Marburger Magazin Express 48/2020

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Theater GegenStand prÀsentiert:

„Upside Down“ Ugandisch-Deutsches TheaterstĂŒck von Rogers Williams Mpaata und Miriam Richter Premiere Di 1.12. 20.00 Livestream der Waggonhalle www.waggonhalle.de

Belastungsprobe Odyssee eines TheaterstĂŒcks in der Pandemie

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ie BĂŒhnen-Premiere des TheaterstĂŒcks „Upside Down“ musste im MĂ€rz 2020 wegen der Coronapandemie wenige Tage vor AuffĂŒhrung abgesagt werden. Neun Monate spĂ€ter feiert das StĂŒck – aktueller denn je – ĂŒber den Online-Stream der Waggonhalle seine Premiere, mit einem multimedialen Feuerwerk aus Lesung, Video,- und Audioinstallationen. Zuschauer können sich zu den AuffĂŒhrungsterminen online dazu schalten und das Spektakel ohne Infektionsrisiko von der Couch aus verfolgen. Im Anschluss an die Vorstellung wird es eine Diskussion mit dem Publikum geben. Als der ugandische Theateraktivist Rogers Williams Mpaata, genannt Otako, und die Marburger Studentin Miriam Richter im November 2016 die Wahl von Donald Trump zum PrĂ€sidenten der USA mitansahen und in Deutschland UnterkĂŒnfte von GeïŹ‚ĂŒchteten in Brand gesteckt wurden, kam ihnen in vielen Telefonaten zwischen Uganda und Deutschland die Idee fĂŒr ein TheaterstĂŒck. Es sollte in einer ziemlich dĂŒsteren Zukunft spielen und gleichzeitig globale Fluchtdynamiken umdre-

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hen und Afrika zum Ziel ïŹ‚ĂŒchtender Menschen aus dem Globalen Norden machen. In den folgenden Jahren schrieben die beiden das StĂŒck „Upside Down“, in dem sich in Europa und den USA eine dramatische Zeitenwende vollzogen hat. Rechtsradikale Parteien haben in Europa die Macht ĂŒbernommen und die USA beïŹnden sich im BĂŒrgerkrieg. Tausende Menschen sind wegen politischer Verfolgung, Seuchen und Naturkatastrophen auf der Flucht, immer gen SĂŒden und ĂŒbers Mittelmeer, mit dem Ziel Afrika. Unter den GeïŹ‚ĂŒchteten ist auch eine deutsche Familie aus Marburg. Nach einer langen und gefĂ€hrlichen Flucht landen sie in einem FlĂŒchtlingslager in der NĂ€he der ugandischen Hauptstadt Kampala, wo ihre Probleme allerdings nicht weniger werden, denn die HĂ€rte der BĂŒrokratie und die menschenunwĂŒrdigen Bedingungen im Lager hinterlassen Spuren bei der Familie und stellen ihre Beziehungen und Überzeugungen auf eine harte Probe. Im MĂ€rz 2020 sollte das StĂŒck in Marburg in Zusammenarbeit mit Theater Gegenstand in der Waggonhalle Premiere feiern. Alles

war bereit, als sich wenige Tage vor der Premiere abzeichnete, dass ein neues Virus die Welt von Grund auf verĂ€ndern wĂŒrde. Die Premiere wurde abgesagt, die Gast-Regisseurin aus Uganda in einer Rettungsaktion noch schnell ins letzte Flugzeug zurĂŒck nach Uganda gesetzt und ein spontaner Filmdreh in der Waggonhalle organisiert. Die Requisiten und KostĂŒme wurden verstaut, und die Schauspielenden gingen mit Menschen weltweit in den Lockdown. In den kommenden Monaten verĂ€nderte Covid-19 das Leben von Menschen weltweit mit einer Wucht, die sich niemand hĂ€tte ausmalen können. Die Autoren sahen auf die Welt und auf ihr StĂŒck und stellten fest, dass die Dystopie von „Upside Down“ der RealitĂ€t erschreckend nah gekommen war. Nach einem Marburger Sommer,

der einen Hauch von NormalitĂ€t brachte, fassten die beiden dann den Entschluss, einen zweiten Versuch fĂŒr die Premiere von „Upside Down“ zu wagen. Mit alten und neuen Gesichtern im Team und einem aktualisierten BĂŒhnenkonzept Ă  la Corona begannen im Oktober die Vorbereitungen fĂŒr die Premiere im Dezember 2020. Doch auch diesmal machte Corona dem einen Strich durch die Rechnung – die Theater schlossen deutschlandweit ihre Pforten. Allerdings war das Team diesmal vorbereitet und inszeniert „Upside Down“ nun komplett online – mit einer Premiere im Internet, bei der sich garantiert niemand mit Covid-19 anstecken kann. Warum die ganze Anstrengung? FĂŒr Miriam Richter ist klar: „Wir sehen jeden Tag Nachrichten, die sich in „Upside Down“ widerspiegeln und die Relevanz dieser Produktion aufzeigen. Ob die Wahl in den USA oder der Brand im FlĂŒchtlingslager in Moria – wir fĂŒhlen uns verpïŹ‚ichtet, dieses StĂŒck der Welt zu zeigen – jetzt mehr denn je.“ Ein besonderer Vorteil der Online-Premiere besteht darin, dass Menschen weltweit das StĂŒck gleichzeitig sehen können, wenn alles klappt, wird sogar ein Livestream in das neue FlĂŒchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos eingerichtet, damit die GeïŹ‚ĂŒchteten vor Ort an einer Diskussion nach dem StĂŒck teilnehmen können. „Covid-19 ist ein massives globales Problem, aber was ist mit den Menschen, die auf der Flucht sind und in Camps festgehalten werden”, fragt Otako Mpaata und fordert: „Wir dĂŒrfen nicht aufhören darĂŒber zu sprechen und als KĂŒnstler und KĂŒnstlerinnen Druck zu machen.“ Die Teilnahme an der Veranstaltung ist frei, eine Spendenmöglichkeit besteht online wĂ€hrend der AuffĂŒhrung oder direkt an Theater GegenStand. Infos unter www.theater-gegenstand.de. pe/MiA

Multimediale Theaterdystopie im Livestream. Fotos: Chickenchris


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