
Lydia Brown B ack
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Lydia Brown B ack
Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC® C083411
Lydia Brownback
Gott in der Einsamkeit begegnen
Best.-Nr. 271 723
ISBN 978-3-86353-723-4
Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg
Titel des amerikanischen Originals: Finding God in My Loneliness
Copyright © 2017 by Lydia Brownback
Published by Crossway, a publishing ministry of Good News Publishers Wheaton, Illinois 60187, U.S.A.
This edition published by arrangement with Crossway. All rights reserved.
Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet: Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen. Außerdem wurde verwendet:
NeÜ bibel.heute, © 2010 Karl-Heinz Vanheiden und Christliche Verlagsgesellschaft (NeÜ).
1. Auflage
© 2022 Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg www.cv-dillenburg.de
Übersetzung: Brigitte Hahn
Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg Umschlagmotiv: © Unsplash.com/Steve Halama
CPI Books GmbH, Leck
Printed in Germany
Aus Dankbarkeit Gott gegenüber widme ich dieses Buch den einzigartigen Frauen aus dem Bibelkreis der Cazenovia Park Baptistengemeinde, für die Ermutigung an jedem Donnerstagmorgen, und Elizabeth Elliot (1926–2015).
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Joh 12,24)
Der überraschende Schneefall sorgte dafür, dass die ganze Nachbarschaft im Freien war. Gemeinsam befreiten wir vor dem – wie immer im Dezember früh einsetzenden – Sonnenuntergang Autos und Gehwege von den Schneemassen. „Sieht ganz danach aus, als ob der Winter da ist!“, rief ich meiner Freundin von nebenan zu.
„Allerdings!“, erwiderte sie. „Und der viele Schnee kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Nach dem Abendessen machen wir heiße Schokolade, und dann schmücken wir den Weihnachtsbaum. Die Kinder freuen sich schon wie verrückt.“
Als ich dastand und mir Szenen eines glücklichen Familienlebens ausmalte, fühlte ich mich plötzlich von einem erdrückenden Gefühl der Einsamkeit wie unter einer Lawine begraben. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich mich entschlossen, mir in diesem Jahr keinen Weihnachtsbaum zu besorgen. Ich hatte niemanden, mit dem ich gemeinsam den Christbaumschmuck hätte auspacken können, jedes liebevoll in Seidenpapier gewickelte
Stück, an dem viele Erinnerungen hingen. Diese Vorstellung war einfach zu deprimierend. Es waren nur ein paar flüchtig hingeworfene Worte, aber sie reichten, um mich traurig zu machen.
Ein paar Weihnachtsfeste später wollte ich die Feiertagsfreude, die meine Nachbarin mit ihrer Familie genießen konnte, zu mir nach Haus holen. Deshalb lud ich ein paar Freundinnen zum gemeinsamen Schmücken des Weihnachtsbaums ein. Eine von ihnen war besonders begeistert von der Idee, und so fragte ich sie: „Warum findest du es so toll, zu mir zu kommen, wenn du doch einen eigenen Baum hast und noch dazu einen Mann und Kinder, mit denen du ihn gemeinsam schmücken kannst?“
„Am besten erzähle ich dir mal, wie das abläuft“, antwortete sie. „Wir suchen uns einen Tag aus, an dem wir den Weihnachtsbaum schmücken wollen. Ich bereite ein paar Leckereien vor, schalte die Weihnachtsmusik ein und lege den Weihnachtsbaumschmuck ordentlich auf den Tisch. Wenn alles bereit ist, kommen alle hereinspaziert. Aber es dauert nur fünf Minuten, und dann sind sie abgelenkt von Anrufen, Textnachrichten oder irgendetwas anderem. Dann schnappen sie sich ein paar Plätzchen und verschwinden wieder. Und dann stehe ich da und schmücke den Baum alleine – so geht das jedes Jahr.“
Ihre Worte waren wirklich aufschlussreich! Die Bilder über das Leben anderer Menschen, die in unserem Kopf herumschwirren oder die wir in den sozialen Medien sehen, entsprechen nur selten der Wirklichkeit. Hinter den lächelnden Gesichtern, den Lobeshymnen und dem Spaß, den man mit der Familie hat, verbergen sich die ganz normalen Kümmernisse unser aller Leben: verletzte Gefühle, Ablehnung, Angst … und Einsamkeit.
