Auf der Gitarre mit Dreiklängen zu improvisieren und zu begleiten, war nach 30 Jahren Skalentheorie eine Entdeckungsreise für mich. Die Erkenntnis: Nach einer Phase der Umstellung hat diese Sichtweise viele Lücken in meinem Spiel gefüllt, ich habe an Übersicht gewonnen und kann spielerisch viel freier agieren. Ein Buch darüber zu schreiben, war insofern sehr reizvoll für mich, und die Herausforderung bestand von Anfang an darin, musikalisch zu bleiben und nicht in akademische Fingerübungen zu verfallen.
So war der Titel des Buches beim Schreiben gleichzeitig mein Leitfaden; das Spielen mit Dreiklängen soll sich leicht anfühlen und Spaß machen. Mit vielen typischen Beispielen für die Improvisation, die Begleitung und das Verzieren ist das Lehrbuch gut geeignet, um in den Kosmos der Dreiklänge einzutauchen und neue Perspektiven zu erforschen.
Impressum:
Fotos: Manfred Pollert (Autorenfotos)
Umschlaggestaltung: Manfred Pollert
Umschlagkonzept: Oliver Kraus | Umschlagfotos: iStock
Das Notenbild ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht ohne Genehmigung des Verlages vervielfältigt werden. Music engraving copyright protected.
Best.-Nr. FP 8198
ISBN 978-3-945190-44-9
ISMN 979-0-700437-00-8
Dur-Blues
Forsche und finde...
Wie bei vielen Forschern begann meine persönliche Entdeckungsreise mit einer kleinen Ungereimtheit, die Fragen aufgeworfen hat: Der Blues lässt sich zwar mit der Bluestonleiter recht gut bespielen, wenn man aber traditionellen wie modernen Bluesmusikern zuhört, tauchen auch noch Klangelemente in ihrem Spiel auf, die in der Bluestonleiter so gar nicht zu fnden sind. Zum Beispiel der schnelle Wechsel zwischen Dur- und Moll-Bluestonleiter (dieses Phänomen habe ich schon einmal kurz in „Der unglaubliche Solo Creator“ beschrieben). Nun ist eine Tonleiter ein gut lernbares Grifbild, wenn man es aber mit zwei bis drei davon parallel zu tun hat, wird es schon unübersichtlich. Und ein Fingersatz über die gesamte Lage ist ein recht unfexibles Gebilde, für ein gezieltes Spiel müsste man schon tiefer in die Materie eintauchen. Dabei bin ich auf die etwas handlichere Einheit des Dreiklangs gestoßen, die sich in jeder Tonleiter als Basis fndet – und mein Forscherdrang war geweckt!
Die Moll-Bluestonleiter... ...und der enthaltene Dreiklang
Von nun an können wir unterscheiden in Akkordtöne und Zusatztöne und spielen gezielter:
Die Klangelemente, die sich nicht mit der Moll-Bluestonleiter darstellen lassen, sortieren sich um einen Dur-Dreiklang:
Der Dur-Blues-Sound klingt in jedem Fall erfrischend. Wahlweise ein Dur- oder ein Moll-Dreiklang als Basis sorgen für Übersicht. Wie du das in einem Blues-Solo anwenden kannst, zeigen die folgenden Seiten.
Dur-Blues mit Dreiklängen
Wie du gerade im Warm-Up gehört hast, klingt das Spielen der reinen Dreiklänge maximal nach einer Übung, auf keinen Fall nach Rock ’n’ Roll. Blues braucht vor allem Phrasierung und der Dreiklang hin und wieder einen Zusatzton, damit es klingt!
H (Hammer-On): Den ersten Ton anschlagen, liegen lassen und den zweiten Ton ohne erneutes Anschlagen „aufhämmern“.
sl. (Slide): In diesem Beispiel den ersten Ton anschlagen und sofort in den zweiten Ton reinrutschen.
1/2 Bending: Den Ton anschlagen und die Saite einen Halbton nach oben ziehen.
1/4 Bending (Blues Curl): Den Ton kurz nach oben ziehen und sofort wieder mit der rechten Handkante stoppen.
Licks, Licks, Licks
Als ich zum ersten Mal versuchte mit Dreiklängen Blues zu spielen, klang das zwar technisch gesehen richtig, aber nicht nach Blues. Blues braucht viel Phrasierung, Blues spielt mit dem Wechsel aus Dur und Moll und vor allem braucht man gute Licks! Man könnte auch sagen: grifge Phrasen, Genretypische Melodiefetzen, jeweils nicht zu lang, damit man sie nach Bedarf gut kombinieren kann.
Folgend eine kleine Sammlung von Blues-Licks, auf Grundton, Terz oder Quinte des Dreiklangs startend. Ich empfehle dir, immer nur ein bis zwei Licks eine Weile (20min.) zu einem Playback zu spielen bzw. in dein gewohntes Solospiel einzubauen.
Lick
Lick #2
Lick #3
Lick #4
Lick #5
Lick #6
Umkehrungen und Dreiklangslinien
Der Begrif Umkehrungen fel nun schon häufger, letztlich wollen wir die Arpeggien auf dem gesamten Grifbrett beherrschen. Ein Prof könnte natürlich auch einfach die Positionen der drei Akkord-Töne von z. B. F-Dur, also f, a und c, wissen und nach Belieben verknüpfen. Also starten wir unsere Entdeckungsreise genau so! Wenn du selbst forschen möchtest, trage einmal selbst alle Positionen von f, a und c auf einem Grifbrett ein und überprüfe, ob du zu dem gleichen Ergebnis kommst:
Nun suchen wir uns drei nebeneinanderliegende Saiten aus und erhalten Dreiklangs-Umkehrungen.
