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365 Andachten zum Weiterdenken
David Gooding
TIEFER GLAUBEN
365 Andachten zum Weiterdenken
Best.-Nr. 271323
ISBN 978-3-86353-323-6
Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg
Best.-Nr. 180224
ISBN 978-3-85810-603-2
Verlag Mitternachtsruf, www.mnr.ch
Titel des englischen Originals: Bringing us to Glory
Daily Readings for the Christian Journey
Copyright © The Myrtlefield Trust, 2020
Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet: Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R. Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.
Außerdem wurden folgende Bibelübersetzungen verwendet: Neue evangelistische Übersetzung (NeÜ), Zürcher Bibel (ZB), Lutherbibel 2017 (LUT).
1. Auflage
© 2022 Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg www.cv-dillenburg.de
Übersetzung: Svenja Lueg
Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg Umschlagmotiv: Unsplash.com/Silas Baisch
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gerne kontaktieren: info@cv-dillenburg.de
Textlesung: Hebräer 2,5-18
Denn es entsprach ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit führte, den Urheber ihrer Rettung durch Leiden vollkommen zu machen. (V. 10)
Viele Söhne zur Herrlichkeit führen – das ist eine Aufgabe, die Gott nur auf eine Weise tun kann, die seiner Heiligkeit, Würde und Liebe entspricht. Einen Sünder einfach nur durch einen plötzlichen Akt göttlicher Macht in die himmlische Herrlichkeit zu versetzen, das würde dessen rebellisches und selbstsüchtiges Herz nicht verändern und ihn ebenso wenig in einen Heiligen verwandeln, wie sich ein Tiger in einen freundlichen und wohlerzogenen Gast verwandelt, bloß weil Sie ihn in Ihr Wohnzimmer führen. Der Sünder muss zunächst zur Buße geführt werden und Vergebung erhalten. Der Rebell muss mit Gott versöhnt werden. Das rein menschliche Geschöpf muss wiedergeboren und ein Kind Gottes werden. Und wenn die betroffene Person reichlich Eingang in das ewige Reich unseres Herrn bekommen (siehe 2Petr 1,11) und dort ein „über die Maßen überreiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit“ tragen soll (2Kor 4,17), so wird irgendein Vorbereitungs-, Trainings- und Läuterungsprozess unverzichtbar sein, ob nun von langer oder kurzer Dauer. Und Leid wird ein unvermeidbarer Bestandteil dieses Prozesses sein.
Um seine vielen Söhne zur Herrlichkeit zu führen, musste ihnen Gott daher zunächst eine Kraftquelle und einen Anführer, einen Pionier und Wegbereiter ihrer Errettung geben. Und dann musste Gott zulassen, dass dieser sich das Recht als ihr Anführer erwarb, indem er zuerst selbst litt. Als Sohn Gottes besaß er vor seiner Menschwerdung ebenso unendliche Macht wie sein Vater. Doch wie viel wusste er damals aus persönlicher Erfahrung über Leid? Wie würde er ohne eine
solche persönliche Erfahrung mit Leid jemals sein Volk in dessen Leiden verstehen und dies nachempfinden können? Indem er dies sagt, stellt der Verfasser des Hebräerbriefes natürlich keine Bedingungen auf, deren Erfüllung er von Gott einfordert. Vom Heiligen Geist inspiriert gibt er uns weiter, wie Gott selbst über all das dachte. Was für einen herrlichen Einblick in Gottes Charakter vermittelt uns das! Im Besitz endloser Macht hatte er als Schöpfer das Recht, uns so zu behandeln, wie er wollte. Aber da er nun einmal beschlossen hatte, uns über den
Weg des Leids zur Herrlichkeit zu führen, bestand sein unendliches Mitgefühl darauf, dass dies nicht nur irgendwie geschehen sollte, sondern auf eine Weise, die angemessen wäre – selbst wenn dies das Leiden seines eigenen Sohnes bedeutete.1
Die Menschwerdung ermöglicht es uns, Gott nahezukommen
Textlesung: Johannes 1,1-18
Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns. (V. 14)
Wenn
Jesus von Anfang an die göttliche Würde seiner wesenhaften Beziehung zum Vater verkündet und gezeigt hätte, so wäre eines der Hauptziele der Menschwerdung zunichtegemacht worden. Seine Jünger hätten ihn zwar möglicherweise trotzdem als den Schöpfer angebetet, in dem, durch den und für den das Universum geschaffen worden war. Doch Gott sucht eine Beziehung zu den Menschen, die unendlich viel höher reicht als die Beziehung zwischen einem Schöpfer und seinen Geschöpfen. Er will seine Geschöpfe durch eine geistliche „Geburt von oben“ in eine Beziehung von Kindern und dann erwachsenen Söhnen mit dem Vater erheben. Diese geistliche Geburt hängt davon ab, ob sie eine persönliche Beziehung zu seinem Sohn aufbauen. Das wiederum ist abhängig davon, ob sie sich zu ihm hingezogen fühlen – ohne Angst vor ihm, mit wachsendem Glauben und einer sich stetig vertiefenden Erkenntnis. Dies erfordert, dass er immer nur so viel von sich offenbart, dass ihr Glauben und ihre Liebe weiter wachsen, doch nie so viel auf einmal, dass es ihre menschliche Persönlichkeit
überwältigt und es ihnen unmöglich macht, sich ihm gegenüber wie Freunde zu verhalten.
Viele Nationen kennen in ihrer Volksüberlieferung die Geschichte eines königlichen Prinzen, der sich plötzlich in ein armes Mädchen aus der Stadt verliebt. Entschlossen, ihr Herz zu gewinnen und sie zu seiner Braut zu machen, verlässt er den Palast, zieht gewöhnliche Kleider an und nähert sich ihr als gewöhnlicher Mann, wenngleich ein wenig über ihrem Niveau. Er ist nicht nur äußerlich attraktiv, sondern vor allem in seinem Gebaren und Verhalten anziehend. Aber im Allgemeinen verbirgt er seine Herrlichkeit, damit sie sich weder vor ihm fürchtet noch – im anderen Extrem – ihn nur wegen seines Reichtums und seiner Stellung, nicht aber um seiner selbst willen liebt. Wenn er dann ihr Herz gewonnen und sie ihre Treue zu ihm unter Beweis gestellt hat, offenbart er ihr allmählich –so heißt es in den Geschichten – immer mehr von seinem Reichtum und seiner Majestät bis zur strahlenden Herrlichkeit der öffentlichen Hochzeit und der anschließenden Krönung. So hat sich – nicht in der Volksüberlieferung, sondern in der historischen Wirklichkeit – die Geschichte der Menschwerdung von Gottes Sohn abgespielt. Er kam zur Erde als wahrer Mensch und doch ganz Gott, um uns für sich zu gewinnen. Was können wir anderes sagen, als auszurufen: Oh seliges Mysterium! „Groß ist das Geheimnis der Gottesfurcht: Der offenbart worden ist im Fleisch“ (1Tim 3,16).2
Textlesung: Matthäus 11,20-30
Alles ist mir übergeben worden von meinem Vater; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, noch erkennt jemand den Vater als nur der Sohn, und der, dem der Sohn ihn offenbaren will. (V. 27)
Über den Vater, den transzendenten Allmächtigen, wurde nie etwas anderes bekannt als das, was die zweite Person der Trinität, der Sohn Gottes, bekannt
gemacht hat. „Niemand hat Gott jemals gesehen; der einziggeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn bekannt gemacht“ (siehe Joh 1,18). Wenn Sie etwas über Gottes Vorstellung zum Thema „Farbe“ wissen wollen, dann schauen Sie sich die Schöpfung an; vergessen Sie nur nicht, dass es der Sohn Gottes war, der die Schöpfung machte. Wenn Sie etwas über Gottes Gedanken in Bezug auf Musik wissen wollen, schauen Sie sich die Schöpfung und das menschliche Ohr an; denken Sie jedoch daran, dass es der Sohn Gottes war, der das menschliche Ohr schuf. „Den Vater kennt niemand – nur der Sohn und die, denen der Sohn es offenbar machen will“ (NeÜ). Er besitzt (verzeihen Sie bitte die Wortwahl –sie ist nicht im kommerziellen Sinn gemeint) das exklusive Monopol auf Gotteserkenntnis.
