Ein einzigartiger Reiseführer durch das Heiligtum des Neuen Testaments
Heinrich Töws
Das Licht der Welt (Johannes 8,12-59)
Das Licht scheint weiter (Johannes 9)
Unruhe im Synedrium (Johannes 11,45-57)
Unruhe vor der Stadt (Markus 11,11; Lukas 19,37-44; Johannes 12,17-19)
Unruhe in der Räuberhöhle (Matthäus 21,12-17; Markus 11,11.15-19; Lukas 19,45-48)
Die Räuber fragen nach der Vollmacht (Matthäus 21,12-23; Lukas 20)
Zwei kleine Kupfermünzen (Markus 12,41-13,2; Lukas 21,1-6)
Hannas, Kajaphas und Judas (Lukas 22,53-71; vgl. Matthäus 27,1; Markus 15,1)
Abb. 1: Ein erster Überblick der Tempelanlage (1:1000 Modell), Blick aus dem Süden
Abb. 2: Die wichtigsten Bezirke der Tempelanlage (1:1000 Modell)
Abb. 3: Die wichtigsten Gebäude rings um das Tempelhaus (1:1000 Modell)
Abb. 4: Überblick aus dem Nord-Westen (1:1000 Modell)
Abb. 5: Das 1:200 Modell der Dauerausstellung in Bielefeld mit Blick von Nord-Ost
Abb. 6: Das 1:200 Modell mit Blick von Süd-West
Abb. 7: Die Topografie des Tempelbergs und die Geschichte seiner Bebauung
Abb. 9: Das Innere des Tempels
Abb. 11: Schöne Pforte und Tunnel zur
Abb. 15: Ein Blick hinab
Abb. 16: Südblick
Abb. 18: Blick in die Königliche Säulenhalle (Sitz des Synedriums)
Abb. 19: Die Fläche zwischen dem 500-Ellen-Quadrat und der Königlichen Säulenhalle.
Abb. 20: Blick auf das 500-Ellen-Quadrat von Nord-Ost
Abb. 21: Der innere Vorhof
Abb. 22: Nördliche Seite der Tempelanlage mit Israel-Teich, Nordturm, Burg Antonia und Schaftor
Abb. 23: Der nördliche Vorhof der Heiden mit Blick auf die Burg Antonia
Abb. 24: Vorhof der Frauen und der nördliche Vorhof der Heiden
Abb. 25: Die Leuchter bei Nacht – und ein Blick über die Ostgalerie durch das Nikanor-Tor auf den Altar
Abb. 26: Die Anklage der ertappten Ehebrecherin
Abb. 27: Palmsonntagsprozession, im Modell entlang der Ostmauer dargestellt.
Abb. 28: Die Säulenhalle Salomos
Abb. 29: Ost-Ende der Königlichen Säulenhalle (inkl. Zinne des Tempels)
Abb. 30: Ein Blick über den Soreg (Zwischenwand der Umzäunung)
Abb. 31: Opferkästen im Vorhof der Frauen (Schatzkammer)
Abb. 32: Zwei originale Lepta, wie die Witwe aus dem biblischen Bericht sie in den Opferkasten warf
Abb. 33: Das Synedrium (von oben) mit Jesus in der Mitte
Abb. 34: Das West-Tor
Abb. 35: Das Nikanor-Tor mit dem Podium des Leviten-Chores
Abb. 36: Judas im inneren Vorhof
Abb. 37: Eine Nachbildung der „Zwischenwand der Umzäunung“
Abb. 38: Der Tempelplatz und die Stadt Jerusalem zur Zeit des Neuen Testaments
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Vorwort: Ziel und Aufbau des Buches
Ziel und Aufbau des
Das Buch „Der Tempel des Messias“ zeigt uns das Leben unseres Herrn Jesus aus einer einzigartigen
Perspek tive. Ursprünglich als Begleitbuch zu unserem Tempelmodell1 konzipiert, beschreibt es das Leben Jesu in Jerusalem und bringt faszinierende Details und Zusammenhänge ans Licht. Ziel ist es, in Verbindung mit dem dreidimensionalen Modell die neutestamentlichen Ereignisse rund um den Tempel in Jerusalem in der Vorstellung des Lesers lebendig werden zu lassen. Dank der vielen Fotos und Detailaufnahmen lässt sich der Band auch dann noch mit Gewinn lesen, wenn gerade kein Tempelmodell verfügbar ist.