Ob unverheiratet, verheiratet, jung oder alt, Mann oder Frau, jeder Mensch erlebt Einsamkeit, zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Ausprägungen. Niemand ist davon ausgenommen. Wir sind für das Zusammensein geschaffen, und deshalb hat Gott sogar vor dem Sündenfall verkündet, es sei nicht
gut, dass der Mensch allein sei (1Mo 2,18). Sofort nach diesem Ausspruch legte er die Grundlagen für die Ehe. Aber die Ehe war niemals als endgültiges, ewig gültiges Heilmittel für Einsamkeit vorgesehen. Deshalb sind Unverheiratete in dieser Hinsicht nicht zum Scheitern verurteilt. Gott hat uns Menschen mit einer gewissen Fähigkeit zur Einsamkeit ausgestattet, damit unsere Sehnsucht ihm gilt und wir in ihm das alleinige Ziel unseres Lebens finden.
In 1. Mose 2 ordnet Gott die Ehe von Mann und Frau an als einen weiteren Aspekt seines Plans für unser Alleinsein. Trotzdem hat er die Ehe nie als Heilmittel gegen unser Gefühl der Unvollständigkeit oder zur Beseitigung des Alleinseins vorgesehen. Sie dient stattdessen zur vollständigen Aufdeckung unseres Verlangens nach unserer endgültigen Bestimmung: der Vereinigung mit ihm.1
Anders ausgedrückt: Einsamkeit ist ein Hinweis darauf, dass uns etwas fehlt und dass dieses Etwas allein in Jesus Christus zu finden ist. Er vervollständigt das, was fehlt, dieses „Ding“, das wir als „Einsamkeit“ erkennen. Er beginnt damit in dem Augenblick, wenn wir im Glauben mit ihm verbunden werden, und er vollendet dieses Werk in der Herrlichkeit. Oder formulieren wir es so: Wir sind vor allem deshalb einsam, weil wir noch nicht zu Hause sind. Gott hat uns für die enge Gemeinschaft mit ihm vorgesehen, und deshalb wird die Einsamkeit erst dann vollständig beseitigt sein, wenn wir bei ihm im Himmel sind. Deshalb ist jeder Mensch ohne Ausnahme von Einsamkeit betroffen, ob jung oder alt, unverheiratet oder verheiratet.
1 Christopher West in: Gary Barnes & Darrell L. Bock, „5 Myths and Truths in Loneliness“, 21. August 2015, abgerufen am 24. August 2015 auf www. thegospelcoalition.org/article/5-myths-and-truths-in-loneliness
Davon abgesehen sind die Einsamkeit, die wir fühlen, und die Umstände, die uns dieses Gefühl bewusst machen, zurückzuführen auf den Sündenfall des Menschen damals im Garten Eden. Die von uns erlebte Einsamkeit ist eine Folge der Sünde, und zwar seit dem Zeitpunkt, als Adam und Eva Gott ungehorsam waren. Die beiden verbargen sich vor Gott, nachdem sie von dem verbotenen Baum gegessen hatten, und damals begannen sie auch, sich voreinander zu verbergen. Die Einsamkeit hat ihren Ursprung im Garten Eden.