In einer Zeit, in der Jesus Christus sogar vom Christentum darauf reduziert wird, nur „ein Mensch, der für andere da ist“ zu sein, „ein erleuchteter Prophet“ oder „ein Jude, der seiner Zeit voraus war“, sollten wir uns neu die exklusiven Ansprüche von Jesus Christus, unserem Herrn, in Erinnerung rufen. Er verfügt über das exklusive Monopol auf die Offenbarung des Vaters.
Wie lauten seine Bedingungen? „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben“ (siehe Mt 11,28). Da steht noch nicht einmal zuerst: „Geht und sucht in euren Bibeln“, so gut das auch ist. Denn der Eine, der Gott bekannt macht, ist eine Person. Und er sagt: „Kommt her zu mir.“ Das ist wahr. Dies predigen wir den Nichtbekehrten. Predigen wir es auch uns selbst! Nicht zuerst meine Bibel, sondern zuerst der Herr Jesus, der das Wort ist. Nicht das Buch ohne die Person: erst die Person, dann das Buch. So will ich selbst als Gläubiger, der diese Worte liest, immer daran denken, dass ich nicht zu einem philosophischen Dokument oder einem theologischen System komme. Ich komme zu einer Person.3
Textlesung: Daniel 7,9-14
Jetzt, am Ende dieser Zeiten, sprach er durch den Sohn zu uns.
Ihn hat er zum Erben über alles eingesetzt, ihn, durch den er das ganze Universum erschuf. (Hebr 1,2; NeÜ)
DasUniversum ist nicht selbstexistent. Es wurde geschaffen. Das führt unweigerlich zu der Frage: „Wozu wurde es geschaffen?“ Instinktiv lehnen wir den Gedanken ab, es könnte keine Absicht, kein Ziel hinter seiner Existenz stehen. Unser Denken weigert sich, sich mit der Vorstellung abzufinden, dass zwar jeder Bestandteil des Universums einen Zweck und eine Funktion in Bezug auf das Ganze erfüllt, das Ganze selbst aber keinen Zweck und keine Funktion haben sollte. Wir selbst sind ebenso wenig selbstexistent. Und wir haben uns ganz gewiss nicht selbst geschaffen. Früher oder später beginnen wir alle zu fragen: „Warum bin ich hier? Worin besteht der Sinn des Lebens?“ Die meisten von uns stellen fest, dass wir selbst zu klein sind, um ein ausreichendes Ziel und einen zufriedenstellenden Zweck für unser eigenes Leben darzustellen. Wir müssen nach einem größeren und erfüllenderen Ziel suchen. Doch was könnte das sein? Die Familie? Die Gesellschaft? Die Nation? Die Menschheit? Das Verhalten der Nationen und des Menschengeschlechts allgemein scheint die Menschheit selbst als ein ziemlich unbefriedigendes Lebensziel zu entlarven, wie die bisherige Geschichte zeigt. „Aber die Menschheit“, sagen Sie vielleicht, „hat große Fortschritte gemacht und wird weiter große Fortschritte machen. Ich will zufrieden sein, wenn mein eigenes Leben dem noblen Ziel des Fortschritts der Menschheit dient.“ Das haben Sie schön gesagt. Doch wenn die Menschheit tatsächlich Fortschritte macht – und das tut sie gewiss in manchen Bereichen –, dann wirft das wiederum dieselbe Frage auf: Fortschritt auf welches Ziel hin? Wenn es auf diese Frage keine Antwort gibt, wäre es letztlich sinnlos, dem „Fortschritt der Menschheit zu dienen“. Welchen Zweck hat es, ein Zahnrad in der Maschinerie eines Busses zu sein, die den
Bus antreibt, wenn nicht klar ist, wohin er fährt? Wenn es tatsächlich keinen Ort gibt, auf den er zusteuert? Wenn es keinen Grund dafür gibt, dass er überhaupt irgendwo hinfährt?