• In der Einführung wird dargelegt, wie die Geschichte des „Zweiten Tempels“ nach der babylonischen Gefangenschaft begann. Es wird gezeigt, welche Enttäuschungen, Sehnsüchte und schließlich Verheißungen mit diesem Tempel verbunden waren, wie der Bau unter Herodes zu seiner Größe kam, und wie der Messias
Buches
schließlich zum ersten Mal im Inneren dieses Tempels angekündigt wurde.
• Teil 1 berichtet chronologisch von den Ereignissen, die mit der Offenbarung des menschgewordenen Sohnes Gottes im Tempelbezirk zusammenhängen.
• In Teil 2 wird diese Geschichte fortgeführt. Hier geht es darum, wie sich der auferstandene Herr, verkörpert durch seine Gemeinde, auf dem Tempelgelände offenbarte, um dem Volk Israel die Möglichkeit zur Umkehr zu bieten. Hier entdecken wir den „Umzug“ der Herrlichkeit Gottes aus dem steinernen Tempel in den lebendigen Organismus der Gemeinde Jesu, bis der steinerne Tempel schließlich jegliche Bedeutung verliert und vernichtet wird, während der „Tempel aus Fleisch und Blut“ sich über die ganze Welt verstreut, ausbreitet und wächst.
1 Das in diesem Buch erwähnte „Tempelmodell“ ist das vom CMV (Bielefeld) anhand der Pläne des Archäologen Leen Ritmeyer entwickelte und hergestellte Modell des Herodianischen Tempels. Das Modell im Maßstab 1:200 ist Teil der Dauerausstellung im Seminarzentrum der Mennoniten-Gemeinde Bielefeld (siehe http://bibel-expo.de). Das kleinere Modell im Maßstab 1:1000 lässt sich seit dem Jahr 2022 auch für den privaten Gebrauch käuflich erwerben. Für weitere Info dazu siehe https://bibel-expo.de/tempelmodell-im-koffer (QR-Code).
• Das Nachwort rundet das Buch mit einem kurzen Rückblick und einem kleinen Ausblick ab. Ohne die Thematik eines zukünftigen Tempels im irdischen Jerusalem aufzugreifen, wird hier ein Sprung in das neue, ewige Jerusalem gemacht. In dieser Stadt ist kein Tempel mehr zu sehen – denn Gott selbst ist der ewige Tempel der Erlösten, „und das Lamm“.
Die zahlreichen in die Erzählung eingeflossenen Hintergrundinformationen sind fast ausschließlich dem Buch „Der Messias im Tempel“ von Roger Liebi entnommen worden. Um die Erzählung lesefreundlich zu gestalten, wurde auf eine detaillierte Angabe der Seitenzahlen dieser Quelle verzichtet. Wer sich näher mit der Thematik beschäftigen will, kommt um die Lektüre dieses Buches2 kaum herum.
2 Liebi, Roger: Der Messias im Tempel, CLV, ISBN 9783893976416
Abb. 1: Ein erster Überblick der Tempelanlage (1:1000 Modell), Blick aus dem Süden
Schaftor
Burg Antonia (Kaserne)
West-Tor
Robinson-Bogen
Tempelhaus
Vorhof der Frauen
Zugang zum
Ost-Tor
Östliche Stadtmauer
Hulda-Tore
Zinne des Tempels
Schöne Pforte
Dreifach-Tor der Priester
Kidron-Tal
Abb. 2: Die wichtigsten Bezirke der Tempelanlage (1:1000 Modell)
Königliche Säulenhalle
500-Ellen-Quadrat
Soreg = „Zwischenwand der Umzäunung“
Innerer Hof
VorhofderHeiden
Vorhof der Frauen
Israel-Teich
Abb. 3: Die wichtigsten Gebäude rings um das Tempelhaus (1:1000 Modell)