Die Grundstellung 1. Umkehrung 2. Umkehrung
Die Dreiklänge auf der d-, g- und h-Saite sind tonal in der Mitte liegend am gebräuchlichsten, aber auch die höher klingenden auf der g-, h- und e-Saite sind interessant für das Solieren oder für Akkord-melodische Einwürfe.
1. Umkehrung
2. Umkehrung Grundstellung
Du kannst dich auch vertikal entlang der Dreiklangslinien frei bewegen und erhältst immer eine andere Umkehrung. Sie sind, einem Sternenbild gleich, eine gute Orientierung.
1. Umkehrung
Die Grundstellung
Umkehrung
Umkehrung
Akkordverbindungen knüpfen
Aktuell haben wir es mit einem Dur-Dreiklang und seinen zwei Umkehrungen sowie einem Moll-Dreiklang mit seinen Umkehrungen zu tun, also sechs Bilder, von denen du vier schon häufg gegrifen hast. Komplex wird es letztlich, weil wir jedes der sechs Bilder überall auf dem Grifbrett spielen und verschiedene miteinander verknüpfen. Hier hilft es fürs Erste, die Übungsbeispiele durchzuspielen, sie decken bereits viele der häufgen Akkordverbindungen ab. Im zweiten Schritt könntest du versuchen, konkrete Akkordverbindungen mit den Dreiklängen zu realisieren.
Die Aufgabe: „Get Lucky“ von Daft Punk Akkorde: Hm D F#m E
Die Chromatik auf der d-, g-, h-Saite, hier suche ich mir zuerst die Grundtöne der vier Akkorde:
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Ich starte mit dem h auf der d-Saite und schaue, wo sich die anderen Grundtöne in der Nähe befnden. Dann wähle ich zu jedem Grundton das passende DreiklangsShape.
Unsere sechs Shapes:
Moll: Dur:
Für Hm kommt nur das erste Shape in Frage, weil es seinen Grundton auf der d-Saite hat.
Den Grundton für den zweiten Akkord D habe ich auf der g-Saite gewählt, hier kommt nur das dritte Dur-Shape in Frage.
Die fertige Akkordverbindung mit einem „funky“ Rhythmus versehen:
sim.(=simile,indiesemRhythmusweiter)
Das Ur-Gri fbild: Surfin’ on the Fretboard
Was mit der Kombination aus vertikaler und horizontaler Verschiebung möglich ist, zeigt dieses Beispiel mit einem kurzen Blueslick.
Dieses kurze Lick wollen wir auf dem ganzen Grifbrett mit den Blues-Grundtönen A, D und E spielen. Im zweiten Schritt könntest du wieder musikalisch mit dem Lick variieren.
Wir starten auf dem tiefsten A, das Grifbild sieht jetzt wegen der gleichmäßigen Quartabstände zwischen den tiefen Saiten schon etwas anders aus. Tatsächlich ist das aber das „Ur-Grifbild“.
Durch den Terz-Abstand von g- und h-Saite verändert sich der Ur-Fingersatz leicht:
Typisch Gitarre, ist die folgende Zeile tonal eine 1:1-Wiederholung, lediglich an anderer Stelle gegrifen. In der Praxis brauchen wir aber auch diese Position, wenn wir zum Beispiel gleich noch höher hinaus wollen.
In diesen luftigen Höhen, eher etwas für die E-Gitarre, können wir nur noch horizontal nach oben verschieben.
Dreiklänge und die Pentatonik
Um zum Ende hin wieder auf den Boden zu kommen und einen Bogen zu bereits Gelerntem zu schließen: Die Pentatonik und die Bluestonleiter werden auch weiterhin eine starke Rolle spielen! Sie sind quasi der Gegenpol zum „gezielten“ Ausspielen von Akkordverbindungen und haben eine verbindende Funktion, sie sind „der Kit, der alles zusammenhält“! Und sie sind auch durch die vielfältigen Phrasierungsmöglichkeiten ein starkes emotionales Ausdrucksmittel. Wir kombinieren das Beste aus beiden Welten, hier ein Beispiel für den Blues:
Die Bluestonleiter kannst du auch gut für den „Quickchange“ im zweiten Takt der Bluesform nutzen: mit dem Dreiklang gespielt... ...ein Blueslick... ...zurück zum Dreiklang.
Die Kombination aus Blues und Jazz im Stil des Minor Swing:
„Spaß mit Dreiklängen“ nimmt dich mit auf eine Forschungsreise auf der Gitarre. Für die gängigsten Genres zeigt Oliver Kraus, wie man mit Dreiklängen soliert, begleitet, verziert und die Gitarre aus einer völlig neuen Perspektive kennenlernt.
Oliver Kraus hat Jazzgitarre studiert, ist aber auch in Blues, Pop, Rock und Countrymusik zuhause. Das Buch ergänzt die bereits erschienene Lehrbuchreihe „Der unglaubliche Solo Creator, Song Creator, Groove Creator“ und demonstriert, wie man einen nie dagewesenen Überblick über das Gitarren-Grifbrett bekommt und jenseits von „Skalen-Gefängnissen“ mit Spaß und Leichtigkeit auf dem gesamten Instrument unterwegs sein kann.
Bereits bei Fingerprint erschienen:
Oliver Kraus: Der unglaubliche Solo Creator
Das Kochbuch für dein perfektes Gitarrensolo
Buch + DVD, 56 S., Best.-Nr. FP 8185
Oliver Kraus: Der unglaubliche Song Creator
Die komplette Anleitung zum Komponieren auf der Gitarre