Wo sollen wir dann einen ausreichenden Sinn und ein zufriedenstellendes
Ziel für unsere Existenz finden? Die Antwort lautet: in Gottes Sohn. Für ihn und zu seiner Freude wurde das Universum mit uns selbst darin geschaffen. Er wurde zum Erben aller Dinge ernannt – des materiellen Universums, all seiner Geschöpfe, seiner Geschichte und seines Fortschritts. Als allmächtiger und ewiger Sohn Gottes ist er allein groß und würdig genug, das ultimative Lebensziel des Einzelnen, der Menschheit und des Universums zu sein.4
Textlesung: Römer 8,18-25; Hiob 38,1-18
Durch die Macht seines Wortes trägt er das All. (Hebr 1,3; NeÜ)
Esgibt noch etwas, das Christus seit jeher getan hat und immer tun wird: Er erhält alle Dinge durch die Macht seines Wortes. Er erhält das Universum, das er selbst geschaffen hat, und zwar nicht wie ein totes Gewicht, das er hochhalten müsse, sondern in dem Sinne, dass er es voranbringt zu seinem endgültigen Ziel und seiner Bestimmung. Wissenschaftler sprechen von den Gefahren der Kernspaltung und dass der Mensch die Welt in die Luft jagt, auf der wir leben. Darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen. Denn es ist das mächtige Wort Christi, das die Existenz dieser Welt aufrechterhält und bewahrt. Man sagt uns, das Universum dehne sich aus. Sterne, die bereits Millionen Lichtjahre entfernt sind, bewegen sich ständig weiter weg von der Erde – und das mit gewaltiger Geschwindigkeit. Wohin geht das alles? Wo wird es enden? Tatsache ist: Gottes Sohn erhält alles aufrecht und führt es seiner Bestimmung zu.
Doch es gibt noch mehr. Er hat „das Opfer gebracht ..., das von Sünden reinigt“, so sagt die Heilige Schrift. In der Schlachter-Übersetzung heißt es, dass „er
die Reinigung von unseren Sünden durch sich selbst vollbracht hat“. Aber der Gedanke ist eigentlich noch größer als das. Es ist nicht nur eine Frage unserer Sünden – so schlimm und groß sie auch sind. Es geht um das gesamte verunreinigte und zerrissene Universum. Er hat alles geschaffen. Er erhält alles. Und als die Sünde alles verdarb, da kam er selbst, um es wieder in Ordnung zu bringen. Er ist kein bloßes Geschöpf, das an einem Universum herumdoktert, das es selbst nicht gemacht hat. Er ist der Schöpfer des Universums. Und er ist obendrein dessen Erlöser. Er hat das Werk vollbracht, das die letztendliche Versöhnung aller Dinge mit Gott möglich macht – „indem er Frieden gemacht hat durch das Blut seines Kreuzes – ... sei es, was auf der Erde oder was in den Himmeln ist“ (Kol 1,20).5
Textlesung: Jesaja 6,1-4; Johannes 12,41
Er, der Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und Abdruck seines Wesens ist. (Hebr 1,3; NeÜ)
Wirhaben über den Sohn Gottes in Bezug auf die Schöpfung nachgedacht. Doch wie ist er in sich selbst? Er ist der Abglanz von Gottes Herrlichkeit und das getreue Abbild seines [essenziellen] Wesens. Beachten Sie hier die Gegenwartsform. Hier handelt es sich um Dinge, die schon immer für Christus galten, die jetzt gelten und immer so sein werden. Er ist der Abglanz von Gottes Herrlichkeit. Keiner von uns hat jemals Gott den Vater gesehen. Nicht einmal Mose. Als Mose im Felsspalt stand und Gott all seine Herrlichkeit vorbeiziehen ließ, da sah Mose nicht den Einen, den wir als Gott den Vater kennen (2Mo 33,17-23). Er sah den Einen, der später Jesus von Nazareth wurde, der aber seit jeher und in alle Ewigkeit der Abglanz von Gottes Herrlichkeit ist. Er hat Gottes Herrlichkeit gezeigt, indem er das Universum schuf – und damit deutlich gemacht, dass Gott ein Gott der Farbe, der Musik, der Schönheit, der Erhabenheit und Macht ist. Durch Mose und sein Gesetz machte er Gott als einen Gott der moralischen Ordnung und Reinheit, der Gerechtigkeit und Heiligkeit bekannt. Aber in seiner
eigenen Menschwerdung, seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt hat er die Herrlichkeit des Vaters auf eine Weise geoffenbart, wie es nur der Sohn tun konnte. „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“, sagt der Apostel Johannes, „und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Einzigen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).
