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DerWesten.de/wirtschaft
WIR_1 NR.118
Samstag, 21. Mai 2011
W I RT S C H A F T Börse verlässt das Parkett Mit dem Handelsstart am Montag beginnt ein neues Kapitel für die Frankfurter Börse. Den klassischen, maklergestützten Parketthandel wird es dann nicht mehr geben. Stattdessen werden Kauf- und Verkaufsaufträge ausschließlich über das vollelektronische Xetra-System abgewickelt.
Westfälische Rundschau
Vermittler haftet bei Falschangabe zu Renditen Coburg. Anlagevermittler müssen die von ihnen angebotene Investitionsmöglichkeiten auf Plausibilität prüfen. Bieten sie aber Anlagen mit angeblichen Traumrenditen an, ohne genauer hinzusehen, haften sie. Das entschied das Landgericht Coburg in einem am Freitag veröffentlichten Urteil (AZ: 23 O. 100/10). In dem Fall hatte 2006 ein Vermittler einem Kunden ein Geschäft empfohlen, das zu 100 Prozent sicher sei und binnen 15 bis 16 Monaten 350 Prozent Rendite abwerfen sollte. Angeblich handelte es sich um einen streng geheimen Handel mit „internen Bankinstrumenten“. Der Kunde investierte 100 000 Euro in eine ausländische Gesellschaft. Eine Rendite oder die Rückzahlung blieb aber aus. Der Vermittler sagte, er habe die Anlagemöglichkeit nur vorgestellt und sich auf Informationen der Gesellschaft verlassen, aber keine eigenen Versprechen gemacht. Das überzeugte das Gericht nicht. Eine absolut sichere Geldanlage mit 350 Prozent Rendite gebe es nicht. Der Anlagevermittler habe das Angebot nicht genug geprüft. Nun soll der Kunde sein Geld von ihm zurückbekommen. dapd / Kommentar
Lebensmittelpreise steigen weiter Berlin. Die Deutschen müssen sich auf weiter steigende Kosten für Lebensmittel einstellen: Die Produzenten von Nahrungsmitteln hoben ihre Preise im April so stark an wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Sie legten um durchschnittlich 7,2 Prozent zum Vorjahresmonat zu, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Die Preise für Butter und Säfte schossen um gut ein Drittel nach oben. rtr
Aktion für mehr Ausbildungsplätze Düsseldorf. Mit der gemeinsamen Aktion „Ein zusätzlicher Ausbildungsplatz pro Betrieb“ werben IG Metall NRW und DGB um zusätzliche Lehrstellen. Dafür hatten sie 1300 Betriebsräte angesprochen. Bereits nach einer Woche habe es Rückmeldungen aus 150 Betrieben und 80 feste Zusagen für neue Lehrstellen gegeben. Zurzeit seien noch 19 000 junge Menschen in NRW ohne Lehrstellenzusage, hieß es. csh
GEMISCHTWAREN Fleisch an die Mahlzeit
Aller Lebensmittelskandale zum Trotz bleibt Fleisch für die meisten Deutschen ein Bestandteil gesunder Ernährung. Das sagten 72 Prozent der Befragten in einer Forsa-Umfrage. Für jeden Zweiten gehört Fleisch zur Mahlzeit dazu.
Fünf Prozent sind fleischlos
Fast jeder vierte Konsument kaufe nur Fleisch aus ökologischer Landwirtschaft, hieß es. Fünf Prozent verzichteten ganz auf Fleischverzehr.