1 Ost-Tor zum Vorhof d. F.
2 Vorhof der Frauen
3 Chor-/Orchester-Podium
4 Nikanor-Tor 5 Musiker-Tor
6 Opfer-Tor 7 Haus des Feuerherds
Blick vom Norden
Blick vom Süden
Abb. 4: Überblick aus dem Nord-Westen (1:1000 Modell)
Sitz des Synedriums
Säulenhalle
Salomos
KöniglicheSäulenhalle
Klagemauer
West-Tor
Barclay-Tor
RobinsonBogen
Warren-Tor Wilson-Bogen
Abb. 5: Das 1:200 Modell der Dauerausstellung in Bielefeld mit Blick von Nord-Ost
Tor der Vergeltung
Ost-Tor
Abb. 6: Das 1:200 Modell mit Blick von Süd-West
Einführung: Sehnsucht nach größerer Herrlichkeit
Ein neuer Anfang (Esra 3)
Jerusalem, 537 v. Chr. – Die Priester haben ihre feierlichen Gewänder angezogen. Ihre blank polierten
Trompeten funkeln in der Sonne. Die Leviten stehen mit den Zimbeln daneben. Gemeinsam stimmen sie einen Wechselgesang zu Gottes Ehre an. Laut singen sie: „Der HERR ist gütig, und seine Gnade währt ewiglich über Israel!“ Das Volk, das um sie her steht, bricht in Jubel aus: „Der Grundstein des neuen Hauses Gottes ist gelegt!“
Eine ausgelassen fröhliche Stimmung bricht sich Bahn. Die aus dem Exil heimgekehrten Juden jubeln laut und lachen vor Freude. Zumindest die Jüngeren unter ihnen. Den Alten dagegen ist nicht nach Lachen zumute. Während sie dabei zuschauen, wie die Bauleute den Grundstein sorgfältig an seinen Platz legen, füllen sich ihre Augen mit Tränen. Vor ihrem inneren Auge taucht der prächtige Tempel auf, den einst der große König Salomo erbaut hat. Ein halbes Jahrhundert ist es nun her, dass dieses
herrliche Haus nicht mehr an seinem Platz steht. Sie selbst waren noch Kinder, als das Unglaubliche sich vor ihren Augen vollzog: Der herrliche Tempel ihres Gottes, der fast vier Jahrhunderte lang ihre geliebte Hauptstadt schmückte, der Stolz Jerusalems, wurde geplündert und den Flammen übergeben. Sie selbst wurden in ein fremdes Land entführt. Nun stehen sie wieder hier, und die alten Erinnerungen werden wach. Der Grundstein vor ihren Augen erscheint so klein, so nichtig im Vergleich zu dem Tempel ihrer Kindheit. Sie selbst sind erst im vorigen Jahr in ihre verwüstete Heimat zurückgekommen. Nur ein kleiner Rest ist von ihrem Volk übrig geblieben. Ein Überrest ohne Geld, ohne Glanz, ohne Macht, ohne König. Wie sollten sie in der Lage sein, einen Tempel zu erbauen, der auch nur annähernd an die Herrlichkeit des ersten Tempels heranreichen konnte?
Eine größere Herrlichkeit (Haggai 2)
Jerusalem, 520 v. Chr. – Viele der alten Juden, die bei der Grundsteinlegung des Tempels Tränen vergossen haben, sind nicht mehr am Leben. Sie sind gestorben, ohne den neuen Tempel gesehen zu haben – denn dieser ist immer noch nicht fertig. Aufgrund der Widerstände seitens ihrer Nachbarn haben die Bewohner Jerusalems aufgehört, den Tempel zu bauen. Stattdessen verschönern sie ihre eigenen Häuser. Das Haus ihres Gottes ist in Vergessenheit geraten...
Doch dann steht der Prophet Haggai vor ihnen.
Laut spricht er im Namen Gottes zu allen anwesenden Männern Judas: „Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht so viel wie nichts in euren Augen?“
Die Alten nicken zustimmend. Mehr als 15 Jahre sind ins Land gegangen, doch viel mehr als den Grundstein des Tempels haben sie nicht gesehen. Aber Haggai redet weiter und richtet sich zuerst an
den Statthalter und an den Hohenpriester: „Aber nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; auch du Jeschua, sei stark, du Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und alles Volk des Landes, seid stark, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen.“
Dann spricht Haggai von der Treue Gottes zu seinem Volk und von seinen zukünftigen Plänen. Am Ende seiner Rede gibt der Prophet dem ganzen Volk eine wunderbare und ermutigende Aussicht: „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben!, spricht der HERR der Heerscharen.“
Mutig machen sich die Männer an die Arbeit. Vier Jahre später ist der neue Tempel vollendet.
Doch die „größere Herrlichkeit“ lässt auf sich warten. Stattdessen gibt Gott eine weitere Verheißung im Hinblick auf diesen Tempel, bevor er sich für vier Jahrhunderte in Schweigen hüllt.