Nicht nur in seinen Taten, sondern in seiner eigenen Person ist er der Abglanz von Gottes Herrlichkeit. Jesaja blickte einmal in den Himmel hinauf, wo er den Herrn hoch und erhaben sah und sein Gewandsaum den Tempel ausfüllte. Die Serafim verhüllten ihre Köpfe und Füße, während sie riefen: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen.“ Jesaja sah, so berichtet er uns, „den König, den HERRN der Heerscharen“ (Jes 6,1-5). Johannes, der von Gottes Geist inspirierte Evangelist, ergänzt folgende Information: Die Person, die Jesaja dort sah, war der, den wir Jesus nennen (Joh 12,41). Er ist die Person der Trinität, die die Herrlichkeit Gottes offenbart. Er spiegelt sie nicht nur wider, so wie ein Spiegel die Lichtstrahlen der Sonne reflektiert, aber in sich selbst kein Licht hat. Vielmehr verhält es sich so: Genau wie die Sonnenstrahlen uns offenbaren, wie die Sonne ist, weil sie dasselbe Wesen besitzen wie die Sonne, so offenbart Christus Gott, weil er seinem tiefsten Wesen nach Gott ist.6
Textlesung: Johannes 17 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun. (V. 26)
Gottes Name, das heißt Gottes Charakter, ist unbegrenzt in seinem Reichtum und seiner Herrlichkeit. Daher dürfen Gottes Menschen keine geistlichen Kleinkinder bleiben. Sie müssen in die Gotteserkenntnis hineinwachsen, indem sie zu reifen Söhnen werden und immer mehr in ihrer Erkenntnis des Vaters und des Sohnes zunehmen. Zu diesem Zweck verpflichtet sich Christus nun mit dem Versprechen einer nie endenden Offenbarung: „Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun.“
Getreu diesem Versprechen macht Christus seiner Gemeinde hier auf der Erde den Namen des Vaters unablässig bekannt – in dem Maße, wie sie es ertragen kann. Dazu gebraucht er Gottes Wort ebenso wie die Erziehung und Erfahrung durch das Leben. Nur wenige Menschen sind in den Genuss eines nahezu perfekten menschlichen Vaters gekommen. Manche wurden durch entstellte Interpretationen von Vaterschaft, die ihnen ihre Eltern (vielleicht unbeabsichtigt) vermittelt haben, emotional geschädigt oder sogar tief verletzt. Es kann ein ganzes Leben dauern, bis Christus diese falschen Prägungen korrigiert und das Denken neu ausgerichtet hat. Noch wichtiger: Es kann ebenso lange dauern, unser Herz von der vollkommenen Fürsorge, der Versorgung, dem Mitgefühl, der Geduld und dem Erbarmen der Liebe des Vaters zu überzeugen und uns gewiss zu machen, dass das alles wunderbarer ist, als wir je zu träumen wagten. In ähnlicher Weise kann es lange dauern, bis Christus uns das unermüdliche Bemühen des Vaters bewusst gemacht hat, dass seine Kinder in der Heiligkeit wachsen – bis zu dem Punkt, an dem sie seiner eigenen Heiligkeit entsprechen –, koste es, was es wolle (Hebr 12,5-11).
