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Wirst du wieder gesund, Mama?

Saskia
Leseprobe

Saskia Heinl geb. 1979 ist Kinderbuchautorin, Grundschulund Religionslehrerin. Während ihrer eigenen Krankheitsphase waren ihre beiden Kinder im Grundschulalter. Sie liebt es, Kinder in ihrer Alltagswelt abzuholen, und sie durch Geschichten wertzuschätzen und zu ermutigen.

Anne-Christin Ahnert geb. 1992, hat Medienkommunikation studiert und ist freiberufliche Grafikerin, Texterin und Illustratorin. Neben dem eigenen Mamasein ist es ihr ein Anliegen Familien durch Worte und Bilder Mut zu machen, besonders beim Projekt „Sternenpäckchen“ für Sternenkindeltern. Mit ihrer Familie wohnt sie in Chemnitz.

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SASKIA HEINL | ANNE-CHRISTIN AHNERT

Wirst du wiedergesund, Mama?

Wenn Kranksein länger dauert

Für meine FaMilie & Familien, in denen das gesundWerden von mama oder PaPa länger dauert

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„Bis heute Abend!“, sagt Mama zu Mathea und drückt sie an sich. Dann wendet sie sich Jakob zu und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Sie umarmt Oma und geht die Treppe hinunter zu Papa, der im Auto auf sie wartet.

Mathea und Jakob schmiegen sich an Oma und winken Mama zu. Langsam lenkt Papa das Auto aus der Einfahrt auf die Straße. Ein letztes Winken und dann ist Mama weg.

„So, und jetzt ab zum Frühstücken!“, sagt Oma und schließt die Haustür.

„Ich hab keinen Hunger“, erklärt Jakob. Sein Bauch ist irgendwie voll. Da ist kein Platz für Essen.

„Ich auch nicht!“, meint Mathea.

„Kommt, wir setzen uns aufs Sofa “, schlägt Oma vor. „Habt ihr Angst, weil Mama ins Krankenhaus gefahren ist?“

Die Geschwister nicken. Mathea klettert auf Omas Schoß.

Oma legt ihren Arm um Jakob. „Mama wird wieder gesund. Die Ärzte geben ihr gute Medizin. Aber ich hab auch ein bisschen Angst um sie. Wollen wir unsere Angst Gott bringen? Ihm können wir alles erzählen.“

Jakob und Mathea nicken.

„Gott“, betet Oma, „du siehst unsere Angst um Mama. Wir bitten dich, dass die Medizin hilft und sie bald wieder gesund ist. Sei du bei ihr, bei uns und bei Papa. Danke, dass du uns durch diesen Tag begleitest. – Wollt ihr auch noch etwas sagen?“

Mathea schüttelt den Kopf. Sie kuschelt sich an Oma. Jakob flüstert: „Gott, bitte mach Mama gesund. Amen.“ Jetzt geht es ihm ein wenig besser. Auch Mathea hat nun doch ein bisschen Platz im Bauch für ein Brot mit Omas Erdbeermarmelade.

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Oma holt Mathea und Jakob zum Abendessen. Papa liest Mathea anschließend eine Geschichte vor, und Oma spielt mit Jakob ein Kartenspiel.

Als es Bettzeit ist, verabschiedet sich Oma: „Bis nächste Woche, Kinder!“

„Jaaa, Omi!“, ruft Mathea und wirft sich in Omas Arme.

Auch Jakob freut sich, dass Oma so bald wiederkommt. Mama muss nächste Woche wieder Medizin im Krankenhaus bekommen.

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Papa scheucht die beiden zum Zähneputzen. „Und jetzt ab ins Bett!“, sagt er, als die Zähne glänzen. Sie huschen ins Elternschlafzimmer und hauchen der schlafenden Mama einen Kuss auf die Wange.

Am nächsten Morgen wacht Jakob davon auf, dass Mama und Papa miteinander streiten. Oh nein! Was soll er machen? Soll er ins Schlafzimmer gehen? Oder lieber in seinem Zimmer bleiben? Bevor er sich entscheiden kann, hört die Streiterei auf. Weint Mama etwa? Schnell läuft er ins Schlafzimmer.

Tatsächlich! „Mama, was ist? Warum weinst du?“

„Komm her, mein Großer.“ Mama hält die Bettdecke hoch und Jakob schlüpft ins Warme. „Ich bin einfach traurig, dass ich nicht so kann, wie ich will“, meint sie.

Papa hält Mama im Arm. Er gähnt, wischt sich über die Augen und wühlt sich mit seiner freien Hand durch die Haare.

Jakob weiß nicht, was er sagen soll. Er schmiegt sich zwischen die beiden. Die Traurigkeit macht irgendwie dicke Luft im Schlafzimmer. Einen Moment lang haben sie sich alle im Arm. Dann fällt Jakob etwas ein. Er dreht sich um und hüpft auf die Knie. „Sollen wir das lustige Hühnerspiel spielen, Mama?“, fragt er eifrig und schaut sie erwartungsvoll an.

„Jetzt nicht, Jakob. Ich habe keine Kraft“, antwortet sie. „Weißt du, das ist ist es, was mich so traurig macht. Ich bin zu müde, um etwas mit euch zu spielen oder zu unternehmen. Meine Arme und Beine sind ganz schwer, und mir ist auch ein bisschen übel.“ Mama wischt die Träne fort, die sich einen Weg über ihre Wange gesucht hat.

Jakob zieht die Augenbrauen zusammen und beißt sich auf die Unterlippe. Wie könnte er Mama helfen?

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„Ich weiß es!

Ich mach dir Frühstück, Mama, ja?

Willst du Rührei mit Ketchup?

Oder Schokobrot?“, fragt er und klettert aus dem Bett.

Papa lacht. Mama entweicht ein fröhlicher Gluckser.

Jakob freut sich, dass sie ein bisschen glücklicher aussieht.

„Also? Was willst du? Rührei mit Ketchup ist wirklich lecker!“ Er hüpft von einem Bein auf das andere. Ha! Jetzt lacht Mama richtig.

„Brot wäre super. Aber bitte ohne Butter. Nur mit Omas leckerer Marmelade. Danke, mein Schatz. Du bist toll.“

Jakob fühlt sich groß, viel größer als seine acht Jahre.

Mindestens schon neun oder zehn.

Schnell flitzt er in die Küche und bereitet das Marmeladenbrot zu.

Liebe Leserinnen, Liebe Leser,

wir haben als Familie die Behandlung meiner Erkrankung mit vielen Herausforderungen erlebt. Ich durfte gesund werden. Dafür sind wir sehr dankbar. Das wünsche ich auch Ihnen oder Ihrem Familienmitglied von Herzen.

Sogar bei gleichen Diagnosen gibt es unterschiedliche Nebenwirkungen, und Menschen gehen je nach Charakter verschieden damit um. Deshalb gleichen manche Geschichten einander, sind aber gleichzeitig ganz individuell.

Daher möchte ich Ihnen hier exemplarisch einige Ideen und Erfahrungen weitergeben. Ich möchte sie gerne als Denkanstöße verstanden wissen. Manche haben uns als Familie sehr geholfen, andere anderen. Auch hier gilt: Nicht alle sind für jeden gleichermaßen wichtig oder hilfreich. Vielleicht sind sie es ja für Sie? Entscheiden Sie selbst! Sie wissen am besten, was für Sie richtig ist!

Alles Gute, Saskia Heinl

Praktische Hilfe

Erhält man eine schlimme Diagnose, stehen erst einmal alle unter Schock. Dann beginnt die Zeit der Behandlung, die Gott sei Dank in unserem medizinischen System möglich ist.

Dies kann eine Phase mit sehr hoher Belastung sein. Hilfreich war für uns immer, dass wir Helfer:innen hatten, die uns als Familie im Alltag unterstützt haben. Hier einige Ideen dazu:

Erstellen Sie eine Helferliste

Die Helferliste dient dazu, sofort Menschen im Blick zu haben, die unterstützen können. Wenn es uns akut nicht gut geht, denken wir an manche Menschen nicht, und wenn wir dann doch jemand fragen und diese Person uns nicht unterstützen kann, fällt uns keine Alternative ein. Daher ist diese Liste sehr hilfreich.

