Thomas Gelfert
TesTamenT7
Der Schatz der
Tempelritter
Thomas Gelfert
Testament7: Der Schatz der Tempelritter
Best.-Nr. 271 585
ISBN 978-3-86353-585-8
Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg
Die Bibelstellen wurden zitiert nach:
NeÜ bibel.heute
© 2010 Karl-Heinz Vanheiden. www.derbibelvertrauen.de bibel@derbibelvertrauen.de Alle Rechte vorbehalten.
Lutherbibel, revidiert 2017
© 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
1. Auflage
© 2021 Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg www.cv-dillenburg.de
Umschlaggestaltung: Thomas und Claudia Gelfert
Satz und Illustration: Thomas Gelfert
Umschlagmotiv: © Thomas Gelfert
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany



In gleichmäßigem Rhythmus wippte Samuels Kopf auf und ab. Mit der rechten Hand tippte er auf den Schreibtisch, während er mit der linken an einigen Reglern drehte. Vor ihm bewegten sich mehrere Linien auf dem Bildschirm im gleichen Rhythmus wie die Musik, die dazu lief. Konzentriert mischte er einen neuen Soundeffekt in das Lied und drehte die Lautstärke hoch.
Es dauerte keine Minute, und schon flog Samuels Zimmertür auf und seine aufgeregte Mutter schrie: „Hey! Sag mal, geht’s noch?“
Irritiert drehte Samuel den Kopf in Richtung Tür und zog die Augenbrauen hoch. „Hm?“
„Stell dir mal vor: Es gibt in diesem Haus noch Menschen ohne Gehörschaden!“
„Ist ja gut“, knurrte er und wollte seinen Kopfhörer aufsetzen.
„Was machst du da überhaupt?“, fragte seine Mutter.
„Na, das siehst du doch oder besser hörst du ja.“
Seine Mutter schüttelte den Kopf. „Also, ich höre nur Gewummere.“
„Och nee! Mom, das ist gerade eine kleine Stelle aus dem ganzen Stück. Ich hatte dir das schon mal erklärt. Das nennt sich Dubstep. Eine Mischung aus melodischen Stücken mit Rhythmen und Soundeffekten. Ich mixe bzw. komponiere da etwas.“
„Ah ja. Also, zu meiner Zeit gab es noch richtige Musik“, meinte sie kopfschüttelnd.
Samuel grinste und gab flapsig zurück: „Ja klar, vor hundert Jahren gab’s auch noch keinen Strom.“

„Werd mal nicht frech, ja?“ Etwas verärgert verließ sie den Raum, und Samuel setzte amüsiert seine Kopfhörer auf.
Doch die Ruhe währte nicht lange. Schon war sein Vater zur Stelle und tippte ihm auf die Schulter.
Genervt zog Samuel den Kopfhörer wieder herunter. „Was denn jetzt noch?“
„Schon wieder vergessen?“ Verständnislos schüttelte sein Vater den Kopf, ging zur Tür zurück und rief über die Schulter: „Der Hof macht sich nicht von selbst. Du bist mit Fegen dran.“
Samuel stöhnte: „Dieser blöde Bauernhof.“ Gemächlich erhob er sich und schlurfte nach unten in den Flur. Vor dem Spiegel blieb er stehen und sah sich an. „Mann!“ Er warf den Kopf in den Nacken und murmelte: „Was soll das nur alles?“ Als er die Haustür öffnete, blendete ihn das Sonnenlicht. Während seiner Arbeit am Computer hatte er die Zeit völlig aus den Augen verloren. Die Sonne stand schon so tief, dass sie jeden Moment hinter der Scheune verschwinden würde. Er betrat den Hof und schloss die Augen. Dabei ließ er sein Musikstück noch einmal im Kopf abspielen. Eine Ziege zerriss den Gedanken mit ihrem Gemecker. Landluft stieg in Samuels Nase und erinnerte ihn an seine Pflicht. Lustlos nahm er einen Besen und begann, den Hof zu fegen, als sein Vater mit dem Traktor vorbeifuhr.
„Ich hab echt Besseres zu tun“, murmelte Samuel.
Zum Glück klingelte sein Handy. Dominik rief an:
„Hey Kumpel, wie läuft’s?“
„Na ja, schleppend. Muss noch den Hof saubermachen.“
„Wenn du fertig bist, könnten wir noch ’ne Runde drehen. Was meinst du?“
Samuel nickte: „Sicher. Warum nicht? Kannst du vorbeikommen?“
„Geht klar. Bis dann!“
„Jo, ciao!“
Die Aussicht auf eine Runde Fahrradfahren hob Samuels Stimmung wieder und ließ ihn schneller fegen als sonst.

