ZUR EINFÜHRUNG
Im Sommer 2021 erschien die Programmschrift „Leuchten für Gott. Eine Orientierung und Ermutigung für ‚die Stillen im Lande‘ “. Sie kündigte an, zukünftig solle unter dem Titel „Funken biblischer Wahrheit“ eine Serie von ergänzenden Kleintexten zu wesentlichen Themen der Bibel veröffentlicht werden. Diese Hefte sind zum Selbststudium und für Gruppengespräche in Hauskreisen gedacht; um den Einstieg in eine intensive Beschäftigung mit der jeweils angesprochenen Thematik zu erleichtern, sind im Anhang verschiedene Anregungen empfohlen.
„Gottesfurcht – der Schlüssel zu vielfältigem Segen“ ist die Startnummer der Serie. Sie behandelt ein Thema, das heutzutage allzu oft nicht recht verstanden und allzu selten recht ausgelebt wird. Wahre Gottesfurcht richtet den Blick auf Gott als den, den wir fürchten sollen und lieben dürfen; sie bringt uns den bzw. dem Gott näher, dem unsere Ehrfurcht gebührt und der sie mit reichem Segen lohnt.
Mögen die im Folgenden entwickelten Gedanken vielen Lesern Wegweisung und Ermutigung bringen sowie zahlreiche geistliche Impulse dazu setzen, mehr zu Gottes Wohlgefallen und Verherrlichung zu leben. Günter Krallmann
1. DIE VERLORENE DIMENSION
Vermutlich auf keinem Sektor hat die heutige Christenheit – vor allem in der westlichen Welt – im Vergleich zu früheren Zeiten so sehr an Boden verloren wie hinsichtlich Gottesfurcht. Mannigfache Konsequenzen dieser Entwicklung, wie etwa Orientierungslosigkeit und Verunsicherung, sind in Familie, Kirche und Gesellschaft unschwer zu erkennen.
„Alle Welt fürchte den Herrn; und vor ihm scheue sich alles, was auf dem Erdboden wohnt“ fordert Psalm 33,8 (LU 1912) auf. Warum sollen wir Gott fürchten? Drei Hauptgründe fallen bald ins Auge:
• Gott gebührt, dass wir Ihn fürchten (Jer 10,6.7; vgl. Ps 96,4-9)
• Die Heilige Schrift gebietet, Gott zu fürchten (5 Mo 10,12; Pre 12,13)
• Gott zu fürchten dient unserem Besten (vgl. Ps 128,1; 115,13; 103,11.17)
Eine Schlüsselaussage in diesem Kontext findet sich in 5. Mose 5,29: „O dass ihr Herz so wäre, dass sie allezeit mich fürchten und meine Gebote halten wollten, damit es ihnen wohl erginge und ihren Kindern ewiglich!“ (ZB 1955) Hier werden Gottes Wohlwollen und Wunsch spürbar, jene Menschen ewig zu segnen, die Ihm Ehrfurcht und Gehorsam entgegenbringen. Zudem klingt an, es erfordert eine bewusste Entscheidung, Gott fürchten zu wollen.
Dem entgegen stehen solche, die ‚an der Furcht des Herrn keinen Gefallen haben‘ (vgl. Spr 1,29 ZB 1955), Gottes Willen für sich zurückweisen (vgl. Lk 7,30 NKJV) oder ihre Lebensweise mehr aus Menschen- als Gottesfurcht heraus bestimmen (vgl. Joh 12,43).
Zudem erscheint der Ansatz bemerkenswert, dass gemäß 5. Mose 6, 1-5 die Forderung, Gott zu fürchten, derjenigen Ihn zu lieben vorangeht (siehe 5 Mo 10,12; vgl. Mk 12,30). Bezeichnenderweise sprachen Generationen später Daniel und Nehemia in ihren
Bekenntnisgebeten ebenfalls erst Ehrfurcht vor Gott, dann Liebe zu Gott an (siehe Dan 9,4; Neh 1,5).
Auch dürfen wir nicht außer Acht lassen, wie die erste Bitte des Vaterunser - „… Dein Name werde geheiligt“ (Mt 6,9 LU 1912) - sogleich die Aufmerksamkeit auf Gottesfurcht lenkt. Denn das Ziel dieser Aufforderung besteht darin, die in den verschiedenen Gottesnamen beinhalteten Attribute mit Ehrfurcht zu bedenken, wertzuschätzen und zu ehren, dankend und lobend anderen zu verkünden.
