Winter-Auktionen 432-433 10.-12 November 2025 in Osnabrück
Seite 34 eLive Premium Auction 434-436 17.-19. November 2025 auf kuenker.auex.de
Münzen der römischen Provinzen: Ein Sammelgebiet für Spezialisten
In dieser Ausgabe
Reichtum, Schönheit und Selbstbewusstsein – 18
Sizilische Münzen
Der Sammlung Dr. Kaya Sayar zweiter Teil 26
Münzen der römischen Provinzen 34
Neueröffnung unseres Standortes in Paris 46
Kleinasien – Die Wiege des Münzgeldes 48
Lissabon: Das Calouste Gulbenkian Museum 52
Impressum
Herausgeber
Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG
Nobbenburger Straße 4a · 49076 Osnabrück www.kuenker.de
Redaktion
Julia Kröner
Inja MacClure
Gestaltung
Helge Lewandowsky
Fotos Auktionen 432, 434, 435, 436
Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG
Fotos Auktion 433
Lübke + Wiedemann KG, Leonberg B.Seifert / O. Graf
V.i.S.d.P.
Dr. Andreas Kaiser
Druck
Druck- und Verlagshaus Fromm+Rasch GmbH & Co.KG www.frommrasch.de
ISSN 3052-0142
Termine 2025/26
Winter-Auktionen 432-433 10.-12. November 2025
eLive Premium Auction 17.-19. November 2025 434-436
eLive Auction 90 1.-5. Dezember 2025
New York International 15.-18. Januar 2026 Numismatic Convention (NYINC)
Berlin-Auktion 2026 28. Januar 2026
World Money Fair, Berlin 29.-31. Januar 2026
Numismata München 7.-8. März 2026
Frühjahrs-Auktionen 16.-20. März 2026
Sommer-Auktionen 22.-26. Juni 2026
Herbst-Auktionen 21.-25. September 2026
Titelbild: Ein Highlight der Ruinen von Ephesos: Die Celsus-Bibliothek Foto: KW.
Liebe Kundinnen und Kunden, liebe Münzfreunde,
wir freuen uns sehr, Ihnen mit dieser Ausgabe von „Künker Exklusiv“ wieder eine facettenreiche Auswahl an Artikeln aus der Welt der Numismatik präsentieren zu dürfen.
Im Zentrum stehen unsere Winter-Auktionen 432-436, die einmal mehr durch außergewöhnliche Sammlungen und hochkarätige Einzelstücke bestechen. Wir widmen unseren ersten Vorbericht der Saal-Auktion 432, die am 10. November in Osnabrück stattfindet und eine Spezialsammlung chinesischer Münzen beinhaltet. Der zweite Teil unserer Vorberichte legt das Augenmerk auf die Welt der Antike, denn unsere Saal-Auktion 433 vom 10.-12. November sowie die eLive Premium Auctions 434-436 vom 17.-19. November bieten eine reiche Auswahl verschiedenster Münzen aus diesem Sammelgebiet.
Hervorheben möchten wir den zweiten Teil der Sammlung Dr. Kaya Sayar, die eindrucksvoll die kulturelle Vielfalt und die künstlerische Qualität antiker Prägungen aus Kleinasien dokumentiert – jener Region, die nicht nur als Wiege des Münzgeldes gilt, sondern auch durch ihre reiche Geschichte fasziniert. Unsere Autoren Johannes Nollé und Jens-Ulrich Thormann haben die Sammlung auf den Seiten 26-33 portraitiert.
Ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe widmet sich den Münzen der römischen Provinzen, die nicht nur historische Zeugnisse, sondern auch Spiegelbilder lokaler Identitäten im großen Gefüge des Imperium Romanum sind. Dieses spezielle Sammelgebiet ist genau das richtige für Entdecker und wir beleuchten in unserem Artikel auf den Seiten 34-45 verschiedene Stücke aus unseren kommenden Winter-Auktionen.
Unter dem Titel „Reichtum, Schönheit und Selbstbewusstsein“ beschreiben wir die 26 sizilischen Münzen aus der Sammlung eines norddeutschen Antikenfreundes aus unserer Auktion 433 und gehen näher auf das Zusammenspiel von Macht, Repräsentation und Ästhetik auf antiken Münzen ein – mit einem besonderen Fokus auf die Prägungen Siziliens, die durch ihre künstlerische Raffinesse bis heute beeindrucken (Seiten 18-25).
Darüber hinaus nehmen wir Sie mit auf eine numismatische Entdeckungsreise: zur Neueröffnung unseres Standorts in Paris (Seiten 46-47), wo wir künftig noch näher an unseren internationalen Kunden sein dürfen, und nach Lissabon, ins beeindruckende Calouste Gulbenkian Museum, dessen Sammlung zu den verborgensten Schätzen Europas gehört (Seiten 52-55).
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre, spannende Einblicke und – wie immer – viel Freude an der Numismatik.
Dr. Andreas Kaiser Ulrich Künker
Spezialsammlung China in unserer Auktion 432
Am 10. November 2025 lösen wir im Rahmen unserer Saal-Auktion 432 eine Spezialsammlung chinesischer Münzen und Medaillen auf. Darin ist u. a. die Sammlung einer Sinologin aus altem Familienbesitz enthalten. Freuen Sie sich auf viele Raritäten – von frühen Käschs bis hin zu Raritäten der modernen chinesischen Münzprägung.
Unsere Winter-Auktionen beginnen am 10. November mit einer Spezialsammlung China aus der Sammlung einer Sinologin aus altem Familienbesitz. Vom Käsch aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. über die Neugestaltung des chinesischen Münzwesens um die Wende zum 20. Jahrhundert bis hin zu den modernen Prägungen Chinas wird der Freund der chinesischen Numismatik viel Aufregendes finden. Die Preise reichen dabei vom zweistelligen bis zum fünfstelligen Bereich. Um den Gepflogenheiten des asiatischen Marktes entgegenzukommen, wurde ein großer Teil der Münzen gegradet, und zwar vor allem die Münzen, die maschinell hergestellt wurden.
Für den Auktionskatalog 432 und eine detaillierte Auktionsübersicht scannen Sie einfach nebenstehenden QR-Code.
Zurück an den Anfang des gesamtchinesischen Geldwesens
Es war der große Kaiser Qin Shihuangdi (259 v. Chr210 v. Chr.), dessen Grab noch heute unzählige Touristen in Xian bewundern, der während seiner Regierungszeit das ganze Reich einigte und dafür sorgte, dass die lokale Währung des Westreiches zur Münze ganz Chinas wurde. Das Resultat war der Käsch, der knapp zwei Jahrtausende lang in China kursierte.
Sie finden einige interessante Beispiele für die Entwicklung der Käsch-Münzen in unserer Auktion 432. Das Spektrum reicht dabei von der Chen-Dynastie bis hin zur Qing-Dynastie.
Besonders interessant ist ein chinesischer Käsch aus der damals in China höchst aktiven Privatmünzstätte Heaton / Birmingham. Es handelt sich wahrscheinlich um eine frühe und unpublizierte Probe, mit der man die Überlegenheit der maschinellen Produktion gegenüber der traditionellen demonstrieren wollte. Anders als moderne Münzen wurden chinesische Käsch-Münzen nämlich nicht geprägt, sondern gegossen.
Während das technische Knowhow der Heaton Mint in Birmingham überlegen war, galt das für ihr kulturelles Verständnis nicht. Sie suchten sich schlichtweg ein falsches Vorbild aus und nahmen eine in China relativ kommune, aber längst veraltete Käsch-Münze als Vorbild.
Los 5507
China. Hong Wu, 1368-1399. 10 Käsch, o. J.
Sehr selten. Fast sehr schön.
Schätzung: 500 Euro
Die ersten modernen Prägungen Chinas
Los 5522
Los 5526
China. Qing Dynastie. Qian Lon Tan Bao.
Probe zu einem Käsch, o. J. (ca. 1866-1870), Heaton Mint / Birmingham. Unpubliziertes Unikum.
Schätzung: 15.000 Euro 1,5:1
Ein wesentlicher Teil der Sammlung sind einige der besonders frühen Prägungen Chinas, als das Land im 19. Jahrhundert in Zusammenarbeit mit europäischen Maschinenfabriken bemüht war, sein Münzsystem dem westlichen Standard anzupassen. Kenner dürfen sich auf extrem seltene Proben freuen, wie sie z. B. durch die Zusammenarbeit der heute noch international tätigen Maschinenfabrik Schuler in Göppingen und dem Esslinger Graveurbetrieb Otto Beh entstanden.
Aber auch etliche hoch interessante, frühe Prägungen aus den chinesischen Münzstätten, die bald im ganzen Land eingerichtet wurden, sind in diesem Teil der Auktion zu finden.
China. Provinz Fengtien. 1 Dollar Jahr 24 (1898).
Variante mit schmalmäuligem Drachen und stumpfer „Eins“.
Selten. PCGS Environmental Damage - XF Detail. Sehr schön bis vorzüglich.
Schätzung: 2.000 Euro
Los 5531
China. Provinz Heilungkiang. 1 Dollar o. J. (1896).
Probe von Otto Beh (Esslingen) in Messing. Äußerst selten. PCGS Rim Damage - AU Detail. Sehr schön bis vorzüglich.
Schätzung: 15.000 Euro
Los 5533
China. Provinz Hunan. 1 Tael o. J. (1906).
PCGS Cleaned - AU Detail.
Sehr schön bis vorzüglich.
Schätzung: 3.500 Euro
Der Kampf um Chinas Zukunft
Los 5545
China. Provinz Kweichow. Autodollar Jahr 17 (1928).
Variante mit zwei Grashalmen und normalen Türen.
Selten. Selten. PCGS Repaired - VF Detail. Sehr schön.
Schätzung: 3.500 Euro
Los 5582
Republik. 1 Dollar Jahr 21 (1932). Sun Yat-Sen. Variante mit Gänsen über Dschunke. Aus der Sammlung eines Berliner Numisnautikers. Vorzüglich.
Schätzung: 3.500 Euro
Los 5536
China. Provinz Hupeh. Tael Jahr 30 (1904). Variante mit kleinen Zeichen. Sehr selten.
PCGS Repaired - XF Detail. Sehr schön.
Schätzung: 5.000 Euro
Die historisch wohl interessanteste Periode ist die, als nach dem Ende der Kaiserherrschaft Chinas Zukunft auf dem Spiel stand. Viele Kräfte rangen damals um Einfluss und hinterließen ihre eigenen Prägungen, ehe sich die kommunistische Regierung durchsetzte und ihr Land von äußeren Einflüssen weitgehend abschirmte.
Los 5577
Republik. Silbermedaille 1923 auf die Amtseinführung des Präsidenten Tsao Kun.
NGC Residue. Sehr schön.
Schätzung: 3.500 Euro
Los 5584
Republik. 10 Cents Jahr 25 (1936), geprägt in Wien.
NGC PF 65. Sehr selten in dieser Erhaltung. Polierte Platte.
Schätzung: 5.000 Euro 1,5:1
Los 5586
Sowjet-Republik. Provinz Sze-Chuen-Shensi.
1 Dollar 1934. Variante mit kleinen, ausgefüllten Sternen, mit „o“ und mit Hammergriff über Sichelklinge.
PCGS Cleaned - XF Detail. Sehr schön.
Schätzung: 4.000 Euro
Die moderne Gedenkmünzenprägung
China stieg in den späten 1970er Jahren in die Ausgabe von Gedenkmünzen für einen internationalen Sammlermarkt ein. Von Anfang an legten die Verantwortlichen dabei größten Wert darauf, ihre eigene Kultur ins Münzbild umzusetzen und ihre Prägungen damit als Botschafter ihres Landes zu nutzen.
Die modernen Münzen Chinas gewinnen dadurch an Interesse, dass es etliche Sätze gibt, die nur in winzigsten Auflagen entstanden, da in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren das westliche Interesse an diesen Münzen zusammengebrochen war. Die Prägezahlen selbst sagen dabei relativ wenig über die Seltenheit der Stücke aus, da zusätzlich oft die angekündigten Mintages nicht voll ausgeschöpft oder die Münzen zu einem späteren Zeitpunkt eingeschmolzen wurden.
Die Sinologin, die diese Sammlung aus altem Familienbesitz in den numismatischen Kreislauf zurückführen lässt, hat für interessierte Leser einen ausführlichen Artikel mit dem Titel „Das Reich der Mitte“ verfasst, der intensiver auf verschiedenste Münz-Arten und Prägungen eingeht. Sie finden den Fachartikel hier:
Los 5588
Volksrepublik. Set von 5 x 50 Yuan 1993. Erfindungen und Entdeckungen des Altertums. Komplette 2. Serie. Sehr selten. Mintage mit 1.200 angegeben. Im Originaletui ohne Originalzertifikate. Polierte Platte.
Schätzung: 7.500 Euro
Ein Fest für Freunde von antiken Münzen: Unsere Winter-Auktionen 433-436
Sieben umfassende Privatsammlungen von antiken Münzen werden in unseren kommenden Winter-Auktionen versteigert. Freuen Sie sich auf das volle Spektrum der Antike mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Provinzialprägung. Wir präsentieren die Sammlungen Willi Schleer, Christoph Buchhold, Dr. Kaya Sayar, Dr. Carl Friedrich Zschucke, Dr. W. R. sowie die Sammlungen eines norddeutschen Antikenfreundes und eines hessischen Pharmazeuten.
Ganz gleich, welches Gebiet der Antike Sie bevorzugen, ganz gleich, ob Sie viel oder wenig für Ihre Münzen ausgeben können bzw. wollen: Merken Sie sich den 10. bis 12. und den 17. bis 19. November 2025 vor, denn wir bieten Ihnen eine besondere Auktion, bei der schon allein die Zahl der angebotenen Lose beeindruckend ist. 3.605 Nummern mit hochklassigen Einzelstücken, umfangreichen Lots und vielen historisch interessanten Prägungen zu günstigen Preisen werden in einer SaalAuktion und drei eLive Premium Auctions den Besitzer wechseln. Freuen Sie sich auf feinste griechische Münzen mit weit zurückreichenden Pedigrees aus der Sammlung eines norddeutschen Antikenfreundes, auf seltene Aurei teils in hervorragenden Erhaltungen aus der Sammlung eines hessischen Pharmazeuten, auf liebevoll ausgewählte römische Raritäten aus der Sammlung Christoph Buchhold, auf hoch seltene Münzen der römischen Münzstätten in Köln und Trier aus der Sammlung Dr. Carl Friedrich Zschucke, auf Provinzialprägungen aus der Sammlung Willi Schleer, auf griechische Bronzeraritäten aus der Sammlung Dr. Kaya Sayar und last but not least auf Münzen der Soldatenkaiser aus der Sammlung Dr. W. R.
Für die Auktionskataloge 433-436 und eine detaillierte Auktionsübersicht scannen Sie einfach nebenstehenden QR-Code.
Auktion 433: Die Sammlung Willi Schleer
Wer sich für die Münzen des römischen Kleinasiens interessiert, kennt den Namen Willi Schleer. Er hat jungen Forschern immer wieder Einblick in seine Sammlung gewährt, so dass viele seiner Münzen publiziert wurden. Denn diesem Sammler ist es mit viel Freude an der Materie und viel Wissen darüber gelungen, nicht nur eine äußerst umfangreiche Sammlung von provinzialen Prägungen zusammenzubringen. Nein, oft ist auch das Stück in der Sammlung Willi Schleer das bei weitem am besten erhaltene.
Provinzialrömische Münzen zeigen Brücken, Tempel und Götterbilder und bieten somit einen Einblick in das politische, religiöse und kulturelle Leben der wohlhabenden Provinzbevölkerung. Sie beziehen sich auf regionale Feste und Kulte, die sie teils äußerst detailliert im Münzrund festhalten. Auf diesen Münzen wird der Kaiser zelebriert, vor allem wenn er die Provinz, ja vielleicht sogar die Stadt selbst einmal besuchte. Die Münzprägung Kleinasiens ist die beste Quelle, um die Inschriften der Städte zu
Los 6053
Pautalia (Thrakien). Caracalla, 198-217. AE. Rv. Tempelbezirk von Pautalia: In der Mitte Tempel des Asklepios, auf dem Berg darüber ein weiterer Tempel zwischen zwei kleineren Tempeln, r. Höhleneingang mit Kultbild, darunter die drei Chariten und ein weiterer kleiner Tempel. Sehr selten. Fast vorzüglich.
Schätzung: 1.000 Euro
Los 6076
Pergamon (Mysien).
Septimius Severus, 193-211. AE.
Rv. Zwei Kentauren mit Fackeln tragen Asklepios. Sehr selten. Sehr schön.
Schätzung: 1.500 Euro
Los 6116
verstehen und auf Grund aller vorliegenden Zeugnisse ein kleines Stück antiker Alltagsgeschichte zu rekonstruieren.
Genießen Sie die vielen Bilder aus der Vergangenheit des römischen Reichs und nehmen Sie sich die Zeit, sich in die Details der Rückseiten zu vertiefen. Die Sammlung Willi Schleer bietet dazu die besten Voraussetzungen, denn – wie gesagt – nur selten sind die provinzialen Prägungen in dieser Qualität vorhanden!
Los 6067
Tieion (Bithynien). Antinoos. AE. Rv. Antinoos auf einem Schiff, zu seinen Füßen Cista Mystica. Äußerst selten.
Sehr schön / Schön bis sehr schön.
Schätzung: 5.000 Euro
Laodikeia am Lykos (Phrygien). ´Caracalla, 198-217. AE.
Rv. Kaiser zwischen zwei Stadtgottheiten n. l. stehend, über Dreifuß opfernd, davor Flötenspieler, Soldat mit Vexillum und Victimarius mit Bullen. Im Hintergrund Tempel. Drittes bekanntes Exemplar. Fast sehr schön.
Schätzung: 2.000 Euro
Los 6147
Aspendos (Pamphylien).
Severus Alexander, 222-235. AE.
Rv. Hera und Zeus einander gegenüber sitzend. Wohl Unikum. Fast vorzüglich.
Schätzung: 750 Euro
Auktion 433: Griechische Kostbarkeiten aus der Sammlung
eines norddeutschen Antikenfreundes
Los 6278
Akragas (Sizilien).
Tetradrachme, 410-406, signiert von Straton. Sehr selten. Sehr schön.
Schätzung: 25.000 Euro
Wenn Sie die Ästhetik der provinzialen Prägungen nicht von Ihrem Interesse ist, dann begeistern Sie sich sicher für die griechischen Münzen, wie sie in der Sammlung eines norddeutschen Antikenfreundes zu finden sind.
Wir präsentieren in unserer Saal-Auktion 433 ein weit gefächertes Angebot an griechischen Münzen, bei denen der Schwerpunkt auf der Ästhetik liegt. Ob Archaik oder Klassik, diese Auktion offeriert die schönsten und bekanntesten Münztypen, vor allem aus Sizilien, zum großen Teil mit weit zurückreichenden Stammbäumen. Der norddeutsche Antikenfreund achtete auf Erhaltung, machte aber Kompromisse, wenn er dafür eines der großen Kunstwerke der griechischen Antike in seine Sammlung integrieren konnte.
Die Auktion 433 bietet Ihnen die Möglichkeit, eines der vielen heiß begehrten Highlights der griechischen Numismatik zu erwerben, entweder aus der Sammlung eines norddeutschen Antikenfreunds oder aus anderem Besitz, denn die Sammlung wird ergänzt durch passende weitere Einlieferungen. Sie werden also alle Favoriten sehen, wie die beiden Adler des Straton auf der Tetradrachme von Akragas, die Köpfe des jugendlichen Flussgottes von Katane, graviert von Herakleidas bzw. Euainetos. Sie finden den archaischen Dionysos aus Naxos, eine syrakusanische Tetradrachme des Demareteion-Meisters, etliche syrakusanische Tetradrachmen aus der Periode der signierenden Künstler, darunter die berühmte frontale Abbildung Athenas aus der Hand von Eukleidas.
Aber auch aus den anderen griechisch beeinflussten Mittelmeerregionen gibt es viel zu entdecken. Wer sich für griechische Kunst begeistert, wird in in dieser Auktion reichlich Nahrung für seine Begeisterung finden.
Los 6285
Katane (Sizilien).
Drachme, 405-402, signiert von Euainetos. Sehr selten. Vorzüglich.
Schätzung: 7.500 Euro
Los 6301
Syrakus (Sizilien). Tetradrachme, 470-460, Werk des „Demareteion Masters“. Sehr selten. Gutes sehr schön.
Schätzung: 30.000 Euro
Los 6308
Syrakus (Sizilien).
Tetradrachme, 415-405, signiert von Euth(...) und Phrygillos. Sehr selten. Knapp vorzüglich.
Schätzung: 12.500 Euro
Los 6309
Syrakus (Sizilien). Tetradrachme, 415-405, signiert von Eukleidas.
Sehr selten. Av. fast sehr schön. Rv. sehr schön.
Schätzung: 10.000 Euro
Auktion 433: Aurei aus der Sammlung eines hessischen
Ziehen Sie die römische Porträtkunst dem griechischen Ideal vor? Dann freuen Sie sich auf die Sammlung eines hessischen Pharmazeuten. Ihr entstammen zahlreiche Aurei, von denen viele Sammler schon seit langem träumen.
Die Auktion enthält Münzen mit den Porträts aller Kaiser und Kaiserinnen in Gold und bietet Sammlern reichlich Auswahl in verschiedensten Qualitäten.
Das Angebot deckt die klassische römische Periode ab, ist besonders reich hinsichtlich der Münzprägung der Tetrarchen, von Constantin und seinen Nachfolgern resp. der spätrömischen Epoche.
Los 6457
P. Clodius Turrinus. Aureus, 42 v. Chr.
Selten. Sehr schön.
Schätzung: 7.500 Euro
Los 6769
Pertinax. Aureus, 193. Sehr selten. Vorzüglich.
Schätzung: 25.000 Euro
Los 6761
Commodus. Aureus, 190. Selten. Fast vorzüglich.
Schätzung: 6.000 Euro
Los 6809
Septimius Severus mit Caracalla und Iulia Domna. Aureus, 201. Sehr selten. Fast vorzüglich.
Schätzung: 20.000 Euro
Los 6873
Herennia Etruscilla. Aureus, 249-251.
Selten. Fast Stempelglanz.
Schätzung: 15.000 Euro
Los 7350
Los 7007
Constantinus I. Aureus, 315/6, Herakleia. Sehr selten. Vorzüglich.
Schätzung: 10.000 Euro
Romulus Augustus. Tremissis, 475-476, Mediolanum.
Sehr selten. Sehr schön.
Schätzung: 15.000 Euro
Auktion 433: Ausgewählte römische Raritäten aus der Sammlung
Christoph Buchhold
Augustus. Gold-Quinar, 7/8 n. Chr., Lugdunum.
Sehr selten. Sehr schön.
Schätzung: 2.000 Euro
Wer Christoph Buchhold einmal kennengelernt hat, dürfte ihn kaum mehr vergessen haben. Er kämpfte bereits jung mit Lähmungserscheinungen des linken Arms und Beins, hatte ständig Schmerzen und ließ es sich doch nicht nehmen, an vielen Auktionen persönlich teilzunehmen. Immer freundlich, immer offen und zugewandt, saß er lange bei den Besichtigungen und wählte mit großem Sachverstand die Münzen, auf die er bieten wollte. Er bevorzugte alles, was ihm historisch interessant erschien. Dabei kaufte er mit einem erheblichen, aber durchaus beschränkten Budget die Stücke, die er sich leisten konnte. Manchmal war das die beste Erhaltung (vor allem bei Denaren), manchmal machte er für große Seltenheiten Abstriche.
Seine Sammlung, die nun nach seinem Tod im vergangenen Jahr wieder auf den Markt kommt, spricht davon, wie viel Freude die Numismatik und die Beschäftigung mit der antiken Geschichte einem Menschen schenken kann. Sie werden in der Sammlung Christoph Buchhold eine Fülle von herausragenden Raritäten finden, die jeden Kenner der römischen Numismatik begeistern müssen. Sein Neffe, der einen bewegenden Nachruf auf seinen Onkel verfasst hat, schließt darin eine Bitte ein:
„Wenn Sie sich an Glanz und feinem Schnitt der römischen Porträts erfreuen, dann denken Sie bitte einen Augenblick an den kleinen Jungen, der nie Fahrrad fahren lernte, an den jungen Mann, der nie Vater wurde, und den alten Mann, der die Schmerzen seines Alters tapfer ertrug; der sich aber würdig in die lange Reihe jener Menschen einreiht, die diese Münzen für uns bewahrt haben.“
Los 6541
Nero. Aureus, 64/5. Selten. Gutes vorzüglich.
Schätzung: 4.000 Euro
Los 6704
Antoninus Pius. Aureus, 148/9.
Sehr selten in dieser Erhaltung. Gutes vorzüglich.
Schätzung: 6.000 Euro
Weitere Raritäten aus der Auktion 433
Los 6585
Vespasian. Dupondius, 74. Vorzüglich.
Schätzung: 250 Euro
Los 6929
Carus. Doppelantoninian, Siscia, 282-283.
Sehr selten. Gutes sehr schön.
Schätzung: 3.000 Euro
Los 6344
Auktion 433 enthält natürlich noch weit mehr Münzen als die Stücke aus den vier genannten Sammlungen. Viele Lose stammen aus unterschiedlichem Besitz, darunter besonders spektakuläre Münzen. Wir stellen Ihnen an dieser Stelle einige davon vor.
Los 6337
Pantikapaion (Skythien). Stater, 340-325.
Sehr selten. Aus Auktion Virgil Michael Brand.
Gutes sehr schön.
Schätzung: 50.000 Euro
Thasos (Thrakien). Gold-Drachme, 404-355.
Äußerst selten. Aus Auktion Bank Leu 45 (1989), Los 79.
NGC Ch AU 5/5, 4/5, Fine Style. Vorzüglich.
Schätzung: 60.000 Euro
Los 6503
Caligula. Sesterz 37/8. Grüne Patina. Vorzüglich. Schätzung: 5.000 Euro
Los 6564
Vitellius. Aureus, 69. Sehr selten.
Aus Liste Ratto vom April 1946. Vorzüglich.
Schätzung: 50.000 Euro
Los 6899
Postumus. Aureus, 263, Köln oder Trier.
Sehr selten. Aus Auktion Hamburger 96 (1932), Los 965. Vorzüglich.
Schätzung: 50.000 Euro
eLive Premium
Auction 434: Kleinasiatische Münzen aus der Sammlung Dr. Kaya Sayar
Los 8095
Los 6808
Caracalla mit Septimius Severus und Iulia Domna. Aureus, 201. Sehr selten. Fast vorzüglich.
Schätzung: 60.000 Euro
Los 7016
Crispus. Solidus, 319/20, Trier. Sehr selten. Aus Auktion der Sammlung Leo Biaggi de Blasys, Los 2058. Fast vorzüglich.
Schätzung: 50.000 Euro
Am 14. März 2024 wurde der erste Teil der Sammlung Sayar versteigert, der die südtürkischen Landschaften Lykien, Pamphylien und Kilikien enthielt. Nun folgt in der eLive Premium Auction 434 der zweite Teil der Sammlung mit den übrigen Regionen.
Mehr als 850 Lose vorwiegend aus dem östlichen Mittelmeerraum finden sich in dieser Auktion. Neben den zu erwartenden Prägungen aus Kleinasien, interessierte sich der Sammler aber für den gesamten griechischen Kulturbereich, so dass das Spektrum der Sammlung Sayar von Gallien bis Ägypten reicht. Der Schwerpunkt liegt auf den kleinasiatischen Städten. Wer gerne durch Kleinasien reist, wird viele bekannte Namen in dem Auktionskatalog finden.
Die Schätzungen beginnen ab 10 Euro. Zahlreiche interessante Bronzemünzen sind im niedrigen zweistelligen Bereich angesetzt. Darüber hinaus wurden zahlreiche Stücke in sinnvollen Lots zusammengestellt.
Ptolemaios Keraunos (Makedonien).
Stater nach Lysimachos-Typ, 281-279, Lysimacheia. Sehr selten.
Aus der Sammlung Kaya Sayar. Sehr schön bis vorzüglich.
Schätzung: 10.000 Euro 2:1
Auf den Seiten 26-33 dieser Ausgabe beschreiben unsere Autoren Johannes Nollé und Jens-Ulrich Thormann die Sammlung von Dr. Kaya Sayar näher.
Los 8157
Herakleia Pontika (Bithynien). Satyros, 352-345. Didrachme. Sehr selten. Aus den Sammlungen Consul Eduard Friedrich Weber, Auktion Hirsch XXI (1908), Los 2334 und Kaya Sayar.
Sehr schön.
Schätzung: 1.000 Euro
Los 8504
Milet (Ionien). Drachme, 125-115. Rv. Homer n. l. sitzend.
Sehr selten. Aus der Auktion Aufhäuser 12 (1996), 212 und der Sammlung Kaya Sayar. Av. gutes sehr schön. Rv. sehr schön.
Schätzung: 750 Euro
eLive Premium Auction 435: Die Sammlung
Dr. Carl Friedrich Zschucke mit einem Schwerpunkt auf den Münzen des Gallischen Sonderreichs und der Münzstätte Trier
Los 8323
Ilion (Troas). Drachme, 350-340.
Rv. Archaisches Kultbild der Athena Ilias.
Sehr selten. Aus der Sammlung Kaya Sayar. Sehr schön.
Schätzung: 400 Euro 1,5:1
Los 8834
Seleukos II. (Syrien). Tetradrachme, Teos(?). Äußerst selten. Möglicherweise Unikum. Aus der Auktion Ars Classica XV (1930), Los 1065 und aus der Sammlung Kaya Sayar. Fast vorzüglich.
Schätzung: 1.000 Euro
Wer sich mit Münzen des Gallischen Sonderreichs oder der Münzstätte Trier beschäftigt hat, kennt den Namen Dr. Carl Friedrich Zschucke, denn viele wichtige Werke über diese beiden Münzstätten stammen aus seiner Feder.
Wir erinnern uns: Bevor 2024 die Neuauflage des RIC zum Gallischen Sonderreich publiziert wurde, gab es als wichtigstes Referenzwerk nur den RIC aus dem Jahr 1933. Der berücksichtigte natürlich nicht die zahlreichen neuen Forschungsergebnisse und Neufunde. Dr. Carl Friedrich Zschucke, von Profession eigentlich Doktor der Medizin, interessierte sich als geborener Kölner gerade für diese Münzen. Er sammelte sie mit Begeisterung und merkte schnell, dass er wesentlich mehr über die Stücke wusste, als Münzhändler dem RIC entnahmen. Er konnte so große Raritäten für vernünftige Preise kaufen, bis er sich entschied, seine eigenen Forschungen zu publizieren. 1993 erschien „Die römische Münzstätte Köln“, 1997 „Die Römische Münzstätte in Trier“, ein Buch, das drei
Los 9261
Pacatianus, 248-249. Antoninian, Viminacium. Sehr selten. Schön.
Schätzung: 1.000 Euro
Los 9364
Postumus. Antoninian, Köln, 267. Sehr selten. Av. sehr schön. Rv. vorzüglich.
Schätzung: 1.500 Euro
Geprägt anlässlich der Eröffnung der Münzstätte in Köln. Die Reverslegende lässt sich auflösen zu Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Damit ist die Stadt erstmal namentlich auf einer Münze genannt.
Auflagen erlebte – für eine numismatische Publikation eine absolute Seltenheit. Und dies waren nur die ersten Publikationen.
Zschuckes Wissen über die Kölner und Trierer Numismatik der römischen Epoche spiegelt sich in seiner Sammlung wider, die am 18. November 2025 als eLive Premium Auction versteigert wird. Der Kenner entdeckt eine Fülle von hoch seltenen Münzen, denen man nicht immer auf den ersten Blick ansieht, wie selten sie sind. Für Spezialsammler aus aller Welt ist diese Sammlung und ihr Katalog ein absolutes Muss.
Los 9343
Saloninus, 260. Antoninian, Köln.
Sehr selten. Av. gutes sehr schön. Rv. sehr schön. Schätzung: 1.500 Euro
1,5:1
Los 9374
Tetricus I., 271-274. Antoninian, Köln, 271. Äußerst selten, wohl Unikum. Sehr schön.
Schätzung: 1.000 Euro
Obwohl RIC2 überhaupt keine Prägungen in Köln verortet, kann kein Zweifel bestehen, dass diese Emission in Köln entstand, da die Sigle CA mit Colonia Agrippinensium aufgelöst werden muss.
Los 9434
Maximianus I., 285-305. Antoninian, Trier, 293/4. Äußerst selten. Sehr schön.
Schätzung: 500 Euro
Trierer Antoniniane mit Helmbüsten sind ausgesprochen selten. Diese Form der militärischen Repräsentation blieb den beiden Augusti Diocletian und Maximian vorbehalten.
eLive Premium Auction 436:
Die Sammlung Dr. W. R. von römischen Münzen zwischen 217 und 285 n. Chr.
Es ist mittlerweile der 10. Teil der Sammlung Dr. W. R., den wir in einer unserer Auktionen anbieten dürfen. Diesmal werden die römischen Münzen von Macrinus bis Julian von Pannonien versteigert. Die Jahre 217 bis 285 gelten unter Fachleuten als Periode der Soldatenkaiser.
Numismatisch zeichnen sich diese Münzen durch ihre Vielfalt aus. Rom ist nicht mehr die einzige Prägestätte, im Gegenteil. Viele Usurpatoren aus exotischen Provinzen dominieren das Bild, und Dr. W. R. hat von den meisten von ihnen mindestens eine Münze. Sein Fokus auf die Numismatik ist umfassend: Er interessierte sich sowohl für die reichsrömische Prägung, als auch für die Münzen der Provinzen. Dabei achtete er stets auf die Erhaltung, so dass der Römerfreund in seinen Katalogen eine wahre Fundgrube an seltenen, gut erhaltenen und historisch interessanten Prägungen findet.
In der Sammlung Dr. W. R. ist für jeden Sammler etwas vorhanden, wobei der Schwerpunkt eher auf Bronze und Silber liegt.
Los 10103
Sestos (Thrakien), Alexander Severus. AE, 222-235. Rv. Leander schwimmt n. r. über den Hellespont, r. steht Hero mit Öllampe auf einem Turm. Sehr selten. Aus Auktion Sternberg XI (1981), Los 234 und Sammlung
Dr. W. R. Av. gutes sehr schön. Rv. sehr schön.
Schätzung: 1.250 Euro
Los 10171
Gordianus I. Africanus. Denar, 238. Sehr selten. Aus Auktion NFA XXVII (1991), Los 162 und Sammlung Dr. W. R. Vorzüglich.
Schätzung: 2.000 Euro
Los 10227
Tranquillina. Antoninian, 238-244. Sehr selten.
Aus Auktion Triton III (1999), Los 1148 und Sammlung Dr. W. R. Sehr schön bis vorzüglich.
Schätzung: 4.000 Euro
Los 10304
Pacatianus. Antoninian, Viminacium, 248-249. Sehr selten, besonders in dieser Erhaltung. Aus Auktion MMAG 35 (1967), Los 111 und Sammlung Dr. W. R. Gutes sehr schön.
Schätzung: 4.000 Euro
Los 10308
Traianus Decius. Doppelsesterz, 249-251. Sehr selten. Aus Auktion Sternberg XXXII (1996), Los 713 und Sammlung Dr. W. R. Vorzüglich.
Schätzung: 3.500 Euro
Reichtum, Schönheit und Selbstbewusstsein –Einige Schlaglichter auf grandiose sizilische Münzen aus der Sammlung eines norddeutschen
Antikenfreundes
Von Johannes Nollé
Sizilische Münzen der klassischen Zeit
In unserer Auktion 433 sind die 26 sizilischen Münzen aus der ,Sammlung eines norddeutschen Antikenfreundes‘ eine wahre Augenweide. In der Blütezeit Siziliens von ca. 480 v. Chr. (Sieg sizilischer Fürsten über die Karthager bei Himera) bis 367 v. Chr. (Tod des Tyrannen Dionysios I. von Syrakus) erreichten die Münzen, die auf der größten Insel des Mittelmeers (Abb. 1) geprägt wurden, ein technisches, künstlerisches und intellektuelles Niveau, das staunen macht. Auch
Abb. 1: Sizilien (auf der Grundlage einer Karte von Uwe Dedering, Wikimedia)
wenn es zunächst die Schönheit dieser Münzen ist, die uns anzieht, so bringen diese Geldstücke uns schon bald dazu, mehr über die Zeiten und Umstände wissen zu wollen, in denen sie geprägt wurden. Wir wollen die Bilder dieser prachtvollen Geldstücke verstehen; wir wollen wissen, was die Zeitgenossen dieser Münzen sich bei ihrem Anblick gedacht haben. Diese Münzen sind unmittelbare Zeugen einer nunmehr zweieinhalbtausend Jahre zurückliegenden Zeit, die darauf wartet, uns an ihren Erfahrungen, Freuden und Leiden teilhaben zu lassen. Beim Vergleich dieser Welt
Abb. 2: Von diesem Mann mit dem markanten Knoten im Bart gibt es weitere Porträts in mehreren Museen, so dass es sich um eine berühmte Persönlichkeit handeln muss. Allerdings konnte vor dem Bekanntwerden dieses Reliefs, das im karischen Aphrodisias gefunden wurde und den Namen des Mannes auf der Randleiste angibt, das Bildnis nicht mit Sicherheit einer bestimmten Persönlichkeit der Antike zugewiesen werden. Aufgrund des Neufundes wissen wir, dass dieses Porträt Pindar zeigt. (JN 2011)
mit jener, in der wir heute leben, gewinnen wir die Chance, mit unseren Problemen und Herausforderungen besser umgehen zu können. Historisches Wissen macht erfahrener, sensibler und gelassener, um mit überraschenden Entwicklungen besser umgehen zu können und die richtigen Entscheidungen schnell und mit Tatkraft zu treffen.
Grundlage der grandiosen sizilischen Münzkunst waren der agrarische Reichtum Siziliens und der Handel der zentral im Mittelmeer gelegenen Insel. Beide verschafften Siziliens Städten und Herrschern genügend Silber für eine reiche Münzprägung und darüber hinaus das Geld, geschulte und talentierte Handwerker und Künstler für die Münzproduktion in ihren Dienst zu nehmen. Die Flüsse aus den Bergen der Insel hatten größere Schwemmlandebenen aufgeschüttet, die einen ertragreichen Anbau von Feldfrüchten, insbesondere
von Getreide, ermöglichten. Getreide war im gesamten Mittelmeerraum immer ein knappes und gesuchtes Gut. Quellen, Bäche und kleinere Flüsse stellten in der Antike genügend Brauchwasser für die Menschen und ihre Nutztiere bereit, sie schufen auch Bewässerungsmöglichkeiten für die Felder. Die reichlich mit Wasser versorgten Ebenen wurden nicht nur für den Getreide- und Weinanbau genutzt, sondern boten zusammen mit den Bergmatten, die selbst in heißen Sommern nicht vertrockneten, Siziliens Pferden hinreichende Weiden. So war Sizilien auch ein Land der Pferde und der guten Reiter.
Welche Rolle für Sizilien das Wasser spielte, hat der aus Boiotien stammende Dichter Pindar (ca. 522/518 – nach 446 v. Chr.) verstanden (Abb. 2), der von 476-474 v. Chr. auf der Insel weilte, um für die Fürsten Siziliens Siegeslieder, sogenannte Epinikien, zu verfassen. Er verfasste die Texte und komponierte Melodien für diese Lobgesänge, um sie am Ende mit Chören aufzuführen. In seinen festlichen Chorgesängen, von denen wir nur noch den Text besitzen, ihre musikalische Gestaltung aber nicht mehr wiedergewinnen können, feierte Pindar jene reichen Herren der Insel, die mit ihren Pferden und Gespannen bei den vier panhellenischen (d.h. gesamtgriechischen) Wettkämpfen in Olympia, Delphi, Nemea und auf dem Isthmos von Korinth gesiegt hatten. Die großen Herren Siziliens, insbesondere die Tyrannen der Städte Akragas, Gela, Himera und Syrakus liebten den Pferdesport, der auch dazu diente, militärische Schlagkraft einzuüben, zu erhalten und als Warnung für die Feinde – das waren vor allem die Karthager –großartig zu inszenieren.
Im Jahre 476 v. Chr. feierte Pindar mit einer Ode den Olympiasieg Hiërons, des Fürsten von Syrakus, in einer hippischen Disziplin: Hiërons Rennpferd Pherenikos (,Siegbringer‘) war als erstes durchs Ziel gegangen. Diese Ode – in der Zählung der Philologen handelt es sich um die 1. Olympische Ode – beginnt mit drei Worten, die heute in einer Zeit, die von Klima- und Umweltängsten geprägt ist, wieder häufiger ins Gedächtnis gerufen werden: ἄριστον τὸ ὕδωρ (áriston to hýdōr)/,Das Beste ist das Wasser‘. Diese Sentenz hat
angesichts spürbaren Klimawandels, der so manchem Landstrich der Erde schreckliche Dürreperioden beschert, wiederum Aktualität gewonnen: Wir sind dabei zu lernen, wie kostbar Wasser sein kann. Pindar konnte mit eigenen Augen sehen, welchen Einfluss das Wasser auf die Landschaft und Gesellschaft Siziliens hatte.
Wasser war so wichtig, dass auf den Münzen Siziliens, die zu Pindars Zeiten von den Städten und Fürsten in Umlauf gebracht wurden, Quellnymphen und Flussgötter immer wieder erscheinen. Weil die Griechen sich ihre Götter in Menschengestalt vorstellten, sind auf den Münzen Flussgötter manchmal in Gestalt junger Männer, manchmal auch nur durch ihre Köpfe wiedergegeben.
Zwei Münzen von Katane
Die meisten Flüsse Siziliens sind kurz, oft nur Bäche, die aber vor allem in der Zeit der Schneeschmelze mit jugendlichem Elan von den Bergen und Höhen Siziliens herabhüpfen. Für Flüsse kann auch ein Stier stehen, denn Stiere verkörpern wie Flüsse Fruchtbarkeit, aber auch unbezähmbare Wildheit und Kraft. Weitere Gründe nennt Strabon, der Vater der griechischen Geographie (X 2, 19): „Diejenigen, die hieraus [aus der Stiergestalt der Flüsse] die Wirklichkeit zu erschließen suchen, sagen, der Achéloos [ein Fluss in Nordwestgriechenland] werde, ebenso wie die übrigen Flüsse, stierähnlich genannt wegen des Getöses und der Biegungen der Flussbetten, die man ,Hörner‘ nennt, schlangenähnlich wegen der Länge der Gewundenheit und ‹rindköpfig› aus demselben Grunde wie stiergestaltig“. Nicht selten wurden beide Darstellungsformen der Flussgötter miteinander verbunden. Der Stierkörper endete nicht in einem Rindskopf, sondern trug einen Männerkopf; der Jüngling hatte kleine Hörnchen.
Zu den göttlichen Herrinnen aufsprudelnder Quellen machten die Griechen schöne Mädchen, die Nymphen genannt wurden, und auch auf den Münzen Siziliens und Süditaliens zu finden sind.
Katane
Auf Münzen der Stadt Katáne, des heutigen Catanias, ist der kleine Fluss Amenanos sowohl in Stier- als auch später in Jünglingsgestalt (Abb. 3 und 4) wiedergegeben. Der Stier ist androkephal, das heißt er trägt einen Männerkopf. Der dem gehörnten Jünglingskopf beigeschriebene Name AMENANOΣ lässt keinen Zweifel an der Identität des Abgebildeten. Der Amenanos entspringt auf der Akropolis von Katane beim heutigen Benediktinerkloster. Wahrscheinlich war das Vorhandensein von Wasser ein wichtiger Grund dafür, dass die Griechen trotz der unmittelbaren Nähe des Feuerberges Ätna dort eine Stadt anlegten:
Abb. 3: KATANE. AG-Tetradrachme, 461/445 v. Chr.; 17,31 g. Androkephaler Stier r., darüber Silen, im Abschnitt Ketos (Meer-Ungeheuer) // Geflügelte Nike in langem Chiton schreitet eine Taenie haltend l., davor KATANAION.
(Künker-Auktion 433, Losnummer 6283)
Abb. 4: KATANE. Drachme, 405/402 v. Chr., signiert von Euainetos; 4,19 g. Quadriga r., Nike bekränzt Lenker // Kopf des jugendlichen Flußgottes Amenanos l., umgeben von zwei Fischen und einer Garnele.
(Künker-Auktion 433, Losnummer 6285)
Ein Hügel mit Wasserversorgung bot einen nahezu idealen, Sicherheit bietenden Siedlungsplatz. Durch den schweren Ausbruch des Ätna im Jahre 1669 ist der Amenanos nunmehr verschüttet und fließt unterirdisch. Er speist heute noch zwei Brunnen der Stadt, die Fontane dell’ Elefante (Abb. 5) und die Fontane dell’Amenano (Abb. 6), um schließlich beim Fischmarkt ins Meer zu fließen.
Der Amemanosbrunnen
Abb. 6:
von Catania (JN 2021)
Abb. 5: Der Elefantenbrunnen von Catania (JN 2021)
2:1
Abb. 7: AKRAGAS. AG-Tetradrachme, 410/406 v. Chr., signiert von Straton; 17,07 g. Nike in Quadriga l., oben Weinranke mit Weintraube//Zwei Adler l. auf Hasen. Von großer Seltenheit. Sehr schönes Exemplar. (Künker-Auktion 433, Losnummer 6278)
Akragas
Nicht ganz einfach zu erfassen ist eine wunderschöne wie auch seltene Tetradrachme der Stadt Akragas, die im letzten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts geprägt wurde und auf der Rückseite den Namen eines Mannes namens Straton trägt (Abb. 7). Ob er der Prägeaufseher oder der Stempelschneider dieser Münze war, ist nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden. Auf der Vorderseite ist eine geflügelte Nike abgebildet, die sich vornüberbeugt, um ihre Quadriga zu größter Geschwindigkeit anzutreiben. Möglicherweise wurde dieses Münzbild, das sich an Viergespann-Prägungen der Stadt Syrakus orientiert, eingeführt, um den Olympiasieg des Exainetos im Jahre 412 v. Chr. zu feiern. Der aus Akragas stammende Exainetos war nicht, wie man aufgrund des Münzbildes zunächst denken könnte und wie auch in Publikationen fälschlich zu lesen ist, ein Sieger im Pferderennen. Vielmehr siegte er zweimal im Stadionlauf, zuerst in der 91. Olympiade (= 416 v. Chr.), dann in der 92. (= 412 v. Chr.). Der Stadionlauf war die älteste und auch vornehmste Disziplin der Olympischen Spiele. Wenn ein Grieche sich auf eine bestimmte Olympiade bezog, so drückte er das folgendermaßen aus: „In der x. Olympiade, als n.n. im Stadionlauf siegte“, d.h. der Sieger im Stadionlauf gab einer Olympiade seinen Namen, er war, wie es technisch
heißt, eponym (namengebend). Nach seinem zweiten Sieg in Olympia wurde Exainetos bei der Rückkehr in seine Heimatstadt überschwänglich gefeiert. In einer Prozession von Gespannen wurde er in die Stadt eingeholt. Für Akragas, das an Bedeutung immer hinter Syrakus zurückstand, war es ein großer Triumph, dass einer ihrer Bürger zweimal nacheinander in Olympia als Sieger der eponymen Disziplin ausgerufen wurde: „Sieger ist Exainetos, der Sohn des n.n., Bürger von Akragas“. Die Feier des wiederholten Sieges war so bedeutend, dass sie einen großen Nachhall in der antiken Literatur gefunden hat. Der Historiker Diodor berichtet ausführlich über sie, und so ist es denkbar, dass Akragas des Exainetos Siege in seiner Münzprägung mit einem agonistischen Motiv feierte. Die von der Siegesgöttin Nike (Nίκη) gelenkte Quadriga wäre dann ganz allgemein als Verbildlichung von Sieg – griechisch níke (νίκη) –zu verstehen. Sie stünde für einen Olympiasieg im Stadionlauf, der mit der Darstellung eines Läufers weniger beeindruckend imaginiert worden wäre. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass ein akragantinischer Fürst in dieser Zeit einen Sieg im Pferderennen errang und die Münze sich darauf bezog. Wir besitzen keine vollständigen Siegerlisten der panhellenischen Spiele. Über der Quadriga der akragantinischen Tetradrachme ist – in sensibelster Naturbeobachtung ausgeführt –eine Rebe mit Ranken, Weinblatt und großer Traube platziert. Noch heute werden in der Region von Agrigent exzellente Weine produziert. Die Rückseite der schönen Münze zeigt zwei Adler, die einen Hasen geschlagen und auf einem Felsen abgelegt haben. Die beiden Adler stehen auf dem Leib ihres Beutetiers. Der vordere von ihnen hat seine Flügel zusammengelegt und stößt anscheinend einen Schrei aus, der hintere, der mit seinen Flügeln schlägt, macht sich daran, den Hasen aufzureißen, um ihn zu kröpfen. Keiner hat den realen Hintergrund und die Grausigkeit der Szene besser beschrieben als der Schwiegersohn Friedrich Imhoof-Blumers, der Mediziner und Segantini-Förderer Oscar Bernhard (1861-1939) in seinem Aufsatz ,Der Adler auf griechischen und römischen Münzen. Zoologisch-numismatische Studie‘, Schweizerische Numismatische Rundschau 1936, 95-146, hier Seite 6: „Ich gebe hier einige kurze Notizen über den ,König der Lüfte‘, die sich auf meine eigenen Beobachtungen stützen. ... Auf meinen Jagden habe ich mit blossem Auge oder mit dem Fernrohr öfters beobachten können, wie ein Adler auf ein weidendes Murmeltier, einen flüchtigen Schneehasen stiess oder ein aufgescheuchtes Schneehuhn im Fluge erhaschte. Die erbeuteten Tiere trug er dann auf einen nahen Felsblock oder Baumstumpf. Mit ein paar Schnabelhieben riss er ihnen den Bauch auf und zerrte den noch lebenden Opfern die Gedärme, seine Lieblingsspeise, gemächlich heraus.
Abb. 8: Ein Säulenkapitell des gigantischen Zeus Olympios-Tempels von Akragas, im Hintergrund der modern überbaute antike Burgberg von Akragas (JN 2021)
Dabei stiess er mitunter ein schrilles Siegesgeschrei in die Lüfte, das mit den Angst- und Schmerzensschreien des Opfers in den Felsen widerhallte und so in der sonst stillen Alpenwelt ein wildes Bild der Grausamkeit der Natur bot“. Die Stempelschneider dieser Münze werden solche Szenen beobachtet haben. Eines der schnellsten Landtiere hatte gegenüber dem König der Lüfte und dem Göttervogel keine Chance. Für die Akragantiner war der Adler nämlich der Vogel des Zeus, dessen Bote und Überbringer von Vorzeichen er war. Die Münzen von Akragas zeigten standardmäßig einen Adler und eine Krabbe. Die Süßwasserkrabben (Potamidae) dürfte auf den Fluss Akragas weisen, nach dem die Stadt benannt worden war und an dessen Ufern sie lag. Der Adler weist auf den Kult des Zeus, der in Akragas mit dem Beinamen Atabyrios verehrt wurde. Die rhodischen Siedler, die zusammen mit Siedlern von Gela um 580 v. Chr. Akragas gründeten, hatten seinen Kult von ihrer Heimatinsel nach Sizilien gebracht. Neben Atabyrios wurde Zeus in Akragas noch mit mehreren
anderen Beinamen (sogenannten Epiklesen) wie etwa Polieus und Olympios (Abb. 8) verehrt. Insofern wird die wichtigste Aussage der akragantinischen Adlermünzen gewesen sein, dass die Stadt einen mächtigen göttlichen Schützer hatte, dem man vertrauen konnte. Eine weitere Botschaft der Münze konnte aber auch in der Erkenntnis liegen, dass in der Natur der Schwächere zur Beute des Stärkeren wird. Im Sizilien des ausgehenden 5. Jahrhunderts bedrohten die Karthager die griechischen Städte. Schon bald nach der Prägung dieser Münze im Jahre 406 v. Chr. wurden die verweichlichten Bürger von Akragas tatsächlich zur Beute der Karthager. Ihre Stadt wurde geplündert und verwüstet. Sie sollte nie mehr zu dem Reichtum und Glanz gelangen, den sie bis dahin erreicht hatte. Die immer gültige Botschaft der Münze von Akragas, die wir auch auf unsere gegenwärtige Lage beziehen sollten, lautet: Vae victis/,Weh den Besiegten‘, in freierer Übersetzung: „Sieh zu, dass Du nicht zum Opfer wirst!“.
Abb. 9: Griechenland, 10 Euro Gedenkmünze von 2012 auf den Dramatiker Aischylos (JN 2019)
Einige Akragantiner dürften bei der Betrachtung des Münzbildes der beiden Adler auf dem geschlagenen Hasen auch an eine Tragödie des berühmten Tragikers Aischylos gedacht haben, der mehrfach an den Fürstenhöfen Siziliens weilte (Abb. 9). In seinem ,Agamemnon‘ (Verse 104-121) schildert er ein Vorzeichen, das Zeus den königlichen Brüdern Agamemnon und Menelaos schickte und das den Fall Trojas ankündigte: Zwei Adler schlugen eine trächtige Häsin und kröpften sie. Die beiden Könige sahen, „wie sie verschlangen die Häsin, die trächtige, samt ihres Leibs Frucht, geschlagen noch vorm letzten Sprung. Wehe, ruf Wehe voll Leid, doch das Gute sei siegreich!“. Der letzte Satz will sagen, dass Zeus ein Schützer des Rechts ist, das die Trojaner durch den Raub der Helena verletzt hatten.
Segesta
Der Stamm der Elymer, der den Westteil Siziliens besiedelte und dort drei Städte – Segesta, Eryx und Entella – gegründet hatte, war schon den Griechen rätselhaft. Bereits der Historiker Thukydides (geboren vor 454 v. Chr., gestorben zwischen 399-396 v. Chr.) brachte die Gründung von Segesta (oder Egesta) mit Troja in Verbindung. Später wurde aus dieser Anknüpfung eine mythische Erzählung.
Die Götter Apollon und Poseidon mussten wegen eines Aufruhrs gegen Zeus für längere Zeit Arbeiten für den trojanischen König Laomedon – er war der Sohn des Stadtgründers Ilos und der Vater des Priamos –ausführen. Apollon wurde dazu angestellt, im
Idagebirge Herden des Laomedon zu hüten, Poseidon sollte Troja mit unüberwindlichen Mauern umgeben. Als dem Poseidon für seine Dienste der versprochene Lohn von dem betrügerischen König vorenthalten wurde, schickte Poseidon ein Meerungeheuer, das die Küsten der Troas verwüstete. In einem böswilligen Orakel verkündete der ebenfalls um seinen Lohn geprellte Apollon, das Ungeheuer würde nur dann verschwinden, wenn ihm die schönsten und vornehmsten adligen Mädchen Trojas geopfert würden. In Sorge um seine Tochter habe ein gewisser Hippotes seine Tochter Aigeste auf ein Schiff verbracht, das schließlich an der elymischen Küste Siziliens angetrieben wurde. Die an Land gegangene Aigeste sei dort von dem Flussgott Krimisos, der sich in der Gestalt eines Hundes dem Mädchen genähert hatte, vergewaltigt worden. Aigeste habe schließlich einen Sohn geboren, den sie Aigestos nannte und der zum Gründer von Segesta wurde (Abb. 10). Auf diesen Mythos beziehen sich die Münzen Segestas, die auf der Vorderseite einen Hund, auf der Rückseite aber den Kopf des trojanischen Mädchens zeigen, das zur Mutter des Stadtgründers wurde (Abb. 11). Das Blatt über dem Hund – vielleicht ein Ölbaumblatt – deutet an, dass für den Reichtum Segestas Ölgärten in der Schwemmlandebene des Krimisos eine große Bedeutung hatten.
Später soll Äneas, der aus dem von den Griechen eroberten Troja nach Rom hatte fliehen können, in Segesta gelandet sein. Er habe die Stadt neugegründet und einige seiner Männer dort zurückgelassen. Deshalb, so schließt Cicero (Verres II 4 [De signis] 72 ff.), seien
die Segestaner Verwandte der Römer: „Es heißt, Äneas habe sie gegründet, als er auf seiner Flucht aus Troja in diese Gegend kam. Daher glauben die Segestaner, dem römischen Volke nicht nur als unwandelbare Bündner und Freunde, sondern auch als Verwandte nahezustehen.“
Ein Ausblick
Mit Münzen Siziliens aus klassischer Zeit erwirbt man nicht nur schöne Beispiele griechischer Münzkunst, sondern auch Geschichten und Geschichte. Die Sammlung des norddeutschen Antikenfreundes kann für jeden Sammler ein Einstieg in eine Sammlung schöner griechischer Münzen sein oder die Gelegenheit, eine schon begonnene Sammlung zu vervollständigen.
Abb. 11: SEGESTA . Didrachme, 455/440 v. Chr.; 8,57 g. Der Flussgott Krimisos in Hundsgestalt, darüber ein Blatt // Die Trojanerin Aigeste. Selten. Herrliche Patina, fast vorzüglich.
(Künker-Auktion 433, Losnummer 6296)
Abb. 10: Heute markiert die unvollendet gebliebene Ringhalle eines Tempels die Lage der elymischen Stadt Segesta (JN 2013)
Münzen und Geschichten, die Kaya Sayar geliebt hat
Der Sammlung Dr. Kaya Sayar zweiter Teil
Johannes Nollé und Jens-Ulrich Thormann
Dr. Kaya Sayar (Abb. 1) – der am 21. Februar 2024 verstarb und den großen Erfolg von Teil I seiner Kollektion in unserer Auktion 402 nicht mehr miterleben konnte – ist bei der Anlage seiner Sammlung einen höchst individuellen Weg gegangen, indem er möglichst viele Prägeorte des antiken Kleinasiens in seiner um die 2000 Münzen umfassenden Sammlung zusammengetragen hat. Mehr als dreißig Jahre lang hat der bekannte und vielbeschäftigte Statiker Hunderte von Katalogen durchgesehen, dabei extrem rare Münzen aufgespürt und in seine Sammlung integriert. Indem er die Herkunft der Münzen akribisch notierte, haben die Münzen dieser Sammlung eine gesicherte Provenienz. Münzen, die er in seinem Geburtsland erwerben konnte, hat er niemals außer Landes gebracht, sondern schließlich den Museen seines Heimatlandes vermacht.
Abb. 1: Eine Unterhaltung über Münzen?
Dr. Kaya Sayar im Gespräch mit Dr. Margret Nollé (JN 2014).
Der gelehrte Sammler konzentrierte sich bei dem Aufbau seiner Sammlung darauf, Aspekte der antiken Geschichte seines Geburtslandes Türkei geistig und emotional zu erfassen. Münzen machten für ihn Geschichte anfassbar. Wie er immer wieder betonte, faszinierte ihn die Vorstellung, dass er ein kleines Silberstück oder Bronzemünzen in die Hand nehmen konnte, mit denen zweieinhalbtausend Jahre zuvor eine Hausfrau in Myrina in der Äolis Gemüse für den Mittagstisch eingekauft oder ihr Mann in einer Gastwirtschaft einen Becher Wein bezahlt hatte. In diesem Teil der Sammlung Dr. Kaya Sayar sind viele Kleinmünzen, insbesondere Thrakiens und Kleinasiens zu finden, die in dieser Fülle sonst kaum angeboten wurden und nicht mehr so schnell erreichbar sein werden.
Neben der Anfassbarkeit antiken Geldes liebte Kaya Sayar die Geschichte und jene Geschichten, die die Münzen seiner Sammlung erzählten. ,Historisch‘ und ,Historie‘ gehen auf das griechische Wort ,historein‘ zurück, und dieses bedeutet nichts anderes als ,erzählen‘. Der Vater der Geschichte, ein Landsmann von Kaya Sayar – Herodot von Halikarnass (heute Bodrum in der Türkei) – hat ein bis heute gültiges Vorbild für das Erzählen von Geschichte gegeben, er hat gezeigt, wie man Geschichte schreiben soll: Es gilt Geschehen zuverlässig, d.h. um die Wahrheit bemüht, präzise darzustellen, aber auch so unterhaltsam zu erzählen, dass ein Leser das Geschichtsbuch, das er geöffnet hat, nicht zuschlagen will. Man gewinnt Anteil an menschlichen Erfahrungen, und Geschichte beginnt, Menschen zu bilden und ihnen Gelassenheit, Standpunkte und Selbstvertrauen im Lauf sich schnell wandelnder Zeiten zu geben. Münzen sind dabei griffige und zuverlässige Zeitzeugen, da sie uns unmittelbar mit weit zurückliegenden Zeiträumen verbinden und in den Zeiten nach ihrer Prägung nicht mehr verändert werden konnten. So vermitteln sie uns unmanipuliert Identitäten, Stimmungen und Vorstellungen von Menschen und Städten vergangener Tage.
Abb. 2: Der Goldstater des Ptolemaios Keraunós. Alexanderkopf r. mit Diadem und Ammonshorn// Athena Nikephoros sitzt l., davor Löwenkopf l. und Elefant l., auf dem Thron Monogramm. (Künker-Auktion 434, Los 8095).
Wenn auch immer wieder Statere und Mehrfachdrachmen in der Sammlung Sayar zu finden sind, so entsprechen die im Zentrum dieser Kollektion stehenden Münzen nicht unseren 200- oder 500-Euroscheinen, sondern eher den 5-, 10-, 20- und gelegentlich 50-Eurobanknoten. Wir haben es somit mit Münzen zu tun, die nicht für große Zahlungen im Rahmen von staatlichen Transaktionen (etwa für Bauten, Schiffe und Söldner) oder von reichen Privatleuten für Luxusgüter benutzt wurden. Vielmehr begegnen wir Münzen des Alltags, die oftmals rarer sind als die großen Nominale.
Deshalb geriet beim Aufbau der Sammlung Sayar das 4. Jhdt. v. Chr. in den Fokus der Sammlertätigkeit. In dieser Epoche, die zwischen der griechischen Klassik des 5. Jhdts. v. Chr. und dem Hellenismus seit dem 3. Jhdt. v. Chr. liegt, erreichte die griechische Konzeption von der griechischen Stadt – der Polis –trotz unübersehbaren Anzeichen des Niedergangs noch einmal einen Höhepunkt, nicht in den großen urbanen Zentren des Griechentums, sondern in den nur dürftig urbanisierten Randgebieten. Trotz so mancher Krisenphänomene der sich selbst verwaltenden und weitgehend autonomen Stadt, in der die Bürger frei über die Geschicke ihrer Stadtgemeinde entscheiden konnten, nahmen im 4. Jhdt. v. Chr. zahlreiche griechische Kleinstädte die Prägung kleinerer
Silbermünzen und auch Bronzegelds auf. Zum einen sollte dieses Geld den Warenaustausch auf den lokalen Märkten erleichtern, zum anderen wollten die Städte mit diesen Münzen Zeugnis von ihrer wirtschaftlichen wie politischen Selbständigkeit ablegen, die immer mehr bedroht wurde: Sie waren stolz auf das eigene Geld ihrer Poleis (Stadtstaaten), das meist auf jene Geschichten anspielte, die die Städte Kleinasiens über sich erzählten, ihnen Identitäten wie auch Wert und Würde verliehen. Gerade diese kleinen Städte hat Kaya Sayar so geliebt.
Ein extrem seltener Goldstater des Ptolemaios Keraunos
Besonders stolz war Kaya Sayar darauf, dass er einen extrem seltenen Goldstater des Ptolemaios Keraunos in seine Sammlung integrieren konnte (Abb. 2). Es war der gelehrte Dresdener Numismatiker Wilhelm Hollstein, der in einem vorbildlichen Aufsatz (Schweizerische Numismatische Rundschau 74, 1995, 13-24), den Hintergrund dieser Prägung erhellen konnte, die typenmäßig eine Fortsetzung der Münzprägung des Lysimachos ist, aber seinem Nachfolger Ptolemaios Keraunos zugeordnet werden muss. Auf der Vorderseite ist der Kopf Alexanders des Großen mit Diadem und Ammonshörnern zu sehen. Die Rückseite nimmt eine thronende Athena Nikephoros (Siegbringerin) ein; vor ihr sind ein kleiner Löwenkopf und ein Elefantenkopf zu sehen.
Ptolemaios Keraunos ist ein Beispiel dafür, wie oft und wie schnell im Zeitalter der Diadochen, d.h. der Erben Alexanders, das Leben der Menschen überraschenden Wendungen des Schicksals ausgesetzt war. Vielfach agierten die Mächtigen dieser Zeit völlig skrupellos, so
dass sie, um ihre Interessen durchzusetzen, vor keinem Verbrechen zurückschreckten. Der Alexanderzug hatte zu einer Militarisierung der griechischen Gesellschaft und zu einem Triumph der Gewalt über Recht und Moral geführt. Insofern ist die Gestalt des Ptolemaios Keraunos exemplarisch. Die Schnelligkeit und Brutalität, mit der er handelte, trugen ihm den Beinamen Keraunós, d.h. Blitz, ein.
Ursprünglich war Ptolemaios Keraunós – der Sohn des Satrapen und späteren Königs von Ägypten, Ptolemaios’ I. (323-306; 306-282), sowie der aus höchstem makedonischen Adel stammenden Eurydike –als Erbe seines Vaters, d.h. als Nachfolger auf den Thron Ägyptens, vorgesehen. Ptolemaios Keraunós’ Großvater, der Vater seiner Mutter Eurydike, war Antipatros, ein erfolgreicher Feldherr Philipps und Alexanders, der nach dem Tod Alexanders (323 v. Chr.) eine Zeit lang als Reichsverweser das Regiment über das von Alexander geschaffene Reich ausübte.
Ptolemaios I., der Begründer der ägyptischen Königsdynastie der Lagiden, war aus Gründen politischer Zweckmäßigkeiten mehrfach verheiratet – unter Alexander dem Großen mit einer Perserin, dann bei der Machtübernahme in Ägypten mit einer Ägypterin; daraufhin, als Antipatros Reichsverweser war und ihm um 320 v. Chr. seine Tochter Eurydike anbot, mit dieser. Die Ehe mit Eurydike hatte aber nur kurze Zeit Bestand, da Ptolemaios I. sich 317 v. Chr. in Berenike, eine Hofdame seiner Gattin, verliebte. Berenike wurde Ptolemaios’ I. Mätresse und bald auch seine Ehefrau. Die Geliebte nutzte die Liebe des Königs und verstand es, ihre Konkurrentin Eurydike vom
Hof zu verdrängen und ihre eigenen Kinder zu fördern. So verlor Ptolemaios Keraunós, der Sohn des Königs und der Eurydike, bald die Anwartschaft auf die Nachfolge des Königs. 285/4 v. Chr. erhob Ptolemaios I. seinen und Berenikes Sohn, der ebenfalls Ptolemaios hieß, zum Mitregenten und damit zum Thronfolger. Eurydikes Sohn Ptolemaios Keraunós verließ damals voller Verbitterung den ägyptischen Hof in Alexandreia.
Ptolemaios Keraunós floh zunächst an den Hof des Lysimachos, des Herrschers über Thrakien und Westkleinasien. Nach einer Intrige von Lysimachos’ Gattin Arsinoë gegen ihren Stiefsohn Agathokles floh Ptolemaios Keraunós, der auch in Gefahr geriet, an den Hof Seleukos’ I. Nachdem es Seleukos 281 v. Chr. gelungen war, Lysimachos in der Schlacht bei Kuropedion (bei der türkischen Stadt Manisa) vernichtend zu schlagen, versuchte Seleukos, das Herrschaftsgebiet des in der Schlacht umgekommenen Lysimachos – Thrakien und Westkleinasien – unter seine Herrschaft zu bringen. Das nahm Ptolemaios Keraunós, der zu einer eigenen Herrschaft gelangen wollte, zum Anlass, im Sommer 281 v. Chr. Seleukos zu ermorden. Ptolemaios Keraunós konnte nun das Reich des Lysimachos übernehmen, nahm den Königstitel an und brachte auch noch Makedonien unter seine Kontrolle. Er heiratete Arsinoë, die Witwe des gefallenen Lysimachos. Arsinoë war die Tochter jener Berenike, vor der er einst wie seine Mutter vom ägyptischen Königshof geflohen war und die denselben Vater wie er hatte, also seine Halbschwester war. Als Ptolemaios Keraunós zur Sicherung seiner Herrschaft zwei Söhne der Arsinoë aus ihrer Ehe mit Lysimachos töten ließ, floh die entsetzte Mutter über mehrere Zwischenstationen nach Ägypten, wo sie die Ehefrau ihres Bruders Ptolemaios’ II. wurde. Ptolemaios II. und Arsinoë führten deshalb den Beinamen Philadelphoi, d.h. die sich liebenden Geschwister.
Das Glück hatte Ptolemaios Keraunós verlassen.
279 v. Chr. fielen die Kelten in sein Herrschaftsgebiet ein. Der König trat den wilden Horden, die plündernd und mordend nach Osten zogen, entgegen und setzte in der entscheidenden Schlacht Elefanten ein, über die er verfügte. Die den Kelten unbekannten Tiere waren eine wirksame Waffen gegen diese und lösten bei ihnen panischen Schrecken aus. Ptolemaios Keraunós soll selbst auf einem Elefanten in die Schlacht geritten sein. Er wurde aber, nachdem er vom Elefanten gefallen war, gefangengenommen und von den Kelten enthauptet –das gewaltsame Ende eines gewalttätigen Lebens.
Abb. 3: Der Lauf des Hebros, neugriechisch Evros, türkisch Meriç, bulgarisch Mariza (auf der Grundlage von Wikimedia, RosarioVanTulpe).
2,5:1
Abb. 4: Tetradrachme von Ainos: Kopf des Hermes Perpheraios mit Kappe // Ziege nach r. gewandt; Beizeichen Efeublatt auf Schild (?) (Künker-Auktion 434, Los 8014).
Ainos und sein Hermeskult
In der östlichen Ecke der Nordküste der Ägäis, dort wo der antike Hebros (heute griechisch Evros, bulgarisch Mariza, türkisch Meriç) ins Meer mündet (Abb. 3), blühte einst die griechisch-thrakische Stadt Ainos. In byzantinischer Zeit wurde ihr Name Énos ausgesprochen, und dieses Toponym wurde von den Türken nach der Eroberung der Stadt im Jahre 1456 übernommen, so dass ihr Name heute Enez (Énes gesprochen) lautet.
Ainos war in der Antike eine reiche Stadt, weil ihre geographische Lage sie zur Vermittlerin zwischen den Regionen des inneren Thrakiens und den Gebieten um das Mittelmeer machte. Neben dem Handel beruhte Ainos’ Wohlstand auf der Gewinnung von Meersalz, auf dem Fischfang, ferner auf Ackerbau und Viehzucht. Allerdings war das Klima von Ainos ungut: Durch das Hebrostal fanden kalte Winde aus dem Norden ihren Weg nach Ainos; die Sümpfe ringsum waren Brutstätten für Fiebermücken. Der mediterranes Klima gewohnte Athenaios von Naukratis beschrieb das Wetter von Ainos in seinen `Professoren-Gelagen‘ mit zynischem Unterton so: „Ainos muss 8 Monate Kälte erdulden und 4 Monate Winter“.
Dr. Kaya Sayar konnte eine sehr schöne wie auch seltene Tetradrachme von Ainos (Abb. 4) in seine Sammlung einfügen. Sie wurde um die Mitte des 5. Jhdts v. Chr. während der Hochblüte der Stadt geprägt und zeigt auf ihrer Vorderseite einen Hermeskopf mit einer Kappe; auf der Rückseite ist eine Ziege zu sehen. Die Ziege war
in der Mythologie eng mit Hermes verbunden. Hermes soll, so erzählte ein Mythos, in Gestalt eines Ziegenbocks Odysseus’ Gattin Penelope nachgestellt haben.
Hermes mit dem Beinamen Perpheraios war der Schutzgott von Ainos. Der bedeutendste Dichter des Hellenismus, Kallimachos, überliefert uns in seinen ,Jamben‘ die Hintergründe. Die Geschichte beginnt im Trojanischen Krieg, wo einer der Troja belagernden Griechen, ein gewisser Epeios, eine Holzfigur des Hermes schnitzte. Epeios sollte später als Konstrukteur des Trojanischen Pferdes große Bekanntheit gewinnen. Noch bevor Epeios seinen Hermes vollenden konnte, trat der durch die Ebene von Troja fließende Skamander über die Ufer und spülte das Götterbild ins Meer. Es trieb bis vor die Küste von Ainos. Dort zogen Fischer, die sich schon darauf freuten, dass ihnen ein großer Fisch ins Netz gegangen war, die Statue an Bord, erkannten sie aber nicht als eine solche, da die frühgriechischen Götterbilder flach und schematisch gearbeitet waren. Deshalb schlugen sie enttäuscht und voller Wut auf den ,Holzklotz‘ ein, den sie zu Feuerholz zerkleinern wollten. Bis auf eine Kerbe an der Schulter konnten sie die Hermesstatue aber nicht beschädigen. Als sie in Wut geraten diese verbrennen wollten, züngelten die Flammen um das Holzstück herum, verbrannten es aber nicht. Daraufhin erkannten die Fischer, dass es sich um ein von den Göttern geschicktes Gottesbild handelte, errichteten einen Tempel für es und opferten ihm nach jeder Ausfahrt die zuerst gefangenen Fische. Schließlich errichteten die Bürger von Ainos auf ein Orakel hin in der Stadt einen Tempel für Hermes. Hinter dieser Tetradrachme steht also eine von jenen grandiosen Geschichten, an denen Kaya Bey seine Freude hatte.
Elaious und der Heros Protesilaos
Auf jener Halbinsel, die die Westseite der Dardanellen bildet und unter dem Namen Thrakische Chersones bzw. Halbinsel von Gallipoli (nach der antiken Stadt Kallipolis) bekannt ist, prägten zahlreiche kleine Städtchen Kleinsilber- und Bronzemünzen. Der Athener Feldherr und Sieger der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.), Miltiades, und schon vor ihm sein gleichnamiger Vater hatten von ca. 550 v. Chr. bis 493 v. Chr. über die Thrakische Chersones und ihre kleinen Städte geherrscht, ihnen aber die Freiheit gelassen, eigene Münzen zu prägen. Vater und Sohn schützten die von Griechen kolonisierte Halbinsel vor den Einfällen thrakischer Stämme und trugen zu ihrer weiteren Hellenisierung bei.
Das gilt auch für das an der Spitze der Halbinsel und gegenüber der Ebene von Troja gelegene Städtchen Elaious (heute Eski Hisarlık, d.h. ,Alter Burgplatz‘), dessen griechischer Name soviel wie ,Ölbaumstadt‘ bedeutet (Abb. 5). Elaious’ Bedeutung lag jedoch nicht so sehr darin, dass auf seinem Territorium prächtige Ölbäume gediehen oder dass es an der Einfahrt in die Dardanellen gelegen war, sondern beruhte vielmehr darauf, dass dort in einem Tumulus angeblich der Heros Protesilaos seine letzte Ruhestätte gefunden hatte (Herodot IX 114). Von dem Heros Protesilaos erzählt bereits Homer in seiner um 700 v. Chr. verfassten ,Ilias‘ (Geschichte des Trojanischen Krieges). Homer zufolge (Ilias II 695-710) war der thessalische Held Protesilaos im Trojanischen Krieg der erste der Griechen gewesen, der aus seinem Schiff auf asiatischen Boden sprang, dabei aber auch als erster der griechischen Helden fiel. Angeblich wurde er in Elaious bestattet und ihm zu Ehren ein Totenkult eingerichtet. Das Grabmonument, das als Grabhügel des Protesilaos galt, war offensichtlich einer der vielen prähistorischen Tumuli, die in ganz Thrakien und Kleinasien zu finden sind. Es gab auch einen Hain des Protesilaos, dessen Bäume auf der Troja zugewandten Seite, wie erzählt wurde, häufig ihre Blätter verloren haben sollen, während sie auf der anderen, Troja abgewandten Seite grünten (Philostrat, Heroikos 9). Protesilaos’ Grabstätte wurde zu einer griechischen Wallfahrtsstätte, die reiche Weihegaben erhielt. In gleichem Maße, wie der ,aresgleiche Protesilaos‘ von den Griechen verehrt wurde, hassten ihn die Perser. Sie hielten ihn für eine Symbolfigur, die Ansprüche der Griechen auf Asien verkörperte – d. h. auf ein Gebiet, das in den Augen der Perser ihnen bzw. ihrem Großkönig gehörte. So ist es nicht verwunderlich,
dass ein persischer Satrap das Heiligtum des Protesilaos plünderte und schändete, indem er den Tempelbezirk in Ackerland verwandelte und im Innern des Protesilaos-Tempels Frauen vergewaltigte (Herodot IX 114).
Diese Geschichten ermöglichen es, die Bedeutung der Münzbilder auf den beiden Bronzen von Elaious (Abb. 6 und 7) in der Sammlung Sayar konkret zu verstehen. Die Schiffsprora weist auf die Beziehungen des Ortes zur Ebene von Troja und auf den Protesilaosmythos hin, der Ölbaumkranz auf den Namen der Stadt. Möglicherweise war eine Darstellung des Schiffes oder auch nur der Bug des Schiffes, auf dem Protesilaos die Ebene von Troja ansteuerte, in dem heiligen Bezirk des ProtesilaosHeiligtums ausgestellt und trug eine Bronzestatue des Protesilaus. In der Kaiserzeit prägte Elaious unter der Herrschaft des Kaisers Commodus (180-192) Bronzen, auf denen Protesilaos auf einer Schiffsprora die Lanze schwingend dargestellt ist (Abb. 8). Möglicherweise ist eine römische Mamorstatue des Protesilaos im Metropolitan Museum von New York eine Replik der Protesilaos-Statue aus dem Heiligtum von Elaious.
Alexander der Große begann seinen Feldzug gegen die Perser im Mai des Jahres 334 v. Chr. mit einem ,Protesilaos-Sprung‘ auf das asiatische Festland. Er hatte zuerst am Grab des Protesilaos geopfert, ein weiteres Mal nach seiner Landung auf kleinasiatischem
und
Abb. 5: Die Thrakische Chersones (JN auf einer Vorlage von H. Schwarz)
Abb. 6
7: Münzen von Elaious mit Schiffsvorderteil (Prora) (Künker Auktion 434, Los 8044).
Abb. 8: Münze von Elaious aus der Zeit des Commodus: Das Schiff des Protesilaos (Münzkabinett Berlin)
Boden. Nach dem Sprung schleuderte er seine Lanze in den Boden Asiens, um damit zum Ausdruck zu bringen, Asien sei dorýktetos chóra, d.h. durch den Speer erworbenes Land. Im Gegensatz zu Protesilaos konnte Alexander seinen Gegner besiegen und Indien erreichen; allerdings fand auch er einen frühen Tod. Schon 323 v. Chr. verstarb er in Babylon.
Herakleia am Latmos: Athena, die Mondgöttin Selene, Endymion und Narkissos
9: Tetradrachme von Herakleia am Latmos (Künker-Auktion 434, Los 8435)
In das Grenzgebiet von Ionien und Karien führt uns eine Tetradrachme der Stadt Herakleia am Latmos, die um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. geprägt wurde. Auf ihrer Vorderseite ist der Kopf der Athena nach rechts hin abgebildet; ihr Helm ist mit dem Flügelpferd Pegasos verziert. Auf der Rückseite ist in einem Eichenkranz die Keule des Herakles zu sehen, darunter zwei Monogramme und eine Nike mit Kranz (Abb. 9).
Herakleia am Latmos liegt am Bafa-See, der dadurch entstand, dass der Mäander die tiefeingeschnittene westkleinasiatische Bucht, an deren westlichem Ausgang Milet lag, mit Schwemmland auffüllte. Dadurch wurde jene Seitenbucht, an der Herakleia zu Füßen des Latmosgebirges gegründet wurde, in der Spätantike vom Meer abgeschnitten und zu einem Binnensee. Bis dahin konnte man von der Ägäis nach Herakleia segeln, um von dort ins das Innere Kariens zu gelangen (Abb. 10).
Abb. 10: Die Auffüllung der Bucht von Milet in der Antike (Eric Gaba – Wikimedia Commons user: Sting)
Abb.
Abb. 11: Ein Turm des hellenistischen Mauerrings von Herakleia am Latmos; im Hintergrund das Latmosgebirge (JN 2014)
Als im 4. Jhdt. eine griechische Stadt mit Rastergrundriss gegründet wurde und den Namen Heraklesstadt (Herakleia) erhielt, wurden die Bewohner der kleinen, ringsum liegenden Städtchen zwangsweise dorthin umgesiedelt. Zu diesen kleinen Poleis gehörte auch eine Siedlung der karischen Bevölkerung, die Latmos hieß. Ein makedonischer Dynast namens Pleistarchos machte Ende des 4. Jhdts. v. Chr. Herakleia zum Zentrum einer kleinen Herrschaft und umzog die Stadt mit einem riesigen Mauerring, von dem große Teile noch heute zu sehen sind (Abb. 11). Bis 190 v. Chr. stand die Stadt unter der Herrschaft der Seleukidenkönige. Nachdem die Scipionenbrüder Lucius Cornelius Scipio und Publius Cornelius Scipio, der Hannibalsieger, den Seleukidenkönig Antiochos III. bei Magnesia am Sipylos (heute Manisa) Ende 190 v. Chr. geschlagen hatten, schickten die Bürger von Herakleia eine Gesandtschaft an die römischen Feldherrn. Die Herakleoten erhielten von ihnen die Zusage, dass sie in Zukunft nach ihren eigenen Gesetzen agieren dürften, d.h. dass sie frei sein sollten. Die Stadtväter von Herakleia ließen voller Stolz über diesen diplomatischen Erfolg den Text des Schreibens der Scipionenbrüder in eine Seitenwange des Athena-Tempels einmeißeln. Eine französische
Expedition baute den Stein, auf dem dieser Brief stand, aus der Tempelwange aus und brachte ihn nach Frankreich. Heute wird er im Louvre aufbewahrt. Die Kopie des für Herakleia so wichtigen Privilegs in einem Mauerstück des Athena-Tempels hängt damit zusammen, dass Athena (Latmia) die göttliche Schützerin der Stadt war. Bis heute thronen die Überreste ihres Tempels gut sichtbar auf einem Hügel über der Stadt bzw. dem türkischen Dorf, das in den Ruinen entstand. In einer Stadt, in der die Ölproduktion große Bedeutung hatte und heute noch Ölbäume ihren Tempel umsäumen, darf die Verehrung dieser Gottheit nicht verwundern (Abb. 12).
Wie bereits gesagt, liegt Herakleia am Fuß des Latmos-Gebirges (Abb. 11), wo einer der schönsten kleinasiatischen Mythen angesiedelt ist. Im Latmosgebirge soll sich die strahlend schöne, aber sanfte Mondgöttin Selene, als sie nachts das zackengekrönte Gebirge, das die Türken Beşparmak Dağları (Fünffinger-Gebirge) nennen, beleuchtete, den schönen Hirten und mythischen Gründer von Herakleia, Endymion, gesehen haben. Sofort habe sie sich in ihn verliebt und ihn zu ihrem Geliebten gemacht.
Von Zeus erbat sie für Endymion die Unsterblichkeit. Der Verbindung der Mondgöttin mit dem Latmos-Hirten sollen 50 Töchter entsprossen sein. Von den Söhnen der beiden ist besonders Narkissos bekannt (Nonnos, Dionysiaka XLVIII 581-586), der von Zeus damit bestraft wurde, sich in sein Spiegelbild zu verlieben. Im Latmosgebirge ist Narkissos aber vor allem der Gott der nach ihm benannten Blume, die im Frühjahr dort reichlich blüht (Abb. 13). Aus der Mythenüberlieferung erfahren wir nicht genau, warum Endymion
Abb. 12: Der Athenatempel von Herakleia am Latmos (JN 2014)
schließlich in einen ewigen Schlaf versenkt wurde. Der Arzt, Feuilletonist und Autor des noch immer lesenswerten Buches ,An den Küsten des Lichts‘, Peter Bamm (1897-1975), vermutete, dass Selene die vielen Schwangerschaften, die ihr diese Liebesbeziehung eintrug, am Ende leid geworden sei: „Eines Nachts verliebte sich Selene, die Göttin des Mondes, in ihn. Sie erbat sich von Zeus Unsterblichkeit für ihren Geliebten. Zeus erfüllte ihre Bitte. Er mag dabei gelächelt haben. Es waren fünfzig Töchter, welche Selene der Unsterblichkeit ihres Liebhabers zu verdanken hatte. Dann versenkte sie ihn in einen tiefen Schlaf. Nur zuweilen noch besucht sie ihn in seiner Höhle, um seine Augenlider zu küssen. Die Geschichte ist lehrreich für junge Leute, die sich ewige Liebe schwören“. Nachdem der Hirte in ständigem Schlaf lag und nicht mehr seine Rinder melken konnte, soll den armen Tieren die Milch aus ihren Eutern geflossen sein (Quintus von Smyrna X 125-137) und in gestocktem Zustand die Felsen weißgrau überzogen haben. Die ‚Milchfelsen‘ sind noch heute im Latmosgebirge zu sehen, denn in dem Kalksteingebirge überzieht mancherorts Kalksinter die Felsen. Der geniale Kleinasienforscher Louis Robert (1904-1985) hat sie im Latmosgebirge gesucht und wiedergefunden (L. Robert, Documents de l’Asie Mineure, Athen/Paris 1987, 481-490).
Abb. 13: Narcissus poeticus, die Dichternarzisse (JN 2018)
Münzen der römischen Provinzen: Ein Sammelgebiet für Spezialisten
Lieben Sie es, sich vorzustellen, wie die Menschen im römischen Weltreich gelebt haben? Haben Sie mehr Spaß an Alltagsgeschichte als an perfekten Erhaltungen? Entdecken Sie gerne Neues? Dann sind die Münzen der römischen Provinzen das ideale Sammelgebiet für Sie.
Von Ursula Kampmann
Zehntausende von Touristen besuchen heute die beeindruckenden Ruinenreste der Türkei. Sie bummeln durch Ephesos, Troja und Aphrodisias, ohne zu bemerken, dass die meisten Reste nicht aus griechischer Zeit stammen. Das Bild, das uns die Ruinen der Mittelmeerwelt überliefern, wird von Gebäuden geprägt, die unter römischer Herrschaft entstanden. Denn erst nach der endgültigen Machtübernahme des Augustus erlebten die Provinzen eine lange und stabile Blütezeit.
Handel und Produktion verschafften findigen Unternehmern Rekordumsätze. Viele von ihnen nutzten den neu erworbenen Reichtum, um für sich selbst das Bürgerrecht zu kaufen und ihren Söhnen die beste Erziehung zukommen zu lassen. Danach schickten sie sie nach Rom. Davon erhofften sie sich, dass die Familie in die römische Elite aufstieg. Gerade das römische Heer wurde zum großen Karrieresprungbrett: Trajans Familie kam ursprünglich aus Spanien. Die Wurzeln von Septimius Severus lagen in Nordafrika.
Aber trotz des Aufstiegs innerhalb der römischen Aristokratie vergaß kein Bürger seine Heimatstadt. Wer - um nur ein Beispiel zu nennen - aus Ephesos stammte, wollte nicht nur in Rom, sondern vor allem in Ephesos zeigen, wie weit er es gebracht hatte. Das Resultat sind unzählige kleine und große, aufwändige und weniger aufwändige Bauten, die von einer städtischen Elite finanziert wurden.
Die Münzen der römischen Provinzialstädte des östlichen Imperiums gehören in den gleichen Zusammenhang. Sie bilden ab, worauf eine lokale Elite stolz war. Dafür wählten die Auftraggeber detaillierte Bilder. Kaum eine andere Münzprägung gibt uns ein besseres Verständnis davon, wie sich eine lokale Elite des römischen Reiches selbst sah und woraus sie ihr Selbstbewusstsein bezog.
Das Problem: Während griechische Münzen durch ihre Schönheit auch zu demjenigen sprechen, der
noch nie etwas vom antiken Griechenland gehört hat, während römische Porträts uns einen direkten Zugang zu den darauf dargestellten Persönlichkeiten bieten, braucht es viel Wissen, um in die Münzprägung der römischen Provinzen abzutauchen. Wer sich dafür entscheidet, provinzialrömische Münzen zu sammeln, muss bereit sein, viel zu lesen, zu lernen und ganz genau hinzusehen. Er darf keine hohen Ansprüche an stilistische Raffinesse und perfekte Erhaltung stellen. Belohnt wird diese Bereitschaft damit, dass er selbst auf Münzen, die für wenig Geld zu haben sind, historische Entdeckungen machen kann. Wer Zeit und Lust hat, sich auf dieses Sammelgebiet einzulassen, wird belohnt mit einem direkten Blick in die Vergangenheit, wie ihn nur wenige Sammelgebiete offerieren können.
Die Organisation der Provinzen
Grundsätzlich müssen wir bei der Verwaltung des römischen Weltreichs zwischen mehreren Ebenen unterscheiden. Da gab es zunächst die Person des Kaisers, auf die das ganze Imperium ausgerichtet war. Letztendlich hatte der Kaiser die ultimative Verantwortung; theoretisch konnte jeder römische Bürger an ihn appellieren. Man kann sich ganz gut vorstellen, mit welchen Bagatellen Bürger aus den hintersten Ecken des Reichs sich an den Kaiser wandten.
Dabei war eigentlich der Statthalter einer Provinz für deren Verwaltung zuständig. Je nachdem, ob sich in der Provinz viele oder wenige Legionen befanden, lag die Besetzung dieses Postens in der Hand des Kaisers oder des Senats. Der Senat ernannte zum Beispiel den Prokonsul der Provinz Asia, denn diese war schon lange befriedet. Die Provinzen Thrakien oder Syrien standen dagegen unter der Kontrolle des Kaisers, der den Posten mit einem Legatus Augusti pro praetore, also einem kaiserlichen Gesandten im Range eines Prätors, besetzte. So gewährleistete der Kaiser, dass im Falle eines Falles ein ihm treu ergebener Mann an der Spitze der in dieser Provinz stationierten Truppen stand.
Iuliupolis (Bithynien). Vespasianus, 69-79. Assaria, nach 70.
Rv. Name und Titel Prokonsul des Marcus Plancius Varus in Eichenkranz. Äußerst selten.
Schätzung: 300 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November), Los 6061.
Maionia (Lydien). Caracalla, 198-217. Medaillon unter dem Archonten Flavius Licinnianus.
Rv. Zeus Lydios neben Kultbild der Kore. Sehr selten.
Schätzung: 600 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November), Los 6097.
Wie viel Verwaltungspersonal hatte so ein Prokonsulzum Beispiel von Asia - dabei? Wir wissen, dass ihn 12 Liktoren begleiteten. Dazu kamen Boten und Sekretäre, öffentliche und private Sklaven, kurz: Wissenschaftler gehen heute von rund 100 bis 200 Beamten aus.1 100 bis 200 Personen? Im Jahr 2024 arbeiteten exakt 44.868 Beamte und städtische Angestellte bei Münchner Behörden. Auch wenn wir heute ganz andere Erwartungen an eine Stadtverwaltung stellen, macht das Beispiel klar, dass der Statthalter gar keine Chance hatte, seine Provinz auch nur annähernd zu betreuen, wenn ihn nicht die lokalen Eliten unterstützten.
Und die taten das gerne. Sie waren nämlich sehr stolz darauf, dass sie im Rahmen der lokalen Verwaltung von Rom völlig unabhängig waren. Jedenfalls solange alles funktionierte. Wenn es zu bewaffneten Aufständen kam, griff Rom sofort ein; und das wollten die herrschenden Eliten nach Möglichkeit verhindern. Deshalb sorgten sie dafür, dass der Frieden gewahrt wurde. Das Resultat war eine Art soziales Gleichgewicht, das auch den unteren Schichten das Leben in der Stadt lebenswert machte.
Prokonsul Marcus Plancius Varus
Einige wenige Münzen geben uns Hinweise auf die Verwaltung der Provinzen. So liest man auf Münzen der bithynischen Stadt Iuliopolis den Namen des Proconsuls der Provinz: Marcus Plancius Varus. Woher dieser Mann kam, wissen wir nicht. Keine Seltenheit. Nur
von den wenigsten Beamten, die auf Münzen erwähnt werden, besitzen wir epigraphische Zeugnisse. Von einer Erwähnung in den Schriften der zeitgenössischen Autoren ganz zu schweigen. Das Leben dieses Prokonsuls ist dagegen verhältnismäßig gut bekannt.
Die Familie von Marcus Plancius Varus soll in der Provinz Galatien umfangreiche Güter besessen haben. Mit ihnen finanzierte sie es dem vielversprechenden Marcus, nach Rom zu gehen und im Dienste des Kaisers aufzusteigen. Praetor wurde Marcus Plancius Varus unter Nero. Vespasian ernannte ihn zum Statthalter der Provinz Bithynien und Pontos. Er muss ein wichtiger Mitarbeiter der Flavier gewesen sein, immerhin gab ihm Tigranes VI. eine seiner Töchter zur Gemahlin.
Ein Marcus Plancius Varus konnte es sich leisten, als Wohltäter der Provinzialen aufzutreten. Wir wissen, dass er in Nikaia ein komplettes Stadttor stiftete. Und wir wissen, dass Münzen von mehreren Städten Kleinasiens seinen Namen in einem Kranz tragen. Ob er selbst diese Emissionen in Auftrag gab, oder ob die Bürger der Städte ihn wegen seiner Wohltaten auf diese Art feierten, das wird wohl für immer unklar bleiben.
Archon Flavius Licinnianus
Wesentlich häufiger als römische Beamte werden die lokalen Machtinhaber auf Münzen genannt wie zum Beispiel auf einer Prägung der Stadt Maionia in Lydien. Beim Archon handelt es sich um den obersten Repräsentanten der Stadt, einen Flavius Licinnianus, der relativ häufig auf Münzen vorkommt. Als Archon leitete Flavius Licinnianus die Sitzungen des Stadtrats und der Volksversammlung. Er spielte eine zentrale Rolle bei kultischen Anlässen und gab viel von seinem eigenem Geld aus, um die städtischen Aufgaben zu erfüllen. Flavius Licinnianus muss also für Maionia sehr wichtig gewesen sein, aber eben nur für Maionia und nicht über die Grenzen der Stadt hinaus. Sonst wissen wir nichts über ihn. Auch deshalb sind die Münzen der römischen Provinzen so wichtig. Sie illustrieren, wie viele Lokalgrößen es gegeben haben muss, die in ihren Heimatstädten aktiv Politik betrieben.
Die Dekurionen von Alexandria in der Troas
Es ist geradezu spektakulär, wenn man auf einer provinzialrömischen Münze die Politiker selbst zu Gesicht bekommt. Wir sehen sie auf einer Münze
1 François Kirbihler, The officium and Personnel at the Disposition of the proconsul of Asia. Proof of a Rudimentary or Expanded Roman Administration? In: Roman Provincial Capitals under Transition. Holzhausen 2021, S. 101-131
Versammlungsstätte des Stadtrats von Aphrodisias. Foto: KW.
aus Alexandria in der Troas. Dieses Alexandria war eigentlich eine griechische Gründung, in der Augustus römische Soldaten ansiedelte. Gleichzeitig erhielt Alexandria den Status einer römischen Kolonie, was ihren Bürgern eine Reihe von Sonderrechten verschaffte. Auch der Titel der Mitglieder des Stadtrats erinnert an die enge Verbindung zu Rom. Dekurio war ursprünglich ein militärischer Titel, der in der Kaiserzeit für zivile Belange verwendet wurde. Der Rat der Dekurionen verwaltete die lokalen Finanzen, entschied, welche städtischen Ausgaben getätigt wurden, und ernannte die Beamten. Er ist auf einer Münze, die zwischen 251 und 253 entstand, dargestellt. Dass die Politiker im Halbkreis sitzen, hat nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun, sondern erinnert an den Tagungsort der Dekurionen. Stadträte versammelten sich nämlich gerne in den kleinen Odeia, denen man immer wieder in Ausgrabungen begegnet. Im Bedarfsfall saß hier nicht nur der Stadtrat, sondern ein Teil der Bevölkerung, wenn ein durchziehender Rhetor eine Festrede hielt oder ein Künstler auftrat. Auch Theater hatten diese Doppelfunktion: An diesem Ort wurden die großen Theaterstücke inszeniert, aber auch die Volksversammlung zusammengerufen.
Die Stadt und ihre Gebäude
Und das ist ein wunderbarer Übergang zum nächsten Thema, denn auf nichts waren die Bürger einer Stadt so stolz wie auf die prachtvollen öffentlichen Gebäude,
Alexandria (Troas). Trebonianus Gallus, 251-253. Bronze. Rv. Die Dekurionen Alexandrias sitzen im Halbkreis. Selten. Schätzung: 400 Euro. Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10357. 2:1
deren sich ihre Heimat rühmen konnte. Tempel, Stadtmauern, Brücken, das waren die Fixpunkte, die auch in der Münzprägung auftauchen.
Die Festung von Amaseia
Allerdings muss man, um diese Darstellungen zu würdigen, sich von all den westlichen Sehgewohnheiten lösen. Vergessen Sie also die Zentralperspektive, an die wir uns seit der Renaissance gewöhnt haben!
Denn den Stempelschneidern ging es nicht darum, eine fotorealistische Ansicht des Geschauten zu reproduzieren. Für sie spielte die Bedeutung eines Gebäudes die zentrale Rolle. Sie stellten wichtige, für die Identität zentrale Gebäude groß dar, und ließen Unwesentliches weg. Die Benutzer der Münze hatten ihre Stadt ja vor Augen und wussten genau, welche Gebäude gemeint waren.
Amaseia (Pontos). Severus Alexander, 222-235.
Bronze, 225/6. Rv. Stadtansicht von Amaseia. Sehr selten.
Schätzung: 750 Euro.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10105.
Sardeis (Lydien). Elagabal, 218-222.
Bronze. Rv. Stadtmauer von Sardeis, davor Löwe n. l. Sehr selten.
Schätzung: 750 Euro.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10044.
Antiochia (Karien). Gallienus, 253-268.
Bronze. Rv. Brücke mit großem Torbau, darauf lagert der Flussgott Mäander. Selten.
Schätzung: 300 Euro.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10423.
Dieses Wissen fehlt uns heute. Wir kennen nur die Ruinen, und viele Forscher sind frustriert, wenn die Zahl der Säulen, die sie bei den Ruinen zählen, nicht mit den Säulen der auf den Münzen dargestellten Gebäuden übereinstimmen. Aber keinem Stempelschneider ging es darum, die Zahl der Säulen exakt im Münzbild zu überliefern!
Versuchen Sie dieses Münzbild mit den Augen eines Kindes zu betrachten. Sie sehen darauf eine Art Berg, um den eine Stadtmauer mit dicken Festungstürmen läuft. Innerhalb des Mauerrings sind Gebäude verteilt, davon liegen die einen weiter unten, die anderen weiter oben. Tatsächlich erinnert diese Darstellung an die beeindruckenden Ruinen der Festung Amaseia, dabei ist die Münze eher „gefühltes“ als realistisches Abbild.
Die Stadtmauer von Sardeis
Auch diese Münze zeigt eine Stadtmauer. Groß und präsent liegt ein Löwe davor. Und damit fängt das Recherchieren an, das das Sammeln von Münzen der römischen Provinzen so spannend macht. Warum ist ein Löwe auf dieser Münze aus Sardeis dargestellt?
Wir wissen, dass Sardeis unter dem Kaiser Elagabal eine zusätzliche Neokorie erhielt. Eine Neokorie war eine heiß ersehnte Ehre, um die sich die Städte Kleinasiens geradezu rissen. Der Neokoros durfte nämlich in regelmäßigen Abständen ein großes Fest anlässlich des Kaiserkultes organisieren. Das gab den lokalen Honoratioren die Möglichkeit, sich und ihre Bedeutung vor den Augen des Statthalters und der Elite der ganzen Provinz zu inszenieren. Könnte der Löwe auf dieses Ereignis hinweisen? Immerhin ist der Titel „Neokoron“ augenfällig im Abschnitt der Münze erwähnt.
Dafür spricht, dass Elagabal sich in Zusammenhang mit dem Sonnengott verehren ließ, und der griechische Gott Apollon wurde seinerseits mit dem Löwen verbunden. Ein Beweis der These ist das nicht, jedenfalls solange wir nicht mehr Quellen zu dem Thema finden. Aber das macht gerade den Reiz von provinzialrömischen Münzen aus, dass es immer Fragen gibt, die auf eine Antwort warten.
Die Brücke über den Mäander
Relativ viel wurde bereits über die Brücke publiziert, die bei Antiochia über den Mäander führte. Ja, genau, über den Mäander, der dem Mäandermuster seinen Namen gab. Wir sehen auf dieser Münze, die unter Kaiser Gallienus in den Jahren zwischen 253 und 268 entstand, eine Brücke, auf die links eine Art Torgebäude führt. Auf der Brücke selbst ist ein liegender Flussgott dargestellt, und zwar in der für Flussgötter typischen Haltung: Er stützt sich auf ein Quellgefäß, hält ein Bündelchen mit Schilfrohren und ein Füllhorn.
Ob sich auf der Brücke tatsächlich so eine Statue befand? Es könnte sein. Es muss aber nicht, denn der Stempel könnte so auch den Gott des Flusses Mäander dargestellt haben.
Warum aber bildeten die Bürger von Antiochia eine Brücke ab, die bereits seit der frühen Kaiserzeit existierte? Das erklärt Johannes Nollé damit,2 dass diese Brücke während der Perserkriege, die Kaiser Gallienus zu führen gezwungen war, eine strategische Bedeutung erhielt. Dazu würde es auch passen, dass der Kaiser in voller Rüstung mit Helm, Schild und Speer auf der Vorderseite zu sehen ist.
Olympos (Lykien). Gordianus III., 238-244.
Bronze. Rv. Helphaistos mit Hammer und Schild, davor Amboss und Zange. Sehr selten.
Schätzung: 750 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6138.
Rüstungsschmiede Kleinasien
Bleiben wir einen Moment bei der Reichspolitik, die sich gelegentlich im Münzbild der städtischen Prägungen spiegelt. Johannes Nollé fiel auf, dass dort in der zweiten Hälfte des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. besonders häufig Hephaistos zu sehen ist.3
Er bringt das mit dem gestiegenen Bedarf der römischen Zentralregierung an Waffen in Verbindung. Schließlich war spätestens seit Marcus Aurelius der Frieden vorbei, und die Römer kämpften an vielen Fronten. Dafür brauchten sie Waffen, und Kleinasien war ein industrielles Zentrum mit vielen Fachleuten, die sich mühelos auf die neuen Bedürfnisse umstellen konnten.
Statue des Mäanders aus einem öffentlichen Bad Milets.
Archäologisches Museum Istanbul. Foto: KW.
Die Rolle der Götter und Göttinnen
Der größte Teil der römischen Münzen zeigt - nicht nur in den Provinzen, sondern auch in Reichsrom - weder kaiserliche Propaganda noch Gebäude, sondern Götter und Göttinnen in allen Formen. Es ist bezeichnend, dass wir uns heute trotzdem kaum mehr vorstellen können, welch enorme Rolle die göttliche Gunst im antiken Denken spielte. Schuld daran ist die französische Aufklärung, die jedes religiöse Gefühl als Aberglauben diskreditierte, den eine gewinnorientierte Amtskirche auszunutzen verstand. Philosophen wie Voltaire haben uns den Blick darauf verstellt, dass es die Hoffnung auf eben diese göttliche Hilfe war, die einem antiken Menschen half, sein Schicksal zu meistern, ohne zu verzweifeln. Denn ohne moderne Medizin, ohne Wettervorhersagen, Welthungerhilfe und Versicherungen war jeder einzelne seinem Schicksal in einer für uns heute kaum mehr vorstellbaren Art und Weise ausgeliefert.
Nicht nur das Individuum setzte seine Hoffnung auf die Götter. Jede Stadt hatte einen bunten Strauß von übermenschlichen Mächten, denen sie in ihrer Gesamtheit Verehrung erwies, um sich so die Unterstützung ihrer göttlichen Mitbürger zu sichern. Mit diesen Göttern identifizierte sich die gesamte Bürgerschaft. Man war stolz auf sie. Deshalb wurden sie häufiger auf Münzen thematisiert als alles andere.
Illustrieren wir das am Beispiel des Heilgottes Asklepios. Immer wieder wurde sein Kult von Städten importiert, die von einer Seuche heimgesucht wurden. Rom tat das aus genau diesem Anlass im Jahr 293 v. Chr. Viele andere Städte taten das Gleiche, wenn die lokalen Ärzte eine für die damalige Medizin unerklärliche
2 Johannes Nollé, Die Brücke von Antiocheia am Mäander. In: Gephyra 6 (2010), S. 29-32
3 Johannes Nollé, Athena in der Schmiede des Hephaistos, Militär-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Implikationen von Münzbildern, JNG 45 (1995), S. 51-77
Pergamon. Septimius Severus, 193-211. Bronzemedaillon des Strategos Flavius Xenokrates. Av. Caracalla und Geta einander gegenüber. Rv. Zwei Zentauren, darüber Asklepios. Sehr selten.
Schätzung: 1.500 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6076.
Infektionskrankheit nicht in den Griff bekamen. Das ganze Römische Reich litt seit der großen Pest unter Marcus Aurelius immer wieder unter lokal aufflackernden Epidemien. Asklepios schien da die richtige Antwort.
Neben den städtischen Kulten gab es die großen Zentren des Heilkults, wohin Heilung suchende Individuen pilgern konnten. Dort nahm sich ihrer eine spezialisierte Priesterschaft an, die ihnen half, ihren eigenen Weg zur Gesundheit zu finden.
Asklepios in Pergamon
Neben Epidauros und Kos war Pergamon das wohl bekannteste Heiligtum. Kein Wunder, dass Asklepios zu den häufigsten Themen auf pergamenischen Münzen gehört. Dieses Beispiel entstand zwischen 193 und 211 unter dem Lokalpolitiker Flavius Xenokrates, der als Strategos an der Spitze der städtischen Verwaltung stand.
Kibyra (Phrygien). Macrinus, 217-218. Bronze. Rv. Asklepios. Sehr selten.
Schätzung: 150 Euro.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10014.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10278.
Die Rückseite zeigt Asklepios, gestützt auf seinem Schlangenstab, den Mantel so um sich geschlungen, dass die linke Brusthälfte unbedeckt bleibt. Vor ihm sehen wir zwei Kentauren, die beide einen Palmzweig in der Hand tragen.
Und damit geht schon wieder das Rätselraten los. Wir wissen von antiken Autoren, dass Asklepios sein Handwerk vom Kentauren Chiron lernte. Spielt die Darstellung darauf an? Warum sehen wir dann zwei Kentauren? Weist die Darstellung auf zwei reale Figuren hin, die irgendwo im Asklepiosheiligtum standen? Das wissen wir nicht; archäologisch können wir sie nicht nachweisen.
Überhaupt, der Künstler wollte sicher keine geographische Situation fotorealistisch wiedergeben. Ihm ging es darum, den lebendigen Gott darzustellen, der seine Stadt schützt. Da der Mensch aber so geschaffen ist, dass die Phantasie Anregungen braucht, ließ sich der Stempelschneider vielleicht von einer realen Situation inspirieren. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
So ließe es sich erklären, dass die vielen Asklepiosdarstellungen, denen wir auf den Münzen begegnen, einander so ähnlich sehen. Sie gleichen sich so sehr, dass Archäologen damit das exakte Aussehen von Kultstatuen haben rekonstruieren wollen. Dies mag in Einzelfällen funktionieren, ist aber vom Ansatz gefährlich. Denn die Münzen der Provinzen bildeten - anders als unsere modernen Gedenkmünzen - nicht einen konkreten Gegenstand ab, sondern ließen sich durch ihn nur zu ihrer Abbildung inspirieren.
Provinzielles Relief mit der Darstellung von Asklepios, Hygieia und Telesphoros. Archäologisches Museum Sofia. Foto: UK.
Der Kaiserbesuch
Das Beste, was einer Stadt in den Provinzen geschehen konnte, war ein persönlicher Besuch des Kaisers. Denn das bedeutete eine enorme Aufwertung des Gastgebers. Die städtische Elite konnte sich so direkt vor dem mächtigsten Mann des Reiches profilieren und ihm ihre Bitten persönlich vortragen. Der reisende Kaiser zeigte sich gerne als Wohltäter und verfügte über die Ressourcen, alle städtischen Probleme effizient zu lösen. Seine Entscheidung war unangreifbar, beendete jede Diskussion innerhalb der städtischen Oberschicht. Städte, die das Glück hatten, den Kaiser zu beherbergen, stellten dies gerne im Münzbild dar. Aber Achtung! Nicht immer weist die Darstellung des Kaisers auf einen Besuch hin. Oft spiegelt sich darin nur die Hoffnung, dass er die Stadt besuchen würde.
Im Falle Pergamons kam es 213/4 tatsächlich zu einem ausgedehnten Besuch. Caracalla wollte als Hilfesuchender selbst den Asklepios anrufen. Cassius Dio behauptet, er habe wegen der Ermordung seines
Bruders Geta unter Alpträumen gelitten. Ob das wahr ist? Wir wissen es nicht. Es könnte sich auch um kaiserkritische Propaganda handeln.
Wie auch immer: Dass Caracalla Pergamon besuchte, ist gut dokumentiert. Wie der Besuch genau ablief, dafür gibt es keine schriftlichen Quellen. Was wir haben, ist eine eindrucksvolle Serie von Medaillons, die die Höhepunkte seines Besuchs festhalten. Unser Beispiel zeigt den Moment, als der Kaiser an der Spitze der Truppen hoch zu Ross in die Stadt einzieht und sich mit seiner Rede an die Pergamener wendet. Die Abbildung von Asklepios auf dem Podest? Nun, vielleicht ein pars pro toto, also ein Teil für das Ganze. Asklepios könnte für die gesamte Stadt und ihre Bevölkerung stehen. Oder soll Asklepios der Gastgeber sein, weil Caracalla sich erst im Asklepieion an die Bevölkerung wandte? Wir wissen es nicht. Uns fehlt die persönliche Erfahrung, die jeder Pergamener, der diese Münzen nutzte, besaß. Sie alle waren dabei gewesen und wussten genau, was Asklepios im Münzbild bedeutete.
Tempel auf Münzen
Wen verwundert es nach all dem Gesagten, dass Tempel die auf provinzialrömischen Münzen mit Abstand am häufigsten dargestellten Gebäude sind?
Gerne wird dabei auch deutlich gemacht, welcher Gottheit ein Tempel gehört, indem diese Gottheit in die Fassade des Tempels integriert wird. Das darf uns nicht dazu verführen, zu glauben, die Statue habe wirklich an dieser Stelle gestanden. Sie war hinter meist geschlossenen Toren vor profanen Augen im Tempelinneren verborgen.
Pergamon (Mysien). Caracalla, 198-217. Bronze-Medaillon unter M. Caerelius Attalos. Rv. Der Kaiser reitet auf einem Pferd n. r. in die Stadt. Den rechten Arm hat er im Adventus-Gestus erhoben. Hinter ihm Soldat, vor ihm Asklepios auf einem hohen Podest. Schätzung: 750 Euro. Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6077.
Bis zu 20.000 Touristen sollen pro Tag die Ruinen von Ephesos durchwandern. Für sie alle ist die Celsus-Bibliothek ein Highlight. Die Familie ihres Namensgebers Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus stammte aus Kleinasien. Celsus machte unter Vespasian im Heer Karriere und stieg bis zum Proconsul der Provinz Asia auf. Sein Sohn errichtete um 120 die Bibliothek, in der sein Vater bestattet wurde. Damit erreichte es der Sohn, seinen Vater als Heros in die Nähe des Göttlichen zu rücken und so für sich selbst und seine Söhne bessere Voraussetzungen für den Aufstieg zu schaffen.
Unser Beispiel stammt aus Pautalia, das ebenfalls über ein bedeutendes Heiligtum des Asklepios verfügte. Noch heute werden die schon in der Antike reich sprudelnden Thermalquellen im Badebetrieb des modernen Kyustendil genutzt. Auf der Münze sehen wir gleich mehrere Tempel, der des Asklepios ist durch seine Position in der Mitte hervorgehoben. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie sogar das kleine Abbild des Gottes in der Tempelfassade.
Unser zweites Beispiel stammt aus den Jahren 275/6 und zeigt den Tempel der Artemis von Perge. Auch hier tritt uns Artemis in der Tempelfront entgegen, aber eben nicht so wie wir Artemis aus griechischen Zusammenhängen kennen. Diese Artemis hat nichts mit der jugendlichen Jägerin zu tun. Sie verweist durch ihre Gestalt auf einen Kult, der schon lange vor der Ankunft griechischer Siedler in Perge existierte.
Pautalia (Thrakien). Caracalla, 198-217. Bronze.
Rv. Tempelbezirk von Pautalia: in der Mitte der Tempel des Asklepios mit der Kultstatue in der Fassade; darum vier weitere Tempel sowie der Eingang zu einer Kulthöhle. Sehr selten.
Schätzung: 1.000 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6053.
Perge (Pamphylien). Tacitus, 275-276. 10 Assaria.
Rv. Tempel der Artemis von Perge. Sehr selten.
Schätzung: 600 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6155.
Magnesia am Mäander (Ionien). Iulia Domna. Bronze, 193-211.
Rv. Leukippos steht mit zwei Fackeln auf Prora n. r. Sehr selten.
Schätzung: 250 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6085.
Lokale Mythen
Das erinnert uns daran, dass der tatsächlich gelebte Glaube in griechischen Städten nichts mit Gustav Schwabs Sagen des klassischen Altertums zu tun hatte. Jede Stadt hatte ihre eigene Überlieferung, war stolz auf die lokalen Ausformungen der verschiedenen Kulte, auf die eigenen Heroen, Fluss-, Quell- und Berggötter. Sie waren oft wichtiger als die großen panhellenischen Gottheiten.
Leukippos von Magnesia
Ein gutes Beispiel dafür ist Leukippos, der in Magnesia am Mäander als Stadtgründer - oder wie die Griechen sagten als Ktistes - verehrt wurde. Man schrieb ihm die Abstammung von Bellerophon zu und verband ihn so mit dessen Ahn Glaukos, der auf der Argo als Wahrsager den Weg gewiesen hatte. Es ist ein seltener Ausnahmefall, dass wir aus einem Scholion zu Apollonios von Rhodos Genaueres über den Gründungsmythos von Magnesia wissen: Eine Gruppe von Auswanderern hatte sich in Kreta niedergelassen, war aber mit der neuen Heimat unzufrieden. So baten sie in Delphi um Erlaubnis, nach Hause zurückkehren zu dürfen. Das Orakel verbot es ihnen und versprach, dass die Götter selbst eingreifen würden, um ihnen besseres Land zu geben. Daraufhin ging eine zweite Gesandtschaft nach Delphi, um sich nach den Modalitäten zu erkundigen. Sie erhielt folgende Antwort: „O edle Männer von Magnesia, ihr habt eure Frage geäußert. Nun kehrt heim. Der Mann, der neben den Toren des Tempels steht, wird euch führen und euch den Weg zeigen über den Berg Mykale hinaus in das Land von Pamphylien. Dort werdet ihr das reiche Haus von Mandrolytos finden mit seinen reichen Besitzungen an den Ufern des sich sehr windenden Flusses. Dort werden euch die Olympier großen Sieg schenken und großen Ruhm den Untadeligen und denen, die nicht durch Betrug herrschen.“ Der Mann, der neben dem Tempel auf die Gesandtschaft wartete und sie anschließend in ihr gelobtes Land führte, wo sie Magnesia am Mäander gründeten, war Leukippos.4
Androklos von Ephesos
Auch diese beiden Münzen beziehen sich auf einen Gründungsmythos, obwohl das nur derjenige erkannte, der wusste, welche Rolle der von einem Speer durchbohrte Eber im Gründungsmythos von Ephesos spielte. Stadtgründer Androklos hatte von Delphi ein Orakel erhalten, wo er die Stadt gründen möge, nämlich dort wo es ihm Wildschwein und Fisch zeigen würden. Als nun die zukünftigen Ephesier auf ihrer Reise am Abend die Schiffe an Land zogen, um auf festem Boden
Ephesos (Ionien). Macrinus. Bronze, 217-218. Rv. Berggott Peion lagernd n. l., auf der ausgestreckten rechten eine kleine Artemis
Ephesia, im linken Arm Füllhorn, davor Tempel. Darüber vom Speer durchstoßener Eber zwischen zwei Türmen. Sehr selten.
Schätzung: 600 Euro.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10013.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10312. 2:1
zu übernachten, sprang beim Kochen ein Fisch aus der Glut und entzündete durch die an ihm haftende Kohle ein trockenes Gebüsch. Das scheuchte einen Eber auf, den Androklos erlegte. Dieser Eber fand immer wieder Eingang in die Münzprägung der Stadt Ephesos.
Übrigens berichtet Pausanias, dass noch zu seiner Zeit das Grabmal mit dem Abbild des Androklos in Ephesos besichtigt werden konnte und überliefert in diesem Zusammenhang mehr über dessen (mythisches) Dasein. Er sei der Sohn des attischen Königs Kodros gewesen und habe die Ephesier in verschiedenen Kämpfen angeführt, bis er in einer Schlacht gegen die Karer den Tod gefunden habe.
Moderne Archäologen sind der festen Überzeugung, Reste dieses Grabmals lokalisieren zu können.
Lokale Spiele
Enden wir unsere kleine Einführung in die provinzialrömische Numismatik mit einem Blick auf die vielen Münzen, die Preise abbilden, die bei Spielen gewonnen werden konnten. Diese Spiele waren zwar ein Vergnügen für groß und klein, aber dennoch kein Selbstzweck. Sie wurden im Rahmen der Götterfeste durchgeführt. Ihre ursprüngliche Bedeutung war es, so die Menschen zu ermitteln, denen die Götter wohlgewogen waren. Im 2. und 3. Jahrhundert reduzierte sich das auf den Nervenkitzel, den jeder gute sportliche Wettkampf zu bieten hat.
Um die besten Athleten anzulocken, offerierten die wohlhabenden Städte üppige Preisgelder, die sie durchaus auch auf Münzen abbildeten. Wir sehen zwar noch immer die hohen Preiskronen, die den Siegern aufgesetzt wurden, und die Kantharoi mit Olivenöl. Aber daneben finden wir Beutel, die Münzen enthielten und erfolgreiche Berufssportler zu reichen Männern machten.
Die Stadtgöttin von Perge hält das Kultbild der Artemis. Detail eines kaiserzeitlichen Reliefs aus Perge im Museum von Antalya. Foto: KW.
Wir besitzen keine schriftlichen Überlieferungen, die uns verraten, wie hoch diese Preise waren. Eine kleine Ahnung vermittelt ein Blick auf die Goldmedaillons von Abukir. Sie dienten wahrscheinlich im thrakischen Beroia als Preise, die anlässlich der lokalen Spiele unter Elagabal oder Severus Alexander vergeben wurden. Bitte vergleichen Sie dazu unseren Bericht über das Gulbenkian-Museum in Lissabon am Ende dieser Ausgabe unseres Magazins.
Sie sehen, auch wenn es den Münzen der römischen Provinzen ziemlich häufig an künstlerischer Meisterschaft der Stempelschneider fehlt, haben sie uns viel zu sagen, und zwar nicht über die römische Zentralregierung, sondern über die Bürger selbst, die unter dieser Zentralregierung ihr kleines, alltägliches Leben lebten.
4
Orhan Bingöl, Magnesia on the Meander. Ankara (2020), S. 18f.
Das monumentale Sebasteion von Aphrodisias, das Aphrodite und den Julisch-Claudischen Kaisern geweiht war, wurde von zwei prominenten Familien aus Aphrodisias finanziert, die sich so dem Kaiser verpflichteten und sich selbst ein lokales Denkmal setzten. Eine Inschrift erinnert an die Namen der großzügigen Spender.
Preistisch. Mosaik aus Piazza Armerina / Sizilien.
Foto: KW.
Eine gerade erst erschienene Einführung in dieses Thema ist das von Andrew Burnett verfasste Buch „The Roman Provinces, 300 BCE-300 CE“, das in der Cambridge University Press 2024 publiziert wurde. Diese hervorragende Einführung ist nur in englischer Sprache erhältlich.
Byzantion (Thrakien). Caracalla. 8 Assaria.
Rv. Preistisch mit Preiskrone und Palmzweig, zwischen zwei Geldbeuteln, unter dem Tisch Amphora. Äußerst selten.
Schätzung: 400 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6051.
Laodikeia (Phrygien). Caracalla. Bronze, 216/7.
Rv. Preistisch mit drei Preiskronen, darauf der Name der Spiele
Deia Komodeia Antonineia Koina Asias, darunter Amphoren.
Schätzung: 500 Euro.
Aus Auktion Künker 433 (10. November 2025), Los 6118.
Perge (Pamphylien). Maximus. Bronze, 235-238.
Rv. Geldtruhe, darauf drei Geldbeutel.
Schätzung: 150 Euro.
Aus Auktion Künker 436 (19. November 2025), Los 10168.
Neueröffnung unseres Standortes in Paris
Auszug aus der Begrüßungsansprache von Fritz Rudolf Künker
Am 19. September konnten Bruno Barret, der Präsident der neu gegründeten Münzenhandlung Künker Paris – Maison Platt, und seine Mitarbeiter Sandrine Dorey und Frank Lagnitre mehr als 100 Gäste in der Rue de Richelieu begrüßen. Das Haus mit der Nr. 49 in der Rue de Richelieu zwischen Louvre und Bibliothèque Nationale gelegen, seit 1993 von Gérard Barré (gest.) und Daniel Renaud geführt, ist weit über die Grenzen Frankreichs bekannt. Die numismatischen Firmen Maison Platt, Paris und Fritz Rudolf Künker, Osnabrück, sind seit 1972 freundschaftlich verbunden. Die von Michel Kampmann, dem Enkel von Clément Platt, schon 1992 geäußerte Idee, seine Traditionsfirma an den Osnabrücker Numismatiker Fritz Rudolf Künker zu verkaufen, wurde 30 Jahre später von Künkers Nachfolgern Ulrich Künker und Dr. Andreas Kaiser in die Tat umgesetzt. Die Geschäftsräume der alten Firma Maison Platt wurden von der Pariser Firma Edifart, geführt von Erwan Surcouf und Guillaume Chambery ganz neu gestaltet, wobei der besondere Charme des Hauses beibehalten wurde. Nachdem Bruno Barret die Geschichte der Firmen Serurre und Platt kurz umrissen hatte, betonte Fritz Rudolf Künker in seiner Begrüßungsansprache, dass Künker Paris – Maison Platt eine unabhängige französische Firma ist, die in Paris als SARL (gleich der deutschen GmbH) geführt wird.
Die neuen Geschäftsräume sollen für die Freunde der Numismatik ein Ort der Begegnung und des persönlichen und fachlichen Austausches werden. Nach dem Verständnis von Fritz Rudolf Künker steht die Firma auch für die deutsch-französische Freundschaft. Die Aussöhnung der beiden Völker, 1963 als Vision von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle im Elysee-Vertrag verankert, ist inzwischen Wirklichkeit geworden. Fritz Rudolf Künker betonte, wie wichtig gerade für junge Menschen die Beziehung zu anderen Völkern ist. Er selber war 1966 zum ersten Mal in Frankreich. Im Rahmen des deutschfranzösischen Jugendwerks gab es den Schüleraustausch Niedersachsen (Basse-Saxe) / Normandie. Künker lernte als Gast die Familie Bertrand in Flers (Normandie) kennen und sein persönlicher Horizont wurde stark erweitert. Sein Freund Michel Bertrand zählte neben vielen anderen guten Freunden zu den Ehrengästen des 19. September in der Rue de Richelieu.
Freuen sich über das neu eröffnete Ladengeschäft: (vlnr) Frank Lagnitre, Andreas Kaiser, Sandrine Dorey, Fritz Rudolf Künker, Bruno Barret.
Andreas Kaiser, Bruno Barret, Daniel Renaud, Frank Lagnitre und Fritz Rudolf Künker während der Eröffnungsfeier am 19.9.25 im renovierten Geschäft an der Rue Richelieu.
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Ein wissenschaftlicher Austausch im wunderschönen Krakau
Von Johannes Nollé
Die Veranstaltung
Am 25. und 26. September 2025 fand in Krakau der Kongress ,In the Cradle of Coinage. The Ancient Coins of Asia Minor‘ statt, an dem ich selbst mit einem Vortrag teilgenommen habe.
Veranstalter war eine der ältesten und ehrwürdigsten Universitäten Europas: Krakaus Jagiellonen-Universität. Die vorzügliche und gastfreundliche Organisation des Kongresses verdanken wir meinen polnischen Kollegen Jarosław Bodzek, Paweł Gołyźniak und Barbara Zając. Ihnen ist es mit viel Arbeitsaufwand und Fingerspitzengefühl gelungen, in einer der schönsten Städte Europas (Abb. 1), die der verstorbene
Abb.1: Die Kathedrale auf dem Wavel-Hügel –nach den Worten Johannes Pauls II. ,Das Herz Polens‘ (Photo JN)
Papst Johannes Paul II. einmal als ,das Herz Polens‘ bezeichnet hat, einen Kongress über ein höchst interessantes Thema zu veranstalten. Wie so vieles andere hat auch die Erfindung des Münzgeldes ihren Ursprung in Kleinasien, genauer gesagt in Sardeis, der Hauptstadt des lydischen Königsreiches, das dadurch zur Wiege gemünzten Geldes wurde. Daran erinnert auch das hübsche Emblem des Kongresses, das den Kopf des lydischen Löwen und hinter ihm die strahlende Sonne zeigt. Das Design geht auf lydische Münzen, d.h. auf frühestes Münzgeld, zurück (Abb. 2).
Der Vortragsraum des Archäologischen Institutes, weit unter dem heutigen Bodenniveau Krakaus, führte uns in die mittelalterliche Stadtgeschichte hinab. Bei unserem
Tagungsraum handelt sich um ein original erhaltenes mittelalterliches Kellergewölbe (Abb. 4), das auch in Krakau selten zu finden ist und restauratorisch wie auch ästhetisch die bekannte Fähigkeit der Polen auf dem Gebiet der geschmackvollen Wiederherstellung alter Bauwerke anschaulich unter Beweis stellt.
Das Auktionshaus Künker, das schon beim letzten Internationalen Numismatischen Kongress unsere polnischen Kollegen mit der Ausrichtung des Festbuffets in der Warschauer Burg unterstützt hat und dem die Förderung der numismatischen Wissenschaft in Polen sehr angelegen ist, hat auch diese begrüßenswerte wissenschaftliche Initiative der Krakauer Numismatik gefördert (Abb. 3). Seit 1996 geben Krakauer Numismatiker unter der Leitung von Jarosław Bodzek die Zeitschrift ,Notae Numismaticae - Zapiski Numizmatyczne‘ heraus, die sich über mehr Beiträge mittel- und südeuropäischer, aber auch türkischer Numismatiker freuen würden. Bereits drei Bände der Sylloge Nummorum Graecorum liegen vor, die die Bestände des National Museums in Krakau erschließen.
An dem Kongress nahmen zahlreiche bekannte Numismatiker aus Europa und Amerika teil (Abb. 4). Die Konferenzsprache war Englisch. Der Thematik wegen wäre es schön gewesen, wenn mehr türkische Kollegen den Weg zu diesem Kongress gefunden hätten und nicht allein Koray Konuk ,die Wiege des Geldes‘ hätte vertreten müssen. Bei einem der ins Auge gefassten nächsten Kongresse soll das der Fall sein.
Die Beiträge
Nach einer Begrüßung durch den Dekan der Historischen Fakultät der Jagiellonen-Universität, Sławomir Sprawski, konnte der Direktor des Archäologischen Instituts, Jarosław Bodzek, die Konferenz eröffnen.
Abb. 2: Das Emblem des Kongresses: Der lydische Sonnenlöwe
Am Donnerstag stand in der ersten Sitzung die frühe Münzprägung – Elektrongeld wie auch seine Ablösung durch eine Gold- und Silberwährung – zur Debatte. Die Beiträge von Wolfgang Fischer-Bossert, Peter van Alfen, Ute Wartenberg-Kagan und Mariusz Mielczarek zeigten, dass noch immer kleine Erkenntisfortschritte mühsam den Münzen selbst abgerungen werden können, aber aufgrund des Fehlens schriftlicher Quellen vieles unklar ist und auch weiterhin auf akzeptable Antworten harrt.
Die zweite Sitzung war kleinasiatischen Münzen der klassischen Zeit gewidmet. Jonathan H. Kagan versuchte, Auswirkungen des von den Athenern 427 v. Chr. brutal niedergeschlagenen Aufstandes der lesbischen Stadt Mytilene auf die Münzprägung Nordwestkleinasiens aufzuzeigen. Helmut Lotz gelang es in einem vorbildlichen Vortrag, Klarheit und Stringenz in die Abfolge der lykischen Dynasten und ihre Münzprägung zu bringen. Andrew Maedows ging danach auf die verschiedenen unterschiedlichen
Abb.
Gewichtstandards Lykiens ein, die teils einem lokalen Isolationismus, teils interaktiven Bestrebungen verdankt werden. Am Ende der Sitzung diskutierte Koray Konuk unter dem filmreifen Titel ,Back to Kasalaba‘ über die noch immer nicht gelösten Probleme, die jenen Münzen anhaften, die aufgrund ihrer Legenden in karischer Schrift entweder mit dem kleinen karischen Städtchen Kasolaba in Verbindung gebracht oder aber Halikarnassos zugeordnet werden. Die oftmals nur schwer nachvollziehbaren und noch schwerer entscheidbaren Streitigkeiten und methodischen Differenzen der Sprachwissenschaftler machen es dem Numismatiker schwer, zu einem Urteil zu gelangen, wie eine karische Münzlegende zu verstehen ist.
Die dritte Sitzung war ikonographischen Fragen gewidmet. Zwei Organisatoren des Kongresses, Jarosław Bodzek und Paweł Gołyźniak, gingen darauf ein, wie graeco-persische Gemmen und achaemenidische Münzen sich gegenseitig beeinflusst haben. Das Flügelpferd bzw. dessen Protome auf Münzen der Stadt Lampsakos war das Thema von Paul Seyfried. Er ging richtig davon aus, dass in der Antike in einer Gründungstradition der Name der Stadt Lampsakos mit dem griechischen Wort lámpein (leuchten, aufblitzen) in Verbindung gebracht wurde und dass das Flügelpferd
Abb. 4: Der Kongress tagt (jeweils von rechts nach links):
1. Reihe: Jaroslaw Bodzek (Jagiellonen-Universität Krakau, Veranstalter), Wolfgang Fischer-Bossert (Akademie Wien), Andrew Burnett (British Museum, London), Daniela Williams (Akademie Wien), Andrew Meadows (New College, Oxford). –
2. Reihe: Michel Amandry (Paris), Peter van Alfen (ANS, New York), Bernhard Weisser (Münzkabinett Berlin) –
3. Reihe: Ulrike Peters (Akademie Berlin), Claire Franklin (Münzhandel), Margret und Johannes Nollé (Universität München, Münzhandel) (Kongressphoto)
eine Art Blitzpferd sei. Eine Verbindung mit dem Pferd des hethitischen Sturmgottes Piḫaššašši, aus dessen Namen die Griechen Pegasos entwickelten und volksetymologisch als ,Quellpferd‘ deuteten, scheint mir nachvollziehbarer als eine Anbindung an die zentralasiatischen Windpferde. Abschließend ging Bernhard Weisser auf das neue Projekt des Berliner Kabinetts, die ,Imagines Nummorum Graecorum‘, ein und erläuterte es anhand von Schlangendarstellungen auf Münzen.
In der vierten Sitzung dieses Tages stellte Leah Lazar ihre Arbeit an der digitalen Aufarbeitung der hellenistischen Fundmünzen Kleinasiens vor. In einem sehr gelehrten Vortrag, der auf dem gelungenen Zusammenspiel von Epigraphik und Numismatik basierte, ging Eleni Psoma auf die Gewichtstandards im hellenistischen Kleinasien ein. François de Callataÿ, der beste Kenner der Prägungen des pontischen Königs Mithridates VI., gab in einem lebhaften Vortrag eine Übersicht über dessen Bronzeprägungen: Der pontische König initiierte offensichtlich den größten Ausstoß an Bronzegeld in der griechischen Welt. Aneurin Ellis Evans ging auf das Aufkommen und die Ausbreitung von Messingmünzen im späthellenistischen Kleinasien ein. Schließlich zeigte Fran Stroobants auf, wie im späthellenistischen Sagalassos der Prozess zu einer immer umfänglicheren Prägung von städtischem Geld einsetzte.
Am Freitag war die erste Sitzung den Fälschungen von Münzen des bithynischen Königs Prusias I. gewidmet. Daniela Williams konnte aufzeigen, wie die hochattraktiven und wertvollen Münzen schon in der Renaissance, aber auch im 19. Jhdt. zu Fälschungen führten. Ulrike Peter setzte die Vorstellung von Aspekten des Berliner Projekts eines Thesaurus Iconographicus Nummorum Graecorum online, das Bernhard Weisser am Vortag begonnen hatte, fort. Der Nestor der britischen Numismatik und Mitinitiator des RPC, Andrew Burnett, ging in einem klar gegliederten und höchst interessanten Vortrag auf die severische Münzprägung von Kaisareia in Kappadokien ein und stellte dabei kürzlich zutage gekommene Münzen vor, die Herakles und Perseus als Stadtgründer vorstellen. Er ging außerdem auf Fragen der Jahreszählung und die Auswirkungen der Münzreform des Caracalla auf die Prägungen von Kaisareia ein – weiterführende Forschungen, die dem noch ausstehenden RPC-Band zugutekommen werden. Dem schloss sich der Vortrag von Michel Amandry an, der die Münzprägung pontischer Städte in severischer Zeit unter der Fragestellung thematisierte, in wieweit die Prägung dieser Münzen städtischen Zwecken oder den Soldaten der durchziehenden Heeren dienten.
Die zweite Sitzung des Tages eröffnete Chris Howgego mit einem Vortrag über Münzhorte der Römischen Kaiserzeit. Er schloss dabei an den Vortrag von Leah Lazar an, indem er auf Münzhorte des kaiserzeitlichen Kleinasiens einging und dabei besonders deren unterschiedliche Zusammensetzung ansprach. Marguerite Spoerri-Butcher ging auf einen im Münzhandel aufgetauchten Hort von städtischen Prägungen des kaiserzeitlichen Hierapolis ein. Ihr Ehemann, Kevin Butcher, sprach dann in einem sehr originellen Vortrag über das Erscheinungsbild des antiken städtischen Kleingelds.
Aleksander Bursche kam zurück auf Vorträge und Publikationen, in denen er Goldmünzen behandelte, die in der westlichen Ukraine gefunden wurden und mit Stempeln geprägt worden waren, die ihrem Aussehen nach der Stadt Alexandreia Troas zugeordnet werden müssen. Offensichtlich hatten Goten bei ihren Einfällen nach Kleinasien in der Zeit des Gallienus Stempelschneider und Münzhandwerker aus Alexandreia Troas in ihre Siedlungsgebiete in Osteuropa verschleppt. In diesem Beitrag setzte er sich genauer mit der Datierung der Gotenzüge und ihrer literarischen Überlieferung auseinander. Medaillone der Stadt Herakleia Pontike, die als Schmuck eines Sarkophags dienten und heute im Archaeologischen Museum von Odessa aufbewahrt werden, waren das Thema von Liudmyla Nosova.
In der Abschlusssitzung ging zunächst Marguerite Spoerri-Butcher auf ein neues RPC-Projekt ein, den griechischen Legenden der Münzen eine englische Übersetzung zuzufügen. Barbara Zajḁc stellte neue, in Polen entwickelte Techniken vor, um Greek Imperials besser und schneller identifizieren und erfassen zu können. Anschließend zeigte ich am Beispiel einer Antinoos-Münze aus Tieion auf, wie der von Louis Robert exempelhaft praktizierte Umgang mit griechischen Stadtmünzen zu einem verbesserten Verständnis des auf ihnen Dargestellten führen kann, betonte aber zugleich, dass dieses aufwendige Vorgehen den Herausgebern des RPC aus Zeitmangel oft nicht möglich ist. Den Schlussvortrag hielt Haim Gitler, der auf Funde kleinasiatischer Münzen in Israel einging.
Kongressende
In einer ,Summary‘, um die die Veranstalter des Kongresses mich gebeten hatten, unterstrich ich den Erfolg der polnischen Kollegen, einen so bedeutenden wie auch nützlichen Kongress in Krakau veranstaltet zu haben und dankte ihnen für die allen Teilnehmern erwiesene Gastfreundschaft. Ich richtete aber auch einige mahnende Worte an uns alle, nicht immer wieder mit den gleichen Vorträgen auf Kongressen vorstellig zu werden und sich bei den Vorträgen in Wort und Bild einer hörerfreundlicheren Didaktik zu bedienen.
Wenn die Kongressakten publiziert sind, können alle Freunde der Numismatik sich die Ergebnisse dieses Kongresses zunutze machen. Ich hoffe, dass möglichst viele von uns die polnischen Kollegen bei der Beschaffung von Mitteln für die Drucklegung unterstützen werden.
Lissabon:
Das Calouste Gulbenkian Museum
Sollen Sie Lissabon besuchen, dann denken Sie daran, dass dort eine der besten Münzsammlungen zu finden ist, die je ein Privatmann zusammengetragen hat. Wir sprechen von Calouste Gulbenkian und dem gewaltigen Museum, das seiner Sammlung gewidmet ist.
Von Ursula Kampmann
Lissabon hat sich in den vergangenen Jahren zu einer In-Destination entwickelt. Das hat Nachteile. In den angesagten Restaurants findet man kaum noch Platz. Vor den Aufzügen bilden sich endlose Schlangen. Und in den früher so idyllischen Gassen gibt es kein Durchkommen. Wie schön, dass nur die wenigsten Touristen sich für Münzen interessieren. So verschont der Massentourismus das etwas abseits gelegene Calouste Gulbenkian Museum. Dabei ist hier eine der größten und beeindruckendsten Privatsammlungen ausgestellt, die es weltweit gibt. Nicht nur Münzen sind Teil des Ensembles, sondern Kunstwerke aller Zeiten, aller Kulturen. Diese Sammlung füllt ein riesiges
Museum. Das Besondere daran: Jedes einzelne Stück wurde mit Geschmack, Verstand und unbeschränkten Mitteln ausgewählt. Dass auch die darin aufbewahrte Münzsammlung etwas ganz Besonderes ist, muss wahrscheinlich nicht eigens erwähnt werden.
Calouste Gulbenkian (1869-1955)
Vom Tellerwäscher zum Millionär? Sicher nicht. Calouste Gulbenkian stammte aus bestem Hause. Er war Nachkomme einer äußerst aktiven armenischen Kaufmannsfamilie mit besten Verbindungen zum osmanischen Herrscherhaus. Es war also klar, dass auch der kleine Calouste irgendwann einmal ein reicher Kaufmann werden würde. Wie reich, nun das hätte sich bei seiner Geburt wohl niemand überhaupt vorstellen können.
Denn die Welt des beginnenden 20. Jahrhunderts veränderte sich. Sie bot Möglichkeiten, die es vorher noch nie gegeben hatte. Eine davon waren Ölfelder. Vater Gulbenkian besaß bereits einige davon, und zwar im transkaukasischen Baku. Er war nämlich der offizielle Öllieferant für den osmanischen Sultan. Öl schien Anfang des 20. Jahrhunderts „das“ kommende Geschäft. Damit der älteste Sohn dies von der Pike auf lernte, schickte Vater Gulbenkian ihn nach London, wo er am King’s College Erdöl- und Erdgastechnik studierte. Calouste war ein brillanter Student, der bereits im Alter von 18 Jahren seinen Abschluss machte. Danach bereiste er die Ölfelder von Baku. Die Artikel, die er über diese Reise verfasste, wurden 1891 als Buch publiziert.
Zu diesem Zeitpunkt bereitete Gulbenkian im Auftrag des osmanischen Finanzministers die Erschließung der irakischen Ölfelder vor. Doch die Armenier-Pogrome von 1894 und 1896 beendeten die enge Verbindung der Gulbenkians zum osmanischen Staat. Die Gulbenkians verließen Konstantinopel und zogen nach London. Nun organisierte Calouste Gulbenkian von dort aus seine Ölgeschäfte. Und zwar sehr erfolgreich. So vermittelte
Calouste Gulbenkian, Foto aus dem Jahr 1892. cc-by0 1.0
er die Fusion der Royal Dutch Petroleum Company und der Shell Transport und Trading Company. Das Resultat kennen wir heute alle als Shell, jene weltweit agierende Ölgesellschaft mit der gelb-roten Muschel. Gulbenkian erhielt für seine Dienste einen Teil der Aktien. So machte er es grundsätzlich. Wann immer man sich seiner überaus nützlichen Unterstützung beim Aufbau einer Ölgesellschaft bediente, musste man mit seiner Forderung nach Aktienpaketen rechnen. Ihnen verdankte er seinen Spitznamen: „Mr. Five Per Cent“.
Wir müssen uns nicht damit beschäftigen, wie schnell Gulbenkians Vermögen wuchs. Wir alle wissen, welche Rolle das Öl für die moderne Wirtschaft spielte und noch spielt. Es reicht zu sagen, dass Gulbenkians Vermögen zum Zeitpunkt seines Todes im Jahr 1952 auf rund 840 Millionen Dollar geschätzt wurde. Damals war das eine geradezu obszön hohe Summe. Hier ein Vergleich zum Einordnen: Der Bau des Stuttgarter Fernsehturms verschlang zwischen 1954 und 1956 1,7 Mio. DM (geschätzt hatte man bei Baubeginn 200.000 DM). Die 1,7 Mio. DM entsprachen 1952 umgerechnet etwa 404.000 Dollar. Mit anderen Worten: Gulbenkian hätte mit seinem Vermögen mehr als 2.000 Fernsehtürme errichten können.
Münzsammler Gulbenkian
Auch wenn die meisten Besucher des Gulbenkian Museums eher die Säle mit den Gemälden bewundern, war die Numismatik seine früheste Leidenschaft. Er erinnerte sich noch als alter Mann, wie er seine ersten antiken Münzen erwarb. Damals hatte er in der Schule gute Noten bekommen, die sein Vater mit 50 Piaster belohnte. Der 14-jährige Calouste lief sofort zum Basar, um dort zwei heiß ersehnte Elektron-Statere aus Kyzikos zu erwerben. Sein Vater soll ihn ob dieser Verschwendung tüchtig ausgeschimpft haben ...
Athen. Tetradrachme. Foto: KW.
dem
Foto: KW.
Klazomenai. Rückseite eines Staters mit Schwan. Foto: KW.
Eingang in das Gulbenkian Museum. Foto: KW.
Naxos. Tetradrachme. Foto: KW.
Syrakus. Dekadrachmon des Kimon. Foto: KW.
Syrakus. Demareteion. Foto: KW.
Klazomenai. Stater aus
Stempel des Theodotos.
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Rückseite eines Medaillons aus dem Hortfund von Abukir mit der Darstellung von Athena, eine Schlange fütternd. Die Rückseitenumschrift bezieht sich auf Alexander den Großen. Foto: KW.
Was für Münzen der Geschäftsmann Gulbenkian suchte, fasste er in einem Brief vom 17. Oktober 1946 an Lucien Naville in Genf zusammen: „Ich muss zugeben, dass ich nicht nur seltene Münzen sammele. Ich sammle Münzen, die Seltenheit mit größtem künstlerischen Wert und einer perfekten Erhaltung kombinieren, und die, darüber hinaus, gleichzeitig FDC sind.“
Welche Möglichkeiten sich einem Mann vom Reichtum eines Calouste Gulbenkian damals boten, zeigt ein Briefwechsel mit dem kommunistischen Regime, mit dem Gulbenkian über den Ankauf einiger Highlights aus der Sammlung der Hermitage verhandelte. Er positionierte sich damals ganz klar gegen das Verschleudern russischer Kultur, schränkte aber ein, dass man - wenn man wirklich unbedingt verkaufen wolle, doch bitte ihm das Vorkaufsrecht auf ALLE Objekte einräumen möge, die man zu verkaufen plane: „Sie sollten weder an mich noch an irgendjemanden sonst verkaufen. Ich fahre fort, ihre Repräsentanten davor zu warnen, diese Stücke aus Ihren Museen zu entfernen. Aber sollte dies trotzdem geschehen müssen, bestehe ich darauf, dass Sie mir Priorität einräumen, zum selben Preis, und ich bitte Sie, mich vollständig über die Preise zu informieren, zu denen Sie verkaufen wollen.“
Der Hortfund von Abukir
Als der Hortfund von Abukir auf den Markt kam, war Calouste Gulbenkian noch viel zu jung, um in das Geschehen einzugreifen. Ein paar Jahrzehnte später, hätte er ohne zu zögern alle überboten, um sich alle Stücke zu sichern. Doch im März 1902, als der Fund in der Nähe der gleichnamigen Stadt im Nildelta gemacht wurde, war er 32 und noch mit anderen Dingen beschäftigt.
Medaillon aus dem Hortfund von Abukir mit der Darstellung Alexanders des Großen. Foto: KW.
Damals landeten die schwergewichtigen Stücke –manche brachten mehr als 100 g pures Gold auf die Waage – zum Glück nicht beim lokalen Goldschmied, der sie eingeschmolzen hätte. Stattdessen wurden sie über den bis weit in die 1950er Jahre sehr aktiven ägyptischen Kunsthandel den bedeutenden Museen des Auslands zum Kauf angeboten. Die meisten zögerten. Sie waren sich nicht restlos sicher, ob es sich bei diesen antiken Großgoldmünze wirklich um echte Stücke handelte. Dazu kamen die hohen Kosten. Nur Berlin griff zu und brachte das Geld für fünf Exemplare auf.
Der Rest der Stücke landete bei Privatsammlern, denen Gulbenkian später die Stücke wieder abkaufte. Es gelang ihm, elf(!) Medaillons in seiner Sammlung zu vereinen. Einige stammen aus der John Pierpont Morgan Library in New York, die sie 1949 verkaufte. Andere vermittelte ihm im selben Jahr der renommierte Münchner Münzhändler Jakob Hirsch aus der Sammlung von James Loeb.
Heute wissen wir, dass es sich bei diesen Medaillons wahrscheinlich um eine Art Vorfahren der Olympischen Goldmedaillen handelt. Allerdings sind die antiken Vorbilder wirklich aus Gold und nicht aus vergoldetem Silber. Die Stadt Beroia, heute in Bulgarien, veranstaltete zu Ehren Alexanders des Großen bedeutende Wettspiele. Die Sieger erhielten jene Goldmedaillons, die in Inschriften als Niketeria bezeichnet werden und wohl unter Elagabal oder Severus Alexander entstanden. Sie werfen ein interessantes Licht darauf, wie einträglich es für einen Spitzensportler im 3. Jahrhundert n. Chr. sein konnte, an den lokalen Wettbewerben noch in den hintersten Ecken des römischen Weltreichs teilzunehmen.
Medaillon
dem Hortfund von Abukir mit der Darstellung des Caracalla. Foto: KW.
Wie gesagt, im Gulbenkian Museum können Sie elf dieser unglaublichen Stücke sehen, in Berlin fünf, in Baltimore drei und im archäologischen Museum von Thessaloniki nur eines.
Die Stiftung
Sie sehen, die Münzsammlung, die Sie heute in Lissabon bewundern können, muss sich hinter keinem Museum der Welt verstecken. Vor allem was die Qualität der darin enthaltenen Stücke angeht. In Lissabon? Was hat Lissabon mit der Türkei, Großbritannien und der Armenischen Frage zu tun? Wie kam diese Sammlung überhaupt nach Lissabon?
Nun, die Briten verärgerten Gulbenkian während des Zweiten Weltkriegs. Damals lebte Calouste Gulbenkian in Paris, nach der Eroberung durch die Deutschen technisch gesehen im feindlichen Ausland. Das war für die britische Regierung formaljuristisch eine perfekte Ausrede, Gulbenkians Firmenanteile an verschiedenen Ölkonzernen zu Gunsten britischer Unternehmen zu beschlagnahmen. Auch wenn Gulbenkian diese Anteile nach Kriegsende zurückerhielt und ihm sein Verlust mit Zins und Zinseszins erstattet wurde, hatte ihn das Vorgehen der britischen Regierung zutiefst erbittert und verletzt.
Deshalb begann Gulbenkian, dem portugiesischen Botschafter zuzuhören, der ihm Portugal als ein neutrales Land schilderte, das sich nicht in den Zweiten Weltkrieg verwickeln ließ. Dass dort der Diktator Salazar mit eiserner Hand herrschte, erschien einem Menschen, der seine Jugend im Osmanischen Reich verbracht hatte, wahrscheinlich als kein Problem. Nach einem persönlichen Besuch in Portugal gewann eine Zusammenarbeit Konturen. Gulbenkian vermachte dem Land nicht nur seine Sammlung, sondern hinterließ auch reichlich Geld, um Portugals Entwicklung vom Agrarstaat zu einem modernen Land westlichen Standards zu unterstützen. Er dotierte seine Stiftungobwohl er übrigens durchaus Kinder hatte - mit 67 Millionen Dollar in Aktien. Heute wird ihr Vermögen auf 4 Milliarden (sic!) Dollar geschätzt.
Davon wird nicht nur Bau und Unterhalt des Lissabonner Museums finanziert, sondern auch viele weitere künstlerische, karitative und wissenschaftliche Projekte. Bibliotheken, Forschungsinstitute, Theater und andere Museen können sich über diesen reichen Geldsegen freuen.
2018 entschied sich der Stiftungsvorstand, die Öl-Holding zu verkaufen und den Erlös in nachhaltige Projekte zu investieren. Seit 2020 vergibt er darüber hinaus den Gulbenkian Prize for Humanity, der
herausragende Individuen des Klimaschutzes auszeichnet. Er ist mit 1 Mio. Euro dotiert. Die erste Preisträgerin war Greta Thunberg.
Aber das ist schon wieder ein ganz anderes Kapitel. Wie sich wohl Calouste Gulbenkian dazu gestellt hätte? Wir können sein Lebenswerk als Sammler und Philanthrop in Lissabon nur bewundern. Reservieren Sie sich einen ganzen Tag für das Museum. Sie werden ihn brauchen!
Kurz vor Drucklegung haben wir erfahren, dass das Gulbenkian Museum derzeit renoviert und im Juli 2026 wieder eröffnet wird. Damit haben Sie mit Ihrer Planung der nächsten Reise nach Lissabon noch etwas Zeit.
Münzkabinette von Charles Cressent (1685-1768), ca. 1750, mit der Darstellung von Münzen und einem Balancier. Foto: KW.