„Da bist du ja!“, freute sich Samuel und begrüßte seinen Freund mit einem speziellen Handschlag. „Du kommst wie gerufen. Ich brauch dringend mal frische Luft.“
Dominik lachte. „Was denn, die gute Bauernhofluft gefällt dir wohl nicht?“
Nachdenklich murmelte Samuel: „Hm, das ist es nicht. Los, lass uns fahren!“
„Okay, ich fahre vor“, gab Dominik den Ton an.
Neugierig fragte Samuel: „Wo geht’s denn hin?“
„Überraschung.“
„Pfff. Ich hasse Überraschungen“, grunzte Samuel.
„Hihi, ich weiß. Aber die hier wirst du lieben, glaub mir!“
Dominik trat in die Pedale und steuerte sein Mountainbike über die großen Pflastersteine der Hofeinfahrt. Neugierig folgte Samuel ihm durch die halbe Stadt. Dann ging es durch eine enge Gasse. Kurz darauf passierten sie die Villsteiner Kirche und fuhren auf den Bergfluss zu. Hier bog Dominik scharf ab und fuhr einen kleinen Weg in den Wald hinein.
„Hier waren wir auch lange nicht“, stellte Samuel fest.
Dominik schwieg. Er erinnerte sich ungern an seinen letzten Besuch in diesem Teil des Waldes.
Jetzt konnte Samuel das Ziel ihrer Reise ausmachen. In einiger Entfernung entdeckte er Paul und Sarah, die bereits warteten. „Ah, ich verstehe“, rief er Dominik zu. „Der Villstein! Aber warum sind wir hier?“
Dominik stoppte und stieg vom Fahrrad ab. „Tja, weißt du, es ist noch gar nicht so lange her, dass ich in dieser stürmischen, verregneten Nacht hier draußen umherirrte und letztlich unter diesem Felsen – dem Villstein – Zuflucht fand. Am Ende wurde alles gut, sogar mit meinem Vater.“
„Aber?“, wandte Samuel ein.
„Letzte Woche habe ich ein Buch gelesen. Darin ging es um verpasste Chancen im Leben. Wenn ich so daran denke ... es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte die Chance verpasst,

meinen Vater kennenzulernen. Ich bin Gott sehr dankbar dafür, dass alles gut ausgegangen ist. Es gibt keine Garantie dafür, dass es immer so läuft. Also habe ich Paul und Sarah vorgeschlagen, eine kleine Tradition zu begründen: den D-Day sozusagen – also den Danke-Tag.“
„Hallo Samuel!“ Sarah und Paul kamen auf die Neuankömmlinge zu und begrüßten ihre Freunde. „Schön, dass ihr da seid.“ Sarah strahlte übers ganze Gesicht und umarmte Samuel zur Begrüßung erst einmal herzlich. Was auch immer hier geplant war, es schien ihr große Freude zu bereiten.
Paul war schon ganz hippelig. „Und? Hast du Samuel schon alles erzählt?“, fragte er Dominik.
„War gerade dabei.“ Dominik wandte sich wieder an Samuel und fuhr fort: „Sieh mal, wir alle haben etwas, wofür wir Gott besonders dankbar sind. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich immer wieder daran zu erinnern. Und ... wer weiß? Vielleicht erleben wir noch mehr großartige Dinge, für die wir dankbar sein werden. Dinge, die wir nicht vergessen wollen.“
Sarah griff den Gedanken auf: „Dom hat vorgeschlagen, dass wir uns ab heute jedes Jahr einmal hier treffen, um uns gegenseitig daran zu erinnern, was wir mit Gott erlebt haben und wofür wir ihm besonders dankbar sind. Was meinst du dazu?“
Samuel dachte kurz nach. „Find ich ’ne klasse Idee.“
„Kommt bitte mit rein. Ich war so frei, unser Lagerfeuer schon einmal vorzubereiten.“ Paul verschwand in der Höhle.
Sie machten es sich alle am Feuer bequem, als Samuel meinte: „Ich will ja kein Spielverderber sein, aber ist es nicht eigentlich verboten, ein Lagerfeuer im Wald zu machen?“
Paul lächelte. „Ja, in der Regel schon. Aber das hier ist etwas Besonderes. Ich war heute extra beim Bürgermeister und habe unser Anliegen vorgetragen. Als ich ihm erklärte, dass wir das Feuer in einer Felsenhöhle machen wollen und außerdem einen Eimer Wasser in der Nähe haben würden, stimmte er zu und gab uns die Erlaubnis.“