Die Wohnstätte der
Herrlichkeit Gottes im Lauf der Geschichte
1.
Gottes Herrlichkeit
(in Gestalt einer Wolkensäule) begleitet das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten auf dem Weg durch die Wüste.
2.
Gottes Herrlichkeit
(in Gestalt einer Wolkensäule) nimmt Wohnung in der Stiftshütte und thront auf der Bundeslade. Gott selbst entzündet das Feuer auf dem Altar.
3.
Gottes Herrlichkeit verlässt die Stiftshütte. Die Bundeslade wird von der Stiftshütte getrennt und zieht nie wieder dort ein.
4.
Gottes Herrlichkeit (in Gestalt einer Wolkensäule) nimmt Wohnung im Tempel und thront auf der Bundeslade. Gott selbst entzündet das Feuer auf dem Altar.
2. Mose 13,21: Und der HERR zog vor ihnen her, am Tag in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie bei Tag und bei Nacht ziehen konnten.
2. Mose 40,34: Da bedeckte die Wolke die Stiftshütte, und die Herrlichkeit des HERRN er füllte die Wohnung. (Vgl. 3. Mose 16,2b)
2. Mose 16,10b: ... und siehe, die Herrlichkeit des HERRN erschien in der Wolke.
3. Mose 9,23b-24: Da erschien die Herrlichkeit des HERRN [...] und es ging Feuer aus von dem HERRN und verzehrte das Brandopfer [...] auf dem Altar. Als das ganze Volk dies sah, jubelten sie und fielen auf ihr Angesicht.
1. Samuel 4,21-22: Und sie nannte den Knaben Ikabod und sprach: Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen!, weil die Lade Gottes weggenommen worden war, und wegen ihres Schwiegervaters und ihres Mannes. Und sie sprach wiederum: Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen, denn die Lade Gottes ist weggenommen!
(Vgl. Psalm 78,60-61)
1. Könige 8,6-11: Und die Priester brachten die Bundeslade [...] in das Allerheiligste [...]. Und es geschah, als die Priester aus dem Heiligtum hinausgingen, da erfüllte die Wolke das Haus des HERRN [...].
2. Chronik 7,1: [...] da fiel Feuer vom Himmel und verzehrte das Brandopfer [...]. Und die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus...
5.
Gottes Herrlichkeit verlässt den Tempel, der dann zerstört wird. Die Bundeslade verschwindet spurlos und zieht nie wieder in den Tempel ein.
Hesekiel 11,23: Und die Herrlichkeit des HERRN stieg auf, mitten aus der Stadt, und blieb stehen auf dem Berg, der östlich von der Stadt liegt.
2. Chronik 36,19: Und sie verbrannten das Haus Gottes und rissen die Mauer von Jerusalem nieder und verbrannten alle ihre Paläste mit Feuer, so dass alle ihre kostbaren Geräte zugrunde gingen .
6.
Der zweite Tempel entbehrt Gottes Herrlichkeit. Sie zieht nicht hinein, und von der Bundeslade fehlt jede Spur. Das Feuer auf dem Altar wird nicht von Gott entzündet.
Haggai 2,3: Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht so viel wie nichts in euren Augen?
Haggai 2,9: Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben! [...]
7.
Gottes Herrlichkeit besucht den zweiten Tempel in Gestalt des Herrn Jesus Christus und wird dort abgelehnt und verworfen.
8.
Der Tempel in Jerusalem ist zerstört, die Bundeslade verschollen. Gottes Herrlichkeit aber (=Jesus Christus) wohnt heute in seiner Gemeinde!
Johannes 1,14: Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Matthäus 21,42: Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr noch nie in den Schriften gelesen: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. [...]«?
Epheser 2,19-22: So seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge ohne Bürgerrecht und Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, auferbaut auf der Grundlage der Apostel und Propheten, während Jesus Christus selbst der Eckstein ist, in dem der ganze Bau, zusammengefügt, wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn, in dem auch ihr miterbaut werdet zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Ein plötzlicher Besuch wird angekündigt (Maleachi 3)
Jerusalem, um 400 v. Chr. – Der neue Tempel gehört
seit langem zum Stadtbild Jerusalems. Keiner der Einwohner kann sich an eine Zeit erinnern, in der es ihn nicht gab. Doch das Volk ist träge geworden.
