit dem überein, was der Apostel Petrus im Neuen Testament geschrieben hat: «Denn die Zeit ist da, dass das Gericht beginnt beim Haus Gottes» (1Petr 4,17).
Eine noch nie da gewesene Katastrophe
Joel 2,2
«Ein Tag der Finsternis und des Dunkels, ein Tag des Gewölks
und des Wolkendunkels. Wie Morgenrot breitet sich über die Berge aus ein grosses, mächtiges Volk, wie es seinesgleichen von Ewigkeit her nicht gegeben hat und auch in künftigen Zeiten und Generationen nicht mehr geben wird» (vgl. 2Mo 10,14; Am 5,18).
Das ist einmalig, denn hier heisst es: «… wie es seinesgleichen von Ewigkeit her nicht gegeben hat und auch in künftigen Zeiten und Generationen nicht mehr geben wird.» Das ist unvergleichlich in der Geschichte und wird nie wieder vorkommen. Das erinnert uns an die Worte des Herrn Jesus Christus in Matthäus 24,21: «Denn dann wird eine grosse Drangsal sein, wie von Anfang der Welt an bis jetzt keine gewesen ist und auch keine mehr kommen wird.»
Wer ist dieses «grosse, mächtige Volk»? Wir gehen davon aus, dass es nicht Menschen, sondern dämonische Wesen sind. Wir haben es hier mit Gottes endgültigem Gericht über eine rebellische Welt zu tun und, menschlich gesprochen, der Vollstrecker des Gerichts wird nicht identifiziert.
Verwüstung vom Allmächtigen
Was für eine Art Gericht ist das? Zuvor haben wir gelesen: «Er kommt als eine Verwüstung vom Allmächtigen!» (Joe 1,15). Das ist eindeutig Gottes Handeln. Aufgrund dieser und anderer Fakten, auf die wir später noch zu sprechen kommen werden, müssen wir die Möglichkeit einräumen, dass wir es hier nicht mit einer irdischen Armee zu tun haben, sondern mit der «Verwüstung vom Allmächtigen».
Joel 2,3-5
«Fressendes Feuer geht vor ihm her, und hinter ihm her eine lodernde Flamme: Ist das Land vor ihm wie der Garten Eden gewesen, hinter ihm ist es eine öde Wüste; und man kann ihm nicht entfliehen! Wie Rosse sehen sie aus, und wie Reiter rennen sie. Wie rasselnde Streitwagen kommen sie über die Höhen der Berge her, wie eine Feuerflamme, die prasselnd das Stroh verzehrt, gleich einem mächtigen Heer, das zum Kampf gerüstet ist» (vgl. Sach 7,14).
Wer ist diese zerstörerische Kraft? Ist es eine Nation? Nicht sehr wahrscheinlich. Diese uns unbekannten Geschöpfe erscheinen wie Pferde und Reiter, sind es aber nicht. Warum? Wir lesen: «Wie … Streitwagen … wie eine Feuerflamme». Gemeint sind weder Streitwagen noch eine Feuerflamme. Das Wort «wie» macht deutlich: Es handelt sich um dämonische Mächte, die sich aber in der Hand Gottes des Allmächtigen befinden. Sie sind Seine Werkzeuge des Gerichts, die die «Verwüstung vom Allmächtigen» ausführen.
Dämonische Wesen
Es folgt eine detaillierte Beschreibung dessen, was diese Armee, dieses «grosse, mächtige Volk» tut. Daran wird deutlich, dass sie Wesen aus einer anderen Welt sind, uns unbekannt.
Joel 2,6-9
«Vor ihm erzittern die Völker; alle Angesichter verfärben sich. Wie Helden laufen sie, wie Krieger ersteigen sie die Mauer; jeder geht auf seinem Weg, und keiner kreuzt den Pfad des anderen. Keiner drängt den anderen, jeder geht seine eigene