Genau hier, am Anfang dieses Buches, wollen wir eine wichtige Abgrenzung vornehmen. Es besteht ein Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Manchmal überschneiden sich die beiden, und eines kann das andere verursachen, aber sie sind nicht austauschbar. Es gibt extrem einsame Menschen, die umgeben sind von vielen Leuten, während andere von Tag zu Tag mit nur wenigen menschlichen Kontakten auskommen und diese Situation trotzdem nicht als Mangel empfinden. Warum ist das so? Worin liegt der Unterschied? Wenn wir gründlich über solche Fragen nachdenken, entwickeln wir ein tieferes Verständnis von uns selbst, von unserer Familie, unseren Freunden und unseres Herrn. Einsamkeit ist überall anzutreffen, aber wir sprechen nur selten darüber. Vielleicht haben wir uns so sehr an ihre bedrückende Last gewöhnt, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen. Natürlich spüren wir, dass irgendetwas nicht stimmt, aber wir schieben es auf das Wetter oder den Alltagsstress, und wir versuchen uns abzulenken, indem wir uns ein gutes Essen gönnen oder einen netten Abend in der Stadt. Aber am nächsten Morgen ist es wieder da, dieses seltsame Gefühl.
Erleichterung erfahren wir nur dann, wenn wir uns unsere Einsamkeit eingestehen und uns Gott und seinem Wort zuwenden, um die Hilfe und das Verständnis zu bekommen, das wir brauchen. Dieses Buch soll uns auf diesem Weg als Begleiter dienen.
Zu Beginn werden wir uns eine grundlegende Frage stellen –und dann versuchen, sie zu beantworten. Die Frage lautet: Warum sind wir einsam? Wir werden erkennen, dass das beste Heilmittel für Einsamkeit in diesem Leben in den Worten Jesu zu finden ist, als er sagte: „Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden“ (Mt 10,39).
Wir werden uns auch ansehen, wie Gott im Leben seiner Kinder in und durch die Einsamkeit wirkt. Von den Patriarchen im 1. Buch Mose bis in die heutige Zeit hinein werden wir feststellen, dass Einsamkeit nichts ist, was wir fürchten müssen, sondern etwas, was Gott zum Guten wenden kann. In der Bibel entdecken wir, wie Gott uns in unserer Einsamkeit nahe ist. In Zeiten der Trauer und in Zeiten der Mutlosigkeit ist er da. Wenn andere uns verlassen und wenn unsere Hoffnungen sich nicht erfüllen, ist er da. Er verlässt uns niemals, auch dann nicht, wenn unsere Einsamkeit von unserer Sünde und unseren Fehlentscheidungen herrührt.
Schließlich werden wir feststellen, dass jene Menschen, die durch Jesus Christus zu Gott gehören, niemals wirklich allein sind und deshalb Einsamkeit nicht unser Leben bestimmen muss. Ist das nicht beruhigend zu wissen? Während Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mit mir gemeinsam dieses herausfordernde Thema erforschen, bete ich dafür, dass wir alle zu einem tieferen Verständnis finden über die Frage, wer Gott in unserem Herrn Jesus Christus für uns ist.
Weg mit allen Schätzen!
Du bist mein Ergötzen, Jesu, meine Lust.
Weg, ihr eitlen Ehren, ich mag euch nicht hören, bleibt mir unbewusst!
Elend, Not, Kreuz, Schmach und Tod soll mich, ob ich viel muss leiden, nicht von Jesu scheiden.
Gute Nacht, o Wesen, das die Welt erlesen, mir gefällst du nicht!
Gute Nacht, ihr Sünden, bleibet weit dahinten, kommt nicht mehr ans Licht!
Gute Nacht, du Stolz und Pracht; dir sei ganz, du Lasterleben, gute Nacht gegeben!
