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CHRISTMAS of SofiesWeihnachten

Für meinen Mann.

Auf noch viele, viele gemeinsame

Weihnachten.

„IN THE BLEAK MIDWINTER”

Sofie

„Oh, Mist.“ Sofie betrachtete ihre Teetasse mit dem längst vergessenen Schwarzteebeutel, den sie schon vor einer Viertelstunde aus der Tasse hatte nehmen wollen. Bevor der Anruf einer besorgten Mutter hereingekommen war, die sie hatte beruhigen müssen, dass ihre Tochter sich ganz normal entwickelte – und nein, es sei kein Zeichen von besonderem

Förderbedarf, wenn diese manchmal unkonzentriert an den Hausaufgaben saß.

Typisch. Natürlich hatte sie über das Gespräch

ihren Tee vergessen – dabei hatte sie sich so darauf gefreut. Trotzdem nahm sie nun den Beutel heraus und nippte am Tee. Total bitter, wie nicht anders zu erwarten. Mit einem Seufzer goss sie den Rest der dunklen Flüssigkeit in den Abfluss des Spülbeckens.

Luke hätte ihn mir im Vorbeigehen längst rausgenommen, schoss es ihr kurz durch den Kopf.

Immer mal wieder vermisste sie die guten alten

WG-Zeiten, als sie während ihres Referendariats mit ihrer Mitbewohnerin Luke eine kleine Wohnung geteilt hatte. Diese Zeit hatte zu einer besonderen Freundschaft geführt – auch wenn es nicht immer leicht gewesen war, besonders weil Luke so einiges hatte durchmachen müssen. Doch das tägliche Miteinander, wenn man den anderen und dessen Gewohnheiten einfach kannte und froh war, nach einem harten Tag in der Schule jemand zum Reden zu haben, das vermisste Sofie.

Mittlerweile wohnte sie allein. Und auch wenn das an sich okay war, war es ihr manchmal zu still. Niemand, mit dem man sich kurz austauschen, den

Tag besprechen konnte. Telefonate konnten das einfach nicht ersetzen und anderen Leuten wollte Sofie ihr Alltags-Chaos nicht unbedingt zumuten. Nachdem die WG-Zeit mit Luke eine ganz besondere gewesen war, hatte sie nicht so recht den Elan gehabt, es auf ein Neues zu versuchen.

War sie zu ängstlich, ihr Herz zu öffnen? Sofie hielt sich sehr gerne beschäftigt. Es gab immer was zu tun – sei es privat in ihrem Umfeld, der Kirchengemeinde oder für die Schule, den Unterricht, die Kinder dort … Jetzt in der Weihnachtszeit hatte sie einen Adventskalender mitgebracht und auf ihre Klassenstärke ausgelost, 28 an der Zahl. Ja, natürlich gab es eigentlich nur 24 Säckchen zum Öffnen auf dem Weg zum Weihnachtsfest – aber Sofie hatte kurzerhand vier Säckchen mehr gebastelt und einfach schon Ende November mit dem Countdown begonnen … und nun war es fast so weit.

Mit dem Ferienbeginn wollte sie zu ihren Eltern aufbrechen, die im Südwesten von Bayern lebten, fast schon an der Grenze zu Baden-Württemberg. So verbrachte sie alle Jahre ihren Heiligabend. Umgeben von ihrer Schwester, deren Partner und in diesem Jahr – die Sensation schlechthin – dem ers-

ten Enkelkind: die kleine Nele. Ein warmes Gefühl

breitete sich in ihrer Brust aus, wenn sie an die winzigen Händchen und Pausbacken ihrer nun durch die Gegend krabbelnden Nichte dachte. Mit einem kleinen Kind im Haus wurde Weihnachten wieder um einiges magischer.

Ansonsten hatte sie einen Berg an Vorbereitungen für das schon bald zu erstellende Zwischenzeugnis zu erledigen und ihre Freunde waren Weihnachten natürlich ebenso mit ihren Familien beschäftigt. Luke und deren Mann Levi, den Sofie ebenfalls aus ihrer Studienzeit kannte, als sie sich noch als bunt gemischter Studentenhaufen zum Hauskreis in ihrem Wohnzimmer trafen, würden traditionell zu seinen Eltern fahren. Das lag leider in einer anderen Richtung, so konnten sie sich schlecht treffen. Seit

Sofie nach ihrem Referendariat eine Stelle an einer neuen Schule begonnen hatte, wohnten sie leider ein ganzes Stück auseinander. Zumindest zu ihren