Sprüche 14,34 erklärt: „Rechtschaffenheit erhöht ein Volk…“ (NKJV ). Sie hebt sozusagen den ‚moralischen Grundwasserspiegel‘ einer Nation. Aus dem Blickwinkel des puritanischen Gelehrten THOMAS WATSON (ca. 1620-1686): „… die Furcht Gottes ist die Summe aller Frömmigkeit…“1 liegt die Quelle ‚recht-beschaffenen‘, mit Gottes Willen konformen, Denkens und Handelns in der Gottesfurcht. Denn sie fragt demütig danach,
wie sie Gottes wohlwollende Absichten umsetzen kann. Wo im Herzen, Haus und Land Gottes Wille berücksichtigt und ehrfürchtig befolgt wird, da kann und wird Sein globales Segnungsprogramm (vgl. 1 Mo 12,2.3) zum Zuge kommen.
2. WAS IST GOTTESFURCHT?
Je mehr wir Einblick gewinnen in Gottes Stellung, Charakter und Handeln – z.B. Seine Macht, Majestät, Heiligkeit, Herrlichkeit, Weisheit, Liebe und Gnade –desto mehr erkennen wir: unsere einzig angemessene Antwort kann nur sein, Ihn zu fürchten.
Gottesfurcht hat zu tun mit Respekt, Wertschätzung, Ehrerbietung. Gott fürchten heißt, Ihn anzuerkennen für wer Er ist, Ihm Ehrfurcht zu erweisen, Ihm heilige Scheu entgegenzubringen.
Im Deutschen ist ‚Gott fürchten‘ zweideutig, kann sowohl ‚in Ehrfurcht vor Gott stehen‘ als auch ‚vor Gott Angst haben‘ bedeuten. Doch haben Christen keinen Grund zu Angst vor Ihm, da ihnen in Christus Seine vollkommene Vaterliebe gilt (siehe 1 Joh 4,18).
Wahre Gottesfurcht ist eine Herzenshaltung, die dazu motiviert und befähigt, unsere Gedanken, Worte und Taten zu Gottes Ehre und Wohlgefallen auszurichten.
Furcht des Herrn im Leben eines Menschen zieht Haltungen wie Demut, Gehorsam, Belehrbarkeit, Liebe und Dankbarkeit nach sich. Dagegen mag jemand zwar beanspruchen, Gott zu lieben, in seiner Lebensweise aber Gottesfurcht vermissen lassen.
Ehrfurcht vor Gott steht in enger Verbindung zum Fortschreiten in persönlicher Heiligung (vgl. 2 Kor 7,1).
Denn solche heilige Scheu bewirkt in uns Abneigung gegenüber fragwürdigen Aktivitäten, üblem Reden und schlechter Gesellschaft; sie errichtet Barrieren dagegen, unsere Pflichten zu vernachlässigen, unser Gewissen zu verletzen oder Böses zu tun.
Offenkundig verknüpft die Bibel eine Vielzahl an Segnungen mit der Furcht Herrn. Vorrangig ist sie ‚der Anfang der Weisheit‘ (vgl. Spr 1,7). Sie gleicht einer Brille, mit deren Hilfe wir biblische Wahrheiten in neuem Licht sehen und verstehen.
Einen in diesem Zusammenhang nicht zu vernachlässigenden Aspekt stellt die Wechselwirkung von Gottesfurcht und Menschenfurcht dar. Während letztere auf Angst fußt und sich nach menschlichem Gutdünken richtet, beruht Gottesfurcht auf ehrfürchtigem Respekt und folgt biblischen Richtlinien. Sie wird durch unheiliges Verlangen und fleischlichen Ehrgeiz verdrängt, wie die Fälle von Achan (Jos 7,21), David (2 Sam 11,1-4), Absalom (2 Sam 15,1-6) und Simon dem Zauberer (Apg 8,18-21) belegen. Zu den biblischen Personen, die aus Menschenfurcht (falsche)
Entscheidungen trafen, gehören Abraham (1 Mo 12,1013), Aaron (2 Mo 32,19-25), Saul (1 Sam 13,11-14) und Simon Petrus (Mt 26,69-75).
Ferner, während menschliche Furcht oft Passivität herbeiführt, stimuliert Gottesfurcht zur Aktivität: sie sucht Gott, folgt Seiner Agenda, traut Ihm Großes zu, bewundert Seine Führung, dankt Ihm, lobt Ihn – kurzum: sie eifert für Gott.
Der bekannte englische Pastor und Autor CHARLES H. SPURGEON (1834-1892) empfahl: „Lasst uns den Herrn fürchten, und wir werden sonst niemand zu fürchten haben“2 und versicherte: „Ja, wenn wir Gott fürchten, haben wir weiter nichts zu fürchten…“.3
3. GOTTESFURCHT IN AKTION
Unter den Repräsentanten wahrer Gottesfurcht in biblischer Zeit stach Joseph, der alttestamentliche Vorläufer Jesu Christi, besonders heraus (vgl. 1 Mo 39,9; 41,16). Seine bewundernswerte Großmut und Vergebungsbereitschaft seinen Brüdern gegenüber begründete er mit der vielsagenden Erklärung: „… denn ich fürchte Gott“ (1 Mo 42,18). Mose trat immer wieder als Mahner zur Gottesfurcht vor das ihm anvertraute Volk Israel (u.a. 3 Mo 25,17.36.43; 5 Mo 6,2.13.24; 10,12.20; 14,23; 28,58.59).
Das Merkmal der Ehrfurcht vor Gott stach im Charakter Obadjas (1 Kön 18,3.12) ebenso hervor wie bei
Hiob (Hiob 1,8; 2,3) und Daniel (vgl. Dan 1,8; 6,10; 9,4). Nehemias Gottesfurcht bestimmte seine Gebetspraxis (vgl. Neh 1,4-6.11) wie auch seinen Umgang mit Menschen (vgl. Neh 5,9; 7,2) und Finanzen (vgl. Neh 5,15).
Bemerkenswert erscheint Jesajas Ankündigung, auf dem Messias werde der Geist der Gottesfurcht ruhen, und Er werde Wohlgefallen an der Furcht des Herrn haben (Jes 11,2.3 ZB 1955). Daneben ist beachtenswert, dass Christi Gebet in Gethsemane erhört wurde auf Grund Seiner Ehrfurcht vor Gott (siehe Hebr 5,7).
Während ersichtliche Ehrfurcht in Gottes Augen wertgeschätzt ist (vgl. Ps 33,18; 147,11), rief fehlende Gottesfurcht wiederholt Sein richtendes Eingreifen hervor, wie die Beispiele von Nadab und Abihu (3 Mo 10,1.2), Belsazzar (Dan 5,1-31) und Ananias & Sapphiras (Apg 5,1-11) nachdrücklich zeigen.
Was christliche Alltagspraxis anbetrifft, sollte Gottesfurcht in vier Kernbereichen erkennbar sein:
• Ehrfurcht bezüglich der Kommunikation mit Gott Sichern wir bestmögliche Gebetsumstände (vgl. Mt 6,5-8)? Vermeiden wir durch angemessene Sprache die Gefahr der ‚Übervertrautheit‘?
• Ehrfurcht bezüglich des Wortes Gottes Mit welcher Herzenshaltung befassen wir uns mit Gottes Wort (vgl. Jes 66,2)? Studieren wir es in Tiefe, sinnen darüber nach, lernen es auswendig?
• Ehrfurcht bezüglich des Hauses des Herrn
Erscheinen die Gläubigen pünktlich zum Gottesdienst und bemühen sich, jegliche Störungen auszuschließen?
Erscheint es wichtiger, sich selbst wohlzufühlen, als dass die gegebenen Umstände Gott wohlgefallen?
• Ehrfurcht bezüglich des Tages des Herrn Warum werden angesichts von 2. Mose 20, 8-11 ‚Werktagsarbeiten‘ für Haus, Garten, Schule und Beruf oft am Sonntag erledigt? Verbringen wir den Sabbat so, wie es nur uns oder auch Gott gefällt (siehe Jes 58,13.14)?
Die wichtigsten Dinge beanspruchen und verdienen unsere höchste Aufmerksamkeit. Die Frage ist, ob das ewige Evangelium mit den zwei Brennpunkten „Fürchtet Gott und verherrlicht Ihn …“ (Offb 14,6.7 NKJV ) in unserem Leben wirklich den Stellenwert hat, der ihm zukommen sollte.
4. EIN INSPIRIERENDES
HISTORISCHES VORBILD
Eric Liddell wurde 1902 als Kind schottischer Missionare in China geboren. Bereits während seiner Schulzeit in London zeigte er außerordentliches sportliches Talent. Im Verlauf seines naturwissenschaftlichen Studiums in Edinburgh entwickelte er sich zum besten Leichtathleten, den Schottland je hatte; gleichzeitig erreichte er viele durch sein offenes christliches Zeugnis.