Johann Franck, „Jesu, meine Freude“, 1653 (Quelle: www.liederdatenbank.de)
Wer die falschen
„Ich bekomme mein Leben wohl nicht in den Griff“, beklagte sich Lanie bei ihrer Freundin. „Ich habe es jahrelang versucht, aber das, was ich suche, finde ich einfach nicht.“
Und das stimmt auch. Im letzten Jahrzehnt hat Lanie dreimal von vorn begonnen, in drei verschiedenen Bundesstaaten, mit einem neuen Job, einer neuen Gemeinde, neuen Freunden, einem neuen Zuhause. Wohlmeinende Angehörige sagen ihr, ihr fehle bloß ein Ehepartner. Alles, was sie brauche, meinen sie, sei ein Mann, den sie lieben und bei dem sie Fuß fassen könne. Aber daran kann es auch nicht liegen, denn an Heiratskandidaten hat es Lanie nicht gefehlt.
Lanie kann sich nicht erklären, was genau in ihrem Leben schiefläuft, obwohl sich bei ihr ein eindeutiges Muster zeigt. Nach ein paar Jahren an einem bestimmten Ort hat sie das Gefühl, dass ihr etwas fehlt, und sie wird innerlich unruhig. Bei dem Versuch, dieses fehlende Etwas zu erlangen, fängt sie noch einmal ganz von vorne an. Dieses Muster ist bei ihr zu einem Kreislauf, einem wahren Teufelskreis, geworden. Wo sie auch
immer hingeht, stellt sie zwangsläufig fest, dass ihr etwas fehlt. Lanie kann zwar keine Verbindung zwischen diesem fehlenden Etwas und der Einsamkeit feststellen, aber sie ist vorhanden und verschlimmert diesen Teufelskreis. Jedes Mal, wenn sie erneut alle Brücken hinter sich abbricht, wird ihre Einsamkeit stärker.
Wo liegt Lanies Hauptproblem, und worin besteht ihre wahre Not?
Freiheit macht einsam
Ein bedeutender Faktor bei Lanie und ihrer Einsamkeit ist überraschenderweise die Freiheit. Niemals zuvor war es für Frauen leichter, ihre Sachen zu packen und woanders hinzugehen. Frauen sind heute gut gerüstet für das Leben. Wir können unser Geld anlegen, wir haben hochmoderne Transportmittel, wir sind weltgewandt und gebildet. Aber in Wirklichkeit kann diese große Freiheit unsere Einsamkeit noch verstärken. Da wir heute nicht mehr an einem Ort bleiben und unser Leben mit den Menschen an diesem Ort gestalten müssen, besteht keine Notwendigkeit mehr, Verpflichtungen einzugehen. Denn warum sollen wir uns zu etwas verpflichten, wenn wir es nicht müssen? Warum sollen wir in einer unangenehmen Situation verharren, statt die Erfüllung zu finden, die uns vielleicht gleich an der nächsten Straßenecke erwartet? Diese Sichtweise über Freiheit wird uns heute zwar von allen Seiten schmackhaft gemacht, aber in Wirklichkeit raubt sie uns genau das, was sie uns versprechen will. In früheren Epochen, als es noch weniger Freiheit gab, mussten sich die Menschen zu etwas verpflichten – zu einer Ehe, einem Beruf, einem Ort –, weil es für sie keine anderen Möglichkeiten gab. Wenn Sie ein wenig recherchieren, entdecken Sie womöglich, dass damals in allen Bereichen der Gesellschaft das Problem der Einsamkeit weniger gravierend war, denn die Menschen hatten weniger Wahlmöglichkeiten und mussten deshalb Verpflichtungen eingehen.
