Die Fingerstyle-Spieltechnik birgt die Möglichkeit zu ungeahnter Filigranität, und gerade auf der Akustikgitarre haben sich viele bekannte Saitenkünstler für diese Technik entschieden. Ich möchte in diesem Buch anhand der häufgsten Stilistiken und bekannter Beispiele zeigen, wie man Fingerstyle-Patterns zum „Grooven“ bekommt und damit spielerisch dynamisch agieren kann, um musikalisch zu begleiten.
Durch ausgesuchte Rhythmusübungen, detaillierte Anleitungen mit vielen Tipps und Tricks rund um das Begeiten wird die rechte Hand zu einer gut verzahnten Rhythmusgruppe aus Bass, Akkorden und Perkussion.
Let ring: Klingen muss es!
Beim Fingerstyle-Picking ist es besonders wichtig, dass alle Saiten des Grifs frei und ohne Nebengeräusche klingen. Teste die Grundakkorde mit dieser Übung. Der „let ring“-Hinweis wird in diesem Buch noch häufg zu lesen sein; gemeint ist, dass alle angeschlagenen Töne weiterklingen sollen bis der nächste Akkord oder eine Pause kommt.
Tipps zum sauberen Greifen:
• Greife beim F- und C-Akkord zuerst den dritten Finger, dann liegt die Hand besser.
• Rücke die Finger möglichst nah an (nicht auf) den Bundsteg.
• Die Finger sollten vertikal auf der Saite stehen, nicht liegen.
• Überprüfe, ob ein Akkord sauberer klingt, wenn du den linken Ellenbogen in die Hüfte nimmst. Dadurch bewegt sich die Handkante näher zum Gitarrenhals.
• Besonders der freie Klang der hohen E-Saite ist wichtig für den guten Gesamtsound.
Es ist wirklich unglaublich, wie viele bekannte Songs ich auf Anhieb gefunden habe, die diese Taktart nutzen. Wie der Name schon sagt, wird der Takt in sechs Achtel unterteilt. Groovig wird es, wenn wir etwas Dynamik in das Pattern einbauen und die erste und vierte Achtel betonen.
Hier eine Begleitung, die zu Ed Sheerans „Perfect“ passen würde, aber auch zu vielen anderen Songs im 6/8-Takt:
Versuche die Achtel so gleichmäßig wie möglich zu spielen, auch beim Akkordwechsel. 6/8-Groove
Mit diesem Kapitel möchte ich den Perkussionsschlag ( X ) vorstellen, auch Dead-Slap genannt. Dabei lässt du die rechte Hand inklusive des Handballens leicht auf die Saiten fallen. Die Saiten werden dadurch auf die Bundstäbchen gedrückt und es entsteht ein „Klack“-Geräusch.
Zum Eingrooven nehmen wir einen Akkord, wie z.B. bei Creedence Clearwater Revivals „Proud Mary“:
Dieser Rhythmus beginnt mit einem Wechselschlag ( X), danach ist das Schlagmuster immer X. Beim Akkordwechsel wird bereits auf die 4-und gewechselt, wie hier bei der Akkordfolge von Shawn Mendes’ „Stitches“ (Refrain). Das Umgreifen beginnt synchron mit dem Perkussionsschlag.
Mit schnellerem (halbtaktigem) Akkordwechsel: „California Dreamin’“ (The Mamas and the Papas)
Pop Bossa Nova
Der Rhythmus, den ich für die „Platzieren wie ein Weltmeister“-Lektion genommen habe, ist ein universell einsetzbarer Pop Bossa Nova für Songs wie „Sunny“ von Bobby Hebb, „You’ve Got A Friend“ von Carol King oder „Smooth Operator “ von Sade. Ich werde anhand von diesem Rhythmus ausführlich beschreiben, wie man sich komplexere Rhythmen erarbeitet, sie zum Grooven bringt und mit verschiedenen Varianten zu einem Arrangement für einen ganzen Song kommt.
Die Wahl der Stimmen
Die erste Frage ist immer, welche Saiten angeschlagen werden sollen. Ich unterteile einen Akkord beim Picking in eine Bass- und eine Oberstimme. Der Basston ist immer der tiefste Ton des Akkordes, bei der Oberstimme haben wir die Wahl zwischen G-, H- und E-Saite.