„Er hat wieder an alles gedacht, unser Organisationsgenie“, lächelte Sarah Paul anerkennend zu.
„Jetzt bin ich aber mal neugierig.“ Ungeduldig rutschte Dominik auf seinem Stein hin und her. „Los! Erzählt mal! Wofür seid ihr besonders dankbar?“
Sarah holte tief Luft. „Wenn es okay ist, würde ich gern anfangen.“
Die anderen nickten.
„Es ist noch gar nicht so lange her, dass Paul nach Villstein gezogen ist und alles ordentlich aufgewirbelt hat. Wer hätte gedacht, dass so viel passieren würde. Vor allem aber ... mit mir.“ Jetzt wandte sie sich an Paul: „Paul, als ich mein traumatisches Erlebnis wegen dem Unfall meiner kleinen Schwester hatte, warst du sehr verständnisvoll und hast versucht, mich aufzumuntern. Ihr beiden natürlich auch. Keiner von euch war mir böse. Dafür danke ich euch. Ihr seid eben echte Freunde.“
Dann wurde sie traurig und unruhig. „Tja ... und dann war da unser letztes Abenteuer in Schottland. Dass mir nun ausgerechnet der Mensch über den Weg gelaufen ist, den ich am meisten hasste, weil er meine Schwester auf dem Gewissen hat, war für mich echt schwer zu ertragen. Doch mit Gottes Hilfe – und der von einigen lieben Menschen – kann ich daran arbeiten. Es tut noch immer weh, wenn ich daran denke, dass meine Schwester nicht mehr da ist.“ Sarah schluchzte. „Aber ich ... ich kann jetzt besser damit umgehen. Gott gibt mir jeden Tag die Kraft dazu.“
Samuel dachte an die vergangenen Monate. Sarah war fix und fertig gewesen, und es machte ihn wahnsinnig, ihr nicht helfen zu können. Noch immer zog es ihm den Magen zusammen, wenn er an diese ganze Sache dachte.
„Okay, jetzt ich“, drängte sich Dominik ungeduldig rein. „Wahrscheinlich wisst ihr bereits, worum es bei mir geht. Ich habe gleich zwei dicke Gründe zum Dankesagen.“ Er beugte sich zu Paul, setzte ein breites Grinsen auf und meinte dann:

„Wenn wir schon einmal bei deiner Ankunft sind – wärst du nicht gewesen, wäre ich vermutlich ertrunken. Gar nicht weit von hier entfernt, oben im Bergfluss.“
„Hm, ja“, nickte Paul. „Ich wundere mich heute noch, wieso ich an diesem Morgen auf die Idee kam, so tief in den Wald zu fahren. Zumal ich mich dort noch nicht auskannte.“
„Gott sei Dank!“, jubelte Sarah, nahm sich einen der mitgebrachten Kekse und reichte sie weiter.
Dominik nickte: „Du sagst es. Ja ... und dann ist da natürlich mein Vater. Es war ein Wunder, dass er wieder gesund wurde. Vermutlich könnte man auch von einem Wunder sprechen, dass ich ihm vergeben konnte. Wenn ich daran denke, dass er mich damals nicht haben wollte ... und deshalb fortgegangen ist. Mir wird immer noch schlecht, wenn ich daran denke. Aber das vergeht, weil ich ihm vergeben habe und mich nun freue, endlich einen Vater zu haben.“
Paul wiegte den Kopf hin und her. „Hm, mich macht das alles nachdenklich. Ich hatte euch ja erzählt, dass ich damals –in meiner alten Heimatstadt – unbedingt Anerkennung darin finden wollte, zur berühmt-berüchtigten Schlangenkopfbande zu gehören. Als ich schließlich nach Villstein kam, war mir nichts wichtiger, als endlich einen Freund zu finden. Ich war immer total egoistisch.“
„Doch als du mich gerettet hast, war das alles andere als egoistisch“, erklärte Dominik vehement.
„Ja, da hast du wohl recht. Vermutlich habe ich gar nicht groß darüber nachgedacht, was ich da eigentlich tat. Ich kann mir das nur so erklären: Gott hat mir Mut und Kraft geschenkt. Was aber viel wichtiger ist: In euch habe ich meine ersten echten Freunde gefunden. Ihr habt mich vorbehaltlos aufgenommen, obwohl ich es gar nicht verdient hatte. Nun sind wir schon seit einiger Zeit ein tolles Team – echte Freunde. Dafür bin ich echt dankbar.“
Dann wurde es still in der Runde. Alle schauten auf Samuel.