Heute können wir nur allzu leicht dem von Barry Cooper so bezeichneten „Gott der offenen Optionen“ folgen. Er schreibt dazu Folgendes:
Der Gott der offenen Optionen ist ein grausamer und rachsüchtiger Gott. Er wird Ihnen das Herz brechen. Er wird nicht zulassen, dass Ihnen jemand zu nahe kommt. Aber gleichzeitig lässt er auch niemanden zu weit weg von Ihnen gehen, denn das würde bedeuten, dass Sie keine Wahlmöglichkeit mehr haben. Das geht immer so weiter, frustrierend und verwirrend und endlos, hin und her, wie die Gezeiten am Meeresstrand, ohne sich auf etwas festzulegen. Wir sind wie der Verhungernde, der vor einem Buffet sitzt, von dem er sich alles aussuchen kann. Aber er stirbt, weil er sich nicht entscheiden kann, ob er lieber Geflügel oder Meeresfrüchte nehmen soll. Der Gott der offenen Optionen ist auch ein Lügner. Er verspricht Ihnen, dass Sie alles und jeden haben können, wenn Sie sich alle Optionen offenhalten. Aber am Ende bekommen Sie nichts und niemanden.2
So etwas spielt bei Lanies Problem mit der Einsamkeit sicherlich auch eine Rolle. Aber die Ursache ist sogar noch einfacher zu erkennen. Sehen wir uns Lanies immer wiederkehrende Grundaussage einmal genauer an: „Ich bekomme mein Leben wohl nicht in den Griff.“ Wer steht bei ihr im Mittelpunkt? Für wen lebt sie? Es ist leicht zu erkennen: Lanie lebt für Lanie. Aber sind wir, Sie und ich, wirklich so anders als diese junge Frau? Chronische Einsamkeit und eine ständige innere Unruhe können Warnsignale
2 Barry Cooper, „The Problem of Your Choices“, 5. Februar 2015, Quelle: https://www.desiringgod.org/articles/the-problem-of-your-choices, Zugriff am 27. August 2015
sein, die uns zeigen, dass wir Lanie ähnlicher sind, als wir wahrhaben wollen. Gemeinsam mit Lanie sollten wir uns Folgendes bewusst machen: Wenn es uns vorrangig darum geht, uns selbst zu verwirklichen, werden wir dieses Ziel nicht erreichen. Wenn wir jedoch Jesus Christus den ersten Platz in unserem Leben einräumen, werden wir das finden, wonach wir uns voller Unruhe gesehnt haben. Selbstsucht führt zu Einsamkeit, Selbstvergessenheit dagegen führt zur Erfüllung. Darauf zielte Jesus ab, als er sagte: „Und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir folgt, ist es nicht wert, mein Jünger zu sein. Wer sein Leben festhalten will, wird es verlieren. Wer sein Leben aber meinetwegen verliert, der wird es finden“ (Mt 10,38-39; NeÜ).
Das Streben nach Selbstverwirklichung führt zum Verlust des wahren Lebens, und diese Erfahrung beschreiben wir häufig so, dass uns etwas „fehlt“. Dieses diffuse Gefühl treibt uns auf eine immer wiederkehrende Suche nach dem „entscheidenden nächsten Schritt“, der uns angebliche Erfüllung bringen soll. Für viele von uns scheint dieser entscheidende nächste Schritt im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen zu liegen. Alleinstehende Frauen wünschen sich eine Ehe. Verheiratete Frauen wünschen sich eine bessere Ehe. Kinderlose Frauen wünschen sich Kinder. Mütter wünschen sich glücklichere Kinder. Eltern, deren Kinder das Elternhaus verlassen haben, wünschen sich Enkelkinder. Für andere besteht der entscheidende nächste Schritt eher darin, ein wichtiges Ziel zu erreichen oder eine sinnvollere Arbeit zu haben. An diesen Wünschen ist nichts verkehrt, denn wir sind darauf angelegt, sie zu haben. Aber wenn wir nur dafür leben, werden wir eine innere Leere spüren, sobald sich diese Wünsche erfüllt haben.
Halten wir uns noch einmal die Worte Jesu vor Augen: „Wer sein Leben aber meinetwegen verliert, der wird es finden.“ Er will seinen Jüngern damit sagen, dass es etwas kostet, ihm nachzufolgen, dass aber unser Gewinn weitaus größer ist als unser Verlust.