Die Auswahl der Saiten spielt eine große Rolle für den Klang einer Begleitung. In diesem Fall habe ich immer die hohe E-Saite als Pedalton in der Oberstimme gewählt, was den Akkorden einen klanglichen Zusammenhalt gibt.
Bass- und Akkordstimme im Wechsel
Drei oder vier Töne gleichzeitig anzuschlagen braucht anfangs etwas Übung. Beginne abwechselnd mit Bass und Akkord:
Die innere Akkorddynamik
Diese Übung dient dem ausgewogenen Klangbild eines Akkordes. Schlage immer einen Akkordton an und dann den ganzen Akkord. Wenn der Akkordton aus den vier Stimmen herauszuhören ist, geht es weiter zum nächsten Ton. Du wirst schnell merken, wie sich das Klangbild verbessert. Versuche es auch mit den Akkorden des aktuellen Songs.
Die Akkorde im Wechsel
Jetzt ist erst einmal wieder Zeitlupentempo angesagt. Das Besondere an diesem Rhythmus ist, dass der Akkord bereits auf der Zählzeit 4-und wechselt, in der Achtelpause davor werden die Saiten mit der rechten Hand gestoppt und es wird umgegrifen.
Die Dynamik im Rhythmus
Bestimmt ist dir aufgefallen, dass der Rhythmus, so wie er notiert ist, noch etwas statisch klingt, auf keinen Fall groovy. Damit er ans Laufen kommt, geht es nochmal an die innere Dynamik.
Das Wichtigste: Spiele den Basston so leise wie möglich. Zum Koordinieren kannst du auch erst einmal Bass und Akkord abwechseln: den Basston leise, den Akkord in mittlerer Lautstärke. Versuche auch einmal, den Daumen weiter im Rhythmus zu bewegen, die Saite jedoch nicht mehr anzuschlagen.
Betone den Akkord auf einzelnen Zählzeiten, z.B. immer auf der 4-und, oder auf der 3-und und der 4-und. Der Akkord bekommt viel mehr „Drive“ durch die Dynamik, vor allem wenn man den Daumenanschlag leiser spielt, denn so kommen die Of-Beats in der Akkordstimme richtig gut zur Geltung!
Tipps zum Einstudieren:
Ich empfehle gerade am Anfang das Spiel in Zeitlupe. An unsicheren Stellen mache lieber eine Pause und überprüfe, ob der Bewegungsablauf richtig ist.
Ist der Bewegungsablauf verinnerlicht, gibt es zwei Möglichkeiten mehr Geschwindigkeit in den Rhythmus zu bekommen.
1. Übe bei langsamem Tempo und steigere dieses, sobald du dich in dem aktuellen wohlfühlst und locker bist. Für den Pop Bossa Nova wäre das langfristige Ziel .
2. Nehme gleich das Zieltempo und spiele immer nur kurze Abschnitte des ganzen Rhythmus, z.B. die erste Hälfte des Taktes.
Wir alle kennen dieses Zeichen über vielen Blues-Titeln. Umgerechnet könnte man auch sagen: . Das bedeutet, dass jede Viertel in drei Triolenachtel aufgeteilt wird. Damit ist die TriolenAchtel unser kleinster gemeinsamer Teiler und jede gespielte Note muss auf diesem Raster platziert werden.
Subdivision: der kleinste gemeinsame Teiler
Die Subdivision (Unterteilung) eines 4/4-Taktes habe ich hier für den Blues-Shufe einmal mit der „Zettel-Methode“ sichtbar gemacht. Stelle das Metronom auf Tempo 120 (eine Triolenachtel pro Schlag und Blatt) und spiele die leere ASaite bei den markierten Zetteln. Damit ist im Grunde das Ziel schon erreicht, du shufelst!
Im zweiten Schritt stellst du das Metronom auf Tempo 40. Spiele im selben Tempo wie vorher dazu und versuche, immer den ersten von zwei Saitenanschlägen auf das Metronom zu platzieren.
In der Notation würde das sehr unübersichtlich aussehen (siehe Seite 42), deswegen werden meist herkömmliche Achtel notiert und der Rhythmus muss zum Shufe uminterpretiert werden.