Der Dienst im Haus Gottes bedeutet ihnen nicht viel – auch den Priestern nicht. Von „Herrlichkeit“ kann keine Rede sein. Die guten Tiere sind zu schade zum Opfern. Die blinden und lahmen Schafe sind gerade gut genug dafür. Und den Zehnten der Ernte solchen halbherzigen Leviten und Priestern zur Verfügung zu stellen, scheint dem Volk eine unerträgliche Belastung zu sein.
Mitten in diese Not hinein ruft der Prophet Maleachi die Worte Gottes: „Siehe, ich sende meinen
Boten, der vor mir her den Weg bereiten soll; und plötzlich wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den ihr sucht; und der Bote des Bundes, den ihr begehrt, siehe, er kommt!, spricht der HERR der Heerscharen.“
Vierhundert Jahre später ist es endlich so weit. Er –der Herr – kommt zu seinem Tempel. Doch bevor er kommt, sorgt ausgerechnet einer seiner bittersten Feinde für einen „würdigen“ Empfang. Ausgerechnet der Kindermörder von Bethlehem, Herodes der Große, lässt den schlichten „zweiten Tempel“ in einen gigantischen Gebäudekomplex verwandeln, wie ihn die Welt bis dahin nicht gesehen hat.
Ein sonderbarer Bauherr
Jerusalem, um 20 v. Chr. – Herodes der Große befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Um diese zu sichern, ist ihm kein Opfer zu groß. Jeder, der ihm gefährlich erscheint, wird gnadenlos aus dem Weg geräumt.
Doch Herodes ist nicht nur skrupellos und machtgierig, er ist auch bauwütig. Er macht sich einen Namen durch den Bau monumentaler Gebäude – in Jerusalem, Cäsarea, Sebaste, Jericho, aber auch in Athen, Sparta und Rhodos. Mitten in der Wüste lässt er die Festungen Massada, Machärus und Herodion entstehen. Als machtgierige Bestie hat er sich beim jüdischen Volk 15 Jahre lang verhasst gemacht. Um nun einen Ausgleich zu schaffen, wirft er seine kreative Seite in die Waagschale, indem er versucht, sich als genialer Baumeister und Gönner des jüdischen Tempels beliebt zu machen. Aus seinen unermesslichen Schätzen und enormen Einkünften bietet er den Juden an, ihren Tempel auszubauen und zu einem herrlichen Bauwerk zu machen.
Die Juden stimmen zu – unter der Bedingung, dass nichts am bestehenden Gebäude abgerissen
wird, solange nicht zuvor das benötigte Baumaterial bereitgestellt worden ist. Herodes lässt es an nichts fehlen: 1000 Wagen werden herbeigeschafft, um die Steine anzufahren. 10.000 erfahrene Handwerker werden eingestellt. 1000 Priester werden als Steinmetze oder Zimmerleute ausgebildet und ausgestattet.
Nach dreijähriger Vorbereitung wird der Umbau in Angriff genommen. Weitere eineinhalb Jahre später ist das neue ä Tempelhaus fertiggestellt. Die prachtvolle ä Fassade aus weißem Marmor und blankem Gold ragt stolze 52,5 m in die Höhe. Die zahlreichen weiteren Gebäude nehmen acht Jahre in Anspruch. Nördlich des Tempelhauses wird ein Tal zugeschüttet, um die Fläche der Tempelplattform zu verdoppeln. Auch nach Westen und Süden wird der Tempelplatz erweitert. Im Osten begrenzt das ä Kidron-Tal mit seinen steilen Hängen den Mauerverlauf und lässt keine Erweiterung zu.
Auch nach den acht Jahren der grundlegenden Arbeit am Tempel wird weitergebaut, aber endgültig „fertig“ wird der Tempel erst im Jahr 64, also sechs Jahre vor seiner Zerstörung.
Tempelhaus: Abb. 1, 3, 13, 38
Fassade: Abb. 21, 25, 36
Kidron-Tal: Abb. 1, 2, 4, 38
Nachwort: Die gestillte Sehnsucht
Die gestillte Sehnsucht
Vor etwa 3000 Jahren zeigte Gott dem König David den Platz, an dem sein Sohn Salomo den Tempel bauen sollte. Seine Sehnsucht nach tiefer, inniger und immerwährender Gemeinschaft mit Gott in seinem Tempel bringt David besonders eindrucksvoll im 27. Psalm zum Ausdruck (V. 4): „Eines erbitte ich von dem HERRN, nach diesem will ich trachten: dass ich bleiben darf im Haus des HERRN mein ganzes Leben lang, um die Lieblichkeit des HERRN zu schauen und ihn zu suchen in seinem Tempel.“
Bleiben im Hause des Herrn… Dabei war es dem König David gar nicht vergönnt worden, den Tempel zu bauen.
