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INNOVATION

Haut aus dem 3D-Drucker Um Medikamente zu testen und Zellvorgänge zu studieren, braucht es zuerst einmal eines: lebendes Gewebe – und am besten menschliches. Ein 3D-Drucker stellt im BioprintingLabor in Innsbruck künstliche Haut her. T E X T: M E L I N A M I T T E R N Ö C K L E R

ZÜCHTEN STATT ZERSCHNEIDEN In sogenannten Zellkulturflaschen werden die verschiedenen Hautzelltypen gezüchtet (Ober-, Leder- und Unterhaut). „Diese Zellen mischen wir mit einer bestimmten Biotinte. Das ist eigentlich eine Eiweißmischung, die genau auf die jeweiligen Zelltypen abgestimmt ist“, führt der Forscher aus. Dann macht sich der Biodrucker an die Arbeit und trägt diese Masse Schicht für Schicht auf Plexiglas­ chips auf. Außerdem druckt er auch feine Kanäle zur Versorgung der Zellen hinein. „So bauen wir etwas, das genau so geschichtet ist wie unsere menschliche Haut“ – und das bringt viele Vorteile mit sich. Das etwa einen Zentimeter breite und drei Millimeter dicke Hautmodell am Chip könnte nämlich nicht 76

nur irgendwann für Hauttransplantationen verwendet werden, sondern bietet schon jetzt die Möglichkeit, Medikamente risikolos zu testen – und zwar ohne Tierversuche. „Eine Maus ist ungefähr 100 Millionen Jahre evolutionär von uns Menschen entfernt. Das ist einer der Hauptgründe, warum Medikamente, die in Tierversuchen erfolgreich sind, häufig beim Menschen scheitern“, so Ausserlechner. Konkret sehe man das am Beispiel von Covid-19: Da das Virus bei Mäusen nicht infektiös ist, kann man an ihnen nur schwer Medikamente testen. „Da brauche ich menschliches Gewebe. Und die Wenigsten lassen sich gern ein Stückerl Lunge rausschneiden, damit wir Experimente machen können“, schmunzelt der Forscher. Auch wie sich Tumore und Gewebe in Tumornähe verhalten, kann man mit den Hautmodellen beobachten – genauso wie Alterungs- und Wundheilungsprozesse. © MICHAEL AUSSERLECHNER

E

rleidet ein Mensch schwere Verbrennungen, kommt er für einige Monate auf die Intensivstation. Von intakten Körperstellen wird Haut entnommen und diese auf die geschädigten Stellen transplantiert. Bald könnte das aber nicht mehr nötig sein: Unter anderem an der Medizin-Uni Innsbruck wird seit bald drei Jahren an der Herstellung von künstlicher Haut getüftelt – mittels 3D-Druckern. „Wir bauen eine dreischichtige Haut auf kleinen Plexiglaschips nach“, erklärt der Molekularbiologe Michael Ausserlechner. Gemeinsam mit seiner Kollegin Judith Hagenbuchner leitet er das Bioprinting-Labor in Innsbruck. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Wissenschaftsfonds FWF, der Tiroler Wissenschaftsfonds TWF und der Medizinische Forschungsfonds Innsbruck MMF unterstützen sie dabei.

Der Biodrucker baut menschliche Haut auf Plexiglaschips nach.

HAUT-CHIP MIT IDENTITÄT „Der nächste Schritt ist natürlich, dass man von dem spezifischen Patienten eine Hautprobe nimmt, die Hautzellen vermehrt und dann am Chip die Haut


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