Einleitung Eines der zentralen Themen der klassischen Philosophie ist die epimeleia heautou – die Kunst zu leben. So versteht etwa Aristoteles in seiner Nikomachischen Ethik nicht egoistisches Streben nach Besitz und eigenem Vorteil als den Schlüssel zu einem glücklichen Leben, sondern das Miteinander, das Leben in der Gemeinschaft unter Freunden. Auch wenn jeder Mensch lebendig ist, heißt dies nicht zwangsläufig, dass er auch wirklich lebt. Die Kunst zu leben muss daher, im Sinne der klassischen Philosophie, erlernt und ein Leben lang geübt werden. Die Philosophie bietet dafür keine vereinheitlichten Lösungen an, sie zeigt vielmehr Möglichkeiten auf, eigene Wege der persönlichen Lebensführung zu finden. Dazu ist es nötig, sein Verhalten zu erkennen und zu beurteilen, wichtige Eigenschaften wie Selbstkritik, Muße, die Fähigkeit Freundschaften zu schließen, das Streben nach Klugheit und nach maßvollem Handeln dienen einem Leben der ethischen Selbstbildung und damit einem glücklichen Sein. Lebenskunst ist die ständige und beständige Korrektur der eigenen Lebensführung. Ähnlich verhält es sich mit der Kunst zu unterrichten. Sie ist keine Fähigkeit, die – einmal gelernt – nur angewandt werden muss, keine Rezeptsammlung, die zeigt, wie man „guten Unterricht“ planen und durchführen kann. Vielmehr geht es um eine bestimmte Haltung zum eigenen Unterrichten und zu den Schülern und Schülerinnen, in der sich für den einzelnen Lehrenden immer neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Die Kunst zu unterrichten bedarf eines Handwerks, das gelernt, geübt und immer weiter verfeinert werden muss. Es ist das (lebenslange) Bestreben, das eigene Unterrichten kritisch zu hinterfragen, zu verstehen und wenn möglich immer weiter zu verbessern. Im Zentrum einer jeden Unterrichtssituation steht die Interaktion zwischen Schülern und Lehrern. Ganz gleich, ob der Lehrer dabei mehr im Hintergrund agiert oder als dominante Persönlichkeit auftritt, zielt Unterrichten immer darauf, planmäßige Lernprozesse anzuregen. Darin unterscheidet sich formaler Unterricht von autodidaktischen Lernprozessen in natürlichen Umgebungen, wie sie etwa in familiären Zusammenhängen oder innerhalb von Peergroups stattfinden. Ziel eines jeden Unterrichts ist es (oder sollte es zumindest sein), dass sich die Schüler ein bestimmtes Können und Wissen aneignen. Die Kunst zu unterrichten besteht darin, die zur Verfügung stehenden pädagogischen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der angestrebten Ziele, der individuellen Lern- und Motivationsvoraussetzungen der jeweiligen Schüler und der konkreten Lernsituation möglichst optimal einzusetzen, und dies nicht im Sinne vorgefertigter Handlungsanleitungen, sondern im Sinne eines lebendigen Unterrichts, in dem die Schüler als gleichwertige Partner akzeptiert werden. Es 9