Wie wir unsere Schätze auswählen
Wir haben also eine Wahl. Wir können alles tun, um an unseren Träumen, Hoffnungen und Zielen für unser Leben festzuhalten, am Wunsch nach Liebe und Erfolg in dieser Welt, oder wir können das alles loslassen und einen anderen Grund wählen, jeden Morgen aus dem Bett aufzustehen. Aber wir werden diese Entscheidung niemals treffen, wenn wir nicht im Herzen erfassen, was wir stattdessen finden sollen. Was mit diesem Finden gemeint ist, wird uns in den Gleichnissen Jesu stärker verdeutlicht.
Das Reich der Himmel gleicht einem im Acker verborgenen Schatz, den ein Mensch fand und verbarg; und vor Freude darüber geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft jenen Acker. Wiederum gleicht das Reich der Himmel einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte; als er aber eine sehr kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. (Mt 13,44-46)
Ist das auch unsere Sicht über das Himmelreich? Ist es auch für uns der größte Schatz? Die bloße Erkenntnis, dass es tatsächlich unser größter Schatz ist, ist ein wichtiger Hinweis, denn dann befinden wir uns schon auf dem Weg zu wahrer Fülle des Lebens.
Theologen lehren zu Recht, dass es für ein Verständnis über die wahre Bedeutung der Gleichnisse Jesu am besten ist, wenn man die Kernaussage findet und sich nicht in den Details verliert. Aber auch eine Betrachtung der Details kann für uns nützlich sein, denn schließlich ist alles in Gottes Wort von ihm eingegeben, nicht nur die Kernaussage. In diesem Sinne wollen wir uns die Worte Jesu genauer anschauen. Erstens war der Schatz etwas, was verborgen war. Bei einer anderen Gelegenheit betete Jesus: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies (Erkenntnisse über das Reich Gottes) vor Weisen und Verständigen verborgen und es
Unmündigen offenbart hast“ (Mt 11,25). Jesus sprach über die erforderliche Herzenshaltung, um Gott zu verstehen und zu erkennen, aber auch, um sich bewusst zu machen, dass er der größte Schatz ist, den wir jemals bekommen können. Deshalb beginnt das Sammeln des richtigen Schatzes mit Demut, denn er zeigt sich nur den Demütigen.
Zweitens brachte das Finden des Schatzes Freude. Wir freuen uns, wenn wir das bekommen, was wir wertschätzen. Andererseits empfinden wir keine Freude, wenn wir das, was wir bekommen, nicht wertschätzen.
Drittens war der Schatz es wert, alles andere loszulassen. Wir können Jesus Christus nur dann als unseren höchsten Schatz erkennen, wenn wir den Wert der mit ihm konkurrierenden Schätze mindern. Alles, sogar etwas Gutes, muss weg, wenn es ein Hindernis für die Herrschaft Jesu in unserem Leben und Herzen darstellt. Wenn wir an konkurrierenden Schätzen festhalten, wird sich unsere Liebe zu Gott in Lustlosigkeit verwandeln, und dann wird unsere Einsamkeit nur noch größer.
Beachten Sie auch, dass der Finder des Schatzes alles, was er besaß, verkaufte, um den Schatz zu erwerben; er verschenkte seine Besitztümer mit anderen Worten also nicht einfach so. Aus diesem Detail können wir folgende Wahrheit herauslesen: Die Dinge, die wir aufgeben, um Jesus Christus nachzufolgen, sind an sich nicht ohne Wert. Manchmal wird der Preis hoch sein, um den göttlichen Schatz zu besitzen, aber wenn wir Jesus Christus als unseren größten Schatz kennenlernen, wird es sich für uns auszahlen.