Beachten Sie jedoch den Höhepunkt, auf den sich das Gebet Christi zubewegt. Er hat vor, die Seinen am Ende zu sich zu holen – dorthin, wo er ist. Dort wird er ihnen die unerschöpflichen Reichtümer zeigen, die bereits sein Eigen waren, bevor die Schöpfung ins Dasein gerufen wurde. Das Ziel dieser niemals endenden Offenbarung ist, dass seine Menschen immer tiefer das unendliche Ausmaß der Herrlichkeit ergründen, die Christus vom Vater gegeben wurde. Wenn sie das tun, werden sie diese Liebe mit immer größerem Staunen erkennen. Und dann wird über ihrer Anbetung der Liebe des Vaters zum Sohn die Stimme des Sohnes zu hören sein, der immer mehr vom Namen des Vaters offenbart. Eine Welle begeisterten Staunens und großer Freude wird sie dann erfüllen, während sie wieder und wieder begreifen – jedes Mal so, als wäre es etwas völlig Neues und Frisches –, dass der Vater sie ebenfalls liebt, und zwar so vollkommen, reichhaltig und grenzenlos, wie er den Sohn liebt. Und die Liebe Gottes wird in ihnen sein, und der Sohn Gottes wird für immer bei ihnen sein.7
Textlesung: Johannes 14,5-12 Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. (V. 9)
Christi Antwort an Philippus muss einen Ausdruck von Fassungslosigkeit und Unverständnis auf Philippus’ Gesicht hinterlassen haben. Denn der Herr fuhr fort: „Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Nimm doch die Worte, die ich zu euch rede, und die Wunderwerke, die ich vollbracht habe. Was denkst du denn, wie ich das tue, Philippus? Ich bin nicht die Quelle der Worte, die ich zu euch rede, noch der Werke, die ich tue. Der Vater, der in mir wohnt, ist die Quelle von beidem. Glaube mir, Philippus, dass ich im Vater bin und der Vater in mir ist. Oder wenn du mir einfach nicht glauben kannst, dann glaube mir auf der Basis eben jener Werke, die ich tue“ (vgl. V. 10-11).
Das muss ein wunderbarer Moment an diesem außergewöhnlichen Abend gewesen sein. Thomas und Philippus hatten gedacht, dass Gott weit, weit weg im Himmel sei. Nun fanden sie heraus, dass der Vater gewissermaßen in der Person Jesu am anderen Tischende saß. Den ganzen Abend lang hatten sie Jesu Worten gelauscht. Sie hatten sich über die Gnade und das Ehrfurchteinflößende in seinen Worten gewundert. Doch die ganze Zeit waren es die Worte des Vaters gewesen, die sie gehört hatten. Und dabei hatten sie Jesus ins Gesicht geschaut; sie hatten den Ausdruck von Liebe, Ermutigung und Trauer gesehen. Doch was sie in Jesu Gesicht eigentlich gesehen hatten, war das Licht der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. Johannes hatte sich sogar an Jesu Brust gelehnt. Die Liebe, die in jedem Herzschlag seiner Worte mitschwang, war die Liebe Gottes. War das wirklich Gott gewesen, der da nur wenige Augenblicke zuvor zu ihren Füßen gekniet und sie gewaschen hatte? War Gott so? Ja, ganz genau: „Die Worte, die ich zu euch rede, rede ich nicht von mir selbst; der Vater aber, der in mir bleibt, tut seine Werke. Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ So ist Gott. Gewiss hatten die Apostel dort im Obersaal nicht die äußerliche Herrlichkeit Gottes und Christi gesehen, so wie sie Johannes später in dieser Offenbarung sah, die ihm auf der Insel Patmos geschenkt wurde (siehe das Buch der Offenbarung). So werden alle
Menschen seines Reiches sie eines Tages sehen. Sie aber hatten tatsächlich in das Herz und die Gedanken des Vaters geblickt, seinen Charakter und seine Haltung, seine Worte und Werke gesehen. Christus hatte ihnen den Vater gebracht.8
in seinem Tod, seiner auferstehung und Himmelfahrt offenbart Christus den Vater
Textlesung: Johannes 16,17-33
Dies habe ich in Bildreden zu euch geredet; es kommt die Stunde, da ich nicht mehr in Bildreden zu euch sprechen, sondern euch offen von dem Vater verkündigen werde. (V. 25)
Stunde kam mit seinem Tod, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt. Seine Auferstehung demonstrierte deutlicher, als Worte es konnten, dass er der „Sohn Gottes in Kraft“ war (Röm 1,4). Seine Auferstehung demonstrierte außerdem, dass das Kreuz weder ein Unfall noch ein Desaster gewesen war. Es stand definitiv nicht im Widerspruch zum Wesen und Charakter Gottes. Tatsächlich war es sogar der klarste Ausdruck von Gottes Herz in der gesamten Weltgeschichte. Es war der Mittelpunkt von Zeit und Ewigkeit, den Gott durch seinen entschlossenen Ratschluss und seine Vorkenntnis vor der Grundlegung der Erde geplant hatte (1Petr 1,20; Apg 2,23). Es war in den Prophezeiungen des Alten Testaments vorausgesagt (Lk 24,25-27) und zu Gottes vorherbestimmter Stunde ausgeführt worden. Es war die mächtigste und tiefste Botschaft aus dem Herzen des Vaters, die der Mensch je erhoffen konnte oder die Gott je hätte ersinnen können. Es war über jede Fehlinterpretation erhaben.