Gedankenverloren sah er den aufsteigenden Funken des Feuers nach. Langsam begann er: „Wenn ich ehrlich bin, kann ich heute nicht wirklich etwas sagen. Ich meine ... es fällt mir gerade ziemlich schwer klarzukommen.“
Irritiert runzelte Sarah die Stirn. „Wie meinst du das? Alles okay bei dir?“
„Seit Monaten drängen mich meine Eltern, der Schule mehr Zeit zu widmen.“
„Wieso das denn?“, empörte sich Dominik. „Wenn ich nicht irre, bist du einer der Besten der ganzen Schule.“
Samuel schüttelte langsam den Kopf. „Das mag schon sein. Aber weißt du, wie ich dahin gekommen bin? Meine Eltern erinnern mich nahezu täglich, zu lernen und zu büffeln. Dass ich öfters mal mit euch abhänge, wissen sie manchmal überhaupt nicht. Die sind so mit ihrem Hof beschäftigt, dass sie mich fast über... ach, egal.“
„Mit Hof meinst du den Bauernhof, äh, ich meine das alte Rittergut, wo ihr wohnt?“, fragte Paul nach.
Samuel nickte. „Genau. Alle paar Wochen erklären sie mir, wie fleißig sie doch waren, um Karriere zu machen. Nur dadurch haben sie so viel Geld verdient, um sich ihren Traum zu erfüllen, einen eigenen Bauernhof zu kaufen.“ Ärgerlich stand er auf und ging einige Schritte umher. „Dabei interessiert mich das alles überhaupt nicht. Das nervt tierisch!“
„Und ... wenn ich das so fragen darf ... was interessiert dich?“, wollte Paul wissen.
„Musik“, sagte Samuel leise und setzte sich wieder hin. „In den letzten Wochen hab ich viel an meinem Computer experimentiert. Ich habe gemerkt, dass ich ein gutes Händchen dafür habe, Musik zu mixen. Vor allem an Dubstep find ich großes Gefallen. Das ist ein spezieller Musikstil.“
„Elektronische Musik. Eine Mischung aus House, Vocals, melodischen Stücken, Drum’n’Bass“, erklärte Paul.
Überrascht nickte Samuel: „Wow! Richtig.“

Paul lachte. „Es gibt noch andere Leute, die im 21. Jahrhundert leben, Kumpel.“
Sarah guckte mitleidig. „Lass mich raten, deine Eltern finden keinen Gefallen an diesem Dubstep!?“
„So ist es. Aber nicht nur das. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie mich absichtlich auf dem Hof beschäftigen, damit ich weniger Zeit für meine Musikprojekte habe.“
„Das wäre aber fies“, erkannte Dominik.
„Hm“, war alles, was Samuel dazu einfiel.
Dann schwiegen sie eine Weile.
„Weißt du was?“, warf Sarah ein. „Auch wenn dein Leben gerade kompliziert ist, so können wir doch dankbar dafür sein, dass wir es Gott in die Hände legen können.“
„Ja, das stimmt“, bestätigten Dominik und Paul.
Schließlich beteten sie gemeinsam und dankten Gott für die letzten Monate und die großartigen Wunder, die sie hatten erleben dürfen.
Mit einem erwartungsvollen Grinsen im Gesicht sagte Dominik: „Ich bin schon auf unser nächstes Abenteuer gespannt.“
„Oh ja!“
In fröhlicher Runde unterhielten sie sich noch eine Zeit lang und verputzten die letzten Kekse. Schließlich löschten sie das Feuer und traten den Heimweg an.
Spät in der Nacht lag Samuel im Bett und konnte nicht einschlafen. Ihm gingen so viele Gedanken durch den Kopf, aber er konnte sie nicht ordnen. Wie sollte er seinen Eltern nur klarmachen, dass er Musik machen wollte? Dafür würde er einen extrem guten Plan brauchen.