»Sony hat die Sicherheitsbedenken noch nicht ausräumen können«
Heute vor 45 Jahren Trotz steigender Einkommen legen die Deutschen weniger Geld auf die Sparbücher, beklagt die Rheinische Girozentrale. Sie macht dafür insbesondere steigende Preise für Autos und Immobilien verantwortlich. Auch die Anbieter von Lebensversicherungen beklagen Einbrüche.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wirft Sony vor, nicht mit ihm über Datenklau beim Konzern zu reden
Reich mit der Insel
KOMMENTAR
Farhad Vladi ist der Eiland-Makler für Prominente und Träumer. 2000 Inseln hat er schon verkauft Monique de Cleur Halifax/Essen. Den berühmtesten Inselverkauf der Welt hat er zwar nicht in trockene Tücher gebracht. Doch Manhattan wäre mit den 24 Dollar, für die der Weseler Peter Minuit es 1626 von den Indianern erwarb, auch nicht die Preisklasse von Farhad Vladi gewesen. Der Chef der Vladi Private Islands GmbH – seit 1975 im Geschäft mit „Kaufinseln und Mietinseln“ – rechnet eher in zweistelligen Millionenbeträgen. 30 Inseln verkauft der
»Eine Insel zu mieten, kann schon mal 50 000 Dollar am Tag kosten« Deutsch-Iraner im Jahr; so viele, wie die meisten Menschen in ihrem ganzen Urlaubsleben nicht bereisen. Vladis Kundenliste ist erlesen. Marlon Brando, Diana Ross oder Nicolas Cage ließen sich ihre Privatinseln einiges kosten. Die bisher größte Summe legte ein nicht namentlich genannter Franzose für sein persönliches Eiland auf den Bahamas auf Vladis Schreibtisch: 32 Millionen Euro. Es geht aber auch deutlich günstiger: Das Schnäppchen in Vladis Inselkatalog kostete 1500 Euro, was dem stolzen Besitzer „einen Felsen mit ein paar Bäumen drauf“ einbrachte. Entsprechend unterschiedlich fallen die Einnahmen für Vladi Private Islands aus: Die Provision liegt zwischen sechs und acht Prozent des Verkaufspreises. Was bei dem guten Stück auf den Bahamas gut zwei Millionen Euro ausmacht. Wer keine Insel kaufen will, kann sie auch mieten. „Das kann 50 000 Euro am Tag kosten“, sagt Vladi. Etwa so viel zahlten Google-Gründer Sergey Brin und Ex-Beatle Paul McCartney für ihre Insel-Flitterwochen, gebucht über VPI. Farhad Vladi ist ein Makler von Träumen, ein Verkäufer von Robinson-Crusoe-Gefühlen. „Bei einer Insel weiß man sofort, ob sie einem sympathisch ist, wie bei einem Menschen. Eine Insel hat eine Seele.“ Diese Seele lässt sich zwar verkaufen, ihr Wert allerdings
Goat Cay in den Bahamas ist aktuell im Angebot – für 1,2 Millionen Dollar. schwierig bemessen. Als Geldanlage sind Inseln nicht zu empfehlen. „Inseln haben keine Rendite. Der Gewinn einer Insel ist Lebensqualität“, sagt der Makler. Um ihren Wert in harter Währung zu erfassen, könne allenfalls ein Vergleich mit ähnlichen Grundstücken helfen. Der Preis einer Insel steigt außerdem mit dem Grad an Komfort: Eine Baugenehmigung sollte vorhanden sein, ebenso Strom- und Wasseranschluss. Und auch in der Karibik sollte das nächste Krankenhaus schnell erreichbar sein. Das jedenfalls sei oft die erste Frage der Frauen.
Farhad Vladi besitzt selbst eine Insel. Foto: Jakob Studnar
An solche Luxusprobleme war vor 100, 200 Jahren nicht zu denken. Wirtschaftlich betrachtet waren Inseln wertloses Land, weil nicht oder nur schwierig nutzbar. Viele Staaten privatisierten deshalb ihre Inseln – die Grundlage für Farhad Vladis Geschäft. Heute kommen Inseln aus Privatbesitz fast ausschließlich „bei Tod, Scheidung, Bankrott“ ihrer Besitzer auf den Markt – und dadurch in den Katalog von VPI. Inzwischen haben Billigflieger und Hightech-Schiffe aus den einstmals abgelegenen Eilanden profitable Reiseziele gemacht. Staaten verkaufen keine Inseln mehr; selten kaufen sie welche, um zum Beispiel das letzte Refugium einer bedrohten Tier- oder Pflanzenart zu erhalten. So haben Frankreich und Kanada schon Inseln von VPI erworben. Signalisiert ein Staat Interesse an einer Insel, besitzt er ein Vorkaufsrecht.