Wer kann in welchen Situationen helfen? Notieren Sie Namen, Telefonnummern, Tätigkeit, Tageszeit und gegebenenfalls Einschränkungen. Fragen Sie Leute im Freundeskreis, in der Nachbarschaft, Arbeits- oder Vereinskolleg:innen und Mitglieder der Kirchengemeinde, ob sie im Notfall (soweit möglich) helfen würden. Signalisieren Sie, dass es kein Problem ist, wenn sie Nein sagen, auch später noch. Dadurch geben Sie den Menschen Freiheit und üben keinen Druck aus.

Notieren Sie mehrere Personen für eine Hilfsmaßnahme. Die anderen Menschen leben Ihren Alltag weiter; ihr Leben wird nicht ausgebremst wie das Ihre. Haben Sie mehrere Personen zur Auswahl, erhöht das die Chance, dass jemand Zeit hat. Außerdem wird es so für keine:n der Helfer:innen zu viel.

Sich und der Familie Gutes tun, um die Situation zu verarbeiten

Zögern Sie nicht, Seelsorger:innen hinzuzuziehen. Sie können für Familien und Paare, aber auch für jede Einzelperson, eine wertvolle Stütze sein. Ihre Familie ist im Außnahmezustand. Oft sind alle übermüdet, erschöpft und manchmal auch überfordert. Niemand in der Familie hat Übung mit einer solchen Situationen, daher wird eher emotional als reflektiert kommuniziert. Womöglich gibt es Streit über Dinge, die zu anderen Zeiten völlig selbstverständlich waren. Und trotz der Ausnahmesituation läuft der Alltag mit Kindergarten, Schule und Arbeit der Partnerin/des Partners weiter.

Beraten Sie sich mit Kinderärzt:innen, konfessionellen psychologischen Beratungsstellen, gezielt ausgerichteten Organisationen o. ä., wenn Sie merken, dass Ihr Kind Unterstützung braucht. Oft tut es Kindern gut, wenn Sie eine Person haben, bei der sie alle Gefühle und Gedanken über die Krankheitssituation herauslassen dürfen. Zu Hause wollen sie unbewusst manchmal auch Mama oder Papa schützen. Manche Kinder brauchen dies aber auch nicht, sondern verarbeiten die Situation im (Rollen-)Spiel. Beobachten Sie Ihr Kind!

Als Grundschullehrerin empfinde ich es immer als wichtig, über Situationen zu Hause informiert zu werden. Sprechen Sie mit den Erzieherinnen und Erziehern oder den Lehrkräften. Das Wissen führt zu einem sensibleren Umgang mit Ihrem Kind.

Hilfreich sind im Umgang mit der Krankheit auch Bücher oder kindgerechte Erklärungsfilme (konkret zum Thema Krebs zum Beispiel: https://www.krebshilfe.de/blog/kindern-krebs-erklaeren/).

Kinder haben ein gutes Gespür. Wenn Sie und Ihr:e Partner:in ein Gespräch abbrechen, wenn ihr Kind dazu kommt, bezieht das Kind das Gesprochene schnell auf sich. Es können Gedanken entstehen, wie „Mama/Papa wird nicht gesund, weil ich zu laut bin.“ o. ä., womöglich auch Schuldgefühle. Suchen Sie sich einen Teil des Gespräches oder eine Verallgemeinerung und nennen Sie diese, wenn Ihr Kind hinzukommt. Das hilft dem Kind, das Gespräch nicht auf sich zu beziehen, denn natürlich können solche Situationen nicht immer vermieden werden, schließlich ist nicht alles für Kinderohren bestimmt.

Eine erste Anlaufstelle in Krisensituationen sind stets die Familienberatungsstellen vor Ort. Orientierung bietet zudem die Seite „Patiententelefon“: https://www.patiententelefon.de/ krankheit/kinder-krankheit/kinder-kranker-eltern/

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