Wenn die Einsamkeit wie eine schwere Decke auf uns liegt, suchen wir instinktiv nach einem Ausweg. Wenn wir Jesus Christus nicht als unseren Schatz kennen, nehmen wir als Fluchtweg, was wir vor uns sehen. Das können bestimmte Gewohnheiten oder Genüsse sein, Orte, die wir besuchen, oder sogar zwischenmenschliche Beziehungen. Solche Dinge scheinen für uns nicht
nur leichter verfügbar zu sein, sondern wir neigen auch dazu, Gott die Schuld an unserer Einsamkeit zu geben. Wir werden ihn nicht als unseren größten Schatz erkennen, wenn unsere Sichtweise über ihn verdreht ist. Wenn wir vor unserem Schmerz fliehen und in den Dingen dieser Welt Zuflucht suchen, wird unsere Sicht über Gott noch verzerrter. Statt nach einem Weg aus unserer Einsamkeit zu suchen, sollten wir unseren Blick auf Jesus richten. Nur dann entdecken wir, dass wir die ganze Zeit nur nach ihm gesucht haben, und erst dann sind wir wirklich bereit, unsere irdischen Besitztümer und Errungenschaften für Gott und sein Reich zu „verkaufen“.
Jesus sagte: „Wenn jemand zu mir kommen will, muss ich ihm wichtiger sein als sein eigener Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister und selbst sein eigenes Leben; sonst kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein. Wenn jemand von euch ein hohes Haus bauen will, muss er sich doch vorher hinsetzen und die Kosten überschlagen, um zu sehen, ob sein Geld dafür reicht.“ Und er endet mit diesen Worten: „Darum kann auch keiner von euch mein Jünger sein, der nicht von allem Abschied nimmt, was er hat“ (Lk 14,26-28.33; NeÜ). Ein Großteil unserer Einsamkeit kommt von unserem Zögern oder gar der fehlenden Bereitschaft, Jesus nachzufolgen, wenn wir uns dafür von unserem Wunsch nach einem gelungenen Leben verabschieden müssen.
Wir halten auf unterschiedliche Art und Weise an unserem Leben fest. Eine Ausdrucksform dieses Verhaltens ist ein hingebungsvolles Sammeln von Schätzen hier auf Erden. Jesus dagegen sagte: „Sammelt euch keine Reichtümer hier auf der Erde, wo Motten und Rost sie zerfressen oder Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch lieber Schätze im Himmel, wo sie weder
von Motten noch von Rost zerfressen werden können und auch vor Dieben sicher sind. Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“ (Mt 6,19-21; NeÜ). Wenn wir alles daransetzen, uns materielle Schätze anzueignen, nutzen wir unser Leben nicht auf sinnvolle Weise, weil irdische Schätze vergänglich sind. Sie zerfallen, werden gestohlen, und sie füllen auch nicht unsere innere Leere.
Der Versuch, zwischen konkurrierenden Schätzen hin und her zu jonglieren, ist eine andere Art, wie wir an einem Leben nach unserer eigenen Agenda festhalten. Deshalb sagte Jesus: „Wenn jemand zu mir kommen will, muss ich ihm wichtiger sein als sein eigener Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister und selbst sein eigenes Leben; sonst kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14,26-27; NeÜ). Es gibt keine Nachfolge Jesu ohne das Kreuz. Wenn wir es auf uns nehmen, finden wir das Leben in Fülle, das Jesus verheißen hat. Wir nicken zustimmend, wenn es um den Wert geht, den das Reich Gottes für uns hat, bis wir an unsere persönlichen Grenzen stoßen. Haben wir in unserem Leben etwas, was nicht verhandelbar ist, etwas, von dem wir uns nicht trennen wollen, um Jesus Christus nachzufolgen? Wenn das der Fall ist, ist es kein Wunder, dass wir einsam sind. Diese klugen Worte von David Powlison sollen uns zum Nachdenken bringen:
Furcht und Verlangen sind zwei Seiten derselben Medaille. Eine sündhafte Furcht ist ein heftiges Verlangen nach etwas, was nicht geschehen soll. Wenn ich ein Verlangen nach Geld habe, fürchte ich die Armut mit ihren Entbehrungen und Erniedrigungen. Wenn ich mich danach sehne, geliebt zu werden, habe ich Angst vor Ablehnung. Wenn ich Furcht habe vor Schmerz oder Not, habe ich ein Verlangen nach Komfort oder Genuss. Wenn ich mich danach sehne, anderen
überlegen zu sein, fürchte ich mich davor, mich anderen Menschen unterordnen zu müssen.3
Die Last der Einsamkeit loswerden
Wenn wir herausfinden, was wir fürchten und wonach wir uns sehnen oder was uns Angst macht, sind wir auf einem guten Weg herauszufinden, was mit Jesus Christus um den ersten Platz in unserem Herzen konkurriert. Wir müssen es nur wollen. Dann werden wir erkennen, dass wir nichts zu befürchten haben, wenn wir unser selbstbezogenes Leben loslassen, um Jesus nachzufolgen. Denken wir darüber nach, was er uns verheißen hat:
Wahrlich, ich sage euch: Da ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlassen hat um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker unter Verfolgungen – und in dem kommenden Zeitalter ewiges Leben. (Mk 10,29-30)
Und sofort denken wir: „Oh ja, ich werde einen Schatz im Himmel haben, aber jetzt bin ich hier und muss irgendwie klarkommen.“ Aber Jesus macht uns deutlich, dass er nicht nur im Himmel unser wahrer Schatz sein will, sondern auch im Hier und Jetzt. Der Weg aus der Einsamkeit heraus beginnt, wenn wir bereit sind loszulassen – auch alle unsere Versuche, das Leben nach unseren eigenen Vorstellungen zu bewältigen. Vielmehr sollten wir unser Kreuz aufnehmen und Jesus nachfolgen.
Wenn die Einsamkeit uns niederdrückt und wir daran zweifeln, dass Gott wirklich unser größter Schatz ist, können wir
3 David Powlison, „Dynamics of Biblical Change“, Unterrichtsnotizen, Christian Counseling and Educational Foundation (CCEF), 2002
offen und ehrlich zu ihm sein, denn er ist unser gütiger Vater und Freund. Wir können es ihm gestehen: Wir haben uns so sehr bemüht, unser Leben nach unseren eigenen Wünschen zu gestalten, dass wir ihn und alles, was er in Jesus Christus für uns ist, aus den Augen verloren haben. Wir können ihn bitten, uns von Neuem zu zeigen, wer er wirklich ist, und unsere Herzenshaltung zu verändern. Manchmal beginnt Veränderung mit diesem Gebet: „Gott, ich bin bereit, auf dich zu hören.“ Wenn wir heute nur das tun können, wird Gott uns an dieser Stelle begegnen. Er sehnt sich danach, dass wir in ihm unseren größten Schatz erkennen. Nur wenn wir ihn suchen, werden wir das finden, wonach wir die ganze Zeit gesucht haben.
1. Inwiefern tragen die vielen Freiheiten, die wir heute genießen, zur Einsamkeit bei? Wie hat sich das in Ihrem eigenen Leben ausgewirkt?
2. Besprechen oder schildern Sie das, was Barry Cooper den „Gott der offenen Optionen“ nennt.
3. Welchen Bezug haben die Worte Jesu in Matthäus 10,38-39 zum Thema Einsamkeit?
4. Lesen Sie noch einmal die Gleichnisse über den verborgenen Schatz und die kostbare Perle (Mt 13,44-46). Dann notieren Sie sich die Schritte, die wir unternehmen müssen, um Jesus als unseren größten Schatz zu ergreifen.
5. In Lukas 14,26-33 erklärt Jesus das Wesen der wahren Nachfolge. Lassen Sie sich von etwas oder jemandem daran hindern, Jesus von ganzem Herzen zu folgen? Wenn ja, können Sie feststellen, wie Ihre fehlende Bereitschaft zum Loslassen Ihre Einsamkeit verstärkt?