Opel-Jobabbau: Lösung in Sicht
330 Mitarbeiter sollen in Transfergesellschaft. Sonst betriebsbedingte Kündigungen Gerd Heidecke Essen. In der Frage des Stellenabbaus im Bochumer OpelWerk zeichnet sich eine mögliche Lösung ab. Demnach bleibt das Getriebewerk mit 300 Stellen für die nächsten zwei Jahre erhalten. Rund 330 Mitarbeiter müssten bis zur Sommerpause in eine Transfergesellschaft, sonst drohen in dieser Höhe betriebsbedingte Kündigungen. Das verlautet aus Gewerkschaftskreisen vor dem nächsten Verhandlungstag der Opel-Schlichtungsrunde kommende Woche. Die Unternehmensführung will aber nicht mehr über einzelne Punkte verhandeln, sondern mit einem Gesamtpaket
den Arbeitsplatzabbau abschließen. Durch einen Erhalt der Getriebefertigung würde sich die Zahl des ursprünglich angestrebten Arbeitsplatzabbaus in Bochum von 1800 auf 1500 verringern.
840 Mitarbeiter weg 840 Mitarbeiter sind bereits ausgeschieden, 425 durch Übergang in Altersregelungen, 90 durch den Wechsel an den Opel-Stammsitz Rüsselsheim, 330 durch den Übergang in die Transfergesellschaft. Das Modell Transfergesellschaft endet eigentlich Anfang Juni. Ein Teil der Lösung wäre eine Verlängerung. Ein anderer Teil sind verbesserte Bedin-
gungen für knapp 300 Mitarbeiter der Jahrgänge 1955 bis 1957, die noch nicht einem Übergang in eine Altersregelung zugestimmt haben. Das Lösungsmodell: erst Kurzarbeit null bis Ende Februar, anschließend ein Jahr bis Ende 2013 in der Transfergesellschaft. Für die verbleibende Zeit bis zum Renteneintritt erwarten Gewerkschaftsvertreter eine Aufstockung der Abfindung durch Opel. Damit sollen die Mitarbeiter in der Wartezeit bis zur Rente bis zu 80 Prozent ihres Einkommens erreichen. Die Höhe der Aufstockung würde stark mit den individuellen Voraussetzungen schwanken und müsste einzeln ausgehandelt werden.
Foto: www.vladi-private-islands.de
Das Geschäft mit der Insel – für Griechenland ist es keines, auch wenn hierzulande manche Politiker meinen, mit dem Inselverkauf könne Griechenland seine Schuldenprobleme mildern. „Die besten Inseln sind in der Hand von Privatleuten wie Onassis. Die anderen Inseln sind entweder schwierig zu verkaufen oder solche, die der Staat unter Naturschutz gestellt hat.“ Für den Inselmakler wird
VL ADI PRIVATE ISL ANDS
Die Inselmakler Vladi Private Islands beschäftigt an seinen drei Standorten in Hamburg, Kanada und Neuseeland insgesamt 40 Mitarbeiter. Laut dem Archiv von VPI befinden sich weltweit etwa 12 000 Inseln in Privatbesitz. Unter www.vladiprivate-islands.de lassen sich aktuelle Angebote einsehen.
das Geschäft mit den Träumen gleichwohl weiterlaufen. Inseln verheißen die Möglichkeit, der Gesellschaft entfliehen zu können, ohne aussteigen zu müssen: „Der Insulaner bestimmt alles selbst – nicht der Nachbar und nicht der Staat. Das ist Freiheit.“ Vladi selbst besitzt eine Insel vor Neuseelands Küste. Beim Gedanken an sein eigenes Eiland wird der Geschäftsmann beinahe zum Esoteriker: „Eine Insel hat eine gewisse Energie, vielleicht durch das Wasser und die Gezeiten. Da ist irgendetwas mit verbunden.“ Eine Erklärung für dieses Gefühl hat er nicht. Eine halbe Million Flugkilometer legt Vladi jährlich zurück – das entspricht fast 13 Erdumrundungen. Mehr als 2000 Inseln hat er über seine Hamburger Agentur verkauft. Und wer weiß: Vielleicht wird aus einer in 385 Jahren ein zweites Manhattan geworden sein.
Alarm bei der WestLB
Bankchef: Noch viele offene Fragen bei der Aufspaltung Düsseldorf. WestLB-Chef Dietrich Voigtländer schlägt wegen vieler ungelöster Fragen bei der geplanten Aufspaltung der Landesbank Alarm. In einem Brief an die Sparkassenfunktionäre und an die Mitglieder des Lenkungsausschusses warnt der WestLBChef vor unabsehbaren Fol-
WestLB-Chef Dietrich Voigtländer.
Foto: Matthias Graben
gen, sollte keine Lösung gefunden werden. Dabei besteht Zeitdruck: Eine Lösung für die WestLB muss der EU-Kommission in spätestens sechs Wochen vorliegen. Gelingt keine Einigung mit Brüssel, steht die Bank vor dem Aus. Nach Plänen der EU-Kommission soll die WestLB auf eine Verbundbank für die Sparkassen verkleinert werden. Die übrigen Teile sollen verkauft oder in die existierende Bad Bank eingegliedert werden. Voigtländer beklagte unter anderem, es sei nach wie vor offen, wie die „Abgrenzung der auf die Verbundbank überzuleitenden kunden- und projektbezogenen Geschäftsaktivitäten“ aussehen solle. rtr
Ein Risiko bleibt immer Christopher Shepherd Wer will nicht über Nacht reich werden – so ganz ohne Risiko und zu 100 Prozent sicher? Natürlich möchten das alle. Doch bei der risikofreien Anlage mit Traumrenditen verhält es sich so wie mit dem Yeti: Den hat auch noch niemand gesehen. Nun mag man sich an den Kopf fassen, wenn man hört, worüber das Landgericht Coburg geurteilt hat. Da hat ein Anleger 100 000 Euro investiert, nachdem ihm 350 Prozent Rendite in Aussicht gestellt wurden. Wie blöd kann man sein? Doch Anleger schweben oft zwischen Angst und Gier. Wenn ein Vermittler dann die Gier ausnutzt und Menschen offensichtlich Schwindelprodukte andreht, ist er zu Recht haftbar. Das entbindet Anleger aber nicht von Investitionsrisiken. Die gibt es immer. Insofern hat das Urteil keine Grundsatzwirkung – bei vermeintlich falschen Renditeversprechen werden die Gerichte weiter von Fall zu Fall entscheiden. Grundsätzlich sollten Anleger sich aber sowohl bei einer Investitionsberatung als auch -vermittlung schriftlich geben lassen, was die Anlage genau ist und welche Risiken sie birgt. Dann haben sie etwas in der Hand, das sie prüfen und vor Gericht verwerten könnten.
Siemens muss Areva entschädigen München. Siemens kommt die angestrebte Partnerschaft mit dem russischen Atomkraftwerksbauer Rosatom teuer zu stehen: Der Münchner Elektrokonzern muss seinem bisherigen französischen Atompartner Areva wegen Vertragsbruchs 648 Millionen Euro Entschädigung zahlen. Ein Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer verbot Siemens zugleich bis September 2013 jede Zusammenarbeit mit einem ArevaKonkurrenten. Das Urteil ist ein Rückschlag für SiemensChef Peter Löscher: Er hatte den Wechsel von Areva zu Rosatom 2009 beschlossen. dapd
IN KÜRZE Demag Cranes. Die Aussicht auf einen Bieterkampf um den Kranbauer lockt eine weitere Fondsgesellschaft an. Halso Lux habe einen Anteil von 3,19 Prozent an Demag gemeldet, so der vom US-Rivalen Terex umworbene Konzern. KlöCo. Der Stahlhändler will
die geplante Kapitalerhöhung nicht um jeden Preis durchziehen. Der Zeitpunkt sei zwar nun günstig, die Kapitalerhöhung müsse aber nicht durchgeführt werden, so KlöCo.
HRE. Der verstaatlichte Im-
mobilienfinanzierer arbeitet mit Gewinn: Die Deutsche Pfandbriefbank pbb, in der das Kerngeschäft der HRE weiterläuft, machte im ersten Quartal 52 Millionen Euro Plus.
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