Gott verfügt über absolute Allmacht. Aber die Bibel sagt nirgendwo, dass Gott Macht ist. Sie sagt, dass Gott Liebe ist. Wenn das also beschreibt, wie der Vater wirklich ist, wo könnten wir es besser wahrnehmen als im Kreuz Christi? „Hierin ist die Liebe Gottes zu uns offenbart worden, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Hierin ist die Liebe: Nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt
hat als eine Sühnung für unsere Sünden. ... dass der Vater den Sohn gesandt hat als Retter der Welt“ (1Jo 4,9-10.14). Aber auch damit würde Christus sich nicht zufriedengeben. Was wäre, wenn er den Charakter des Vaters auf Golgatha völlig offenbart hätte, wir aber nicht in der Lage wären, ihn zu erfassen? Um also seine klare und deutliche Offenbarung des Vaters zu Ende zu führen, schickte er nach seiner Himmelfahrt den Heiligen Geist zu jedem Einzelnen in seinem Volk. Dieser goss die Liebe Gottes in ihre Herzen aus, um sicherzustellen, dass sie diese Liebe persönlich erfassen und genießen können.9
Textlesung: Lukas 4,1-13 Und Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: „Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben.“ (V. 4)
DerErzählfluss in Lukas’ Geschichte – der Sohn Adams, der Sohn Gottes, wird vom Teufel in Bezug auf Essen in Versuchung geführt –, bringt uns gedanklich zurück zu der Geschichte, in der Adam aus Ungehorsam von dem Baum aß. Das wiederum beleuchtet unsere beiden Grundfragen weiter: Wer ist Jesus, und wozu ist er gekommen? Er ist der zweite Mensch, gekommen, um zu triumphieren, wo der erste Mensch versagte. Er ist dazu bestimmt, in seiner Auferstehung der Beginn und das Oberhaupt einer neuen Menschheit zu sein, so wie Adam der Beginn und das Oberhaupt der alten war. Doch die erste Versuchung zeigt bereits den Unterschied zwischen Jesus und dem ersten Menschen: „Wenn du Gottes Sohn bist“, sagte der Teufel, „so sprich zu diesem Stein, dass er Brot wird“ (V. 3). Selbstverständlich hätte ein solcher Vorschlag für Adam niemals eine Versuchung dargestellt, genauso wenig wie für jeden von uns. Adam verfügte nicht über die Macht, Steine in Brot zu verwandeln, noch hat irgendein anderer Mensch sie seither besessen. Für Christus lag im Gegensatz dazu das ganze Ausmaß dieser Versuchung in der Tatsache, dass er als Sohn Gottes sehr wohl die Macht besaß, Steine in Brot zu verwandeln, wenn er gewollt hätte. Er antwortete
dem Teufel nicht: „Sei kein Dummkopf: Ich habe nicht die Macht, Steine in Brot zu verwandeln.“ Stattdessen erwiderte er: „Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben.“ Das griechische Wort, das Lukas hier für „Mensch“ verwendet, beschreibt das Wesen des Menschen. Christi Antwort weist daher darauf hin, dass er zwar in der Tat der Sohn Gottes ist, zugleich jedoch auch Mensch. Er beabsichtigt daher, zu den Bedingungen zu leben, die für einen Menschen, für einen Sohn Adams, richtig und angemessen sind.