Leider waren Davids Nachkommen nicht von demselben Wunsch beseelt wie ihr großes Vorbild.
Die Herrlichkeit Gottes, die in dem von Salomo erbauten Tempel weilte, verließ denselben nach weniger als 400 Jahren26. Der Tempel wurde der Plünderung und der Zerstörung durch die Babylonier preisgegeben.
Als die Juden 70 Jahre später unter der Führung Serubbabels den zweiten Tempel einweihten, trauerten sie der Herrlichkeit des ersten Tempels nach.
26 vgl. Hesekiel 9-11 (11,23)
Sie sehnten sich nach größerer Herrlichkeit – denn der neue Tempel war weder von außen herrlich, noch zog die Herrlichkeit Gottes (in der Gestalt einer Wolke) jemals in seinem Inneren ein. Der Prophet Haggai prophezeite ihnen, dass dieser Tempel eines Tages tatsächlich zu einer größeren Ehre und Herrlichkeit kommen sollte, und dass der Herr Frieden geben würde an diesem Ort.27 Durch Maleachi kündigte Gott seinen persönlichen Besuch in diesem Tempel an28 – doch als er 400 Jahre später „in sein Eigentum kam, nahmen die Seinen ihn nicht auf“. 29 Vom Glanz der äußeren Herrlichkeit des herodianischen Bauwerks geblendet übersahen die Menschen die wahre Herrlichkeit Gottes, die sie in der Gestalt eines Nazareners besuchen kam.
Gottes Volk Israel lehnte die Gemeinschaft mit seinem Gott ab und verwarf den Sohn Gottes, der in der Gestalt des Menschensohnes in seinem Tempel auftrat. Von da an zog die Herrlichkeit Gottes um in einen Tempel aus Fleisch und Blut: Durch seinen Heiligen Geist nimmt Gott bis heute Wohnung in den Menschen, die seinen Sohn Jesus Christus in ihr Herz aufgenommen haben und macht die Ge -
27 Haggai 2,9
28 Maleachi 3,1
29 Johannes 1,11
meinde zu seiner persönlichen Wohnstätte auf dieser Erde.
Der zweite Tempel in Jerusalem hat ausgedient.
Knapp 600 Jahre nach seiner Errichtung wurde er – genau wie der erste – der Vernichtung preisgegeben und bis heute nicht wieder aufgebaut.
Während die Thora-gläubigen Juden sich nach der Wiedererrichtung des Tempels im irdischen Jerusalem sehnen, richtet sich die Sehnsucht der Gemeinde Jesu Christi auf ein neues, himmlisches Jerusalem, in dem es keinen Tempel geben wird. Diese ganze Stadt wird eine heilige Wohnstätte Gottes sein und Gott selbst wird ihr „Tempel“ sein
(Offenbarung 21,10-12+22-23): „Und er brachte mich im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, die von Gott aus dem Himmel herabkam, welche die Herrlichkeit Gottes hat. Und ihr Lichtglanz gleicht dem köstlichsten Edelstein, wie ein kristallheller Jaspis. Und sie hat eine große und hohe Mauer und zwölf Tore [...] Und einen Tempel sah ich nicht in ihr; denn der Herr, Gott der Allmächtige, ist ihr Tempel, und das Lamm. Und die Stadt bedarf nicht der Sonne noch des Mondes, dass sie in ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm.“
... denn der Herr, Gott der Allmächtige, ist ihr Tempel, und das Lamm...
Anhang
Anhang
1: Erwähnung des Tempelhauses im Neuen Testament
Im griechischen Neuen Testament gibt es zwei Worte, die mit „Tempel“ übersetzt werden können. Das Wort hieron hat dabei einen allgemeinen Charakter und bezeichnet die gesamte Tempelanlage. Das Wort naos dagegen bezieht sich auf das eigentliche ä Tempelhaus.
Die folgende Auflistung nennt alle 40 Vorkommen von naos im Neuen Testament: