Anna Böck (Hg.) gemeinsam geborgen
AnnaBock (Hg.) . .
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Anna Böck (Hg.) gemeinsam geborgen
AnnaBock (Hg.) . .
Wer Kinder hat, hat eines nicht mehr: Zeit. Wie Scheuklappen legt sich der Stress über den eigenen Blick. Außerhalb des kleinen Systems Familie, das am Laufen gehalten wird, scheint es nichts mehr zu geben. Warum also ein Buch herausbringen mit dieser Zielgruppe, die doch keine Zeit hat zu lesen?
Weil wir glauben, dass es geht und guttut, die Scheuklappen abzulegen, und sei es während der drei Minuten auf dem Klo oder zwischen dem Einschlafen der Kinder und dem eigenen Einschlafen.
Dieses Buch erfüllt eine doppelte Aufgabe: Es spricht ins Abenteuer Familie sehr viel Gnade hinein. Gleichzeitig fordert es heraus, den Blick über den Tellerrand zu heben und wahrzunehmen, dass das eigene Familienbild nur eins ist in einer großen und vielfältigen Ausstellung.
Dass dieses doppelte Vorhaben gelungen ist, ist den Beitragenden dieses Buches zu verdanken. Sie haben ihre Perspektive beigesteuert, sich auf kurze Texte begrenzt und sind so bunt, wie das Leben selbst. Manche Autor*innen sind in die Tiefen ihrer Gefühle eingestiegen. Für sie und die Leserschaft soll dieses Buch ein Safer Space sein. Hier darf gedacht und gefühlt werden ohne Vorverurteilung. Deswegen schützen wir die Identität einiger Autor*innen und auch dich, liebe*r Leser*in, indem wir einige Texte mit einer Triggerwarnung versehen haben. Also achte auf dich und den #Trigger.
In meiner ursprünglichen Anfrage an die Autor*innen habe ich noch aus Transparenzgründen darauf hingewiesen, dass ich selbst gar keine Kinder habe. Nun hat sich das geändert, weswegen ich dieses Buch meinen Bonuskindern widme und hoffe, dass sie bei mir immer einen Safer Space finden werden.
Anna Böck
„Die Güte [Gottes] ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ Klagelieder 3,22–23 (LU)
Gott, ich liebe meine Kinder!
... auch, wenn ich sie an die Wand klatschen will.
Geht es dir mit mir genauso?!
Danke, dass ich immer wieder den Weg gefunden habe, es nicht zu tun!
Danke, dass auch ich nicht gar aus bin, wie Luther das so klar genannt hat.
Danke, dass du auch mir heute einen neuen Tag geschenkt hast.
Danke.
Es war einmal eine Mutter. Sie war genau so, wie ihr sie euch vorstellt. Vorausgesetzt, ihr stellt sie euch als Mutter zweier Kinder im besten Alter vor. Eines Tages schloss diese Mutter die Tür zum Kinderzimmer – nachdem sie ihre Sprösslinge aufgefordert hatte, Zähne putzen zu gehen – und begann, einen Text zu schreiben.
Sie wollte gerne über das Gefühl schreiben, allein mit zwei Kindern zu verreisen. Also verfasste sie einige Sätze über Ängste und Unsicherheiten auf unbekanntem Terrain und den gleichzeitigen Anspruch, den Kindern gegenüber Sicherheit und Souveränität auszustrahlen. Über Rollenerwartungen und Verantwortung. Anschließend ging sie ins Kinderzimmer, um erneut an das Zähneputzen zu erinnern.
Zurück am Schreibtisch las sie, was sie geschrieben hatte, und fand es nicht mehr passend. Zum Glück stieg aus dem Meer ihrer Ideen bereits ein neuer Gedanke auf. Ganz plastisch lag er vor ihr: „Ich werde das Symbol einer Perle in den Mittelpunkt meiner Überlegungen stellen“, sagte sie zu sich und begann, neu zu schreiben. Sie schrieb über die Faszination, auf einem Ultraschallbild eine solch winzige Perle zu erblicken und ihren Herzschlag zu sehen. Wie dieses perlenartige Gottesgeschenk heranwächst, farbenfroh wie ein bunter Ball, und zugleich so empfindlich wie eine Seifenblase, auf Achtsamkeit und Fürsorge angewiesen. Sie schrieb darüber, wie viel Freude und Glück die kostbare Perle bringt. In Gedanken bei den noch immer
nicht zähneputzenden Kindern schrieb sie auch darüber, dass die Perle manchmal wie ein Kloß im Hals zu stecken schien. Über Sisyphosgefühle und die Angst, von der Kugel überrollt zu werden.
Nachdem sie zuletzt den Gedanken in den Text geflochten hatte, dass diese Perle wie eine Kugel in der Kugelbahn früher oder später ihren eigenen Weg rollt, ermahnte sie die Kinder zum dritten Mal, nun endlich ins Bad zu gehen.
Zurück am Schreibtisch las sie, was sie im zweiten Anlauf geschrieben hatte, und fand auch das nicht mehr passend. Sie seufzte, löschte den Text und überlegte. Gefangen in der Warteschleife, dass endlich die Badezimmertür klappern möge, wollte ihr zunächst kein neuer Gedanke mehr kommen. Die Zeit verrann, ebenso wie ihre Geduld. „Eltern haben keine Zeit“, flüsterte es in ihr. Da, da war er, der ersehnte Einfall. Sie begann, noch einmal zu schreiben: über diesen Satz, der zugleich wahr wie falsch ist; über die viele Zeit, die Eltern mit Warten verbringen während zugleich wichtige Aufgaben warten, für die diese Wartezeit ungeeignet ist; über die Tugend der Geduld und der Gelassenheit. Sie schrieb über ihre Sehnsucht, diese Zeit sinnvoll zu nutzen, statt sie wie Sand zwischen den Fingern davonrinnen zu sehen: vielleicht zum Lesen oder als Quality Time mit Gott oder als Zeit der Stille. Sie schrieb, wie wertvoll diese Ruhephasen eigentlich sein könnten – und über das schlechte Gewissen, dass sie das nicht so empfinden konnte.
Dann speicherte die Mutter den Text und versuchte nochmals, die Kinder zum Zähneputzen zu bewegen ...
#Gottvertrauen #GottImAlltag
Ich krieg Pickel, wenn unsere #Abenteuerkinder ein neues LEGO®-Set bekommen. Die bunten Klemmbausteine sind mir zu klein, die Anleitungen zu detailreich, und wenn es blöd läuft, gehöre ich zu den Auserwählten, die die Bausteine vorsortieren sollen. Das dauert Stunden.
Am allerschlimmsten finde ich aber, dass Monstertruck, Märchenschloss oder Tierarztstation schon nach wenigen Wochen nur noch Ruinen sind. Einmal runtergefallen oder das Geschwisterkind im Wutanfall draufgehauen, und die stundenlang sorgsam aufgebauten Teile liegen quer verstreut über den Boden. Das passiert dann meistens an den Tagen, an denen ich barfuß im Haus unterwegs bin (Aua!). Wieder zusammenbauen ist zwecklos. Denn die einzelnen Teile mischen sich mit Trillionen anderen Bausets, und gemeinsam ergibt das ein fürchterliches Klemmbaustein-Chaos.
Was allerdings dann passiert, fasziniert mich: Kurz bevor ich mit dem Staubsauger anrücke, um (natürlich nur damit drohe!) alles wegzusaugen, bauen unsere #Abenteuerkinder aus dem Durcheinander auf dem Kinderzimmerboden etwas ganz Neues: eine Schneesprungschanze. Ein Abenteuerspielplatz mit Wippe. Oder ein UFO. Neulich hat einer unserer Söhne sogar einen Münzwechselautomat gebaut (ich ahne allerdings inzwischen, dass er damit seine Geschwister um ihr Erspartes gebracht hat).
Das war so nie in den Anleitungen vorgesehen, die Neu-Erfindungen sind meistens auch recht wacklige Angelegenheiten und das hübsche Farbkonzept, das sich LEGO® für seine Bausätze überlegt hat, ist auch dahin. Trotzdem: Aus dem Chaos entsteht etwas Neues.
Mich erinnert das an die ersten Sätze der Bibel (sorry – Theologinnenhirn). Da wird ein urzeitliches, fürchterliches Chaos beschrieben: „Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war wüst und leer“ (1. Mose 1,1–2a; BB). Für die Worte „wüst und leer“ steht im Hebräischen das Wort „Tohuwabohu“ – also urzeitliches Chaos. Gott schöpft nicht aus Nichts, wie es manchmal dargestellt wird. Sondern aus dem Chaos heraus. Etwas Neues entsteht in einer lebensfeindlichen Umgebung.
Und damit ist sicherlich nicht unbedingt das Chaos im Kinderzimmer gemeint. Sondern etwas ganz und gar Bedrohliches, Ungeordnetes. Und das wiederum kenne ich: von den Wochen nach unserem Umzug in eine neue Umgebung. Da habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht als eine verdammte Anleitung, wie das Leben jetzt zu funktionieren hat. Oder von diesem Tag, als meine Freundin ihr Kind verloren hat und wir vor den Trümmern ihres Lebens gehockt sind und geheult haben. Oder von diesen langen, schrecklichen Tagen, an denen ich wegen Schlafmangel einfach nur noch ein anderes Leben will.
Ich mag den Gedanken, dass Gott aus diesem bedrohlichen Chaos etwas schöpft. Dass sich etwas Neues anbahnt – mitten in einer lebensfeindlichen Umgebung. Dass Gott spricht. Er die Schönheit im Durcheinander sieht und Neues schafft. Das passt wahrscheinlich nicht in unser hübsch vorgedachtes Farbkonzept des Lebens. Sehr wahrscheinlich ist es anders, als wir es uns vorgestellt oder gewünscht hätten. Vielleicht ist es brüchiger und instabiler als erhofft. Aber darin ist Gottschönheit zu sehen. Seine Freundschaft. Seine Art, mir seine Idee unter die Nase zu halten: „Schau mal, was ich gebaut habe.“ Das ist für mich die wahre Bedeutung des alten Wortes
„Gnade“. Es kommt anders als gedacht: freundlicher, unperfekter, brüchiger, zugewandter. Aus dem perfekt durchgestylten Leben wird ein brüchiges, „etwas“ Neues. Darin steckt Gott. Her also mit dem LEGO® – wir bauen was Neues: die Gnade und ich.
Die Bibelverse entstammen folgenden Übersetzungen: BasisBibel, © 2021 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (BB) Bibel in gerechter Sprache © 2006, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH (BigS) Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LU) Bibeltext der Schlachter; Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft; Wiedergegeben mit der freundlichen Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten. (SLT)
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ISBN 978-3-7615-7040-1 Print
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