Und so wurde der erste Sieg errungen. Dabei handelte es sich allerdings nicht um einen Sieg der bloßen Askese. Menschliches Leben benötigt zu seiner Erhaltung mehr als Brot, wenn es wahres Leben und nicht nur eine Form lebendigen Todes sein soll: Es hängt ab von Gottes Wort und von Gemeinschaft mit ihm in liebevollem Gehorsam gegenüber diesem Wort. In der Wüste ließ Gott zu, dass Israel hungerte (vgl. 5Mo 8,3). Dann gab er das Manna, damit das Volk lernte, dass der Mensch nicht nur von Brot allein lebt, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund hervorgeht. Nach vierzig Tagen des Fastens in der Wüste ist Christus nun hungrig. Doch er ordnet sich bereitwillig dem geschriebenen Wort – „Es steht geschrieben“ – unter. Er weigert sich, unabhängig von Gottes Wort, das ihm ins Herz gesprochen wurde, zu essen.10
Textlesung: Hebräer 2,1-9
Jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen. (V. 8)
sehen wir diesem Menschen noch nicht alles unterworfen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Gott sein ursprüngliches Ziel verworfen hätte. Die Sünde hat alles verdorben, und der Mensch hat in seiner Torheit und seinem Ungehorsam viel von seiner Herrschaft verloren. Aber Gott gibt sich nicht geschlagen. Ganz im Gegenteil. In seinem ursprünglichen Plan war der Menschen bewusst dazu geschaffen worden, ein wenig niedriger als die Engel zu sein.
Vielleicht lag das daran, dass die Erschaffung des Menschen Gottes strategische Antwort auf die Rebellion war, die in der unsichtbaren Welt ausgebrochen war, zu der die Engel von Natur aus gehören. Wer weiß? Doch Satan verführte schon sehr früh und erfolgreich Gottes Vizekönig, den Menschen. Er brachte ihn auf einen Kurs der Illoyalität und Rebellion gegen eben jenen Gott, als dessen Ebenbild er geschaffen war. Da wurde die Weisheit in Gottes Strategie, den Menschen ein wenig unter die Engel zu erniedrigen, schließlich offenbar. Engel in dem ihnen angemessenen Stand heiraten nicht und zeugen auch keine Nachkommen. Der Mensch kann beides. Und das machte Gottes lange im Voraus geplanten strategischen Schachzug möglich, durch den er selbst als Mensch in unsere Welt hineingeboren wurde. So konnte er als Mensch den Feind besiegen und Gottes ursprünglichen Plan mit der Menschheit siegreich verwirklichen.
Schon jetzt, so sagt unser Autor, sehen wir die erste Etappe dieses Plans erfüllt: „Doch Jesus sehen wir“ (NeÜ). Beachten Sie seinen Namen: Es ist ein menschlicher Name, ein hebräischer Name, der ihm von menschlichen Eltern entsprechend der Anweisung eines Engels gegeben wurde. „Doch Jesus sehen wir bereits, der für kurze Zeit geringer als die Engel gemacht wurde“ (V. 9; NeÜ) –genau wie der erste Mensch, Adam, es gewesen war. Er hat Fleisch und Blut angenommen und ist geworden, was Engel nie waren und niemals sein werden: ein Mensch. Und sehen Sie dann, wie er als Baby in einer primitiven Krippe in einem unbekannten Dorf namens Bethlehem liegt, scheinbar hilflos. Aber nehmen Sie nicht an, das sei irgendetwas, wofür man sich schämen müsste! Das ist ein enormer Fortschritt für die Menschheit. Es ist der erste Schritt auf dem Weg zur Erlösung und der triumphalen Verherrlichung des Menschen.11