Ausnotiert: Den ersten Schlag lang: Besseres Notenbild: Mit Hinweis : (= )
A Walk In The Park...
Ich habe es schon im „Unglaublichen Song Creator“ geschrieben: Die besten Ideen kommen beim Laufen! Das gilt auch für das Üben von Rhythmen; die Verknüpfung von Bewegung und Lernen funktioniert hervorragend und mit unserem Gang haben wir ein eingebautes Metronom „on-board“. Beispiel Shufe: Laufe in gemütlichem Tempo und klatsche zweimal zu deinem linken und zweimal zum rechten Fuß.
Cha-Cha-Cha
Mit den nun folgenden Latin-Grooves wird es rhythmisch sportlich. Wir starten mit dem kubanischen Cha-Cha-Cha, er ist gut tanzbar und nicht ganz so rhythmisch vertrackt wie andere Spielarten der Salsa-Musik. Besondere Merkmale sind die durchgängige Glocke der Schlagzeuger auf die Zählzeiten 1, 2, 3 und 4 und der Schluss, in dem die Silben „Cha-Cha-Cha“ stecken. Carlos Santana hat diesen Rhythmus oft und gerne für seine Songs genutzt, wie hier in „Oye Como Va“. Typisch für viele Latin-Grooves ist das Wechselspiel aus Downbeats und Ofbeats:
Zwei Downbeats Zwei Ofbeats
Nutze dieses Beispiel, um dich an die ungewohnte Rhythmik zu gewöhnen!
Cha-Cha #2516
Das ist der Titel eines Cha-Cha-Cha, den ich geschrieben habe und es ist nicht mein 2516ter; II-V-I-VI ist die Akkordverbindung, die dem Song zugrunde liegt. Die Tonart ist G-Dur und die Reihenfolge der Akkorde ist: Am (Akkord der zweiten Stufe in G-Dur), D7 (fünfte Stufe), Gmaj7 (erste Stufe), E7 (sechste Stufe als Dur7). Im Grunde genommen handelt es sich hier um einen Turnaround, der endlos gespielt werden kann.
Verzierungen
Den letzten Schlif bekommen deine Grooves mit kleinen Ausschmückungen in Form von eingebauten Hammer-Ons und Pull-Ofs, Slides, Melodie-Einwürfen, Trillern und anderen Phrasierungen Entscheidend ist, dass der eigentliche Groove davon nicht unterbrochen wird.
Beispiel A-Moll: Der kleine Finger wird möglichst schnell (nicht fest) auf die Saite „gehämmert“.
Der kleine Finger wird nach unten weggezogen (nicht einfach nur wieder angehoben).
Um im Takt zu bleiben, übe die Verzierungen mit und ohne Hammer-On/Pull-Of:
Hier ein Beispiel, wie man Verzierungen in einen Groove einbauen kann. Das Ausgangs-Pattern ist ähnlich dem von Leonard Cohens „Halleluja“:
Als Bass-Bewegung bauen wir einen Durchgangs-Basston ein. Wir starten mit „C“, das Ziel ist „A“, dazwischen liegt der Basston „H“. Am Ende nutzen wir unseren freien kleinen Finger für eine kleine Verzierung. Der Hammer-On/Pull-Of hilft uns bei den schnellen Notenwerten.
Der „unglaubliche Groove Creator“ ist mehr als nur eine Sammlung von Fingerstyle-Patterns für Pop, Rock, Blues, Latin, Jazz, Country, Reggae und Folk. Er ist auch eine Rhythmus-Schule, die zeigt, wie man Begleitungen zum Grooven bringt, Sub-Beats und Bass-Grooves einbaut, Songs aller Art dynamisch und variabel begleitet und die rechte Hand zu einer vollständigen Rhythmusgruppe werden lässt.
Der Autor Oliver Kraus übt sich selbst seit seiner Jugend im Begleiten von SängerInnen und anderen Instrumentalisten im Duo. Durch sein Pop- und Jazzstudium, sowie sein langjähriges Spiel mit brasilianischen und kubanischen Musikern kann er auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückgreifen.
Best.-Nr. FP 8193
ISBN: 978-3-945190-39-5
ISMN: 979-0-700307-95-0
FingerPrint / Acoustic Music GmbH & Co. KG · Arndtstraße 20