Marburger Magazin Express 2/2021

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MR-6-15 Themen.qxp_EXPRESS Themen 12.01.21 16:46 Seite 10

Die Deutsche Gesellschaft fĂŒr Immunologie empïŹehlt die Erstimmunisierung von möglichst vielen Menschen. Foto: Tim Reckmann/Pixelio

Zu wenig Serum Zweitimpfung verzögern?

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öglichst schnell möglichst viele Menschen in der COVID-19-Pandemie zu impfen rettet Leben. Aber offenbar reichen die verfĂŒgbaren Impfdosen derzeit noch nicht, um sofort alle Risikogruppen zweimal zu impfen, sie so maximal zu schĂŒtzen und schrittweise HerdenimmunitĂ€t zu erreichen. Darauf verweist die Deutsche Gesellschaft fĂŒr Immunologie (DGfI). „Als Immunologen weisen wir darauf hin, dass bereits die erste Impfung ab Tag 14 einen betrĂ€chtlichen Schutz vor schweren KrankheitsverlĂ€ufen bieten kann. Auf eine zweite Impfung darf nicht verzichtet werden, sie kann aber auch spĂ€ter als an Tag 21 (BNT162b2; BioNTech/PïŹzer) bzw. Tag 28 (mRNA-1273; Moderna) erfolgen.“ Bei anderen Impfstoffen habe sich das sogar als wirkungsvoller herausgestellt. Allerdings liegen fĂŒr mRNA-Impfstoffe noch keine Studiendaten zu einem lĂ€ngeren Zeitfenster vor. In der besonderen Pandemielage ist es vertretbar, mit den jetzt vorhandenen Impfdosen möglichst vielen Menschen zunĂ€chst die erste Immuni-

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sierung zu ermöglichen und die zweite Impfung verzögert, aber zwingend innerhalb von 60 Tagen, nachzuholen, erlĂ€utert die DGfI. Angesichts der Knappheit der zugelassenen und verfĂŒgbaren Impfstoffe und der trotz Lockdown-Maßnahmen hohen Infektions- und Todeszahlen in der Pandemie, wird zur Zeit ĂŒber die optimale SARS-CoV-2 („COVID-19“)Impfstrategie diskutiert. Angeregt wird eine VerlĂ€ngerung der Zeitspanne zwischen der ersten und der zweiten Impfung von 21 bzw. 28 Tagen auf bis zu 60 Tage, um bei möglichst vielen Menschen möglichst schnell eine Grundimmunisierung durch die erste Impfung zu erreichen. „Die Zulassung des Protokolls fĂŒr die Anwendung des mRNAbasierten COVID-19-Impfstoffs BNT162b2 (‚Comirnaty‘ von BioNTech/PïŹzer) mit zwei Impfungen im Abstand von 21 Tagen bzw. 28 Tagen bei mRNA-1273 (Moderna) basiert auf klinischen Studien, in denen keine anderen Intervalle getestet wurden”, fĂŒhrt die DGfI aus. Der Impfschutz beginne frĂŒ-

hestens 14 Tage nach der ersten Impfung und die hohe EfïŹzienz von 94% bzw. 95% wurde erst ab Tag 7 bzw. 14 nach der zweiten Impfung dokumentiert. Das Intervall orientiert sich an Erfahrungswerten mit anderen Impfstoffen und an dem Ziel, möglichst schnell einen maximalen Schutz fĂŒr die Geimpften zu erreichen. FĂŒr eine maximale und nachhaltige Antikörperantwort ist eine zweite Impfung notwendig. Antikörper und TZell-Antworten, die nach der zweiten Impfung gebildet werden, schĂŒtzen generell besser und halten lĂ€nger dank des „immunologisches GedĂ€chtnisses“. Unklar ist allerdings weiterhin, inwieweit die Geimpften nach der zweiten Impfung im Falle einer Infektion selbst noch infektiöse Viren produzieren und ĂŒbertragen können. Der Abstand von 21 Tagen zwischen erster und zweiter Impfung hat sich bei anderen Impfstudien als frĂŒhester Zeitpunkt fĂŒr die zweite Impfung herausgestellt, weil sonst die erste Immunreaktion die zweite Immunreaktion blockiert. Erfolgt die zweite Impfung spĂ€ter als 21 Tage nach der ersten, kann die zweite Immunreaktion bei anderen Impfstoffen sogar fulminanter sein. Ob das bei den mRNA-basierten Impfstoffen auch so ist, könnte nur durch zusĂ€tzliche Studien gezeigt werden.

Bisherige Ergebnisse zeigen jedoch, dass es ohne eine zweite Impfung keinen lang anhaltenden Schutz gegen den Erreger gibt. „Aus immunologischer Sicht kann das Zeitintervall fĂŒr die zweite Impfung durchaus lĂ€nger sein als 21 Tage, aber entscheidend ist, dass die zweite Impfung innerhalb von 60 Tagen erfolgt.“ Die DGfI empïŹehlt, umgehend begleitende wissenschaftliche Studien zur Auswirkung der VerlĂ€ngerung der ImpïŹntervalle auf bis zu 60 Tage durchzufĂŒhren, und dabei die Menge an gebildeten neutralisierenden Antikörpern als relevantes Vergleichsmaß zu nehmen. Probanden könnten Freiwillige aus medizinischem und PïŹ‚egepersonal sein, die selbst nicht zu gefĂ€hrdeten Risikogruppen gehören. „Bis diese Ergebnisse vorliegen, wĂ€re angesichts der besonderen Pandemielage eine FlexibilitĂ€t der zweiten Impfung fĂŒr den Zeitraum von bis zu 60 Tagen nach der ersten Impfung vertretbar.“ Das bedeute, dass jetzt verfĂŒgbare Impfdosen nicht fĂŒr eine zweite Impfung zurĂŒckgehalten, sondern fĂŒr eine Erstimmunisierung von möglichst vielen Menschen der Risikogruppen verwendet werden sollten. pe/MiA


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