Eltern war es nun nicht mehr so weit. Und zu ihrer Schwester und der süßen Nele. Aber früher war es so schön gewesen, mal eben auf einen Tee bei Luke und Levi vorbeizugehen. So hatte Sofie ihre besten Freunde aus der Zeit in

Regensburg trotz deren Heirat und den damit einhergehenden Veränderungen trotzdem häufig sehen können. Aber Zeiten ändern sich …

Ein Gefühl der Traurigkeit überkam Sofie plötzlich. Selten ließ sie dieses Gefühl zu, das von einem Moment auf den anderen ihr Herz umklammern und zielsicher zukneifen konnte. Erst letztens hatte ihre Mutter im Telefonat wieder mal durch die Blume gefragt, ob sie denn niemanden „kennengelernt“ habe. Und damit meinte sie natürlich Schwiegersohn-Material.

Und obwohl Sofie eigentlich davon überzeugt war, dass es nicht nötig war, das Klischee von Heirat und Familie zu erfüllen, um ein erfülltes Leben zu haben, hätte sie ihrer Familie trotzdem gern verkündet, dass ihr 1,90 m blonder Traumprinz soeben auf einem weißen Ross mit Ring in der Tasche vorbeigekommen war und ihr einen blumigen Antrag gemacht hatte. Doch solche News gab es in ihrem Leben nicht.

Dabei hatte sie viele Kontakte, unter anderem ihre Freunde aus der Gemeinde. Doch die Männer waren meist fest liiert oder sie kamen nun WIRKLICH nicht infrage … Zu unreif, zu spießig, zu … – ach,

es passte einfach nicht. Und den Vorwurf, „zu wählerisch“ zu sein, diesen Schuh wollte sie sich nicht mehr anziehen lassen! Sie wusste mittlerweile ganz gut, wer sie selbst war und warum eben nicht jeder noch verfügbarer Junggeselle als Partner herhalten konnte. Insgeheim wünschte sie sich, dass das endlich mal alle, die es „ja nur gut meinten“, verstehen würden.

Dabei gab es einen, von dem sie sich erhofft hatte, dass er sie vielleicht eines Tages als mehr als eine Freundin wahrnehmen würde. Doch dann hatte er in einem Nebensatz gemeint, wie angenehm er es fand, dass sie „so eine gute Freundin sei und nicht mehr von ihm erwarte“. Autsch, das hatte gesessen!

Wenn Sofie ehrlich war, belegte er noch immer diesen einen Platz in ihrem Herzen, den sie eigentlich für ihren Mr Right reserviert hielt. Zu dumm.

Boah, Gott, hilf mir doch, ihn endgültig loszulassen – warum ploppt er nur immer wieder in meinem Kopf hoch?

Sie hatten sich bestimmt schon anderthalb Jahre nicht mehr gesehen. Wenn sie es genau nahm, seit ihrem Umzug. Eigentlich hätte diese Distanz zu ihrem früheren Studienort doch endlich auch für

Ruhe in ihrem Herzen sorgen müssen, oder etwa nicht?

Sollte sie vielleicht mal … – Nein! Sie würde ihm

jetzt KEINE Textnachricht schicken und fragen, wie es ihm so ging. Wenn er sie und ihre gut gemeinten Ratschläge vermisste, dann sollte er sich melden. Das hatte er seit seinem Beziehungsdebakel im letzten Winter kaum noch getan.

Damals hatten sie ewig am Telefon gehangen, sie hatte ihn getröstet und alles mit ihm analysiert, bis er dann plötzlich – als er das „Hintergangenwerden“ anscheinend verdaut hatte – den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte. Geghosted – so nannte man das wohl heutzutage.

Sofie kullerten plötzlich zwei Tränen über die Wangen. Ärgerlich wischte sie sie fort. Das war ja noch schöner! Auch noch heulen wegen diesem Idioten, der sie nur dann anschrieb, wenn er Hilfe brauchte.

Überhaupt, war das nicht ihr Hauptproblem?

Dass sie sich immerzu hilfsbereit um alles kümmerte, was ihr gerade über den Weg lief? Auch um den Herzschmerz des Mannes, der noch immer wie ein Anker in ihrem Inneren versenkt war und sie an der

extralangen Ankerkette festhielt. Dabei war das alles schon gut ein Jahr her!

Zeit, die Segel zu hissen und endlich neue Gewässer zu befahren. Warum gelang ihr das nicht? Und warum konnte er nicht Manns genug sein und einen Schlussstrich ziehen?

Nee, auf so was konnte sie verzichten! Oder?

Mach Platz in meinem Herzen, Jesus. Vor allem für dich.

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