Künker Exklusiv #34, 2025

Page 1


7.-9. Oktober 2025 in Osnabrück

eLive Premium

Auction 430-431 Seite 27

20.-22. Oktober 2025 auf kuenker.auex.de Herbst-Auktionen 427-429

In dieser Ausgabe

Termine 2025/26

eLive Auction 89 17.-19. September 2025 Münzen und Medaillen

75ème salon numismatique 20. September 2025

eLive Premium Auction 430-431 15

VOC: Die andere Seite des 19 Goldenen Zeitalters der Niederlande

Malta – ein Ordensstaat im Mittelmeer 27

Maximilian: Letzter Ritter 36 und/oder Bankrotteur

Der Greif – Vom langen Leben eines Fabeltiers 44

Maximilian Karl von Löwenstein – 56 Ein Graf stellt sich vor

Manching: „kelten römer museum manching“ 68

Titelbild:

Die Aufhebung der Belagerung von Malta

Gemälde von Charles-Philippe Larivière (1798-1876); Gemäldesammlung Schloss Versailles.

Impressum

Herausgeber

Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG

Nobbenburger Straße 4a · 49076 Osnabrück www.kuenker.de

Redaktion

Julia Kröner

Gestaltung

Helge Lewandowsky

V.i.S.d.P.

Dr. Andreas Kaiser

Druck

Druck- und Verlagshaus Fromm+Rasch GmbH & Co.KG www.frommrasch.de

ISSN 3052-0142

eLive Auction 89 26. September 2025 Orden und Ehrenzeichen

COINEX, London 26.-27. September 2025

MIF Paper Money Fair 26.-28. September 2025 in Maastricht

Herbst-Auktionen 427-429 7.-9. Oktober 2025

HKSC 10.-12. Oktober 2025 The 13th Hong Kong Coin Show

eLive Premium Auction 430-431 20.-22. Oktober 2025

Winter-Auktionen: Antike 10.-12. November 2025

eLive Premium Auction 17.-21. November 2025

eLive Auction 90 1.-5. Dezember 2025

Berlin-Auktion 2026 28. Januar 2026

World Money Fair, Berlin 29.-31. Januar 2026

Liebe Kundinnen und Kunden,

liebe Münzfreunde,

herzlich willkommen zur Herbstausgabe 2025 unseres Magazins „Künker Exklusiv“! Auch in diesem Heft nehmen wir Sie mit auf eine faszinierende Reise durch die Welt der Numismatik – von seltenen Goldprägungen bis hin zu spannenden Kapiteln europäischer und globaler Geschichte.

Den Auftakt bildet wie gewohnt der Vorbericht zu unseren kommenden Auktionen, den Herbst-Auktionen 427-429 mit einer Fülle an Höhepunkten: Goldmünzen aus aller Welt, eine bedeutende Spezialsammlung zum Osmanischen Reich, eine weitere Spezialsammlung zum Thema Numisnautik, die Sammlung Henk Verschoor zu den niederländischen Überseegebieten und – als ganz besondere Rarität – eine umfangreiche Sammlung Malta, die die Geschichte des Johanniterordens lebendig werden lässt. Hintergründe zu dieser Geschichte finden Sie auf den Seiten 27-35.

Darüber hinaus erwarten Sie exklusive Einblicke in zwei eLive Premium Auctions: die Fortsetzung der Sammlung Lodewijk S. Beuth mit niederländischem Papiergeld sowie die Sammlung Gerhard Lambert mit Münzen und Medaillen aus Salzburg. Beide Kataloge zeigen, wie vielfältig und faszinierend Numismatik und Geldgeschichte sein können. Inhaltlich entführen wir Sie unter anderem auf die Spuren der VOC, deren Münzen von der Blüte und den Schattenseiten des Goldenen Zeitalters der Niederlande erzählen (Seiten 19-26). Ebenso widmen wir uns Maximilian I., dem „letzten Ritter“ (Seiten 36-43) sowie dem „Greif – vom langen Leben eines Fabeltiers“ (Seiten 44-55) und einem Vertreter des Hauses Löwenstein (Seiten 56-67). Schließlich stellen wir Ihnen das Mueseum im oberbayrischen Manching vor.

Für Liebhaber von Münzen aus der Welt der Antike finden vom 10.-12. November 2025 unsere WinterAuktionen in gewohnter Umgebung in Osnabrück statt. Zu diesen Auktionen wird es eine gesonderte Ausgabe der „Künker Exklusiv“ geben.

Unser Ziel bleibt es, Geschichte in Händen erlebbar zu machen – und dabei stets den Blick auf die Schönheit, die Seltenheit und die Geschichten hinter den Münzen zu richten.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen, Entdecken und natürlich beim Mitbieten. Ihr Feedback ist uns wichtig: Schreiben Sie uns an service@kuenker.de, teilen Sie Ihre Gedanken und gestalten Sie die „Künker Exklusiv“ mit uns weiter. Wir würden uns sehr freuen, Sie persönlich während unserer Herbst-Auktionen im Vienna House Remarque zu treffen.

Dr. Andreas Kaiser Ulrich Künker

Herbst-Auktionen 427-429: Niederländische Überseegebiete –

Die Sammlung Henk Verschoor

Vom 7. bis zum 9. Oktober 2025 findet der erste Teil unserer diesjährigen Herbst-Auktionen statt.

Sie enthalten neben Münzen und Medaillen aus aller Welt mehrere Spezialsammlungen, darunter Malta, das Osmanische Reich / Türkei und – mit einem eigenen Katalog –die Sammlung Henk Verschoor mit Münzen der niederländischen Überseegebiete.

Unsere Herbst-Auktionen 427-429 umfassen drei Kataloge mit insgesamt 2.132 Losnummern und einer Gesamtschätzung von 5,5 Mio. Euro: Katalog 427 enthält Goldmünzen und -medaillen aus aller Welt mit einer Spezialsammlung Osmanisches Reich / Türkei und kommt am Dienstag, 7. Oktober 2025 in Osnabrück zum Ausruf. Von Mittwoch, 8. Oktober bis Donnerstagnachmittag, 9. Oktober, widmet sich der Auktionskatalog 428 den Münzen und Medaillen aus aller Welt mit einer Spezialsammlung Malta. Auf beide Kataloge ist der erste Teil der Sammlung eines Berliner Numisnautikers verteilt.

Am Donnerstagnachmittag, 9. Oktober 2025 steht Osnabrück ganz im Zeichen der VOC (Vereinigte Ostindische Kompanie): Wir versteigern die Sammlung Hendrik (Henk) Verschoor von Münzen der niederländischen Überseegebiete. Interessieren auch Sie sich für die niederländische Numismatik? Dann sollten Sie unbedingt eine persönliche Teilnahme planen.

Der zweite Teil der Herbst-Auktionen besteht aus zwei eLive Premium Auctions, deren Inhalt in Osnabrück während der Saal-Auktionen besichtigt werden kann. Am 20. Oktober 2025 kommt in Katalog 430 der 4. Teil der Sammlung Lodewijk S. Beuth mit Papiergeld der Niederlande auf den Markt. Es handelt sich um eine der wichtigsten Versteigerungen, die je auf diesem Gebiet durchgeführt wurde. Am 21. und 22. Oktober 2025 wird die Sammlung Gerhard Lambert von Münzen und Medaillen aus Salzburg versteigert. Wir werden beide Auktionen in einem eigenen Auktionsvorbericht vorstellen.

Für die Auktionskataloge 427-429 und eine detaillierte Auktionsübersicht scannen Sie einfach nebenstehenden QR-Code.

Auktion 427: Spezialsammlung

Osmanisches Reich

Los 300

Osmanisches Reich. Abdul Mejid, 1839-1861. 500 Piaster 1855 (= 1272 AH), 18. Regierungsjahr, Konstantinopel (Istanbul). Konstantinopel. Sehr schön bis vorzüglich.

Schätzung: 3.000 Euro

Interessieren Sie sich für islamische Münzen?

Dann sollten Sie sich den 7. Oktober 2025 vormerken. Denn im Rahmen von Auktion 427 wird eine kleine, aber feine Sammlung osmanischer und türkischer Goldmünzen angeboten. 66 Lose, beginnend mit Selim I. (Sultan von 1512 bis 1520), endend mit der Türkischen Republik und dem Prägejahr 1975, erwarten den Kenner. Er findet in diesem attraktiven Ensemble eine Vielzahl historisch interessanter Stücke, sowie große Seltenheiten und Luxusprägungen.

Auktion 427: Goldmünzen und -medaillen aus aller Welt

Los 323

Türkei / Republik. 500 Piaster 1927, Luxusprägung. Fast Stempelglanz.

Schätzung: 3.500 Euro

Los 2

Livländischer Orden. Gotthard Kettler, 1559-1561. 2 1/2 Dukaten o. J., Münzstätte vermutlich Riga. Äußerst selten. Fast vorzüglich.

Schätzung: 50.000 Euro

Eingebettet ist diese Spezialsammlung in den allgemeinen Katalog der Goldmünzen und -medaillen aus aller Welt. Darin präsentieren wir eine große Auswahl interessanter Lose, darunter etliche höchst seltene Stücke, zum Teil in bester Erhaltung und / oder von größter historischnumismatischer Bedeutung.

Dazu gehört zum Beispiel ein zweieinhalbfacher Dukat von Gotthard Kettler (Los 2). Der letzte Landmeister des Deutschen Ordens in Livland wurde bekannt, weil er sich, gezwungen durch einen russischen Angriffskrieg, unter den Schutz Polens stellte, zum protestantischen Glauben konvertierte, und aus einem Teil des ehemaligen Ordensgebietes ein

eigenes Herzogtum gründete. Auf der Münze, die vermutlich in Riga entstand, trägt er noch seinen alten Titel Magister Livoniae, mit dem sich die Landmeister des Deutschen Ordens in Livland bezeichneten.

Können Sie sich für die gotischen Goldmünzen des Spätmittelalters begeistern? Dann haben Sie in Auktion 427 eine gute Auswahl von flandrischen, aquitanischen, französischen, aber auch englischen Prägungen. Bemerkenswert ist ein Londoner Sovereign von Elizabeth I., dessen Prägung zwar bereits in die frühe Neuzeit zu datieren ist, der aber mit seinem horror vacui stilistisch im Spätmittelalter wurzelt (Los 117).

Los 95

Frankreich / Aquitanien.

Edouard, der schwarze Prinz, 1362-1372. Hardi d’or o. J., La Rochelle. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 17.500 Euro

Los 200

Russland. Peter II., 1727-1730. 2 Rubel 1727, Moskau, Roter Münzhof. Sehr selten. Sehr schön.

Schätzung: 70.000 Euro

Hervorgehoben seien außerdem zwei äußerst seltene Dukaten der österreichischen Standesherrschaften Lobkowitz und Sprinzenstein (Los 511 und 512). Wie wohlhabend so ein Standesherr sein konnte, zeigt die Tatsache, dass Lobkowitz 1676 einen Betrag von 190.000 Gulden zur Finanzierung des Kriegs gegen Frankreich an die kaiserliche Kriegskasse spendete. Auch Graf Johann Ehrenreich von Sprinzenstein war ein Fachmann in Sachen Geld und vor allem in Sachen Münzwesen. Er amtete als Obersterblandmünzmeister in Ober- und Niederösterreich. Übrigens können Sie die Stempel zum Dukat von 1717 heute noch im Linzer Schlossmuseum bestaunen, wo sie sich seit 1979 als Dauerleihgabe befinden.

Los 117

England. Elizabeth I., 1558-1603. Sovereign o. J. (1584-1586), London. Sehr selten. Fast vorzüglich.

Schätzung: 15.000 Euro

Los 511

Österreichische Standesherren. Fürstentum Lobkowitz. Ferdinand August. Dukat o. J. Sehr selten. Vorzüglich.

Schätzung: 17.500 Euro

Los 512

Österreichische Standesherren. Grafschaft Sprinzenstein. Johann Ehrenreich, 1705-1729. Dukat 1717, Augsburg. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 17.500 Euro

Auktion 427: Goldmünzen und -medaillen

aus Altdeutschland

Los 531

Bayern. Ferdinand Maria, 1651-1679.

4 Dukaten 1665, München. Sehr selten. Gutes vorzüglich.

Schätzung: 25.000 Euro

1,3:1

Los 578

Brandenburg-Preußen. Joachim II., 1535-1571. Portugalöser zu 10 Dukaten 1570, Berlin.

Äußerst selten. Henkelspur. Sehr schön.

Schätzung: 175.000 Euro

Selbstverständlich finden auch die Sammler der altdeutschen Territorien eine Fülle von spektakulären Goldmünzen in Auktion 427. Zu ihnen gehört zum Beispiel der vierfache Dukat, den die bayerischen Landstände dem Kurfürsten Ferdinand Maria anlässlich der Geburt seines Sohnes Ludwig Amadeus Victor am 6. April 1665 überreichten (Los 531). In einer bayerischen Geschichte werden Sie den Namen des kleinen Prinzen kaum finden. Er starb nämlich bereits wenige Monate danach. Das war im 17. Jahrhundert nicht ungewöhnlich. Henriette Adelaide, Gemahlin von Kurfürst Ferdinand Maria, verlor vier ihrer acht Kinder im Kleinkindalter.

Ein Highlight der brandenburgisch-preußischen Münzprägung ist der Portugalöser zu 10 Dukaten, den Kurfürst Joachim II. in Nachahmung der schweren portugiesischen Goldmünzen 1570 in Berlin herstellen ließ (Los 578). Beachten Sie den Titel, der auf der Vorderseite zu sehen ist. Er bezeichnet Joachim II. als „Dux Prussie“, als Herzog von Preußen. Eigentlich hatte die fränkische Linie der Hohenzollern diesen Titel inne. Doch Joachim setzte eine erbliche Mitbelehnung durch, was die preußische Geschichte nachhaltig beeinflusste.

Ebenfalls bemerkenswert ist ein braunschweigisches 10 Dukaten-Stück von 1706 mit Porträt und Wappen Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Es zeigt direkt über dem Wappen das Motto des Fürsten CONSTANTER (= beständig).

Etwas ganz Besonderes ist der Dukat der Stadt Emden aus dem Jahr 1694 (Los 633). Er gibt nämlich auf der Rückseite an, in welchem Gewicht er hergestellt wurde. Dass die Münze das Gewicht eines ungarischen Dukaten hat, erstaunt erst einmal. Schließlich befand sich das Land erst seit 1687 wieder unter der Kontrolle der Habsburger, und die Osmanen hatten diese Unabhängigkeit noch nicht einmal anerkannt. Doch die Münzstätte von Kremnitz war unter Habsburger Kontrolle. Dort prägten sie Dukaten, die – weil Kremnitz nicht Teil des Reiches war – von der Reichsmünzordnung abweichen durften. Kremnitzer Dukaten hatten einen etwas schlechteren Feingehalt. Emden befand sich nun aber auf Reichsgebiet. Wollte es einen Dukaten mit schlechterem Feingehalt prägen, musste es dies deutlich sichtbar vermerken.

Mit 125.000 Euro geschätzt ist ein 12-facher Dukat des Reform-Bischofs Wilhelm Anton von der Asseburg, den dieser anlässlich seiner Wahl zum Bischof von Paderborn am 25. Januar 1763 prägen ließ. Die äußerst seltene Münze – es handelt sich wohl um das einzige Exemplar in Privatbesitz und gehörte einst dem Fürstenhaus von Metternich – wurde mit den Stempeln zum Konventionstaler geprägt (Los 729).

Los 633

Emden / Stadt. Dukat 1694. Äußerst selten, wohl Unikum. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 20.000 Euro

Los 643

Hamburg / Stadt.

Bankportugalöser zu 10 Dukaten 1689, von J. Reteke auf die großen europäischen Bankstädte Amsterdam, Hamburg, Nürnberg und Venedig.

Sehr selten. MS 63 PL. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 50.000 Euro

Los 729

Paderborn / Bistum.

Wilhelm Anton von der Asseburg, 1763-1782. 12 Dukaten 1763, Neuhaus, auf seine Wahl zum Bischof. Geprägt mit den Stempeln des Konventionstalers.

Aus dem Besitz der Fürsten von Metternich. NGC MS61. Äußerst selten, wohl einziges Exemplar in Privatbesitz.

Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 125.000 Euro

Auktion 428: Spezialsammlung Malta

Am 8. und 9. Oktober 2025 findet die Auktion 428 statt. Sie enthält unter anderem eine Spezialsammlung Malta mit über 40 Losen. Das zeitliche Spektrum reicht vom Hochmittelalter bis zum Ende des Ordensstaates mit der Französischen Revolution.

Die angebotenen Münzen und Medaillen zeigen nicht nur Porträts der Großmeister des Johanniterordens. Immer wieder begegnet uns der Schutzheilige des Ritterordens, der hl. Johannes bzw. sein Kopf, der zumeist abgeschlagen auf einer Platte liegt. Solche Darstellungen kennen wir auch aus der Plastik. Viele Ordenskirchen verfügten über eine dreidimensionale Erinnerung an die von Salome verursachte Enthauptung, von denen uns heute noch einige erhalten sind.

So genannte Johannesschüssel. Schloss Tirol. Foto: KW

Los 1116

Malta. Johanniterorden. Juan de Omedes, 1536-1553.

4 Tari 1662, Birgu oder Fort St. Angelo. Sehr selten. Sehr schön bis vorzüglich.

Schätzung: 7.500 Euro

Auktion 428: Münzen und Medaillen aus aller Welt

Los 1134

Malta. Johanniterorden.

Hugues Loubens de Verdalle, 1582-1595. 4 Tari o. J., Valletta. Von großer Seltenheit. Winz. Kratzer, sehr schön-vorzüglich.

Schätzung: 4.000 Euro

Natürlich gibt es auch in der Auktion 428 eine reiche Auswahl an Raritäten von Münzen aus aller Welt, von denen wir an dieser Stelle nur einige beispielhaft nennen können.

Los 1111

Italien. Victor Emanuel II., 1859-1861-1878. 5 Lire 1859, Bologna. Äußerst selten. Fast Stempelglanz.

Schätzung: 17.500 Euro

Los 1177

Polen. Stephan Bathory, 1576-1586.

Reichstaler 1585, Nagybánya. Sehr selten. Vorzüglich.

Schätzung: 10.000 Euro

Los 1264

Römisch-Deutsches Reich. Tirol. Ferdinand I., 1522-1558-1564.

Schautaler 1528, Hall. Geprägt auf die Erbhuldigung durch den Tiroler Landtag. Äußerst selten. Fast vorzüglich.

Schätzung: 30.000 Euro

Katalog 428: Münzen und Medaillen aus Altdeutschland

Los 1348

Brandenburg-Preußen. Reichstaler 1684, Magdeburg. Sehr selten. Fast Stempelglanz. Schätzung: 35.000 Euro

Eine reiche Auswahl findet sich auch bei den Staaten Altdeutschlands. Besonders erwähnt sei an dieser Stelle nur ein Bremer Doppeltaler des Georg von Braunschweig-Wolfenbüttel aus dem Jahr 1562 (Los 1419). Bischof Georg war und blieb während der Auseinandersetzungen um die Reformation katholisch; es gelang ihm aber nicht, seine Bistümer dauerhaft der katholischen Kirche zu erhalten. Protestantische Geschichtsschreiber haben bei ihm deshalb eine reformatorische Gesinnung erkennen wollen.

Georg war der vierte Sohn Heinrichs I. von Braunschweig-Wolfenbüttel und für die kirchliche Karriere vorbestimmt. Nachdem er 1527 daran scheiterte, das Erzbistum Riga zu übernehmen, positionierte ihn die Familie als Propst in Hildesheim, als Dompropst in Köln und Bremen, als Kanonikus in St. Gereon und in Straßburg. All diese Ämter boten nicht nur ein reichliches Einkommen, sondern theoretisch auch die Option, in ein noch höheres Kirchenamt aufzusteigen.

Dass er dann 1554 zum Bischof von Minden gewählt wurde, kam eher überraschend. Für dieses Amt war eigentlich sein Neffe Julius vorgesehen. Doch der stieg überraschend zum Erbprinzen auf und schlug dem Mindener Domkapitel seinen Onkel als Ersatz vor. Vier Jahre später wurde Georg zusätzlich zum Erzbischof von Bremen und Verden gewählt, auch das als Nachfolger eines Familienmitglieds, nämlich seines hoch verschuldeten älteren Bruders Christoph. Der Titel, den der bei der Amtsanhäufung so erfolgreiche Kirchenfürst auf seinem Doppeltaler führt, listet all diese Ämter auf: Erzbischof von Bremen, bestätigter [Bischof] von Minden und Verden, Herzog von Braunschweig. Letzteres bedeutet freilich nicht, dass Georg als Herzog in Braunschweig amtierte. Er war lediglich berechtigt, diesen Titel zu führen.

Los 1389

Braunschweig und Lüneburg. Rudolf August, 1666-1685. Löser zu 4 Reichstalern, 1679, Zellerfeld. Äußerst selten. Vorzüglich. Schätzung: 50.000 Euro

Los 1419

Erzbistum Bremen. Georg von Braunschweig, 1558-1566.

Doppeltaler 1562, Bremen. Äußert selten. Vorzüglich.

Schätzung: 75.000 Euro

Los 1511

Erzbistum Mainz. Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid, 1673-1675. Dicker doppelter Reichstaler 1674, Mainz. Sehr selten. Vorzüglich.

Schätzung: 30.000 Euro

Los 1654

Preußen. Großer silberner Münzhumpen, gefertigt auf die Krönung von Wilhelm Wilhelm I. von Preußen am 18. Oktober 1861. Vorzüglich.

Schätzung: 25.000 Euro

Los 115

England. Heinrich VI., 1422-1461.

Noble o. J. (1422-1427), London. Fast vorzüglich.

Schätzung: 1.500 Euro

Los 1073

Katalog 427 und 428: Spezialsammlung Numisnautik

England. Elizabeth I., 1558-1603. Silbermedaille 1588, geprägt, unsigniert, auf die Vernichtung der spanischen Flotte. Sehr selten. Fast vorzüglich.

Schätzung: 2.500 Euro

Gemälde der Königlichen Stätte San Lorenzo de El Escorial aus dem Jahr 1580: Die Galeonen, die nach Amerika übersetzen.

Seit einigen Jahrzehnten kennt man den Begriff der Numisnautik. Er wurde vom deutschen Numismatiker Wolf Müller-Reichau eingeführt, als er mit einigen Mitstreitern die Zeitschrift Flaschenpost als Informationsblatt der Arbeitsgemeinschaft Numisnautik ins Leben rief. Nicht erst seitdem sind Schiffsdarstellungen ein international beliebtes Sammelgebiet, aber durch die Flaschenpost wurde die Aufmerksamkeit vieler Sammler darauf gelenkt, welche Fragen mit Hilfe der Münzen und Medaillen zur Geschichte der Nautik beantwortet werden können. Wir freuen uns, die Sammlung eines Berliner Numisnautikers anzubieten, deren erster Teil auf die beiden Auktionskatalog 427 und 428 verteilt ist. Ein zweiter Teil wird in einer der kommenden eLive Auktionen versteigert.

Katalog 428: Münzen des Deutschen Kaiserreichs

Los 1709

Wie nicht anders gewohnt, enthalten auch die Herbst-Auktionen 2025 eine interessante Partie von Münzen des Deutschen Kaiserreichs. Hier einige der Highlights daraus.

Los 2045

Deutsches Kaiserreich. Reuss / Ältere Linie. Heinrich XXII., 1859-1902. 20 Mark 1875.

Sehr selten. Sehr schön bis vorzüglich / Vorzüglich.

Schätzung: 25.000 Euro

Katalog 429: Niederlande –

Die Sammlung

Henk Verschoor

Los 2501

Deutsches Kaiserreich. Bayern. 3 Mark 1918. Goldene Hochzeit des bayerischen Königspaares.

Sehr selten. Fast Stempelglanz.

Schätzung: 30.000 Euro

Los 2093

Deutsch-Neu-Guinea. 10 Neu-Guinea Mark 1895. Sehr selten. Nur 2.000 Exemplare geprägt.

Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 50.000 Euro

In einem eigenen Katalog wird ein weiterer Teil der Sammlung Henk Verschoor präsentiert. Er enthält die Münzen der niederländischen Überseegebiete, steht also ganz im Zeichen der VOC, der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Ihr Logo aus den drei bekannten Buchstaben ist auf vielen Prägungen zu sehen. Andere Silbermünzen, die in den Niederlanden für den Fernhandel entstanden, zeigen den so genannten Silbernen Reiter. Er war so bekannt, dass er auf indischen Münzen, die für den Zahlungsverkehr in Batavia kursfähig gemacht werden sollten, als Gegenstempel diente.

Vereenigde Amsterdamsche Compagnie. 1/2 Daalder zu 4 Reales 1601, Dordrecht.

Sehr selten. Sehr schön bis vorzüglich.

Schätzung: 10.000 Euro

Von größter Seltenheit ist ein 1/4 Gulden aus Utrecht, der 1900 für Niederländisch-Indien produziert wurde (Los 2680). Nur fünf Stück wurden von diesem Typ geprägt. Wer zur Auktion anreist, kann bei dieser Gelegenheit auch die Auktion 430 besichtigen, in der der vierte Teil der Sammlung Lodewijk S. Beuth mit niederländischen Banknoten angeboten wird. Diese bedeutende Auktion wird am 20. Oktober als eLive Premium Auction durchgeführt.

Los 2598

Prägungen der Provinz Utrecht. Goldabschlag von den Stempeln des Ku.-1/2 Duit 1758, Utrecht. Äußerst selten. Vorzüglich.

Schätzung: 3.000 Euro

Los 2621

Java. 1 Rupie 1692/3 aus Indien mit Gegenstempel von Batavia. Äußerst selten. Münze: Sehr schön. Gegenstempel: Vorzüglich. Schätzung: 5.000 Euro

Los 2648

Niederländisch-Indien. 1/2 Rupie 1743, Surabaya. Äußerst selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 5.000 Euro

Los 2546

Prägungen aus Westfriesland. Dukaton 1728, Hoorn. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 5.000 Euro

Los 2620

Java. Niederländischer Dukat 1693 von Holland, Münzstätte Dordrecht, mit Gegenstempel von Batavia (von 1700) auf der Vorderseite. Äußerst selten. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 5.000 Euro

Los 2623

Java. 1 Rupie 1783, Batavia. Äußerst selten. Justiert, vorzüglich.

Schätzung: 7.500 Euro

Los 2680

Wilhelmina, 1890-1948. 1/4 Gulden 1900, Utrecht für Niederländisch-Indien. Nur 5 Exemplare geprägt. Vorzüglich bis Stempelglanz aus polierter Platte.

Schätzung: 7.500 Euro

Papiergeld der Niederlande und Salzburg: Zwei Spezialsammlungen als eLive Premium Auction

Vom 20. bis 22. Oktober 2025 finden unsere zwei hochkarätigen eLive Premium Auctions statt. Die erste enthält den 4. Teil der Sammlung Beuth mit einem umfangreichen Angebot von niederländischen Banknoten, darunter große Raritäten. Die zweite enthält die Sammlung Gerhard Lambert mit Münzen und Medaillen aus Salzburg.

1.378 Losnummern mit einer Gesamtschätzung von 960.000 Euro, das sind die beiden eLive Premium Auctions 430 und 431. Sowohl zum 4. Teil der Sammlung Lodewijk S. Beuth, die in Zusammenarbeit mit Laurens Schulman B.V. durchgeführt wird, als auch zur Sammlung Gerhard Lambert gibt es einen gedruckten Auktionskatalog. Die Münzen können ab sofort und auch im Rahmen unserer HerbstAuktionen vom 7. bis zum 9. Oktober in Osnabrück besichtigt werden.

Auktion 430: Papiergeld der Niederlande

MuntenuitdeNederlandse OverzeeseGebiedsdelen

Münzenderniederländischen Überseegebiete DieSammlungHenkVerschoor DeverzamelingLodewijkS.Beuth,Deel4

DieSammlungLodewijkS.Beuth,Teil4 PapiergeldderNiederlande DeVerzamelingHenkVerschoor

FritzRudolfKünkerGmbH&Co.KG LaurensSchulmanB.V. eLivePremiumAuction430 20.Oktober2025 aufkuenker.auex.de PapiergeldvanNederland

Für die Auktionskataloge der eLive Premium Auctions 430/431 und eine detaillierte Auktionsübersicht scannen Sie einfach nebenstehenden QR-Code.

Eigentlich genügt für diejenigen, die sich mit Banknoten und ihren Preisen auskennen, eine Kennzahl: Es handelt sich um 363 Losnummern mit einer Gesamtschätzung von 368.000 Euro, also um eine Durchschnittsschätzung von mehr als 1.000 Euro! Mit anderen Worten: Auch der 4. Teil der Banknotensammlung von Lodewijk S. Beuth mehr als hochklassig.

Im Bereich der Banknoten gelang es dem Sammler Beuth in seiner langen Sammeltätigkeit ebenfalls eine Reihe von extrem bedeutenden Objekten zu erwerben – in der Erhaltung, in der sie zur Verfügung standen. Wenn Beuth wählen konnte, kaufte er das bessere Stück und ersetzte ein schlechter erhaltenes Exemplar. Aber bei vielen Seltenheiten hatte er nur die Wahl zwischen diesem Stück oder gar keinem.

Umso erfreulicher ist es, wenn Seltenheit und gute Erhaltung zusammenfallen, so wie bei den drei Banknoten mit handschriftlich ergänzten Unterschriften und Seriennummern, die wahrscheinlich aus einem Abschiedsgeschenk an den niederländischen Finanzminister Floris Adriaan van Hall stammen. Floris Adriaan van Hall ist jedem geschichtsbewussten

Niederländer ein Begriff. Er rettete mit einer freiwilligen Anleihe in Höhe von 127 Millionen Gulden das Land 1844 vor dem Staatsbankrott.

Los 3054

Niederlande. 5 Gulden Typ 1846. Staatliche Note, Registration, Unterschriften und Seriennummer handschriftlich ergänzt. Wahrscheinlich Teil des Abschiedsgeschenks an den niederländischen Finanzminister Floris Adriaan van Hall. Äußerst selten. PMG 35. Vorzüglich. Schätzung: 30.000 Euro

Los 3084

Niederlande. 10 Gulden Typ 1878II. Staatliche Note vom 1. Dezember 1891. PMG 25. Äußerst selten. Fast sehr schön. Schätzung: 10.000 Euro

Wobei, so ganz freiwillig war die Staatsanleihe nicht. Jeder wusste, dass – sollte die Summe nicht zusammenkommen – eine Zwangssteuer die Staatsanleihe ersetzen würde. Man sprach damals vom „Stock hinter der Tür“. Die Pläne van Halls waren nicht nur riskant, sondern auch umstritten. König Wilhelm II. soll einmal zu ihm darüber gesagt haben: „Es könnte mich meinen Thron kosten.“ van Hall antwortete: „Und mich meinen Kopf.“ Alle Banknoten wurden von PMG gegradet.

Los 3076

Niederlande. 10 Gulden Typ 1846. Staatliche Note, Registration, Unterschriften und Seriennummer handschriftlich ergänzt. Wahrscheinlich Teil des Abschiedsgeschenks an den niederländischen Finanzminister Floris Adriaan van Hall. Äußerst selten. PMG 35. Vorzüglich.

Schätzung: 25.000 Euro

Los 3229

Niederlande. 50 Gulden Typ 1884. Staatliche Note vom 12. November 1885. PMG 25. Äußerst selten. Gutes schön. Schätzung: 15.000 Euro

Los 3305

Niederlande 300 Gulden Typ 1860 vom 2. September 1919. Äußerst selten. PMG 55. Fast unzirkuliert.

Schätzung: 15.000 Euro

Auktion 431: Spezialsammlung

Münzen aus Salzburg

Los 3312

Niederlande. 1000 Gulden Typ 1860 vom 6. Juli 1904. PMG 40. Äußerst selten. Fast vorzüglich.

Schätzung: 30.000 Euro

Los 4001

Salzburg. Leonhard von Keutschach, 1495-1519. 3 Dukaten 1513. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 15.000 Euro

Gerhard Lambert ist Münzsammler in dritter Generation. Schon sein Großvater interessierte sich für die Numismatik. Sein Vater begeisterte sich für das Thema Salzburg, und Gerhard Lambert setzte dessen Interessen mit einer eigenen Sammlung fort. So dürfen Sie sich nun auf ein Ensemble freuen, das wie jede gute, alte Sammlung alles hat: Spitzenstücke von größter Seltenheit und in bester Erhaltung genau wie all jene durchschnittlichen Stücke, die jeder echte SalzburgSammler für seine Sammlung braucht.

Die 1.014 Lose sind mit rund 600.000 Euro geschätzt –und die Schätzungen reichen vom zwei- bis zum fünfstelligen Bereich. Es ist also für jeden SalzburgSammler das Richtige dabei.

Dass dieses Sammelgebiet spannend ist, und seine Prägungen ein wunderbares Dokument für die Macht, den Reichtum und die Kulturbeflissenheit der Salzburger Bischöfe darstellen, das wissen alle, die bereits Salzburg sammeln. Und wer es noch nicht tut, lässt sich vielleicht von den wunderschönen Münzen und Medaillen, die in diesem Katalog versammelt sind, überzeugen. Übrigens, auch wenn wir in diesem Vorbericht hauptsächlich Goldmünzen abbilden, sind die Silbermünzen in der Sammlung in weitaus größerer Zahl vertreten.

Los 4106

Salzburg. Johann Jakob Khuen von Belasi, 1560-1586. 4 Dukaten 1561. Äußerst selten. Sehr schön.

Schätzung: 4.000 Euro

Los 4333

Los 4225

Salzburg. Wolf Dietrich von Raitenau, 1587-1612. 4 Dukaten o. J. Äußerst selten. Henkelspur. Fast vorzüglich. Schätzung: 6.000 Euro

Salzburg. Markus Sittikus von Hohenems, 1612-1619. 4 Dukaten 1615. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 15.000 Euro

Los 4491

Salzburg. Guidobald von Thun und Hohenstein, 1654-1668. 6 Dukaten auf die Aufstellung der Salvatorstatue auf dem Giebel der Domfassade. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 12.500 Euro

Los 4258

Salzburg. Wolf Dietrich von Raitenau, 1587-1612. Vierfache Reichstalerklippe 1594. Turmprägung. Äußerst selten. Sehr schön.

Schätzung: 3.000 Euro

Los 4389

Salzburg. Paris von Lodron, 1619-1653. 10 Dukaten 1628 auf die Domweihe. Sehr selten. Sehr schön.

Schätzung: 7.500 Euro

Los 4804

Salzburg. Sigismund III. von Schrattenbach. Donativ zu 12 Dukaten 1753 auf seine Wahl zum Erzbischof. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro

VOC: Die andere Seite des Goldenen Zeitalters der Niederlande

Münzen der VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie) erzählen von der Kolonialgeschichte der Niederländer: Die Generalstaaten verliehen ihr alle Rechte eines unabhängigen Staates: Sie durfte Kriege erklären, Verträge schließen und eine eigene Währung herausgeben. Begleiten Sie uns nach Indonesien, wo die Gewürze wuchsen, die das Goldene Zeitalter der Niederlande finanzierten.

Ursula Kampmann

Dämmrige Kontore, der berauschende Duft von Gewürznelken und Muskatnüssen, seriöse Kaufleute im schwarzem Rock mit steifer Halskrause: Ist es dieses Bild, das Sie vor Augen haben, wenn Sie an die VOC denken, die Vereenigde Oostindische Compagnie? Oder denken Sie an die Muskatplantagen der tropischen Banda Inseln, wo schwitzende Weiße ihre malaiischen Sklaven prügeln, weil die Ernte nicht schnell genug eingebracht wird? Die VOC war beides: ein Unternehmen, dessen Organisationsform noch heute unsere Wirtschaft prägt, und ein ausbeuterisches System, bei dem ein paar Männer sehr reich und unzählige Menschen sehr unglücklich wurden.

Am 9. Oktober 2025 versteigern wir im Rahmen der Auktion 429 den 2. Teil der Sammlung Henk Verschoor von Münzen und Medaillen der Niederlande. Diesmal kommen die Münzen der VOC auf den Markt. Sie erzählen vom Beginn der modernen Wirtschaftswelt und der Abkoppelung des Kapitals von der Verantwortung.

Gewürzmarkt heute: Aus den einst so kostbaren Schätzen sind tägliche Gebrauchsartikel geworden. Foto: KW.

Hoffnung auf Reichtum durch den Gewürzhandel

Die Geschichte beginnt mit einem Unternehmen, bei dem lediglich das Ziel ungewöhnlich war: Ein paar niederländische Händler gründeten 1594 die Companie van Verre (= Handelsverbund für die Ferne). Solche Zusammenschlüsse waren die Regel. Kein erfahrener Händler investierte in nur eine Kauffahrt. Er streute das Risiko, denn kehrte die eine Expedition nicht zurück, brachte die andere eine hohe Rendite, die anteilig unter den Investoren aufgeteilt wurde.

Das geografische Zielgebiet der Companie van Verre war dagegen sehr ambitioniert, denn eigentlich kontrollierten die Portugiesen den Handel mit den Molukken (den Gewürzinseln). Dort wuchsen Pfeffer, Nelken und Muskatnüsse, wie sie in Europa heiß begehrt waren, vor allem an den Höfen. Der Adel war stolz auf sein Privileg, Hochwild zu jagen und Wildbret

1600 und 1630. Rijksmuseum / Amsterdam.

zu speisen. Uns hätte wahrscheinlich der Getreidebrei der einfachen Bauern besser geschmeckt. Denn ohne Kühlschrank nahm dieses Fleisch schnell eine faulige Note an. Gewürze waren das bevorzugte Mittel, um den Geschmack zu übertünchen. Das Resultat: Gewürze erzielten Höchstpreise.

Um am Handel damit zu verdienen, rüsteten die Kaufleute mit 290.000 Gulden vier Schiffe aus. Die kehrten 1597 zurück, ohne die Molukken überhaupt erreicht zu haben. Der Expeditionsleiter war wirklich unfähig gewesen. Er brachte weniger als die Hälfte seiner Mannschaft wieder heim und hatte nichts als ein paar Fässchen Pfeffer erworben. Doch die reichten aus, um trotzdem einen netten Gewinn zu erwirtschaften.

Die Vorläufer der VOC

Natürlich sprach ganz Amsterdam über diese Expedition. Man war sich einig: Unter einer besseren Leitung hätte man noch ganz andere Gewinne erzielt. Ein paar belesene Händler zitierten Jan Huygen van Linschoten, der im Vorjahr eine detaillierte Studie über den Handel mit den Gewürzinseln veröffentlicht hatte. Huygen war im portugiesischen Dienst dorthin gereist und behauptete, dass die Portugiesen dort abgewirtschaftet hätten. Ihr Handelsmonopol schütze nur noch der Vertrag von Tordesillas von 1494, den nur der Papst garantiere. Der Papst? Der interessierte keinen niederländischen Kalvinisten. Die hatten den spanischen König verjagt. Was, so mögen die Händler untereinander argumentiert haben, waren dagegen

Vereenigte Amsterdamsche Compagnie.

1/2 Daalder zu 4 Reales 1601, Dordrecht. Sehr selten. Sammlung Verschoor. Sehr schön bis vorzüglich.

Schätzung: 10.000 Euro. Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2501.

Vereenigte Amsterdamsche Compagnie.

1 Reaal (Schelling zu 48 Duits) 1601, Dordrecht. Sehr selten. Sammlung Verschoor. Sehr schön bis vorzüglich.

Schätzung: 3.000 Euro. Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2502.

Vereenigte Amsterdamsche Compagnie.

1/2 Real (1/2 Schelling zu 48 Duits) o. J. (1601), Dordrecht.

Sehr selten. Sammlung Verschoor. Sehr schön.

Schätzung: 1.000 Euro. Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2503.

Ausfahrt der Ostindiensegler. Gemälde des Hendrick Cornelisz Vroom, zwischen

die Portugiesen? Sofort wurde eine zweite Expedition ausgerüstet, die eine Rendite von satten 400% erzielte. Das Resultat: 1598 schickten bereits fünf verschiedene Handelsorganisationen ihre Schiffe auf die Reise; 1601 segelten 65 (!) Schiffe ab.

Das Geld für die Gewürzinseln

Bisher zahlten europäische Kaufleute in Ostasien mit spanischer Währung. Der Peso de a Ocho hatte sich als die beliebteste Münze etabliert. Deshalb forderte die Vereenigte Amsterdamsche Companie, eigene Münzen im gleichen Gewichtsstandard auszuprägen. Das erlaubte ihr ein Edikt des Rates am 1. März 1601. Das gleiche Privileg erhielt die Kompanie von Middelburg im Dezember des gleichen Jahres.

Die Sammlung Verschoor enthält fast alle Nominale, die von der Amsterdamer Kompanie für den Fernosthandel geprägt wurde. Die Münzen zeigen das Wappen Hollands auf der Vorder-, das von Amsterdam auf der Rückseite. Bemerkenswert sind die Striche und Punkte auf der Seite des holländischen Wappens. Sie ermöglichen auch demjenigen, der lateinische Buchstaben nicht lesen kann, zu sehen, was die

Aktienzertifikat der VOC, ausgestellt am 9. September 1606 in Enkhuizen, gekauft von Pieter Harmensz, dem Sekretär des Bürgermeisters. Westfries Archief, Hoorn, Oudarchief Enkhuizen.

Inv.-Nr. 424. Foto: KW

Münze wert ist.

Die Gründung der VOC: eine Frage von Angebot und Nachfrage

65 Schiffe, die zu den Gewürzinseln segeln, vor Ort um die Gewürze konkurrieren und etwa gleichzeitig ihre Ware auf den Markt werfen: Um vorauszusagen, was das für die Gewinnspanne bedeutet, braucht es kein Studium der Wirtschaftslehre. Sie sank dramatisch. Deshalb entstand die Idee, die verschiedenen Kompanien zu einer großen Kompanie zu vereinigen.

Am 20. März 1602 unterzeichneten die Generalstaaten ein Privileg, das der neu zu gründenden Vereinigten Ostindischen Kompanie (VOC) für 21 Jahre das Monopol auf den gesamten Fernosthandel sicherte. Und mehr als das. Die VOC erhielt das Recht, Verträge zu unterzeichnen, Kriege zu erklären, Kolonien zu gründen, ein Heer aufzustellen, Recht zu sprechen und Münzen zu prägen.

Damit lagerte die niederländische Regierung die Eroberung, Behauptung und Ausbeutung der Gewürzinseln an ein privat finanziertes Unternehmen aus, das ein Aufsichtsrat in der Heimat kontrollierte. Der so genannte Rat der Siebzehn setzte sich zusammen aus acht Vertretern aus Amsterdam, vier aus Middelburg sowie je einem aus Enkhuizen, Hoorn, Delft und Rotterdam. Den stimmentscheidenden Vorsitzenden stellten abwechselnd alle beteiligten Städte mit Ausnahme von Amsterdam. Damit war sichergestellt, dass Amsterdam allein nie die Mehrheit erhalten würde.

Die VOC wird heute als die erste moderne Aktiengesellschaft der Welt bezeichnet. Historiker haben darauf hingewiesen, dass es natürlich Vorläufer gab. Man denke nur an die Staatsanleihen italienischer Städte, die wie Aktien gehandelt wurden; oder die so genannten Kuxen, Bergwerksanteile, mit denen die Erschließung einer neuen Mine finanziert wurde. Und doch unterschied sich die VOC von den bisherigen Finanzierungsmodellen in zwei wesentliche Kriterien:

• Die Geldgeber hatten keinerlei Einfluss auf das Vorgehen der Kompanie.

• Das Geld wurde nicht in eine einzige Unternehmung investiert, sondern für eine Frist von 10 Jahren, nach denen die Dividende fällig wurde. Danach legte ein Aktieninhaber das Geld wieder bei der VOC an –oder auch nicht.

Der Marktplatz von Haarlem als Treffpunkt der Kaufleute. Die ersten Börsen waren nichts anderes als ein überdachter Marktplatz, um die Kaufleute vor dem Wetter zu schützen. Gemälde des Gerrit Adriansz Berckheyde um 1690/98. Kunstmuseum Basel. Foto: KW.

Theoretisch konnte sich jeder Niederländer an der VOC beteiligen. Praktisch kam das nur für die sehr wohlhabenden Bürger in Frage, denn jede Aktie hatte einen Wert von 3.000 Gulden. 6,5 Mio. Gulden wurden so von 1.800 Investoren aufgebracht.

Die Anteilscheine der VOC entwickelten sich sofort zu einer Ware, für die es einen fluktuierenden Tageskurs gab. Noch ehe die Aktionäre ihre Aktien bezahlt hatten, war deren Kurs um 17% gestiegen. Gekauft und verkauft wurden die Aktien auf dem Markt. Und wahrscheinlich weil die reichen Pfeffersäcke dabei nicht gerne in der eisigen Kälte standen – die kleine Eiszeit hielt Europa zum Zeitpunkt der Gründung der VOC fest in ihrem Griff –, zogen die Amsterdamer Wertpapierhändler 1612 in die eben von der Stadt errichtete Warenbörse ein. Deshalb spricht man davon, dass die Amsterdamer Börse die älteste Aktienbörse der Welt ist.

Am 18. Dezember 1603 hisste die erste Flotte der VOC die Segel. Ihr Auftrag lautete, den Portugiesen Ostindien abzunehmen, reiche Beute zu machen und auch ein bisschen Handel zu treiben. So datiert die erste Eroberung der VOC bereits ins Jahr 1605: Das Zentrum des Gewürznelkenhandels auf der Insel Ambon. Es sollte nicht der einzige Coup bleiben. Trotzdem ging dem Rat der Siebzehn alles zu langsam: Er ernannte Pieter Both 1610 zum Generalgouverneur, um das Vorgehen vor Ort besser zu koordinieren.

Both errichtete eine Kette von Forts, um die militärische Präsenz der VOC zu sichern. Er erkannte die strategische Lage der Stadt Jayakarta auf Java. Doch dort herrschte ein lokaler Sultan, der den Bau eines Forts verbot und nur eine Handelsstation genehmigte. Wo Both sich fügte, übte sein Nachfolger Jan Pieterzoon Coen brutale Gewalt aus. Er besiegte die vereinigten Streitkräfte von Sultan und Engländern, brannte die Stadt Jayakarta nieder und errichtete 1619 sein Fort Batavia, mit dem er das gesamte östliche Java kontrollierte.

Um sich die notwendigen Arbeitskräfte zu verschaffen, ließ er 1.000 Chinesen aus Macau entführen, von denen

Die Gründung von Batavia

VOC. Prägung der Provinz Holland. Dukaton 1728, Dordrecht.

Sehr selten. Aus Sammlung Verschoor. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 3.000 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2512.

VOC. Prägungen aus West-Friesland. Dukaton 1728, Hoorn.

Sehr selten. Aus Sammlung Verschoor. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 5.000 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2546.

VOC. Prägungen der Provinz Zeeland. Dukaton 1738, Middelburg. Äußerst selten. Aus Sammlung Verschoor. Vorzüglich. Schätzung: 5.000 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2561.

allerdings nur ein paar Dutzend die Strapazen der Seefahrt überlebten. So befahl er, die Überlebenden des Banda-Massakers in Batavia anzusiedeln. Es waren 600. Das war alles, was von den rund 15.000 Einwohnern der Muskatinsel nach ihrer Eroberung durch die VOC übrig geblieben war.

Im Jahr 1623 konnte sich Coen rühmen, die Einheimischen zu kontrollieren und die Portugiesen mitsamt den Engländern aus dem Gewürzhandel vertrieben zu haben. Die VOC hielt nun das Monopol auf den Handel mit allen Produkten der Gewürzinseln. Was Coen getan hatte, um sein Ziel zu erreichen, danach fragte in der Heimat niemand.

Die Münzprägung für das Reich der VOC

In nur wenigen Jahren expandierte das Handelsimperium der VOC vom Roten Meer bis Japan. Es beruhte auf einem engen Netzwerk von befestigten Handelsstützpunkten, in denen die Waren erzeugt und gesammelt wurden, mit denen man Handel zu treiben beabsichtigte. Dabei trat die VOC nicht ausschließlich als Fernhandelsagentur auf. Sie betrieb jedes Geschäft, das Profit versprach: Das reichte von der Glasherstellung über die Textilproduktion bis hin zum Bierbrauen.

Für ihre Wirtschaftsräume benötigte die VOC eine funktionierende Währung. Zwar nutze sie die vor Ort umlaufenden Münzen wie den spanische Peso oder die indische Rupie, aber das reichte bei weitem nicht aus. Deshalb entschied man, in der Heimat geprägte Münzen nach Übersee zu exportieren. Sie zeigen alle das Monogramm der VOC und häufig das Wappen der Entstehungsprovinz, wie auf diesen Prägungen unter dem Reiter zu sehen.

Die Festung Batavia. Kupferstich von Johannes de Ram um 1670.

Batavia. 1/2 Stuiver 1644. Selten.

Aus Sammlung Verschoor. Sehr schön.

Schätzung: 100 Euro.

Aus Auktion Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2618.

Batavia. 1/4 Stuiver 1644. Sehr selten.

Aus Sammlung Verschoor. Sehr schön.

Schätzung: 250 Euro.

Aus Auktion Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2619.

Was tut man, wenn man nicht in der Lage ist, genügend Münzen zu produzieren, den Münzumlauf aber trotzdem in irgendeiner Form überwachen möchte?

Man nutzt das System der Gegenstempelung. Mit einer Verfügung vom 3. September 1686 legten die Autoritäten in Batavia fest, dass alle Dukatoons mit dem niederländischen Reiter gegengestempelt werden sollten, sobald sie in die Schatzkammer der VOC gelangten. Der Gegenstempel erhöhte den Wert: Stücke, die damit versehen waren, wurden mit 60 Stüver berechnet, alle anderen nur mit 55 Stüver.

Dukatoons und ihre Teilstücke mit diesem Gegenstempel sind enorm selten. Auch in der Sammlung Verschoor findet sich kein Exemplar. Was sich dagegen findet, ist ein Dukat mit dem Gegenstempel B für Batavia, wie er bis vor kurzem nicht bekannt war. Henk Verschoor selbst publizierte das Stück erstmals 2022. Ebenfalls äußerst selten sind gegengestempelte Rupien aus dem indischen Surat, die im Juli des Jahres 1693 mit der Reiter-Punze versehen wurden. Das fixierte ihren Wert auf 28 Stüver. Doch scheint diese Bewertung zu niedrig gewesen zu sein. Die Münzen wurden gehortet. Deshalb erhöhte die VOC ihren Wert im Jahr 1699 auf 30 Stüver. Auch diese Stücke sind enorm selten!

Trotzdem gab es immer wieder Engpässe an Bargeld. Besonders drängend stellte sich dieses Problem in Batavia. Die Verwaltung machte einen ersten Versuch, den Mangel zu beseitigen, indem sie am 19. August 1644 einem chinesischen Handwerker namens Conjok das Privileg erteilte, Kupfermünzen zu einem halben und einem viertel Stüver herzustellen. Conjok produzierte diese Münzen, wie er es aus seiner Heimat kannte: mittels Gussverfahren. Deshalb sehen die Kupfermünzen der ersten Emission von Batavia anders aus als das gleichzeitige Kleingeld Europas. Die Münzen zeigen auf der Vorderseite das leicht abgewandelte Wappen von Batavia: dem aufrecht stehenden Schwert fehlt der Lorbeerkranz. Die Rückseite nennt das Nominal und zeigt das Monogramm der VOC.

Die lokalen Vertreter der VOC scheinen mit den Münzen so zufrieden gewesen zu sein, dass sie Conjok zusammen mit einem Niederländer namens Jan Ferman am 26. Februar 1645 erneut beauftragte. Diesmal sollten motivgleiche Silbermünzen im Wert von 48, 24 und 12 Stüver hergestellt werden. Diese Stücke sind heute so selten, dass sie nicht einmal in einer so umfangreichen Sammlung wie der von Henk Verschoor vertreten sind.

1,5:1

Provinz Holland. Dukat 1693, Dordrecht, mit in Batavia angebrachtem Gegenstempel. Äußerst selten.

Aus Sammlung Verschoor. Vorzüglich bis Stempelglanz.

Schätzung: 5.000 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2620.

1,5:1

Indien. Rupie 1692/3, Surat, mit in Batavia angebrachtem Gegenstempel. Äußerst selten. Aus Sammlung Verschoor.

Münze sehr schön. Gegenstempel vorzüglich.

Schätzung: 5.000 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2621.

Batavia. 1 Rupie 1766, Batavia.

Aus Sammlung Verschoor. Fast vorzüglich.

Schätzung: 250 Euro.

Aus Auktion Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2625.

Batavia. 1 Rupie 1783, Batavia.

Aus Sammlung Verschoor. Vorzüglich.

Schätzung: 200 Euro.

Aus Auktion Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2626.

Batavia. 1 Rupie 1799, Batavia.

Aus Sammlung Verschoor. Sehr selten. Stempelglanz.

Schätzung: 500 Euro.

Aus Auktion Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2629.

Die Münzprägung wurde am 6. November 1764 wieder aufgenommen und am 15. Januar 1768 eingestellt, nachdem der Bedarf gedeckt war. Für eine kontinuierliche Münzprägung bestand in Batavia kein Bedarf, aber immer wieder wurden einzelne Emissionen ausgebracht.

Der Duit

Wichtigstes Kleingeld war im Handelsimperium der VOC der Duit. Er wurde auch in Batavia geprägt, um fremde Münzen aus unedlem Metall vom Markt zu verdrängen. Keine Überraschung: Der Schlagschatz für lokales Kleingeld lag weit über dem Gewinn, der sich mit Münzen aus Edelmetall erzielen ließ. Am 9. November 1764 erklärte die VOC den niederländischen Duit zur einzig gültigen Kleinmünze von Batavia. Alle anderen Kleinmünzen wurden ersatzlos konfisziert.

Festgelegt war auch sein Wert: Vier Duits entsprachen einem Stüver; 120 Duits einer silbernen Java Rupie; 264 Duits einem spanischen Peso; 1.920 Duits einer goldenen Java Rupie.

Was man für einen Duit kaufen konnte, das erfahren wir aus einer anderen Kolonie. Ein Brief vom Kap der Guten Hoffnung verrät uns, dass dort der Preis für ein Pfund fettes Hammelfleisch zwischen 20 Duits im Jahr 1705 und 13 im Jahr 1714 fluktuierte. Dass der

Batavia. Kupfer-Duit 1765, Batavia.

Aus Sammlung Verschoor. Vorzüglich.

Schätzung: 150 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2630.

Erst rund ein Jahrhundert später folgte der nächste Erlass zur Münzprägung. Am 17. Februar 1747 befahl man, das zu prägen, was wir heute als Java Rupie oder Batavische Rupie bezeichnen. Ihre Zeitgenossen nannten sie Derham oder javanisches Silbergeld. Diese Münze im Gewicht von 20 1/2 Stüver war als Äquivalent zur indischen Rupie gedacht und trägt als Tribut an ihre Zielgruppe eine arabische Beschriftung. Da der erzielte Münzgewinn der VOC zu gering war, befahl sie bereits am 18. Juni 1754, mit der Prägung aufzuhören.

Batavia. Goldene Java Rupie 1783, Batavia.

Aus Sammlung Verschoor. Äußerst selten. Vorzüglich.

Schätzung: 7.500 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2623. 1,5:1

Duit in Südafrika sprachliche Spuren hinterlassen hat, das verraten uns zwei Redensarten in Africaans: Wer jemanden rügen will, der ungefragt seine Meinung kundtut, sagt ʼn Stuiwer in die armbeurs gooi (= einen Stüver in die Armenbüchse). Und wenn etwas gar nichts wert ist, spricht man von nie ‘n dooie duit (keinen toten Duit).

Übrigens, die ersten Siedler an der Ostküste Amerikas sprachen vom New York Penny, wenn sie einen Duit meinten. Ein sprachliches Zeugnis dafür, dass die Niederländer New York gegründet hatten.

Der Untergang der VOC

Im späten 17. Jahrhundert war die VOC die mächtigste Handelsgesellschaft der Welt. Sie besaß rund 40 Kriegs- und 150 Handelsschiffe, auf denen die Güter des Fernen Ostens in die Niederlande kamen. Rund 50.000 Angestellte arbeiteten weltweit für die VOC, was umso eindrücklicher ist, als damals nur knapp 2 Mio. Menschen in den Niederlanden lebten. Von den mehr als einer Million Europäern, die die VOC nach Asien schickte, kam nach modernen Berechnungen nur jeder dritte zurück. Schon die Überfahrt überlebte nur ein Teil. Die Bedingungen auf den Schiffen der VOC waren für die Angestellten nicht viel besser als für Sklaven. Tropische Krankheiten rafften die Neuangekommen hin wie die Fliegen. Der Reputationsschaden der VOC begann so groß zu werden, dass der Rat der Siebzehn befahl, alle Tagebücher der Rückkehrer zu konfiszieren.

Das Elend im Fernen Osten machte das Mutterland reich. Die VOC schwemmte so viel Geld in die niederländischen Städte, dass damit das finanziert werden konnte, was wir heute als das Goldene Zeitalter der Niederlande bezeichnen.

Als die VOC 1799 den Bankrott erklärte, hinterließ sie 12 Mio. Gulden Schulden. Sie wurden vom niederländischen Staat übernommen und vom Steuerzahler beglichen. Dafür annektierten die Niederlande das Kolonialreich der VOC. Seine Provinzen erhielten erst 1949 die Freiheit zurück. Heute ist die koloniale Vergangenheit der Niederlande ein schwieriges Erbe, dessen Aufarbeitung immer wieder zu Diskussionen und Auseinandersetzungen führt.

Batavische Republik. Prägung der Provinz Holland. Gulden 1802, Enkhuizen.

Aus Sammlung Verschoor. Fast Stempelglanz.

Schätzung: 400 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2632.

Niederländisch-Indien. Königin Wilhelmina, 1890-1948. 1/4 Gulden, Utrecht. Nur fünf Exemplare geprägt.

Allerdings begann sich bereits Ende des 17. Jahrhunderts ein grundlegendes Problem zu stellen, und damit meinen wir nicht die immer wieder beklagte Korruption und Ineffizienz der VOC. Die Kosten, das Handelsmonopol auf den Gewürzinseln mit ihren unzähligen Buchten und Ankerplätzen durchzusetzen, waren enorm. 10.000 Soldaten mussten bezahlt werden, um es zu hüten. Das schmälerte den Gewinn, vor allem als aus verschiedenen Gründen die Preise für Gewürze zu sinken begannen. Zwar ließ es sich die VOC nicht nehmen, weiterhin Dividenden zu zahlen, aber dafür musste sie mehr und mehr Schulden aufnehmen.

Aus Sammlung Verschoor.

Vorzüglich bis Stempelglanz aus polierter Platte.

Schätzung: 7.500 Euro.

Aus Auktion Künker 429 (9. Oktober 2025), Los 2680.

Literatur

• Stephen R. Bown, Merchant Kings. When Companies Ruled the World. Vancouver (2009)

• John Bucknill, The Coins of the Dutch East Indies an Introduction to the Study of the Series. Reprint New Delhi – Madras (2000)

Malta – ein Ordensstaat im Mittelmeer

„Wundervolle Siege hat Eure Streitschar errungen und selbst in ihren Missgeschicken erwies sie sich als unbezwingbar. So konnte sie wohl eine Schlacht verlieren, aber nie den Mut zum Kämpfen.

Ging ein Reich verloren, wurde ein anderes gegründet. Mochte ihre Hauptstadt den Namen wechseln, an ihrem Ziele hielt sie unbeirrbar fest.“

(aus einer Ansprache Papst Pius XII. an die Ordensritter vom 15. Januar 1940).

In unserer Auktion 428 bieten wir eine sehr interessante Spezialsammlung von Prägungen des Malteserordens an. Von den drei bedeutenden Ritterorden der Kreuzfahrerzeit sind der Malteser- und der Johanniterorden in der heutigen Zeit die präsentesten. Nahezu jedem sind die JohanniterUnfallhilfe und der MalteserHilfsdienst bekannt. Die wenigsten jedoch haben Kenntnis von der großartigen und wirksamen Vergangenheit des Ordens in der Weltgeschichte. Eine besondere Prägung aber erhielt die kleine Insel Malta südlich von Sizilien durch den Ordensstaat der Johanniter, die sich später „Malteser“ nannten und dort dreihundert Jahre wirkten (Abb. 1). Sie beeindruckt den heutigen Besucher vor allem durch eine gewaltige Festungsanlage, ein Bollwerk gegen die nach Westen drängende islamische Expansion, die maßgeblich durch den fünf Jahrhunderte dauernden Kampf der Malteserritter aufgehalten wurde.

Die Johanniter im Heiligen Land als „die Soldaten Christi“

Abb. 1: Wappen des Malteserordens.

betriebenen Spital in Jerusalem hervor, in dem Pilger Aufnahme und im Krankheitsfall Pflege fanden. Im Jahr 1048 gründeten sie den „Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem“. Als Schutzheiligen wählten sie Johannes den Täufer, der auch ihrem Orden seinen Namen „die Johanniter“ gab. Ordensgründer war der später selig gesprochene Gerhard Tonque (1040-1120). Das Hospiz wurde bald mit Stiftungen und Vermächtnissen sehr reich bedacht, so dass Papst Paschalis II. den „Orden vom Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem“, so der offizielle Name, schon 1113 anerkannte (Abb. 2).

„Unsere Brüderschaft wird unvergänglich sein, weil der Boden, auf dem diese Pflanze wurzelt, das Elend der Welt ist – und weil, so Gott will, es immer Menschen geben wird, die daran arbeiten wollen, dieses Leid geringer, dieses Elend erträglicher zu machen“.

(Meister Gerhard, Gründer des Ordens vom Hl. Johannes)

Der Orden der Johanniter ist der drittälteste geistliche Orden der christlichen Welt und jetzt schon über neunhundert Jahre alt. Er ging aus einem von Kaufleuten aus Amalfi in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts gegründeten und von Benediktinern

Mittelländisches Meer

Abb. 2: Karte der Kreuzfahrerstaaten um 1135. Wikipedia.

Im frühen 12. Jahrhundert erhielten die Ordensbrüder zu ihren ursprünglichen Aufgaben eine weitere: den Schutz der Wallfahrer auf ihrem Weg nach Jerusalem. Sie blieben nach wie vor „Diener der Armen“, wurden aber unter ihrem Oberhaupt Raimund de Puy auch „Soldaten Christi“. Zu diesem Zweck erwarb der Orden Burgen auf möglichst uneinnehmbaren Plätzen von einheimischen Grundherren und baute sie zu groß angelegten Festungen aus. Sie waren das Rückgrat der vier Kreuzfahrerstaaten – das Königreich Jerusalem, das Fürstentum Antiochia und die Grafschaften Edessa und Tripolis – die als Ergebnis des erfolgreichen Ersten Kreuzzuges in Syrien und Palästina gegründet worden waren. Starke Bergfriede, die nach französischem Vorbild von Türmen und konzentrischen Mauerkreisen umringt wurden, waren ein besonderes Merkmal dieser Johanniter-Festungen. Ein besonders schönes Beispiel dieser Bauten stellt die hoch auf einem Felsen über der Senke von Homs gelegene Krak des Chevaliers dar, die die Johanniter bis 1271 halten konnten (Abb. 3). Eine

Flotte kam hinzu; seit dem Jahr 1300 gab es auch den Titel „Admiral“. Raimund de Puy selbst nannte sich noch „Meister“; der Titel „Großmeister“ wurde erstmalig 1267 von Papst Clemens VI. für das Ordensoberhaupt Hugues de Revel (reg. 1278-1277) bewilligt (Abb. 4).

Der Johanniterorden umfasste drei Klassen von Mitgliedern: den obersten Rang nahmen die Ritter ein, die ihre adelige Abstammung über vier Generationen nachzuweisen hatten, um in den Orden aufgenommen zu werden. Die zweite Klasse bestand aus Geistlichen, die nicht unbedingt der Aristokratie angehören mussten. Die unterste Klasse bildeten die Brüder, die überwiegend in dienender Funktion tätig waren, aber auch militärische Pflichten hatten. Hilfskräfte, die nicht dem Orden angehörten, wurden als „Sergeanten“ bezeichnet. Der Orden war in acht Landsmannschaften – „Zungen“ – aufgeteilt, die sich an ihrer Landessprache orientierten und denen jeweils ein sog. Pilier vorstand. Sie bildeten den „Großen Rat“, der den Großmeister auf Lebenszeit wählte. Um Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen Zungen zu vermeiden, stellte die französische Zunge immer den Leiter des Krankendienstes, den Hospitalier, die Auvergner den obersten Kommandanten der Streitkräfte, den Großmarschall, die Deutschen den Aufseher über die Befestigungen, den Großbailli, und die Italiener den Admiral. Zunächst trugen die Johanniter eine einfache schwarze Mönchskutte. Als der ursprüngliche Hospitaldienst immer mehr durch den bewaffneten Schutz von Pilgern und den Kampf in Kreuzzugsgebieten ergänzt wurde, trugen sie ab dem 13. Jahrhundert einen schwarzen Übermantel mit einem weißen Kreuz, das in acht Spitzen endete.

Abb. 4: Urne für die Wahl des Großmeisters, Privatbesitz, JN

Abb. 3: Krak des Chevaliers der Johanniter in Syrien. JN 2009.
2024.

Der Orden wird aus dem Heiligen Land vertrieben und erobert Rhodos (1309 – 1522)

„… die Insel Rhodos, die unter dem Joch der Ungläubigkeit der schismatischen Griechen gedrückt ist, mit Gottes Beistand unter großer Mühsal, großem Aufwand und Kosten durch Euren starken Arm zu erwerben und dort die Schismatiker wie überhaupt alle Ungläubigen zu vertreiben …“ (Papst Clemens VI. bestätigt in einer Urkunde vom 5. September 1307 dem Orden den Besitz von Rhodos).

Ende des 13. Jahrhunderts brach die christliche Verteidigung des Heiligen Landes allmählich zusammen. Nach dem Fall von Akkon, ihres letzten befestigten Stützpunktes, im Jahr 1291 wurden die Johanniter aus Syrien und Palästina vertrieben und verloren ihre dortigen Besitzungen. Der Orden hatte seine erste eigentliche Aufgabe, die Betreuung von Pilgern und Kranken im Heiligen Land, verloren. Seine zweite Aufgabe, den Schutz der Wallfahrer und die Verteidigung der heiligen Stätten gegen die Muslime, konnte er nicht mehr durchführen. Der Großmeister und die letzten Ritter flüchteten nach Zypern und blieben dort von 1292 bis zur Eroberung von Rhodos. Der Großmeister residierte in dieser Zeit als Gast in Limassol und widmete sich der inneren Neugestaltung seines Ordens, ohne jedoch die Regeln zu ändern. Die Johanniter hielten Ausschau nach einer neuen Heimat. Es muss ihnen wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein, als der Genuese Vignolo de Vignoli, ein Abenteurer und Pirat, dem Großmeister Fulko de Villaret den Vorschlag machte, gemeinsam Rhodos und die anderen Inseln des Dodekanes (Leros und Kos) zu erobern, die sich noch unter der Herrschaft des oströmischen Kaisers Andronikos befanden. In der Vorstellung der Ritter schien der Besitz von

Abb. 5: Graben und Mauer des von den Johannitern schwer befestigten Rhodos, JN 2008

Rhodos finanzielle Unabhängigkeit zu garantieren und zudem ein ideales Sprungbrett für die Rückeroberung des Heiligen Landes zu sein. Heikel war bei dieser Aktion nur die Tatsache, dass Christen gegen Christen kämpfen sollten. Aber Papst Clemens V. billigte den Plan, erklärte die orthodoxen Griechen für Schismatiker und gestattete seine Ausführung. Die Johanniter sicherten Vignolo vertraglich zu, dass ein Drittel der Einkünfte, die sie aus dem neuen Territorium ziehen würden, an Vignoli auf Lebenszeit ausgezahlt werden sollte. Im Sommer 1306 landeten die Ritter mit ihren Galeeren und den Schiffen des genuesischen Abenteurers auf der Insel und konnten zuerst die Festung auf dem Berg Filerimos, acht Kilometer südwestlich der Hauptstadt Rhodos, durch Verrat gewinnen. Aber es sollte noch bis August 1309 dauern, bis sich die Stadt Rhodos den Belagerern ergab. Durch die päpstliche Bestätigung unterstanden die Johanniter nun einzig und allein dem Heiligen Stuhl (Abb. 5).

Für mehr als zweihundert Jahre hatten die Ritter auf der landschaftlich außerordentlich schönen und sehr ertragreichen Insel eine gute Zeit. Der Orden entwickelte sich zu einer im ganzen Mittelmeerraum gefürchteten Seemacht. Die Verteidigungswerke und die Stadt Rhodos wurden ausgebaut, ein großes Hospital und ein gewaltiger Großmeisterpalast errichtet. Aus ganz Europa floss Geld in den Ausbau der Flotte, und ein dichtes Spionagenetz informierte den Orden über alles, was in den Städten des Nahen Ostens und der Levante geschah. Auf ihren wendigen Galeeren zogen die Johanniter zu „Karawanen“ aus, d.h. zu Raubzügen auf dem Mittelmeer, wo sie die schweren Handelsschiffe der Osmanen plünderten und reiche Beute – vor allem Sklaven – machten. Ein Jahr auf den Schiffen des Ordens gehörte ebenso wie ein Jahr Krankenpflege zur Ausbildung der Novizen.

Die große Belagerung von 1480 durch Elitetruppen Sultan Mehmets II., des Eroberers von Konstantinopel, brachte die Johanniterritter in arge Bedrängnis. Es war ein Kampf um Leben und Tod gegen eine große

Übermacht, bei dem der siebenundfünfzigjährige Großmeister Pierre d’Aubusson selbst auf der Mauerkrone mitkämpfte. Es ist bis heute unerklärlich, warum die türkischen Kämpfer in dem Augenblick, als ihr Sieg schon so gut wie gewiss war, über die zerstörten Mauern die Flucht ergriffen und sich niedermetzeln ließen. Zwischen 1503 und 1510 kam es zu erneuten Angriffen, die aber leicht abgewehrt werden konnten. Offenbar wurde der strategische Wert der Insel als Bollwerk des christlichen Abendlandes von den Osmanen hoch eingeschätzt. Im Juni 1522 begann Sultan Süleyman „der Prächtige“ mit einem Großangriff auf Rhodos. Er selbst leitete die Belagerung, die nach einem schweren Bombardement mit einem Ansturm seiner Elitetruppen, der Janitscharen, begann. Der Großmeister Philipp Villiers de l’Isle Adam, aus einer der ersten Familien Frankreichs stammend, widerstand mit seinen Rittern heroisch der feindlichen Übermacht. Er lehnte auch hartnäckig die ehrenvollen Friedensangebote ab, die ihm von den Türken im Dezember gemacht wurden. Erst als die Rhodier eigenmächtig kapitulieren wollten, vereinbarte er am 26. Dezember mit Süleyman die ritterlich ehrenvolle Übergabe. Die Johanniter mussten am 1. Januar 1523 nach 213 Jahren Herrschaft Rhodos verlassen. Sie selbst und alle Einwohner, die mit ihnen ziehen wollten, erhielten freies Geleit.

Im Exil „Nichts ging in der Welt so glanzvoll verloren wie Rhodos“ (Kaiser Karl V. nach dem Fall der Inselfestung).

Der Großmeister Philippe de Villiers de l’Isle Adam fuhr nach dem Verlust von Rhodos mit den überlebenden Rittern auf dem Hauptschiff, der Karacke Santa Maria, und einer sehr verkleinerten Flotte einem ungewissen Exil entgegen. Als kostbarsten Schatz des Ordens führte er in einem juwelengeschmückten Behälter die rechte Hand des Heiligen Johannes als Reliquie mit sich. Sieben Jahre sollte das Exil des heimatlos gewordenen Ordens dauern, das ihn nach Chania auf Kreta, nach Viterbo in der Toskana und nach Nizza führte. In dem zu dieser Zeit von politischen und religiösen Umwälzungen erschütterten Europa schien keine Macht daran interessiert zu sein, den Johannitern ein eigenes Territorium zu geben. Nach vielen Bemühungen, vor allem durch Papst Clemens VII. (1523-1534, vormals Julius von Medici und ehemaliger Ordensritter) bei Karl V., wurde den Johannitern die kleine maltesische Inselgruppe südlich von Sizilien, die seit 1516 zum neuen Königreich Spanien gehörte, als ewiges kaiserliches Lehen angetragen. Zum Abschluss des Lehensvertrages kam es am 24. März 1530. In der Urkunde verpflichteten sich die Johanniterritter, in einer symbolischen Handlung Kaiser Karl V. jährlich

einen Falken – den „Malteser Falken“ – zu schicken und die Garnison des von den Spaniern besetzten Tripolis zu stellen. Die begrenzte Souveränität, die der Kaiser dem Orden zugestand, zeigte sich darin, dass er ihm das Münzrecht absprach, das er auf Rhodos besessen hatte. Erst unter Großmeister Juan de Homedes (15361552) wurde ihm dieses wieder eingeräumt (Abb. 6). Der Malteserorden hatte unmittelbar nach der Eroberung der Insel Rhodos im Jahr 1318 mit der Prägung eigener Münzen begonnen. Diese Münzen waren keine originalen Schöpfungen, sondern Nachbildungen der Münzen anderer Staaten wie Frankreichs und Venedigs. Die ersten im Umlauf kommenden Geldstücke waren Grossi aus Silber von rund 4 Gramm. Ein halbes Jahrhundert später erschien das erste Goldstück, der Zecchino. Erst um das Jahr 1500 wiesen die Münzen des Ordens mit der Abbildung des Hl. Johannes des Täufers auf der einen Seite, den Ordenswappen und dem Ordenskreuz sowie den Wappen des jeweiligen Großmeisters auf der anderen Seite, allmählich ein identitäres Design auf. Im Laufe der Jahrhunderte wurden kontinuierlich Innovationen durchgeführt, wie z.B. die Einführung des Prägedatums und Wertangaben. Die Qualität der Ausführung und das ästhetische Bild der Münzen verbesserten sich im Laufe der Zeit erheblich. Einen qualitativen Höhepunkt erlebte die maltesische Münzprägung durch die von Großmeister Manoel de Vilhena (1722-1736) eingeführten Reformen. Die Währungseinheit der Malteser hieß Scudo (= Schild, von lat. scutum); ein Scudo entsprach 12 Tari, die wiederum 240 Grani entsprachen. Die Tari waren eine Währungseinheit, deren Ursprung im arabischen Raum lag. Die maltesische Währung blieb jedoch eine Binnenwährung, die aber die Ordensherrschaft auf Malta bis 1798 überlebte und unter der anschließenden britischen Kolonialverwaltung bis 1825 umlief.

Die Felseninsel Malta unter dem Kreuz der Johanniter

„Die Insel Malta ist nichts weiter als ein Felsen aus weichem Sandstein, Tuff (gemeint ist Kalkstein) genannt, ungefähr sechs oder sieben Meilen lang und drei oder vier Meilen breit; der Felsboden ist von kaum mehr als drei oder vier Fuß Erdreich bedeckt. … An der Ostküste befinden sich viele Landzungen, kleinere sowie größere Buchten und zwei besonders große Häfen, geräumig genug, um eine Flotte beliebigen Umfangs aufzunehmen“ (aus dem Bericht einer Abordnung der Johanniter zur Begutachtung der Insel).

Am 16. Oktober 1530 nahmen die Johanniter, nachdem eine päpstliche Bulle noch die Bestätigung geliefert hatte, die Inseln Malta, Gozo und Comino in Besitz. Der neue offizielle Titel des Ordens lautete nun: „Souveräner

1,5:1

Abb. 6: Auktion 428, Los 1116 Malta. Johanniterorden.

4 Tari 1552, geprägt in Birgu oder im Fort St. Angelo. Wappen des Großmeisters Juan de Homedes (1536-1533) // Das Lamm Gottes umgeben von der lateinisches Version des Ausspruchs Johannes’ des Täufers:

„Sieh das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden“. Von großer Seltenheit, sehr schön-vorzüglich.

Schätzung. 7.500 Euro.

Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes von Jerusalem von Rhodos und von Malta“. So entstand die heute übliche kurze Bezeichnung „Malteser“ beziehungsweise „Malteserorden“ für den katholischen Teil des Johanniterordens, während die heutige evangelische Ordensgemeinschaft der „Johanniter“ im Jahr 1538 aus der Ballei Brandenburg hervorging.

Es war ein armes Land, dieses nicht besonders großzügige kaiserliche Geschenk, das den Johannitern als neue Heimat zugeteilt worden war. Die einen arabischen Dialekt sprechende einheimische Bevölkerung war arm und ungebildet. Der maltesische Adel, mit den großen Familien Siziliens und Aragons verwandt, saß in der alten Hauptstadt Mdina in der Mitte der Insel und war über die Ankunft der neuen Herren nicht erfreut. Er zeigte keine Kooperationsbereitschaft und zog sich beleidigt in seine Paläste zurück.

Die Johanniter hatten sich jedoch für den richtigen Ort entschieden, dessen größter Vorteil „die zwei besonders großen Häfen“ darstellte. Wie die Finger einer Hand lagen mehrere Halbinseln in einer Meeresbucht. Die politische Lage veränderte sich im 16. Jahrhundert dergestalt, dass die

Ziele und Ideale der Johanniter unzeitgemäß wurden. Statt Pilgerzüge nach Jerusalem und europäische Besitzungen im Heiligen Land zu schützen, galt es jetzt, das Abendland gegen die Expansion des Osmanischen Reiches zu verteidigen. Malta sollte zum Bollwerk gegen den Islam werden. Nach der Inbesitznahme der maltesischen Inseln wurden die alten Befestigungsanlagen ausgebaut und neue Verteidigungswerke errichtet. Mit gutem Grund erwarteten die Ritter in absehbarer Zeit türkische und arabische Angriffe. Der Nachfolger Philippes de Villiers l’Isle Adams, der spanische Großmeister Juan de Homedes (1536-1553), konnte den großen Hafen sichern, indem er das Fort St. Angelo ausbaute, das Dorf Birgu durch einen Wallgraben mit Zugbrücke von ihm trennte und die Forts St. Michael und St. Elmo auf der Landspitze (heute die Stadt Valletta) errichtete. Von diesen drei Befestigungswerken aus konnte Malta bei der späteren türkischen Belagerung erfolgreich verteidigt werden (Abb. 7). Der Konvent verlegte, sobald es möglich war, seinen Sitz von Mdina nach Birgu und errichtete dort ein für die damalige Zeit vorbildlich eingerichtetes Hospital mit dem größten Krankensaal, der „Sacra Infermeria“, die 800 Betten aufnehmen konnte. Denn noch immer hielten die Malteser trotz ihrer überwiegend militärischen Ausrichtung an der Tradition fest, die zur Gründung ihres Ordens geführt hatte: der Krankenpflege. Jedes Ordensmitglied, gleich welche hohe Stellung es bekleidete, legte als „dienender Bruder“ im Hospital seine Insignien ab. Zudem gab es eine sehr fortschrittliche, von den Jesuiten eingerichtete Ärzteschule auf Malta, an der sogar das Sezieren von Leichen geübt wurde.

Die nötigen Mittel für ihre großen Bauarbeiten beschafften sich die Ritter zumeist durch „Kaperfahrten“ mit ihrer neu aufgestellten und modernisierten Ordensflotte. Ein Jahr Dienst auf den Schiffen des Ordens gehörte zur Grundausbildung der

Marsammxett Harbour

Fort St Elmo

Scibbereas

Fort St Angelo

Fort St Michael Birgu Senglea

Grand Harbour

Abb. 7: Die Johanniterfestungen rund um den großen Hafen von Malta.

1,5:1

Abb. 8: Auktion 428, Los 1122

Malta. Johanniterorden. 4 Tari ohne Jahr, geprägt in Birgu oder im Fort St. Angelo. Wappen des Großmeisters Jean de la Valette (1557-1568) // Der abgetrennte Kopf Johannes’ des Täufers auf einer Platte liegend, umgeben von Worten des 45. Psalms auf Lateinisch: „Propeter veritatem et iustitiam/Für die Wahrheit und die Gerechtigkeit“. Sehr selten. Attraktives Exemplar mit herrlicher Patina, vorzüglich. Schätzung. 1.250 Euro.

Novizen. Die maltesischen Galeeren waren schnell und leicht zu manövrieren. Besonders vorteilhaft war die Tatsache, dass Malta jene Wasserstraße kontrollierte, die die gesamte Schifffahrt zwischen Sizilien und Nordafrika benutzen musste. Immer wieder wurden die schweren, wohlbeladenen Kauffahrteischiffe der Osmanen, die zwischen der Handelsmetropole Alexandria und Istanbul fuhren, von den Maltesern überfallen und ausgeraubt. Dabei erbeuteten sie nicht nur Waren, sondern auch Sklaven für die Ruderbänke ihrer eigenen Galeeren und für den Festungsbau des Konvents. Malta war einer der bedeutendsten christlichen Sklavenmärkte der Frühen Neuzeit.

Die Malteser in der Bewährung –die große Belagerung von 1565

„Kleine Inseln wie Korfu und andere werden sich in Sicherheit befinden, wenn ihre Befestigungswerke auf diese Weise (wie in Malta) erbaut werden, denn wenn ein Feind vor ihnen erscheint, wird er stets durch Mangel an Lebensmitteln, Wasser, Holz, Heu, Stroh und vielen anderen Dingen behindert sein – dies ist die Art, wie die Insel Malta sich heldenmütig gegen die Türken verteidigte“ (Vincenzo Scamozzi, Architekt und Festungsbaumeister, 1615 über Malta)

Am Bosporus regierte in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts Sultan Süleyman I. „der Prächtige“, eine geniale Herrscherfigur der Osmanen, unter dem das türkische Reich seine größte Ausdehnung hatte. 1529 standen seine Truppen vor Wien; seine Flotte beherrschte das Mittelmeer, denn die bisher größte Seemacht Venedig war in der Seeschlacht von Profeza 1538 von den Türken vernichtend geschlagen worden. Die Herren von der Ordensinsel Malta mit ihrer immer größer werdenden Flotte störten den Verkehr zwischen

den osmanischen Besitzungen in Europa und Afrika empfindlich. Im Herbst 1564 waren die Malteser schon gewarnt, dass Süleyman eine riesige Invasionsflotte ausrüsteten würde. Am 18. Mai 1565 war es dann so weit: Die osmanische Flotte wurde vor St. Elmo gesichtet. Der Sultan wollte das maltesische „HornissenNest“ mit 200 Schiffen und einer Armee von mehr als dreißigtausend Mann „ausräuchern“. Glücklicherweise verfügte der Orden mit dem einundsiebzigjährigen Jean Parisot de la Valette aus der Provence über einen äußerst fähigen Großmeister, unter dessen Führung die Ordensritterschaft die türkische Großmacht an einem weiteren Vordringen in das westliche Europa hinderte und der Armee des Sultans eine entscheidende Niederlage beibrachte (Abb. 8).

Die weit unterlegene maltesische Streitmacht bestand aus ungefähr vierhundert Rittern und drei- bis viertausend Mann Miliz. Jetzt kam den Maltesern die Wasserarmut, der Mangel an Nahrung und an Holz der Insel zu Hilfe: Die Türken waren gezwungen, Lebensmittel, Zelte und Bauholz für die Belagerung über eine Entfernung von über 1500 Kilometern mit sich zu führen; die wenigen und sehr dürftigen Wasserquellen waren auf Befehl des Großmeisters vergiftet worden. Die Landung der türkischen Truppen im Süden der Insel konnten die Malteser nicht verhindern. Sie mussten sich ausschließlich auf die Verteidigung der drei befestigten Buchten beschränken. Es ist hier nicht der Ort, um die Einzelheiten der Belagerung des Forts St. Elmo, die

unglaublichen Anstrengungen auf beiden Seiten, das Ausheben von Laufgräben in einem Land, das keine Erde, sondern nur Fels besaß, das mühsame Einrichten von Geschützstellungen seitens der Türken und die in Tag- und Nachtarbeit vorangetriebene Verstärkung der Umwallungen seitens der Malteser zu schildern. Als zu den Belagerern noch der Korsar und Admiral der osmanischen Flotte, Turgut Reis, stieß, wurde die Lage für die Malteser sehr eng, weil dieser die nächtlichen Nachschubmanöver durch Patrouillenboote der Verteidiger von St. Angelo nach St. Elmo unterband. Das kleine Fort St. Elmo war danach von jeder Hilfe angeschnitten und immer neuen Sturmangriffen und Bombardements ausgesetzt. Nach drei Wochen tapferer Gegenwehr fiel es schließlich den Türken in die Hände, die die toten Ritter enthaupteten, ihre Leichen auf Kreuze nagelten und von der Strömung in den Hafen von St. Angelo treiben ließen. Daraufhin enthaupteten die Ritter alle türkischen Gefangenen und schossen ihre Köpfe mit Wurfgeschützen von St. Angelo aus zu den Feinden hinüber. Von einem ritterlich geführten Kampf konnte nun auf beiden Seiten keine Rede mehr sein. Als im Hospital kein Bett mehr frei war, die Munition rationiert werden musste und der Hunger unerträglich,

Abb. 9: Die Aufhebung der Belagerung von Malta; Gemälde von Charles-Philippe Larivière (1798-1876); Gemäldesammlung Schloss Versailles. Wikipedia, gemeinfrei.

kam wie durch ein Wunder die Rettung: Von Sizilien setzte ein spanisches Entsatzheer über und landete an der nordöstlichen Küste Maltas. Obwohl es nur 8000 Mann waren, überschätzten die Türken, vermutlich von einem gekauften Spion falsch unterrichtet, die Truppenstärke bei weitem und brachen die Belagerung ab. Am 8. September 1565 läuteten die Glocken von Birgu und von Senglea die Befreiung ein. Jean Parisot de la Valette hatte Malta dem Orden für mehr als zwei Jahrhunderte gerettet (Abb. 9).

Vom Ausgang des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Innere Stagnation und äußerlicher Pomp

Die Bilanz, die der Orden nach der Belagerung ziehen musste, war verheerend: etwa 200 Ritter waren gefallen, die am Leben Gebliebenen hatten schwere Verletzungen

erlitten und die Befestigungen waren zerstört. In einer großen Aktion leistete nun das gesamte Europa Aufbauhilfe, das die strategisch wichtige Lage Maltas im Kampf gegen die Ausbreitung der Osmanen und des Islams erkannt hatte und sich dankbar für die abgewendete Gefahr erwies. Die Festungen wurden sofort instandgesetzt und noch wesentlich verstärkt, da man einen erneuten Angriff der Osmanen fürchtete. Aber sie kamen nicht zurück. Dafür gab es zwei Gründe: Das Arsenal von Istanbul, in dem ungeheure Vorräte an Schießpulver aufgehäuft waren, wurde – wie es hieß, auf Befehl des Großmeisters von Spionen des Ordens – in die Luft gesprengt. Diese gewaltige Explosion zerstörte Werft und Flotte des Sultans fast völlig. Die neuen Festungsanlagen Maltas, die gegen Ende 16. Jahrhunderts fertiggestellt waren, sind bis heute fast vollständig erhalten und gehören wohl zu den großartigsten und beeindruckendsten Verteidigungsanlagen der Welt (Abb. 10). Eine neue Stadt, die Hauptstadt des Ordens, sollte auf dem Monte Sciberras erbaut werden, auf dessen äußerster Landzunge St. Elmo lag. Am 28. März 1556 wurde der Grundstein für diese schachbrettartig auf dem Reißbrett entworfene Stadt „La Valette“ (heute die Hauptstadt Valletta) – benannt nach dem heroischen Verteidiger – mit dem Großmeisterpalast und der Kathedrale St. Johannes angelegt. Links und rechts der neuen Stadt entstanden so zwei leicht zu sperrende Hafenbecken. Girolamo Cassar war der maßgebliche Architekt von La Valletta, mit dem die Reihe der Malteser Barockbaumeister begann und die den Repräsentationswillen des reichen Ordens dokumentieren. In diese Zeit fällt der großartige Ausbau und die Schaffung des heutigen barocken Gesichts der Stadt La Valletta. Keine Möglichkeit wurde versäumt, einen verschwenderisch ausgestalteten Palast oder eine gärtnerische Anlage zu schaffen. Kulturell orientierte man sich gerne an Süditalien, was sich deutlich an den mit buntem Marmor inkrustierten Altären, den im Freien

aufgestellten Figurengruppen und den zahlreichen Werken italienischer Maler wie Caravaggio zeigt. Aber es gab auch ein umfangreiches Archiv und eine große Bibliothek mit dem dazugehörigen Stab an Wissenschaftlern (Abb. 11).

In den Jahrhunderten, die der großen Belagerung folgten, erfüllte der Orden, dessen Mitglieder vornehmlich aus den ersten französischen Adelsfamilien stammten, trotz zunehmender Verweltlichung und Lockerung der Sitten vor allem seine eigentliche Aufgabe, Kranke und Verwundete zu versorgen, mit größter Sorgfalt. Das große Hospital in Valetta galt als das beste in Europa. Militärisch stellten die Galeeren der Malteser die „Polizei“ des Mittelmeeres dar, deren Ordensrittern es sogar gestattet war, die Republik Venedig bewaffnet zu betreten. Der Wohlstand Maltas wuchs durch die Jahrhunderte hindurch infolge neuer Handels- und Gewerbezweige. Während der Johanniterherrschaft verfünffachte sich die Zahl der Einwohner auf der Insel (Abb. 12).

Das Ende: Kapitulation vor Napoleon „Toutes les grandes gloires viennent de l’Orient“ (Napoleon im Juni 1798 über Malta)

Im Frankreich der Revolutionszeit musste ein Orden, dessen Mitglieder zu mehr als zwei Drittel nur aus alten Adelsfamilien stammten, als völlig überlebt gelten. Die Malteser begingen auch noch den schwerwiegenden Fehler, König Ludwig XVI. für seine Flucht, die schon in Varennes endete, 500.000 Francs zur Verfügung zu stellen. Die Folge war, dass 1792 alle französischen Besitzungen des Ordens eingezogen wurden. Der letzte Großmeister Ferdinand von Hompesch zu Bolheim, ausnahmsweise ein Deutscher, übergab Napoleon die Insel Malta kampflos, als dieser mit seiner Flotte auf dem Ägyptenfeldzug im Juni 1798 vor den Bastionen von Valletta aufkreuzte. Die Erklärung ist teilweise in der Ordensregel zu finden: Christen konnten nicht gegen Christen kämpfen. Außerdem waren die Kanonen nur noch für Salutschüsse tauglich, und die maltesische Bevölkerung, die im Laufe der Zeit zu immer höheren Steuerabgaben gezwungen wurde, war sehr unzufrieden mit ihren geistlichen Herren. Die französischen Truppen plünderten alle Kirchen gründlich und raubten alles von Wert. Napoleon bemerkte, dass es vor allem aber die verlorengegangene „moralische Stärke“ gewesen sei, die den Niedergang der Malteser verursacht habe. Im Morgengrauen des 18. Juni 1798 verließ Großmeister Ferdinand von Hompesch mit nur 16 Rittern Malta (Abb. 13).

Abb. 10: Der Hafen von La Valetta mit Kastell San Angelo, JN 2014

Abb. 11: Auktion 428, Los 1134

1,5:1

Malta. Johanniterorden. 4 Tari ohne Jahr, geprägt in Valetta.

Wappen des Großmeisters Hugues Loubens de Verdalle (1582-1595) //

Der abgetrennte Kopf Johannes’ des Täufers auf einer Platte liegend, umgeben von Worten des 45. Psalms auf Lateinisch: „Propter veritatem et iustitiam/Für die Wahrheit und die Gerechtigkeit“.

Von großer Seltenheit. Sehr schön-vorzüglich.

Schätzung: 4.000 Euro

0,85:1

Viele Ordensritter emigrierten nach Russland, wo sie am 16. Dezember 1798 Zar Paul I., der ihnen große Ländereien überließ, zum neuen Großmeister wählten. Mit seinem Tod im Frühjahr 1801 übertrug der Orden das Recht zur Ernennung des Großmeisters auf den Papst. In großen Teilen Deutschlands, Spaniens, Italiens und Russlands wurde in den Jahren 1805 bis 1811 der gesamte Ordensbesitz eingezogen. Der Wiener Kongress bestätigte 1815 den Verbleib Maltas bei England. Der Orden, der nun kein Territorium mehr besaß, erhielt aber den Status eines „souveränen Völkerrechtssubjektes“. 1834 verlegte der Orden seinen Sitz nach Rom. Papst Leo XIII. stellte durch eine Bulle vom 28. März 1879 die Würde des Großmeisters wieder her. Nach seinem Wahlspruch „Tuitio fidei et obsequium pauperum“ („Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen“) widmet sich der Orden heute wie zu Zeiten seiner Gründung in 120 Ländern der Unterstützung und Pflege kranker, alter und behinderter Menschen.

Abb. 13: „Erfolgte Kapitulation zwischen dem General Bonaparte und dem Groß Meister von Maltha vor der Hauptstadt Walette zu Maltha, am 10 Juni 1798“; Kupferstich, Zittau 1798-1800. Wikipedia, gemeinfrei.

Abb. 12: Auktion 428, Lot 1148

Malta. Johanniterorden. Bronzegussmedaille 1729: Der Großmeister Antonio Manoel de Vilhena (1722-1736), F(ra = Bruder) D(on) AN(tonio) MANOEL DE VILHENA M(agnus) M(agister = Großmeister) mit Allonge-Perücke n. r. // Der dem Aeneas gleiche Großmeister de Vilhena, der auf vor ihm verstreuten türkischen Waffen steht und von einem Löwen begleitet wird, erhält von der von Engeln umgebenen Personifikation der Religion/Katholischen Kirche ein Schwert und einen Helm. Papst Benedikt XIII. hatte mit solchen Gaben den Großmeister wegen seiner erfolgreichen Kämpfe gegen die Muslime belohnt. Dabei steht ein lateinisches

Zitat aus Vergils Aeneis XII 323: „Der strahlende Ruhm der Tat“.

Zeitgenössischer Guss. Sehr selten. Stiftloch im Rand, vorzüglich.

Schätzung: 3.000 Euro

Maximilian: Letzter Ritter und/oder Bankrotteur

Am 3. Juli 2025 haben wir in unserer Auktion 423 die Sammlung Hermann Wohnlich mit über 200 Münzen und Medaillen aus Tirol erfolgreich versteigert. Ein wichtiger Baustein dafür war das eindrucksvolle Ensemble von Schaumünzen Maximilians I. Diese meisterhaften Kunstwerke der Renaissance sind ein Zeugnis dafür, wie gut sich Kaiser Maximilian I. darauf verstand, sein Image zu pflegen. Seine rund ein halbes Jahrtausend zurückliegenden PR-Maßnahmen prägen noch heute unser Bild von ihm.

Von Ursula Kampmann

Was wissen Sie eigentlich über Kaiser Maximilian I.? Fällt Ihnen außer „der letzte Ritter“ und dem Goldenen Dachl noch etwas ein? Was ist mit den üblichen Garanten ewigen Ruhms? Mit den großen Schlachten und Eroberungen? Den genialen Feldzügen? Nichts? Das ist nicht weiter überraschend. Es gibt sie nicht. Nicht, dass Maximilian keine Kriege geführt hätte. Aber seine militärische Leistungsbilanz kann man selbst wohlmeinend nur als durchwachsen bezeichnen. Das gleiche gilt für seine politische Agenda.

Trotzdem ist Maximilian I. bekannter als wesentlich erfolgreichere Herrscher seiner Zeit. Woran das liegt? Nun, Maximilian war ein PR-Profi und das lange, bevor dieses Wort erfunden wurde. Er nutzte modernste Mittel, um sein Image zu pflegen und alternative Wahrheiten festzuschreiben. Alternative Wahrheiten, die heute gefühlte Geschichte geworden sind.

Ein unglücklicher Start

Seine Wahl zum römisch-deutschen König verdankte der junge Maximilian seinem Vater, Friedrich III. Der setzte 1486 durch, dass die Kurfürsten seinen Sohn noch zu seinen eigenen Lebzeiten als Römisch-Deutschen König wählten. Damit war Maximilian das Kaiseramt sicher. Der Titel blieb den Habsburgern erhalten. Das war wichtig. Denn ihr Stern schien am Sinken. Gerade erst hatte Matthias Corvinus große Gebiete ihres Stammlandes erobert. Er residierte seit dem 1. Juni

Porträt Kaiser Maximilians I. von Hans Kels dem Älteren. Kaufbeuren, ca. 1510-1520. Bayerisches Nationalmuseum Inv. Los H250. Foto: KW.

Maximilian I. Kaiserguldiner ohne Jahr (1508), Hall. Stempel von Ulrich Ursenthaler. Sehr selten. Vorzüglich.

Schätzung: 15.000 Euro. Zuschlag: 22.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 15.

1485 in Wien und machte Friedrich den Titel Herzog von Österreich streitig. In Flandern kämpften derweil Habsburger Truppen gegen den französischen König, der ebenfalls Anspruch auf das Erbe Karls des Kühnen erhob.

Als Friedrich 1493 starb, hatte sich die Lage ein wenig gebessert: Matthias Corvinus war kinderlos gestorben und das Burgundische Erbe zwischen Habsburg und Frankreich geteilt. Nichtsdestotrotz blieb die Lage angespannt. So angespannt, dass Maximilian sich gezwungen sah, während des Wormser Reichstages von 1495 den Ständen erhebliche Zugeständnisse zu machen. Sie waren derart einschneidend, dass einige Historiker mit eben diesem Reichstag die frühe Neuzeit beginnen lassen. Denn Maximilian trat kaiserliche Befugnisse an die Reichsstände ab. Die Gründung des Reichskammergerichts und die (inoffizielle) Zustimmung, dass der Reichstag in Zukunft bei der Gesetzgebung entscheidend mitwirken werde, begrenzte die Macht für alle kaiserlichen Nachfolger Maximilians.

Warum vergessen wir dieses Scheitern, wenn wir uns an Maximilian I. erinnern? Eine durchaus berechtigte Frage.

Ein Vermögen für die PR

Maximilian gelang es, mittels seiner PR von diesem Scheitern abzulenken. Glauben Sie nicht, dass dies zufällig geschah. Er wusste genau, was er tat. Er beauftragte die besten Künstler seiner Zeit, sein Image zu kreieren. Wir wissen das, weil Maximilian selbst es uns mitteilt. So heißt es im Kapitel 24 seines Weißkunigs (übersetzt – wie auch

alle anderen Zitate – ins moderne Deutsch): Wer sich während seines Lebens keine ruhmvolle Erinnerung schafft, an den wird sich nach seinem Tod auch niemand erinnern; und dieser Mensch wird mit dem Ton der Totenglocke vergessen; und deshalb wird das Geld, das ich für die ruhmvolle Erinnerung an mich ausgegeben habe, nicht verloren sein. Aber das Geld, das ich nicht für meine ruhmvolle Erinnerung ausgebe, verhindert die ruhmvolle Erinnerung an mich in der Zukunft.“

Theuerdank, Weißkunig und Ehrenpforte

Bevor wir uns den Prägungen Maximilians I. zuwenden, werfen wir einen kurzen Blick auf die anderen Propagandamittel, mit denen er sich ein Andenken schuf. Denn wir dürfen eines nicht vergessen: Die Numismatik steht nicht losgelöst im Raum, sondern ist Teil des Gesamtkonzepts der fürstlichen Selbstdarstellung. Um die Bilder der Münzen und Medaillen zu verstehen, ist es hilfreich, sich die Aussagen der anderen Medien zu vergegenwärtigen.

Maximilian kombinierte kongenial die Innovationen seiner Epoche und schuf daraus Neues. Da gab es zum Beispiel in der Schweiz – damals eine europäische Großmacht, die gerade Karl den Kühnen beseitigt hatte – die so genannten Bilderchroniken. Das waren reich illustrierte Handschriften, die die eigene Wahrheit in Bild und Text umsetzten. Sie hatten immensen Erfolg. Noch heute glauben die meisten Schweizer, Karl der

Der junge König in seiner Münzstätte. Wir verdanken die wohl bekannteste Darstellung einer frühneuzeitlichen Münzstätte Maximilian und seinem Weißkunig.

Die Ehrenpforte Maximilians I. Handkolorierter Druck von Albrecht Dürer, aus mehreren Holzschnitten zusammengesetzt, mit einer Größe von 2.95 x 3.57 m(!). Foto: KW.

Kühne habe die Schweiz angegriffen. Das Erfolgsrezept der Bilderchronik: Die alternative Wahrheit in möglichst eindrucksvollen Bildern zu präsentieren. Wer sie sah, stellte ihre Wahrheit nicht in Frage.

Maximilian übernahm die Idee und kombinierte sie mit den in Adelskreisen so beliebten Ritterepen. Das Ergebnis war der reich illustrierte Theuerdank, der die fiktive Suche eines Ritters nach der geliebten Braut schilderte. Der Protagonist ähnelte auffallend Maximilian I.

Während die Schweizer Bilderchroniken in nur einem Exemplar existiert hatten, ließ Maximilian den Theuerdank drucken und erhöhte so dessen Reichweite. Er verschenkte ihn an diejenigen, die wir heute Influencer nennen würden. So konnte er sicher sein, dass sie das Buch auf ihren Burgen immer wieder im Kreis ihrer Gefolgsleute und Besucher hervorholten, um sich die Verse vorlesen zu lassen (nicht alle konnten lesen!) und gemeinsam die Bilder zu betrachten. Der Theuerdank war derart erfolgreich, dass ihm Maximilian den Weißkunig und den Freydal folgen ließ.

Eine andere, geradezu geniale Innovation war die so genannte „Ehrenpforte“. Es handelt sich um die fiktive Darstellung eines Triumphbogens, der mit allen möglichen detaillierten Darstellungen geschmückt war. Dieses Kunstwerk können wir als eine Art Vorläufer des Plakats bezeichnen. Der gigantische Holzschnitt, für den Albrecht Dürer verantwortlich zeichnete, maß fast 3 Meter in der Breite und 3,60 Meter in der Höhe. Er war dafür gedacht, in Rathäusern und Palästen angebracht und von möglichst vielen Leuten betrachtet zu werden. Die erste Edition wurde 1517/8 in etwa 700 Exemplaren produziert und als Geschenk hauptsächlich an Reichsstädte und Reichsfürsten verteilt. Wen der Kaiser mit so einem ehrenvollen Geschenk beschenkt hatte, der präsentierte es an einer möglichst auffälligen Stelle. So illustrierte er, in welch hoher Gunst er beim Kaiser stand – und verbreitete gleichzeitig die kaiserlichen Botschaften.

Denn auch die Ehrenpforte war eine Selbstdarstellung Maximilians I. und zeigte all die Ereignisse, die er als seine Erfolge verbucht sehen wollte. Wir können uns heute kaum mehr vorstellen, wie viel Zeit und Aufmerksamkeit solch ein Bild erhielt. Während wir auf dem Höhepunkt einer Bilderflut leben, kannte ein Mensch zu Beginn der frühen Neuzeit Bilder gerade mal aus der Kirche und aus dem öffentlichen Raum. Wer die Möglichkeit erhielt, ein Bild zu betrachten, nahm sich Zeit dafür, verinnerlichte möglichst viele Details, um sie mit seiner Umwelt genauestens zu diskutieren. Um es den Betrachtern leichter zu machen, sich an das Gesehene zu erinnern, ließ Maximilian die erklärenden Texte in gereimtem Deutsch verfassen.

Die Medaille als weiteres PR-Tool

Genau wie bei Theuerdank und Ehrenpforte griff Maximilian für seine Schaupfennige etwas auf, das er an anderer Stelle gesehen und weiterentwickelt hatte. Ausgangspunkt waren die Medaillen, die er am Hof Karls des Kühnen kennengelernt hatte. Dort wirkte Giovanni de Candida seit November des Jahres 1467. Er war kein Handwerker wie die Stempelschneider von Hall, sondern ein hochgebildeter Mann, ein Cortegiano und Gentiluomo, wie sie die Renaissance hervorbrachte. Geboren um 1445 wahrscheinlich in Neapel hatte er zum engsten Kreis um den römischen Medailleur Lysippos

Maximilian I. Medaille von Giovanni de Candida ohne Jahr (1477) auf die Hochzeit Maximilians mit Maria von Burgund. Sehr selten. Originalguss. Vorzüglich.

Schätzung: 1.500 Euro. Zuschlag: 8.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 11.

Maximilian I. Guldiner 1505, Hall. Stempel von Benedikt Burkhart. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 5.000 Euro. Zuschlag: 16.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 13.

gehört. Ein Giovanni di Candida war genauso geschickt als Maler wie als Goldschmied. Er wusste durch feinsinnige Gespräche und bestes Benehmen zu verzaubern. Karl der Kühne band ihn durch den Posten eines Sekretärs an sich. In dieser Funktion war Candida in alle Geheimnisse seines Herrn eingeweiht. Er wird nach dessen Tod am 5. Januar 1477 gehofft haben, bei Maximilian eine neue Anstellung zu finden. In diesem Zusammenhang dürfen wir die Medaille auf dessen Hochzeit mit Maria von Burgund am 19. August 1477 verstehen.

Doch anscheinend konnten sich Maximilian und Giovanni di Candida nicht einigen. Ab 1480 arbeitete Candida für den französischen Hof.

Aber Maximilian hatte das Potential der Medaille erkannt. Sie erlaubte ihm, genau wie der Druck, seine Darstellungen weit zu streuen. Er verfügte nach dem Tod Sigismunds von Tirol im Jahr 1496 über die Münzstätte von Hall. Diese hatte sich darauf spezialisiert, große, eindrucksvolle Prägungen in Silber herzustellen. Erst 1486 war dort der Guldiner entstanden, eine technische Meisterleistung. Ihn verschmolz Maximilian mit dem Konzept der Medaille und entwickelte so für sich den Schaupfennig, also eine Münze – nichts anderes bedeutete im Frühneuhochdeutschen das Wort „Pfennig“ – die nicht nur zum Zahlen, sondern auch zum Betrachten gemacht war.

Detail aus der Ehrenpforte Maximilians. Foto: KW.

Maximilian I. Modell für die Prägung des Schaupfennigs von 1506, Hall. Stempel von Benedikt Burkhart. Sehr selten. Scharfer Originalguss. vorzüglich.

Schätzung: 10.000 Euro. Zuschlag 28.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 14.

Der Entwurf dieser Schaupfennige war Chefsache. Maximilian scheint jeden einzelnen freigegeben zu haben. So wissen wir zum Beispiel aus einer zeitgenössischen Quelle, dass er einen Stempel zurückwies, weil „die Nase etwas zu hoch, das Angesicht zu lang und der Unterleib zu groß“ sei.

Dass diese Schaupfennige beim Zielpublikum ankamen, verrät uns ein an Maximilian gerichtetes Schreiben des kaiserlichen Gesandten Hieronymus Cassola von 1508: „Als ich mich in einer anderen Gesandtschaft befand, baten mich viele Fürsten und Adlige mit großem Ehrgeiz und Verlangen um Münzen mit dem Bildnis Eurer kaiserlichen Majestät.“

Bianca Sforza, die Enkelin des Condottiere

Maximilian I. Schauguldiner ohne Jahr (nach 1511), Hall. Stempel von Ulrich Ursenthaler. Sehr selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro. Zuschlag: 14.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 18.

Maximilian I. Goldene Schaumünze zu 2 Dukaten 1513, Hall, anlässlich der Beisetzung seines Vater Friedrichs III. Äußerst selten, wohl unediert und einziges bekanntes Exemplar. Aus Sammlung Wohnlich. Vorzüglich.

Schätzung: 10.000 Euro. Zuschlag: 55.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 19.

Die wohl seltenste Schaumünzen der Epoche ist heute das Doppelporträt von Maximilian und Bianca Maria Sforza von 1506. Überhaupt nahm die kaiserliche Selbstdarstellung kaum Notiz von dieser Frau – ganz anders als von Maria von Burgund. Man hat das gelegentlich damit erklären wollen, wie sehr Maximilian seine erste Frau liebte und seine zweite verachtete. Das ist romantisierender Blödsinn. Selbstdarstellung hatte mit Liebe nichts zu tun.

Bianca Maria Sforza wurde nach Möglichkeit verschwiegen, weil sie die Enkelin eines unehelich geborenen Söldnerführers war, der dank seiner Körperkraft und Unternehmungslust die Visconti als Herrscher von Mailand abgelöst hatte. Sein Sohn, Galeazzo Maria Sforza, hatte sich mit seinem Reichtum einen Kaiser als Schwiegersohn geleistet. Maximilian heiratete Bianca 1493 nur wegen ihrer Mitgift in Höhe von 400.000 Dukaten in bar und 40.000 Dukaten in Juwelen. Sie dürfte Maximilian peinlich gewesen sein, vor allem als die Sforza 1499 aus Mailand vertrieben wurden. Immer wieder hören wir, dass er seine Frau mitsamt ihrem Hofstaat als Pfand zurückließ, wenn Schulden nicht beglichen werden konnten.

Der Guldiner von 1506 mit den Porträts Maximilians und Biancas war also sicher kein kaiserliches Projekt. Dies bestätigen die Haller Münzamtsrechnungen von 1506. Sie stellen ausdrücklich fest, dass Benedikt

Burkhart das Modell für den Schaupfennig ohne Auftrag anfertigte. Ebenfalls aus den Münzamtsrechnungen erfahren wir, dass der Stempelschneider vier Proben auf eigene Kosten herstellen und der Königin übergeben ließ. Ob es bei diesen Probeprägungen geblieben ist? Ist das der Grund dafür, dass diese Münze heute so selten ist?

Maria, Erbin von Burgund

Maria dagegen passte zum Image eines Kaisers. Wahrscheinlich war das der Grund, warum Maximilian unmittelbar nach dem Tod der Bianca Maria Sforza am 31. Dezember 1510 die Hochzeitsguldiner mit dem Porträt seiner ersten Frau in Auftrag gab. Bianca sollte so schnell wie möglich aus der Erinnerung getilgt werden. Ein hochherziger – so die Umschrift – Erzherzog von Österreich und Burgund heiratete eben keinen Emporkömmling, sondern eine wie Maria, Tochter Karls des Kühnen, Erbin von Burgund und Brabant. Das war Maximilian wichtig, nicht ihre hübsche kleine Nase und ihre graubraunen Augen, auch wenn der Jungvermählte sie in einem Brief zu rühmen wusste.

Der Vater und seine Beisetzung

Nicht nur das Gedächtnis an die ranghohe Maria nutzte Maximilian, um seine eigene Position zu stärken. Auch die Begräbnisfeierlichkeiten seines Vaters dienten einzig und allein dazu, an seiner Reputation zu arbeiten. Daran erinnert eine goldene Schaumünze zu 2 Dukaten, die auf der Vorderseite das Brustbild Friedrichs III. mit einer Goldhaube nach rechts zeigt, während der Verstorbene im vollen kaiserlichen Ornat auf der Rückseite abgebildet ist. Die Aufschrift ist bemerkenswert. Sie lautet: Im Jahr 1513 am 18. Oktober. Aber Friedrich III. starb bereits am 19. August 1493. Warum wurde rund 20 Jahre nach seinem Tod noch einmal eine so aufwändige Münze herausgegeben?

Nun, dafür müssen wir zunächst ins Jahr 1493 zurückgehen. Obwohl der niederländische Baumeister Niklas Gerhaert van Leyden bereits rund 30 Jahre an Friedrichs Grabmonument arbeitete, genügte das Vorhandene nicht, um Maximilian zufriedenzustellen. Deshalb ließ er den Vater erst einmal in der Herzogsgruft des Stephansdoms beisetzen, natürlich unter allem ihm möglichen Prunk und Gloria. So wurde die gesamte Kirche mit schwarzem Tuch ausgekleidet und von – damals unglaublichen – 583 Kerzen erleuchtet. Dazu ließ Maximilian ein gewaltiges Castrum doloris über dem Katafalk errichten. Sechs Bischöfe und dreizehn Äbte feierten zusammen mit zahllosen Wiener Geistlichen 8.422 Messen für das Heil des Verstorbenen. Den gesamten Aufwand ließ Maximilian minutiös dokumentieren und das

Maximilian I. Schauguldiner ohne Jahr (1518), Hall. Stempel von Ulrich Ursenthaler. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro. Zuschlag: 22.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 20.

Manuskript noch im gleichen Jahr in deutscher und lateinischer Sprache drucken.

Und dann kam die große Pleite, als Maximilian während des Wormser Reichstags von 1495 zentrale Privilegien des Kaisers aufgeben musste. Plötzlich erschien es ihm von entscheidender Bedeutung, seinen Vater, den verstorbenen Kaiser, in ein angemessenes Grabmal umzubetten. Das Programm des Kunstwerks wurde minutiös daraufhin abgestimmt, die kaiserliche Macht zu dokumentieren. Für die Fertigstellung dieses politischen Statements in Stein investierte Maximilian 11.801 rheinische Gulden, 3 Schillinge und 4 Pfennige. Fast 20 Jahre dauerte es, bis das Grab Maximilians Ansprüchen genügte.

Als es 1513 endlich so weit war, entschied er sich, noch einmal genauso aufwändige Feierlichkeiten durchzuführen, wie er sie bereits im Jahr 1493 bezahlt hatte. Natürlich ging es ein bisschen um das Andenken an den Vater, aber – wie Maximilian in einem Brief betont – viel mehr um seine großzügige Haltung, die er wegen der göttlichen Lehre und Weisung und der natürlichen Zuneigung wegen der Liebe [zu seinem Vater] gehabt habe.

Maximilian I. Doppelter Schauguldiner 1509, Hall. Stempel von Ulrich Ursenthaler. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro. Zuschlag: 22.000 Euro. Aus Auktion Künker 423 (3. Juli 2025), Los 17.

Wir können leider den chronologischen Ablauf der Trauerfeierlichkeiten nicht mehr rekonstruieren.

Selbst die aus diesem Anlass geprägten Münzen geben unterschiedliche Daten an: Der Doppeldukat aus der Sammlung Wohnlich nennt den 18. Oktober 1513. Goldene Auswurfsmünzen, die anlässlich des Begräbnisses unter den Anwesenden verteilt wurden, sind auf den 12. November 1513 datiert. Möglicherweise erklärt sich dieser Unterschied durch eine mehrtägige Aufbahrung des kaiserlichen Leichnams in der Herzogen- oder Tirnakapelle, bevor die endgültige Bestattung durchgeführt wurde.

Der letzte Ritter und das Turnier

Enden wir diesen Einblick in Maximilians PR-Werkstatt mit seinem wohl bekanntesten Beinamen. Wer kennt ihn nicht, den letzten Ritter? Und tatsächlich zeigte sich Maximilian I. besonders gerne in voller Rüstung hoch zu Ross auf dem Weg ins Turnier. Dieser doppelte Schauguldiner von 1509 ist dafür ein wunderbares Zeugnis. Auf der Rückseite sind all die Wappen dargestellt, die man ihrem Eigentümern im Turnier vorantrug, während der Herold die Titel des Teilnehmers dazu ausrief.

Turniere waren damals die wichtigste und kostspieligste Freizeitbeschäftigung des Adels. Die Teilnahme war riskant – nicht nur weil es immer wieder zu tödlichen Unfällen kam. Wer im Tjost verlor, dem durfte sein Gegner die Rüstung mitsamt Pferd abnehmen. Ein herber Verlust, wenn man an die hohen Wiederbeschaffungskosten denkt!

Maximilian organisierte immer wieder solche Events. Ständig orderte er neue Rüstungen bei den besten Augsburger Plattnern. Die trug er während der Turniere, auch wenn er selbst nicht daran teilnahm, sondern nur zusah. Weil ihm das auf die Dauer zu teuer wurde, richtete sich Maximilian eine kaiserliche Hofplattnerei mit 13 Handwerkern in Innsbruck ein, die mit einem jährlichen Budget von 1.000 Gulden ausgestattet wurde. Davon mussten nicht nur die Löhne, sondern auch das Material bezahlt werden.

Allerdings wäre niemand auf die Idee gekommen, in so einem Prunkharnisch in die Schlacht zu reiten. Auch wenn diese Darstellung uns das glauben machen will. Der König und mächtigste Fürst über die meisten Provinzen Europas, wie ihn die Umschrift nennt, war 1518 – also zum Zeitpunkt der Prägung dieses Stücks – bereits fast 60 Jahre alt und hatte nur noch wenige Monate zu leben. Die Zeit, in der er als jugendlicher Held in den Kampf zog, lag schon lange zurück.

Postkarte mit dem Goldenen Dachl nach einem Gemälde von Erwin Spindler

Maximilian mag gerade noch in der Lage gewesen sein, vom Innsbrucker Prunkerker mit dem goldenen Dachl auf den Platz hinunterzuschauen, auf dem er einst die prachtvollsten Turniere veranstaltet hatte. Gerne wird er sich daran erinnert haben, wenn er die Holzschnitte des dritten von ihm finanzierten Buchs betrachtete: Der Freydal erzählt von einem jungen Ritter, leicht identifizierbar als Maximilian I., der in 64 Turnieren seinen wahren Wert beweist. Fast immer bleibt er Sieger und gewinnt so die Hand einer mächtigen Herrscherin, die er aber erst suchen und gewinnen muss, was nahtlos zur Handlung des Theuerdanks überleitet.

Wieder einmal bleibt Maximilian uns nicht als der Bankrotteur in Erinnerung, sondern als prunkliebender Renaissancefürst ohne materielle Sorgen. Dass Maximilians Pracht zum großen Teil von einem Augsburger Bankier finanziert wurde, der dafür als erster deutscher Kaufmann in den Reichsgrafenstand aufstieg, verblasst hinter diesen Bildern. Auch die Tatsache, dass im Jahr der Prägung des letzten Schauguldiners die Innsbrucker Kaufleute dem Hof jeglichen Kredit verweigerten, tritt in den Hintergrund. Maximilian blieb nichts anderes übrig, als Innsbruck zu verlassen und in eine Stadt zu reisen, in der man ihn auf Pump mit Nahrungsmitteln versorgte. Er soll vor Wut einen Schlaganfall erlitten haben und kurz darauf in Wels am 12. Januar 1519 verstorben sein.

Literatur:

• Heinz Moser und Heinz Tursky, Die Münzstätte Hall in Tirol 1477-1665. Innsbruck 1977

• Stefanie Menke, Kayser Fridrichs loblich gedechtnus –Das Grablegeprojekt Kaiser Friedrichs III. für Wiener Neustadt. Diss. Osnabrück / Bamberg (2011)

• Kaiser Maximilian I. Der letzte Ritter und das höfische Turnier. Herausgegeben im Auftrag der Reiss-Engelhorn-Museen von Sabine Haag, Alfried Wieczorek, Matthias Pfaffenbichler und Hans-Jürgen Buderer. Regensburg (2014) I.

• Heinz Winter, Die Medaillen und Schaumünzen der Kaiser und Könige aus dem Haus Habsburg im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien. Band I: Friedrich III. und Maximilian I. Wien (2013)

• Heinz Winter, „und in sonderhait hat er grosse munz schlagen lassen“ –Die Schaumünzen Maximilians I. aus der Prägestätte Hall in Tirol.

In: Kaiser Maximilian I. Der letzte Ritter und das höfische Turnier (2014), S. 203-209

Der Greif – Vom langen Leben eines Fabeltiers

Ein ,Künker-Vortrag‘ in Mannheim

Die Münzenfreunde von Mannheim-Ludwigshafen –die der Mathematiker und Physiker Claus Engelhardt mit viel Geschick und Erfolg durch Zeiten führt, in denen auf Kulturförderung ausgerichtete Vereine es nicht leicht haben – hatten mich für den 11. Juni 2025 zu einem Vortrag nach Mannheim eingeladen. Die Mannheimer hatten sich gewünscht, etwas über das Fabeltier ,Greif‘ zu erfahren, das in ihrer Heimatstadt bis heute sehr lebendig ist: Der Greif fungiert dort als Schildhalter des Stadtwappens, das in einem geteilten Schild Wolfsangel1 und Pfälzer Löwe zeigt. Auf diesen Greif stößt man bei der Einfahrt in die Stadt, wo er eine Brücke schmückt, oder etwa auf dem Karnevalsorden des Mannheimer Traditionscorps (Abb. 1). Der Greif ist für die Mannheimer ein so gewöhnliches Tier, dass kaum jemand danach fragt, woher er stammt, wie er nach Mannheim gekommen ist und was er uns sagen will. Nicht zuletzt wegen seiner Verankerung im Mannheimer Leben, aber auch wegen der genannten Wissenslücken wünschten sich die Mannheimer Münzenfreunde, anhand von Geldstücken mehr über ihr ,Haustier‘ zu erfahren.

Der Badische Greif

Abb. 1: Der Mannheimer Greif auf einem Orden des Karnevalsvereins Mannheimer Traditionscorps.

Der das Stadtwappen Mannheims haltende und schützende Greif geht auf den Badischen Greif zurück. 1803 war nämlich die ehemalige kurpfälzische Residenzstadt Mannheim dem zum Kurfürstentum erhobenen Baden zugeschlagen worden. Badens Markgraf Philipp I. (1515/1527-1533) verwendete seit 1516 ein Siegel, auf dem zwei aufgerichtete Greifen sein Wappen flankieren.2 Derartige Schildhalter sollten nicht nur wie Schildknappen herrscherliche Wappen halten und präsentieren, sondern sie auch vor Missachtung oder gar Angriffen schützen. Die Herrschenden wussten nur zu genau, wie unbeliebt viele von ihnen bei so manchem Beherrschten waren! Besonders starke Tiere wie etwa Löwe und Hirsch, aber auch Fabelwesen wie Wilde Männer, himmlische Wesen wie Engel und tierische Monster wie Basilisken und Greifen schienen für die Rolle eines Wappenschützers besonders geeignet.

Nicht nur im Mannheimer Wappen, sondern auch im Wappen des Bundeslandes Baden-Württemberg (Abb. 2) hat der badische Greif überlebt. Während der Hirsch der Vertreter Württembergs ist, repräsentiert der Greif Baden. Die beiden imposanten wie kraftstrotzenden Tiere halten den baden-württembergischen Wappenschild: Auf ihm sind drei nach links schreitende schwarze Löwen auf goldenem Grund zu sehen. Die Löwen sind Wappentiere der Staufer. Die Farben dieses Wappens, Schwarz und Gold, wurden zu den Farben des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, d.h. des ,Alten Reiches‘. Noch heute verwenden ehemalige freie Reichsstädte – wie etwa Aachen, Donauwörth, Dortmund, Goslar und Lübeck – diese Farbkombination. Beim Hambacher Fest im Jahre 1832 platzierte die Studentenbewegung einen roten Streifen zwischen Schwarz und Gold. Diese Trikolore wurde zunehmend als Symbol für republikanische und

antimonarchische Bestrebungen verstanden und ist nach einer wechselvollen Geschichte zu den Farben der Bundesrepublik Deutschland geworden. Die Bekrönung des baden-württembergischen Wappenschildes aus kleinen Schilden weist darauf hin, dass in den ,Südweststaat‘ Baden-Württemberg nicht nur Baden und Württemberg, sondern auch ehemals fränkische (roter Rechen), hohenzollersche (schwarz-weiß), pfälzische (goldener Löwe auf schwarzem Grund) und vorderösterreichische Gebiete (weiß-rot) eingegangen sind.

Auch auf Münzen Badens erscheint der Greif. Auf einem Dukaten des Markgrafen Karl Wilhelm von Baden (1709-1738) aus dem Jahr 1721 halten zwei Greife das überkrönte badische Wappen mit dem roten Querbalken auf goldenem Grund. Der Wappenschild ist von der Kollane des ,Ordre de la Fidélité‘ (Orden der Treue) umgeben (Abb. 3).

Auf einer Bergbaumünze, dem Badener Kronentaler von 1836, findet sich auf der Vorderseite der Kopf des Großherzogs Karl Leopold Friedrich (1830-1852). Auf der Rückseite der seltenen Münze ist ein bekrönter Löwengreif dargestellt, der einen ovalen Schild hält. Auf ihm sind Hammer und Schlägel und eine Grubenlampe dargestellt. Darüber steht der Bergmannswunsch GLÜCK AUF. Die Legende um den oberen Rand der Münze erklärt den materiellen Hintergrund dieser Prägung: SEGEN DES BADISCHEN BERGBAUS (Abb. 4).

2: Großes Wappen von Baden-Württemberg.

1,5:1

Abb. 3: Baden Durlach, Dukat 1721, Karl Wilhelm Markgraf von Baden // Wappenschild von Greifen gehalten. (Künker-Auktion 409, 20.6.2024, Los 2068, Zuschlag: 14.500 Euro).

Abb. 4: Baden, Kronentaler 1836, Karl Leopold Friedrich // Greif mit Bergbauschild, (Auktion 2 von London Coin Galleries & Künker, 1. 11.2016, Los 1014, Zuschlag: 830 Euro).

1 Die Wolfsangel ist ein Widerhaken, der mit Fleisch umkleidet von einem niedrigen Ast herabgehängt wurde, so dass gelenkige Raubtiere wie Wölfe nach dem lockenden Fleisch springen konnten, sich dabei aber in dem Widerhaken der Wolfsangel verfingen und grausam verendeten. Der brutale Einsatz der Wolfsangel erklärt sich aus dem großen Schaden, den die damals weit verbreiteten Wölfe dem wertvollen und überlebenswichtigen Viehbestand der Bauern zufügten.

2 Vgl. F. Zell, Geschichte und Beschreibung des Badischen Wappens von seiner Entstehung bis auf seine heutige Form, Karlsruhe 1858.

Abb.

Abb. 6: Wappen des Herzogtums Pommern mit zahlreichen Greifen: 1. Reihe: Herzogtum Stettin, Herzogtum Pommern, Herzogtum Kassuben; 2. Reihe: Fürstentum Rügen, Herzogtum Wenden, Herrschaft Usedom; 3. Reihe: Herrschaft Barth, Grafschaft Gützkow, Herzogtum Wolgast; 4. Reihe: Blutfahne, die auf die Blutgerichtsbarkeit des Herzogs hinweist.

Abb. 7: Wappen der Stadt Greifswald.

Der pommersche Greif

Im Wappen des nach der Wiedervereinigung neu gegründeten Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern erscheint ein roter Greif: Der gevierte Wappenschild zeigt im ersten Feld den bekrönten Stierkopf von Mecklenburg-Schwerin, im zweiten den roten Greif Pommerns, im dritten den roten Adler Brandenburgs und schließlich im vierten Feld wiederum einen gekrönten Stierkopf, der das Wappen von MecklenburgStrelitz vorstellt (Abb. 5).

Seit dem Mittelalter ist der aufgerichtete rote Greif das Wappentier der Herzöge von Pommern, die auch als ,Greifenherzöge‘ bezeichnet wurden.3 Viele Nachbarterritorien Pommerns führten ebenfalls einen Greif in ihren Wappen, allerdings in anderen Farben und Gestaltungen (Abb. 6). Zu ihnen gehört auch die Stadt Greifswald (Abb. 7). Der westliche Ostseeraum konfrontiert uns mit einer auffälligen Häufung heraldischer Greifen.

Mit einem Schwert in seiner Vorderklaue verbildlicht der pommersche Greif Macht und Kampfeskraft der pommerschen Herzöge. Das ist etwa auf einem extrem seltenen dreifachen Reichstaler aus dem Jahr 1613 zu sehen, der auf seiner Vorderseite die Büste Herzog Philipps II. von Pommern (1606-1618) zeigt, auf der Rückseite aber einen aufrechten Greif mit Schwert und aufgeschlagenem Buch, das möglicherweise als Bibel zu deuten ist; die Pommernherzöge waren stolz auf die Christianisierung ihres Landes (Abb. 8).

Eine Silbermedaille, die an die pommersche Landwirtschaftsausstellung des Jahres 1876 in Belgard (an der Persante) erinnert, zeigt auf der Vorderseite einen Greif, der sich auf einem Baumstamm niedergelassen hat (Abb. 9). Bis heute führt die Stadt, die jetzt zum polnischen Westpommern gehört und Bialograd heißt, einen aufgerichteten roten Greif in ihrem Wappen, unter ihm Wellenlinien, die auf den Hausfluss Persante hinweisen (Abb. 10).

Der DAI-Greif

Im Jahre 1979 erinnerte die Bundesrepublik mit einer 5 DM-Münze an das 150jährige Bestehen des Deutschen Archäologischen Instituts (Abb. 11). Diese weltweit agierende Abteilung des Auswärtigen Amtes war am 21. April 1829 auf dem Kapitolhügel in Rom gegründet worden. Der 21. April galt schon in der Antike als der mythische Geburtstag der Stadt Rom. An diesem Tag des Jahres 1829 waren der Archäologe Eduard Gerhard, der preußische und der hannoversche Gesandte am Heiligen Stuhl, Christian Karl Josias von Bunsen und August Kestner, ferner der Commissario della

Abb. 5: Wappen von Mecklenburg-Vorpommern.

Abb. 8: Pommern, dreifacher Reichstaler, Philipp II., 1613: V(on) G(ottes) G(naden) (Wappen) PHI(Wappen)LIP(u)S (Wappen) H(erzog) Z(u) S(Stettin) (Wappen) POM(mern) (Wappen); Brustbild Philipps II. n. r. // CHRI(Wappen)STO ET (Wappen) REIP(ublicae) (Wappen) ANNO – (Wappen) 1613 (Wappen); der pommersche Greif mit Schwert und Buch (Bibel?) (Künker-Auktion 308, 19.6.2018, Los 2977, Zuschlag: 32.000 Euro)

Abb. 9: Pommern, Silbermedaille auf die Landwirtschaftsausstellung in Belgard/Bialograd, 1876, (Künker eLive Auction 65, 23.2.2021, Los, 7863, Zuschlag:160 Euro).

Abb. 10: Wappen der Stadt Bialograd/ Belgard an der Persante.

Antichità, Carlo Fea, und der Bildhauer Berthel Thorvaldsen neben weiteren an der Antike Interessierten zusammengekommen, um den Instituto di corrispondenza archeologica zu gründen, aus dem sich schließlich das Deutsche Archäologische Institut entwickelte. Der Löwengreif, der seine Vordertatze auf eine Vase legt, ist eine Erinnerung daran, dass dieses Institut aus einer Vereinigung hervorging, die sich ,Römische Hyperboreer‘ nannte. Die Hyperboreer – ihr Name bedeutet ,Menschen, die jenseits der Geburtszone des Nordwindes leben‘ – waren antikem Mythos zufolge die Bewohner einer paradiesischen Gegend am Rande der Welt. Sie waren Freunde des Weisheits- und Kulturgottes Apollon und Nachbarn der Greife. Die gelehrten Künstler und Politiker aus dem Norden Europas, die sich in Rom aufhielten, fühlten sich deshalb nur allzu gern als Hyperboreer und hatten für ihren Club einen Greif als Vereinszeichen ausgewählt. In den Rand der 5 DM-Gedenkmünze ist das lateinische Motto MONUMENTIS AC LITTERIS eingeprägt, was anscheinend sagen will, dass sich das Deutsche Archäologische Institut ,den Denkmälern wie auch den Schriftzeugnissen‘ gewidmet hat und sich für ihre Sicherung, wissenschaftliche Erforschung und Aufarbeitung engagieren will.

Abb. 11: 5 DM, Deutsches Archäologisches Institut.

3 N. Buske – J. Krüger – R.-G. Werlich (Hrsg.), Die Herzöge von Pommern. Zeugnisse des Greifenhauses, Wien/Köln/Weimar 2012.

DER GREIF – VOM LANGEN LEBEN

Aussehen und Name des Greifs

Der Greif ist kein reales, sondern ein mythisches Tier, das von Griechen und Römern mit vergangenen Zeiten und mit den Rändern der damals bekannten Welt in Verbindung gebracht wurde. Häufig hat der Greif einen Löwenkörper mit Flügeln und einen Raubvogelkopf. Er ist damit eine Zusammensetzung des stärksten Landtiers (des Löwen) und des Königs der Lüfte (des Adlers). Meist hat er hoch aufgerichtete längere Ohren, die an Hasen- oder Eselsohren erinnern, manchmal einen tentakelähnlichen Stengel, der in einem Knopf endet, auf der Stirn (Abb. 12). Oftmals besitzt er einen langen gebogenen Hals und manchmal einen gezackten Rückenkamm, was ihn dem Drachen ähnlich macht. Er ist nach der Hauptregel von ,How to create a monster‘ aus nicht zusammengehörenden Teilen von Tieren konstruiert.4 Es gibt aber auch Greife, die das Aussehen eines Löwen haben, der aber – statt der zu erwartenden Vordertatzen – Raubvogelfänge hat. Schließlich kannte man auch den Schlangengreif, bei dem ein Schlangenkopf auf einem Löwenkörper saß; seine Vorderfüße waren die eines Löwen, seine Hinterfüße die eines Raubvogels.

Hinsichtlich der Benennung des Greifs gibt es grundlegende Missverständnisse bei den meisten Menschen, die seinen Namen hören, und außerdem fortwährende Streitereien der Sprachwissenschaftler. Erwiesen falsch ist die Annahme, der Name des mythischen Tiers leite sich von dem deutschen Verb ,greifen‘ her. In Wirklichkeit handelt es sich bei der Bezeichnung des Fabelwesens um ein Fremdwort, das auf das spätlateinische Wort ,gryphus‘ und auf das aus ihm gebildete althochdeutsche Wort ,grîfe› zurückgeht. Einer der bekanntesten deutschen Barockdichter, Andreas Greif, latinisierte einst seinen Familiennamen Greif und ist daher unter dem Namen Andreas Gryphius (1616-1664) bekannt geworden. Im Gegensatz zum spätantiken Latein hieß der Greif im

Abb. 13: Persepolis, Greifenkapitell des Apadana, der Audienzhalle des Perserkönigs (Hansueli Krapf, Wikipedia)

Abb. 12: Museum Olympia: Greifenattache eines Kessels, JN 2017.

klassischen Latein nicht ,gryphus‘, sondern ,gryps‘, was eine genaue Übernahme des griechischen Wortes γρύψ (gryps) ist. Sehr wahrscheinlich ist der griechische Name des Greifs von dem griechischen Wort γρυπός (grypós) abgeleitet, das ,krumm‘ bedeutet und sprachlich mit den deutschen Wörtern ,krumm, Krampf, Krempe und Krüppel‘ verwandt ist, die alle Gebogenes oder Verbogenes bezeichnen. Offensichtlich waren krummer Schnabel und krumme Klauen so auffallende Merkmale des Fabelwesens Greif, dass es danach benannt wurde.

Weil die Kreter und Griechen der Bronzezeit sowie der Archaischen Zeit das Fabeltier bei ihren Kontakten mit den Kulturen des Nahen Ostens und Ägyptens übernahmen, wurde immer wieder vermutet, dass der von den Griechen verwendete Name aus einer semitischen Sprache übernommen worden sei5 und die Bezeichnung Greif etymologisch mit dem Namen des hebräischen Cherub – das ist ein Diener und Reittier des hebräischen Gottes Jahwes6 – verwandt sei. Eine Beeinflussung der griechischen, im Indogermanischen wurzelnden Namenswahl für das Fabeltier mag durch die ähnlich klingende semitische Bezeichnung beeinflusst worden sein. Wenig wahrscheinlich ist aber, dass es sich um eine direkte Übernahme aus dem Semitischen, also um ein Lehnwort handelt.

Wie der Greif zu den Griechen kam

In den Kulturen des Alten Orients und Ägyptens, die das Raubtier Löwe mit Körperteilen von Vögeln verbanden, traten Greife schon seit dem 4. Jt. v. Chr. auf. Greife waren Schützer und Diener von Gottheiten und Herrschern; machmal, wie etwa in Ägypten, konnten sie den Herrscher selbst verkörpern. Sie wachten über Heiligtümer und Paläste (Abb. 13). Einige von ihnen galten auch als böse Dämonen, mit deren Abwehr oder gar Besiegung Götter und Herrscher ihre Stärke und Macht unter Beweis stellen konnten. Die Assyrer griffen im 2. Jt. auf solche mesopotamischen Monster zurück, aber auch auf Greifen der Mitanni, eines Volkes, das in Nordsyrien und im türkischen Kurdistan lebte. Besonderes Interesse kann ein Siegel des mitannischen Königs Sauštatar (um 1440 v. Chr.) beanspruchen, das einen Adler zeigt, der auf einem Löwen steht – d.h. eine Vorphase der Verschmelzung beider Tiere zum Greif wiedergibt (Abb. 14).

Von Ägypten oder dem Alten Orient übernahmen die Kreter den Greif. Auf die Wände platzierte Greife schützten in Knossos den sogenannten Thronsaal des Minos, aus dem 15. Jhdt. v. Chr. (Abb. 15). Die Assyrer verbreiteten den Greif bis nach Kilikien und in die

Abb. 14: Siegel des Mitanni-Königs Sauštatar, Wikipedia, gemeinfrei.

Abb. 15: Der sogenannte Thronsaal von Knossos, Olaf Tausch, Wikipedia.

4 D.A. Amyx, Corinthian Vase-Painting of the Archaic Period II. Commentary: The Study of Corinthian Vases, Berkeley/ Los Angeles/London 1988, 661: „Make-A-Monster (A Do-It-Yourself Kit)“.

5 M.L. West, The East Face of Helicon. West Asiatic Elements in Greek Poetry and Myth, Oxford 2003 (1997), 580 f. Vgl. H. Brandenburg, Reallexikon für Antike und Christentum XII, 1983, s.v. Greif, 951-995, bes. 951.

6 Altes Testament, Psalm 18, 11: „Er fuhr auf dem Kerub und flog daher; er schwebte auf den Flügeln des Windes“.

DER GREIF –

Levante, wo dieses Monster seit dem 9. Jhdt. v. Chr. von Griechen rezipiert wurde, die nach den Dark Ages (den durch die endbronzezeitliche Völkerwanderung heraufgeführten Dunklen Jahrhunderten von ca. 1200800 v. Chr.) erneut aus dem Mutterland zu den Küsten Kleinasiens und der Levante vorstießen und damit die sogenannte Griechische Renaissance heraufführten.

Die sich neu entwickelnde Stärke griechischer Städte führte zu einer Expansion der Griechen in viele Teile des Mittelmeerraumes, aber auch zu einer massiven Übernahme orientalischen Kulturgutes. Deshalb wird diese Epoche sowohl als Griechische Renaissance als auch als Orientalisierende Epoche benannt. Die Ausbildung einer selbstbewussten eigenen Identität muss nicht in einem Gegensatz zu einer kreativen Übernahme fremden Kulturgutes stehen.

Die Griechen stießen durch den Bosporus auch in den Schwarzmeerraum vor. Dort kamen sie bei ihrer Begegnung mit eurasischen Völkern, die sie als Skythen bezeichneten, mit einer weiteren Greifentradition in Kontakt. Die Skythen konnten den Griechen als Bezahlung für ihre Luxusgüter Getreide, getrockneten Fisch und Gold anbieten. Wie später die Konquistadoren Mittel- und Südamerikas waren die Griechen daran interessiert, den Ursprung des angebotenen Goldes zu erfahren. Die Skythen, die die Herkunft des Goldes verschleiern wollten, erzählten den Griechen Geschichten davon, dass sie das Gold aus einem Gebirge im hohen Norden (Ural?) bezögen und es extrem gefährlich sei, dieses Gold zu gewinnen, da es von Monstern gehütet werde, die aus Adler und Löwe zusammengesetzt seien. Adrienne Mayor hat in ihrem faszinierenden Buch ,The First Fossil Hunters‘7 diesen Ursprung des Greifs herausgearbeitet: Die Skythen seien bei ihrem Schürfen nach Gold im Permafrostboden auf gut erhaltene Skelette des Kleinsauriers Protokeratops (Abb. 16) gestoßen und hätten diesen mit gar nicht soviel Phantasie als Greif rekonstruiert.8 Die räumliche Verbindung mit dem geschürften Gold ließ diese Monster zu Wächtern des im Boden ruhenden Edelmetalls werden. Ein Beweis dafür, dass bei den Skythen tatsächlich derartige Greifengeschichten umliefen, sind Tattoos skythischer Fürsten, deren Leichen im Dauerfrostboden Sibiriens erhalten blieben. Sie zeigen Greifen, die offensichtlich als persönliche Schutztiere des Tätowierten fungieren sollten (Abb. 17).9 Einige Griechen versuchten trotz der bedrohlichen Greifen oder gerade ihretwegen, in den hohen Norden vorzudringen. Der Bekannteste von ihnen war Aristeas (6. Jhdt. v. Chr.), der von der kleinen Insel Prokonnesos im Marmara-Meer stammte.10 Sein Bericht über eine Reise in das Land der Skythen ist nicht erhalten, doch bezieht sich im 5. Jhdt. v. Chr. der Vater der Geschichte, Herodot von Halikarnassos (das heutige Bodrum), auf ihn: „Nun berichtet aber Aristeas, der Sohn des

Abb. 16: Der Protokeratops (nach A. Mayor 44).

Abb. 17: Tattoos skythischer Fürsten (nach A. Mayor 25).

Kaÿstrobios, aus Prokonnesos in einem epischen Gedicht, wie er, von göttlicher Raserei ergriffen, zu den Issedonen gewandert sei, jenseits der Issedonen, erzählt er, wohnen die Arimaspen, Menschen mit einem Auge, jenseits der Arimaspen wohnen goldhütende Greife und jenseits der Greife die Hyperboreer, die an ein Meer grenzen. Von diesen Völkern sei eines nach dem anderen gegen seine Nachbarn zu Felde gezogen, nur nicht die Hyperbοreer. Zuerst seien von den Arimaspen die Issedonen aus ihrem Lande vertrieben worden, dann von den Issedonen die Skythen, dann von den Skythen gedrängt, hätten die Kimmerier ihr Land am Südmeer verlassen müssen.“11 Herodot ging davon aus, dass die Erde eine flache mit Wasser bedeckte Scheibe sei, in der lose zusammenhängend drei Erdteile –Europa, Asien und Libyen (= Afrika) – schwömmen. Die goldhütenden Greife siedelte er im heutigen Westsibirien zwischen den einäugigen Arimaspen und den Hyperboreern an (Abb. 18).

Als Alexander der Große (336-323 v. Chr.) die griechische Welt im Osten bis nach Indien erweiterte, wurden auch dort Greifen entdeckt. In Baktrien – das weitgehend dem heutigen Afghanistan entspricht – hörten die Griechen auch dort von Greifen, die Gold hüteten. Möglicherweise waren es auch in diesem Fall die Skythen, die ihren Nachbarn nach Süden hin, den Baktriern, diesen Mythos überliefert hatten: „Der Greif, das indische Tier, ist, wie ich höre, vierfüßig wie die Löwen. Er hat gewaltig starke Klauen; auch diese sind den Klauen der Löwen ähnlich. Er ist auf dem Rücken beflügelt; die Farbe dieses Gefieders ist schwarz, der vordere Teil rot, die Flügel selbst aber nicht von dieser Farbe, sondern weiß. Der Hals ist mit dunkelblauen Federn geblümt, wie Ktesias [ein griechischer Arzt am Hofe des persischen Großkönigs Artaxerxes II.,404359 v. Chr.] erzählt; der Mund ist adlerförmig und der Kopf so, wie ihn die Künstler malen und bilden. Seine

Abb. 18: Die Erde nach Herodot, Wikipedia, gemeinfrei.

Augen, sagt jener, sind flammend. Sein Nest baut er auf den Bergen. Einen ausgewachsenen Greif zu fangen, ist nicht möglich; die Jungen aber werden gefangen. Die Baktrer, die Nachbarn der Inder, sagen, die Greife wären Wächter des dortigen Goldes, grüben dieses aus und bauten ihre Nester daraus; das Herabfallende aber nähmen die Inder an sich. Die Gegend, in der die Greife leben und die Goldgruben sind, ist außerordentlich öde. Die Leute, die das genannte Metall aufsuchen, kommen bewaffnet zu Tausenden, ja doppelt so stark, bringen Schaufeln und Säcke mit und graben, wenn die Nacht finster und ohne Mondschein ist. Wenn sie nun den Greifen unbemerkt bleiben, genießen sie einen doppelten Vorteil, denn so entgehen sie der Gefahr und bringen außerdem die Last nach Hause. Nachdem diejenigen, die sich auf das Goldschmelzen verstehen, es mittels ihrer Kunst gereinigt haben, erhalten sie zum Lohn für die Gefahr großen Reichtum; wenn sie aber ertappt werden, kommen sie um. Sie gelangen aber, wie ich höre, erst im dritten und vierten Jahr in die Heimat zurück.“ 12

7 A. Mayor, The First Fossil Hunters. Dinosaurs, Mammoths, and Myth in Greek and Roman Times, Princeton/Oxford 2000.

8 Ebd. 23.

9 Ebd.

10 Die erhaltenen Fragmente sind zusammengetragen von J.D.P. Bolton, Aristeas of Proconnesus, Oxford 1962.

11 Herodot IV 13.

12 Aelian, De natura animalium IV 28 (Übersetzung K. Brodersen).

Apollon, Athena und Nemesis und die Greife

Ein delphischer Mythos brachte Apollon mit den Hyperboreern und deren Nachbarn, den Greifen, in Verbindung: Dem Mythos nach wohnten die Hyperboreer in einem paradiesischen Land, das hoch im Norden am Okeanos lag. Zeus hatte seinen unehelichen Sohn Apollon, der seiner Gattin Hera ein Dorn im Auge war, nach seiner Geburt auf einem Schwanengespann zu den Hyperboreern geschickt. Dahinter steht die Beobachtung, dass einige Schwäne zum Brüten in den hohen Norden fliegen. Als Apollon erwachsen geworden war, zog er von den Hyperboreern nach Delphi und gründete dort am Fuße des Parnass sein wichtigstes Orakel. Im Winter, wenn es im Mittelmeerraum regnete und ungemütlich wurde, kehrte Apollon immer wieder in das Land seiner Kindheit und Jugend, ins Land der Hyperboreer, zurück. Während Apollons Winterurlaub bei den Hyperboreern blieben seine griechischen Orakelstätten geschlossen. Erst im Sommer fand er sich wieder in Delphi und anderen Orakelplätzen ein, um den Menschen mit seinen Ratschlägen und Voraussagen zu helfen.

Abb. 19: Kyzikos, Elektron-Stater 400-330 v. Chr., Apollon auf Greif, darunter ein Thunfisch // Incusum (Roma Numismatics 17, 28.3.2019, Los 488).

Abb. 20: Teos. Stater, 5. Jhdt. v. Chr., Greif nach rechts, vor ihm Rad // Incusum (Künker-Auktion 416, 29.10,2024, Los 1230, Zuschlag: 12.000 Euro).

Offensichtlich entwickelten die Griechen die Vorstellung, Apollon benutze bei seinen Reisen von und zu den Hyperboreern einen Greif als Reittier. Ein wunderschöner Stater aus Elektron – einer Mischung von Gold und Silber – der wohlhabenden Stadt Kyzikos (Abb.19), die am Reiseweg Apollons zwischen den Hyperboreern und Delphi lag, zeigt Apollon auf einem Greif sitzend. Er hält den ihm heiligen Lorbeerbaum in der Hand, so dass die Identifikation des Greifenreiters gesichert ist: Der Lorbeerbaum erinnert nämlich daran, dass Apollon dem Mythos nach kein Glück mit Frauen hatte. Die schöne Daphne, in die er sich verliebt hatte, verwandelte sich, um sich ihm zu entziehen, in einen Lorbeerbaum. Auch ein gut aussehender Gott war nicht immer der begehrte Liebling aller Frauen! Seitdem heißt der Lorbeerbaum im griechischen ,daphne‘; Daphne ist aber auch ein schöner Frauenname geblieben. Der auf dem Stater unter dem Greifen platzierte Thunfisch ist das Wappentier von Kyzikos. Im Altertum profitierte die Stadt von den regelmäßigen Zügen dieses Fisches an ihr vorbei zum Mittelmeer, und vor Kyzikos fand im Marmara-Meer das statt, was man in Sizilien als Mattanza und in Spanien als Almadraba bezeichnet.

Der Greif war aufgrund dieser Mythen eng mit Apollon verbunden. Städte, die einen Greif auf ihre Münzen prägen, stellen damit meist die Bedeutung des Apollon-Kultes heraus. Das gilt insbesondere für die jonische Stadt Teos, deren Haupt- und Schutzgott vom 6. bis 4. Jhdt. v. Chr. Apollon war. Erst im 4. Jhdt. übernahm Dionysos diese Rolle.13 Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass ein schöner, nach rechts gewandter

Abb. 21: Teos, Stater, 5. Jhdt. v. Chr., Greif nach rechts, vor ihm Zählbrett // Incusum (Künker-Auktion 419, 17.3.2025, Los 233, Zuschlag: 3.200 Euro).

Abb. 22: Abdera, Stater 352 v. Chr., Abdera, nach links springender Greif // Apollon mit Patera, Lorbeerbaum und Hirsch (Künker-Auktion 416, 29.10.2024, Los 1109, Zuschlag: 22.000 Euro).

13 D.S. Lenger, A proposito del Grifone sulle monete d’Asia Minore, in: O. Tekin – A. Erol (Hrsg.), Ancient History, Numismatics and Epigraphy in the Mediterranean World. Studies in memor of C.E. Bosch – S. Atlan and in honour of N. Baydur, İstanbul 2009, 215-222.

Greif oder auch nur sein Kopf das Hauptmotiv der Münzen von Teos war. Auf einem Stater des 5. Jhdts v. Chr, hat ein nach rechts gewandter sitzender Greif mit aufgestellten langen Ohren seinen Schnabel weit aufgerissen, als wolle er gleich zuhacken. Drohend hat er seine linke Löwentatze erhoben. Vor ihm ist ein Rad zu sehen, das Übeltäter überrollen wird (Abb. 20). Auf einer anderen Münze zeigt der tëische Greif dieselbe drohende Geste; desmal aber ist vor ihm ein anderer Gegenstand abgebildet. Möglicherwise handelt es sich um ein Zählbrett: Der Greif droht mit einer Abrechnung böser Taten (Abb. 21).

Abdera, die in Thrakien gelegene Kolonie von Teos, übernahm die Kulte der Mutterstadt, insbesondere den Apollon-Kult und damit auch den Greif als Münzbild. Die von Griechen der jonischen Stadt Klazomenai gegründete Kolonie Abdera, die ständig den Angriffen der Thraker ausgesetzt war, wurde im Jahre 543 v. Chr. von Bürgern der Stadt Teos übernommen. Sie hatten sich zur Auswanderung aus ihrer Heimatstadt entschlossen, da sie nicht unter der Herrschaft der Perser leben wollten, die ganz Kleinasien und auch ihre Heimatstadt erobert hatten.

Der Greif war ein so bekanntes Bild der Münzen von Teos und Abdera, dass beide Städte es sich leisten konnten, auf eine Legende zu verzichten, die die prägende Stadt namentlich nannte. Im Unterschied zu Teos zeigen die abderitischen Münzen den Greif immer nach links gewandt, so dass die Münzen von Mutterund Tochterstadt leicht zu unterscheiden sind.

Ein extrem schöner abderitischer Stater, der bei seiner Versteigerung im Rahmen unserer Auktion 416 22.000 Euro erbrachte (Abb. 22), zeigt auf der Vorderseite einen nach links springenden Greif, auf der Rückseite aber

Abb. 23: Didyma, Pilasterkapitell vom Apollon-Tempel mit Greifen, JN Mai 2017.

Apollon der einen Lorbeerbaum umfasst. hinter ihm steht ein Hirsch. Apollon hält eine Opferschale in seiner vorgestreckten Rechten. Wie andere Götter fordert er damit die Menschen auf, die Opfer zu seinen Ehren, die er wie Jesus beim Letzten Abendmahl selbst eingesetzt hat, nicht zu vernachlässigen.

Die Bewohner von Abdera, die Abderiten, machten allerdings Teos und dem Schutzgott Apollon keine Ehre. Sie wurden zu den Schildbürgern der Antike, die für allerlei Dummheiten und Peinlichkeiten bekannt wurden. Der bedeutendste Dichter der deutschen Aufklärung, Christoph Martin Wieland (1733-1813), ein Freund Goethes und Erzieher der Söhne von Herzogin Anna Amalia in Weimar, hat der Greifenstadt der Abderiten in seinem Roman ,Die Geschichte der Abderiten‘ ein grandioses Denkmal gesetzt, mit dem er die Dummheit und Spießbürgerlichkeit seiner Zeit kritisierte und lächerlich machte. Die Lektüre dieses Buches ist auch heute noch zu empfehlen.

Greifenbilder schmückten auch in Didyma den Tempel des Apollon, der einer der größten Tempel Kleinasiens und eines der bedeutendsten ApollonOrakel war (Abb. 23).

Nicht nur Apollon, sondern auch die kriegerischste Göttin der Griechen, Athena, nutzte die Kräfte des Greifs. Auf einer Münze der süditalischen Stadt Elea, die auch Hyele und Velia hieß und wegen ihrer Philosophenschule berühmt war, ist auf einer Didrachme, die zwischen 400 und 340 v. Chr. geprägt wurde, der Kopf der städtischen Schutzgottheit Athena

DER GREIF – VOM LANGEN LEBEN EINES FABELTIERS

1,5:1

Abb. 24: Velia, Didrachme 400-340 v. Chr., Athenakopf mit Greif als Helmzier // Löwe, darüber Eule (Künker-Auktion 402, 14.3.2024, Los 559, Zuschlag: 800 Euro)

1,5:1

Abb. 25: Assos, Æ zwischen 400-241 v. Chr. geprägt, Athenakopf // Greif nach links (Numismatik Naumann 127, 2.4.2023, Los 240).

abgebildet (Abb. 24). Athena trägt einen attischen Helm, auf dessen Helmglocke ein Greif zu sehen ist. Eine Bronzemünze der kleinasiatischen Stadt Assos zeigt auf der Vorderseite den Kopf der Athena; in diesem Fall zieht sich ein Ölbaumkranz um ihren Helm. Auf der Rückseite ist ein Greif als Emblem von Assos zu sehen (Abb. 25).14 Bereits Phidias (ca. 500-430 v. Chr.) stattete das Kultbild der Athena im Parthenon-Tempel auf der Athener Akropolis mit einem Greifenhelm aus. Auf ihn kommt ausführlich Pausanias (I 24) zu sprechen: „Das Kultbild selbst ist aus Gold und Elfenbein gemacht. Mitten auf dem Helm sitzt die Figur einer Sphinx; … beiderseits an dem Helm aber sind Greifen angebracht. Von diesen Greifen erzählt der Prokonnesier Aristeas in seinen Werken, dass sie mit den über den Issedonen wohnenden Arimaspen um das Gold kämpften. Das Gold aber, das die Greifen bewachen, kommt aus der Erde. … Die Greifen sind löwengleiche Tiere, haben Flügel und Adlerschnäbel.“

Nemesis, die Göttin der Vergeltung, die jedem das zuteilt, was er verdient. und die auf diese Weise Verbrechen gerecht bestraft, hat einen Greif, ein Rad

und eine Elle – d.h. einen Maßstab – als Begleiter bzw. Attribute. Mit der Elle konnte Nemesis die Schwere von menschlichen Verfehlungen abmessen, ehe dann der Greif den Übeltäter packte oder das Rad ihn überrollte. Eine Marmorstatue aus Perge (Abb. 26), die heute im Museum von Antalya ausgestellt ist, zeigt die Göttin und an ihrer Seite einen Greif. In Smyrna, wo zwei Nemeseis die göttlichen Stadtschützerinnen waren, wurde bronzenes Kleingeld geprägt, das auf der Vorderseite die Amazone Smyrna mit einer geschulterten Doppelaxt zeigt, die auch Amazonenaxt genannt wird. Auf der Rückseite der Münze ist ein Greif mit weit aufgerissenem Schnabel, der seine linke Vorderpfote auf ein Rad legt, abgebildet (Abb. 27). Der Greif steht dafür, dass in Smyrna göttliches und bürgerliches Recht durchgesetzt werden sollten.

Kaiser und Greife

Um die Zeitenwende, als Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.) das Römische Kaiserreich begründete, war der Greif in der antiken Welt ein wohlbekanntes Tier, das zwar noch niemand gesehen hatte, von dem aber jeder wusste, wie es aussah und was es tat. Auf der berühmten Augustusstatue von Primaporta, die sich heute in den Vatikanischen Museen befindet, trägt Augustus einen Panzer, auf dem Apollon mit einer Kithara auf einem Greif sitzt; auf der entgegengesetzten Seite reitet seine Schwester Diana ihm auf einem Hirsch entgegen (Abb. 28). Während auf dem Panzer des Augustus der greifreitende Apollon Schutzgott des Kaisers und Patron seines Kulturprogramms ist, sind bei den Nachfolgern des Augustus die auf dem Panzer vorkommenden Greifen eher als Schützer von Leib und Leben des Herrschers zu verstehen wie etwa die beiden Greife auf einer aus Perge stammenden Marmorstatue des Hadrian im Museum von Antalya (Abb. 29). Wie im Falle der Nemesis sollen sie wahrscheinlich auch darauf hinweisen, dass der Kaiser in der Lage ist, Unrecht und Böses zu bestrafen.15

Die Greife überleben den Untergang der Antike

Das Mailänder Edikt (313), das dem Christentum Anerkennung und Duldung im Römischen Reich verschaffte, sowie die Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina (622) markieren den Übergang der antiken Welt und ihrer Traditionen in ein neues Zeitalter. Zwei neue Weltreligionen entfalten sich, die fortan die Geschicke des Mittelmeerraumes, Mitteleuropas und des Vorderen Orients bestimmten.

Abb. 26: Nemesis mit Greif aus Perge, Museum Antalya, JN Juni 2017.

Die Greife überlebten diesen Umbruch. Im islamischen Orient wurden die antiken Traditionen über Greifen aufgegriffen, besonders jene über Alexander den Großen, der der Überlieferung des Alexanderromans

1,5:1

Abb. 27: Bronzemünze von Smyrna, Die Amazone Smyrna als Stadtgöttin // Greif (Numismatik Naumann 36, 4.10.2015, Los 413).

Abb. 28: Apollon auf einem Greif auf dem Panzer des Augustus von Primaporta, JN 2005.

zufolge, mithilfe von Greifen in den Himmel aufgefahren sein soll. Die Erzählfreudigkeit des Orients schmückte derartige Geschichten weiter aus. Dabei wurde der Greif zunehmend zu einem bedrohlichen Vogel, der Reisende, vor allem Seefahrer angriff, die sich auf unbekannte Meere vorgewagt hatten. Der Greif gehörte fortan zum schaurigen Repertoire von Gruselgeschichten, wie wir sie aus den ,Märchen von eintausend und einer Nacht‘ kennen.

Zeugnis für diese islamischen Greifentraditionen und ihre Umdeutung im mittelalterlichen Europa ist ein Greif, den die Pisaner um 1100 im maurischen Nordafrika oder Spanien erbeuteten und den sie auf dem Dach ihres Domes aufstellten, wo er fortan den christlichen Dom schützen, ja sogar Christus als Überwinder des Bösen symbolisieren sollte (Abb. 30). Isidor von Sevilla (um 560-636), einer der meistgelesenen Schriftsteller des Mittelalters, hatte den Greif als Herr über Himmel und Erde und damit als Christus gedeutet.

Abb. 29: Panzerstatue Kaiser Hadrians aus Perge, Museum Antalya, JN Juni 2017.

14 Vgl. dazu J.O. Peuckert, Der Greif als Parasemon von Assos, OZeAN 6, 2024, 87-111.

15 Vgl. S. Wood, Hadrian, Hercules and griffins: a group of cuirassed statues from Latium and Pamphylia, Journal of Roman Archaeology 29, 2016, 223-238.

16 Ch. Tuczay, Motifs in ,The Arabian Nights‘ and in Ancient and Medieval European Literature: A Comparison, Folklore 116, 2005, 272-291; Ch. Tuczay, Drache und Greif. Symbole der Ambivalenz, Mediaevistik 19, 2006, 169–211.

Durch die Kreuzzüge kamen die Europäer mit den islamischen Greifentraditionen in näheren Kontakt.16 Mittelalterliche Dichtungen, die von Reisen in das Heilige Land erzählen, bedienten sich islamischer Greifenerzählungen. Die bekannteste ist der um 1180 entstandene bayerische Versroman ,Herzog Ernst‘, in dem die Wunder des Orients und unter ihnen auch Greife breiten Raum einnehmen. Für Greifengeschichten standen Europa fortan nicht mehr allein Isidor und Plinius’ ,Naturgeschichte‘ zur Verfügung. In jener hatte Plinius in enger Anlehnung an Herodot über den Greif geschrieben. Die Renaissance erschloss schließlich eine Vielzahl von in Vergessenheit geratenen antiken Schriften, die von Greifen erzählen, und machte sie im Buchdruck wieder zugänglich. Um 1500 schuf sie damit die Grundlage dafür, dass Greifenüberlieferungen und Greifenphantasien in den sich nunmehr herausbildenden komplexen Wappen der Herrscher Eingang fanden. So konnten sich die Herzöge Pommerns als Greifenherzöge stilisieren, und so konnte der Greif zu Mannheims Haustier werden.

Abb. 30: Der erbeutete Greif, der einst auf dem Dom von Pisa stand, nun aber im DomMuseum ausgestellt ist.

DER GREIF – VOM LANGEN LEBEN EINES FABELTIERS

Maximilian Karl von Löwenstein –

Ein Graf stellt sich vor

Medaillen auf den Aufstieg des Hauses

Löwenstein-Wertheim-Rochefort 1711 mit einem Ausblick

auf die ‚Sendlinger Mordweihnacht‘

S.D. Alois Konstantin Fürst zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg gewidmet

Von Hertha Schwarz

Abb. 1: Silbermedaille Philipp Heinrich Müllers auf den Reichsgrafen Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, 1709/1710 (Künker-Auktion 244, 6.2.2014, Los 184, Schätzung: 5.000 Euro; Zuschlag: 5.500 Euro).

Abb. 2: Goldmedaille Philipp Heinrich Müllers auf den Reichsgrafen Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, 1709/1710, ausgestellt im Grafschaftsmuseum Wertheim. Nach Beck/Morschek 22.22.

Am 6. Februar 2014 wurde im Rahmen unserer Auktion 244 in Berlin eine äußerst seltene Silbermedaille Maximilian Karls von Löwenstein1 (1656–1718) versteigert (Abb. 1); weitere Exemplare dieser Medaille kann ich in den mir zugänglichen Katalogen des Münzhandels nicht finden. Das allein deutet schon darauf hin, dass die Medaille nicht in großer Stückzahl geprägt wurde und sich nur an einen exklusiven Kreis richtete. Dafür sprechen auch ihre Größe und ihr Gewicht: Die Silberprägung hat einen Durchmesser von 57,07 mm und ein Gewicht von 80,91 g; Goldprägungen mit dem gleichen Durchmesser und einem Gewicht von ca. 80 g –das sind nahezu drei Unzen – sind bislang nur im Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien und im Grafschaftsmuseum Wertheim nachweisbar (Abb. 2).

Der Löwe mit den offenen Augen

Das im Profil gegebene Porträt Maximilian Karls auf dem Avers der Medaille kann man ohne Übertreibung ein Meisterwerk nennen: Die fein ausgearbeiteten Züge zeigen einen Mann in mittleren Jahren mit hoher Allongeperücke (Abb. 3). Er ist mit einem reich verzierten Kürass gewappnet, aus dessen Halsausschnitt ein feines Spitzentuch hervorschaut; den Hals verhüllt ein leichter Schal. Die Signatur des Stempelschneiders – P. H. MIILLER –schmiegt sich unauffällig unter den Arm der Büste. Die ästhetisch sehr ansprechend angeordnete

Abb. 3: Philipp Heinrich Müller, Silbermedaille auf Maximilian Karl von Löwenstein (Abb. 1), Vorderseite.

Abb. 4: Philipp Heinrich Müller, Silbermedaille auf Maximilian Karl von Löwenstein (Abb. 1), Rückseite. 1,7:1

Legende gibt die wichtigsten Informationen über den Dargestellten: MAX(imilianus) • CAR(olus) • COM(es) • in LOW(enstein) • WERT(heim) • ROS(chefort) • ET MON(taigu) • PR(inceps) • DE CHAS•BIER • S(acrae) • C(aesareae) • M(aiestatis) • CON(siliarius) • INT(imus) • ADMIN(istrator) • BAV(ariae) Maximilian Carl, Graf in Löwenstein Wertheim Rochefort und Montaigu, Oberherr in Chassepierre, der heiligen kaiserlichen Majestät Geheimer Rat, Administrator Bayerns.

Das Medaillenrund der Rückseite wird von einem großen Rundbau mit imposanter Kuppel und einer kugelbekrönten Laterne beherrscht (Abb. 4). Dessen Unterbau präsentiert sich dem Betrachter als zwei Treppenstufen, während Pilaster mit ionischen Kapitellen die Wand in gleichmäßige Abschnitte gliedern. Die hohen, zwischen den Pilastern eingepassten Bogenfenster verleihen dem Bau eine schwebende Leichtigkeit. Ein Sims mit aufgesetzter Balustrade schließt ihn oben ab und bildet den Übergang zur Kuppel. Optisch evoziert der Rundbau trotz der abweichenden Merkmale – Pilaster statt Säulen, Wände statt eines offenen Raumes – den Eindruck eines Monopteros, eines griechischen Rundtempels, mithin also einer heiligen Stätte. Den Zugang bildet, die Bildmitte dominierend, ein offener Bogen, der einen Blick in das Innere gewährt. Über diesem Portal prangt ein großer, bekrönter Schild, dessen Feld von einem doppelköpfigen nimbierten

Abb. 5: Josef I. (1705–1711), Reichstaler 1705, München (Künker-Auktion 394, 28.9.2023, Los 4829: Schätzung: 750 Euro; Zuschlag: 1.900 Euro).

Adler eingenommen wird, wie man ihn als kaiserliches Wappen von den Reichsprägungen kennt (Abb. 5). In seinem rechten Fang hält er ein Schwert, im linken aber statt des üblichen Szepters einen Palmzweig als Sinnbild des Friedens.

1 Eine ausführliche Biografie Maximilian Karls von Löwenstein ist bislang nicht vorhanden; für weitere biographische Daten sei daher verwiesen auf: Karl-Heinz Zuber, Neue Deutsche Biographie, Bd. 15, S. 98 f. s.v. Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Maximilian Karl Fürst zu.

In der unteren Bildhälfte des Medaillenrunds, den Vordergrund des Bildes einnehmend und damit eine Tiefenwirkung schaffend, liegt ein majestätischer Löwe. Über die Schulter hinweg blickt er aufmerksam nach links, als beobachte er, was außerhalb des Bildrundes vorgeht. Diese Kopfdrehung wie auch der ganze Gesichtsausdruck verleihen dem Löwen eine unglaubliche Dynamik und Spannkraft: Zwar liegt er recht gelassen im Gras, jeden Augenblick aber kann er aufspringen und zum Angriff übergehen. Die Botschaft dieses Bildes ist mehr als deutlich: Wer das Heiligtum betreten will, kann dies nur tun, wenn der Löwe ihm das erlaubt; kein Weg führt an ihm vorbei. Wenig überraschend bestätigt denn auch die Devise im Abschnitt Auftrag und Selbstverständnis des Löwen: VIGILANTIA CVSTOS. Wörtlich übersetzt bedeutet dies Schützer durch Wachsamkeit, womit die Botschaft des Bildes bestärkt wird, dass der Löwe durch die ihm eigene Wachsamkeit den Rundbau schützt. Wachsamkeit macht den Wächter wäre vielleicht die passendere, die der lateinischen Devise „Vigilantia Custos“ sinngemäß viel nähere deutsche Übersetzung.

Jeder Zeitgenosse Maximilian Karls hat dieses Bild sofort verstanden, war ihm doch bestens bekannt, dass man den Hahn auf das Dach setzt, damit er morgens die Mägde wecke und zum Herrn im Himmel schreie, den Löwen aber als Wächter vor die Türen der Kirchen und Heiligtümer, da er mit offenen Augen schläft und deshalb immer wachsam ist.2 Der Augsburger Medailleur Philipp Heinrich Müller griff für die Gestaltung der Medaille offenbar sogar auf eine gängige Darstellung dieses Sinnbildes zurück, die den Löwen als Wächter vor der Tür einer runden Kirche zeigt (Abb. 6). In Müllers ungleich eleganterer Darstellung symbolisiert das runde Heiligtum – unverkennbar durch das Wappen über der Tür – das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Maximilian Karl von Löwenstein – das Spiel mit dem Namen war hier sicher nicht nur willkommen, sondern gewollt – hingegen ist der majestätische Tempelwächter, der mit der nie erlöschenden Wachsamkeit und den stets offenen Augen des Löwen das Reich vor seinen Feinden schützt.

Diese Prägung auf den Reichsgrafen Maximilian Karl von Löwenstein ist von auffallender Schönheit, ein Merkmal, das sie mit vielen anderen Medaillen ihrer Zeit teilt. Die ihr eigene Symbiose von Eleganz und Unaufdringlichkeit aber macht sie einzigartig. Man ahnt instinktiv, dass es sich hier um viel mehr handelt als nur um ein künstlerisch sehr gelungenes Spiel mit Sinnbildern und Namen. Doch anders als die Zeitgenossen, an die sich diese Prägung richtete, kann der heutige Betrachter die Geschichte hinter dem Medaillenbild nicht einmal mehr erahnen.

Abb. 6: Andrea Alciato, Vigilantia & custodia, Emblem XV aus: Les emblèmes latins-françois du Seigneur André Alciat excellent jurisconsulte. Avec argumens succincts pour entendre le sens de chaque emblème (Paris 1548), fol. 23v.

Die „Hüt und Wach“ lautete im Deutschen: „Das der Han anzeigt mit seim Krehn | Das der Tag komb und thu sich nehn | Und wegt die schlaffenden Mägdt auff | Das sie uber die kunckel lauff | Wirt auff die Kirchthürn gmeinlich gsetzt | Das Ertzin blech, das er man stets | Das Gemüt das er wacker sey | Und zu Gott ubersich auff schrey | Der Löw aber wirt drumb gstelt für | Der Tempel, Kirchen und Thumb thür | Zu einem Hüter dieweil er mit offnen Augen schlafft daher.“ [Henkel/Schöne (s. Anm. 2), Sp. 1215].

2 Arthur Henkel/Albrecht Schöne (Hrsgg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts (Stuttgart/Weimar 1967, ND 1996), Sp. 1215, s.v. Vigilantia et custodia.

3 Christl Hutt, Maximilian Carl Graf zu Löwenstein-WertheimRochefort und der fränkische Kreis 1700–102. Eine Studie zur Reichs- und Kreispolitik in zwei Bänden, Bd. I, S. 225 f.

Abb. 7: Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, Ausschnitt aus dem Bildnis Abb. 17, 1711. Kleinheubach, Privatbesitz. Foto H. Schwarz.

Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort

Maximilian Karl von Löwenstein (Abb. 7), der am 14. Juli 1656 in Rochefort in den Ardennen geborene älteste Sohn des Reichsgrafen Ferdinand Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort und der Landgräfin Anna Maria von Fürstenberg-Heiligenberg ist zeitlebens nie durch kriegerische Aktionen aufgefallen, wie es der Kürass insinuieren mag. Ganz im Gegenteil: Er war ein erstklassiger Diplomat mit makellosem Leumund, der hinter den Kulissen den Gang der Geschichte stärker geprägt hat als mancher seiner Zeitgenossen auf dem Schlachtfeld. Als Kaiser Karl VI. ihn im November 1712 zum Prinzipalkommissar des immerwährenden Reichstags in Regensburg ernannte, begründete er dies mit Löwensteins vornehmer Geburt, seiner Treue und Geschicklichkeit, vor allem aber wegen der ihm in „Reichs- und Weltsachen … beiwohnende(n) stattliche(n) Erfahrenheit und Wissenschaft, sonderlich von denen bei Anfang des fürwährenden Krieges, durch S(eine)r Liebden abgehandelten und geschlossenen Bündnissen, auch darmit annoch verknüpften in- und auswärtigen gemeinsamen Geschäften.“ 3 Auf diese Berufung kann die Medaille aber nicht geprägt sein, da Maximilian Karl am 3. April 1711 in den Fürstenstand erhoben worden war, die Titulatur ihn aber noch als Grafen bezeichnet. Eine Angabe dieser Titulatur aufgreifend liegt es daher nahe, die undatierte Medaille auf die Tätigkeit Maximilians Karls als Administrator Bavariae zu beziehen.

Ein Kurfürst verspielt sein Land

Als der bayerische Kurfürst Maximilian II. Emanuel nach der verlorenen Schlacht von Höchstädt am 13. August 1704 Land und Leute in Stich ließ und überstürzt in die Spanischen Niederlande floh, setzte Kaiser Josef I. den erfahren Diplomaten Maximilian Karl von Löwenstein wegen dessen „fürtrefflicher Qualitäten, hoher Vernunft und sonderbaren Erfahrenheit“ 4 zum Statthalter des Herzogtums Oberpfalz, der Grafschaft Cham und zum Administrator in Bayern ein. Es war die undankbarste Aufgabe, die man sich damals nur vorstellen konnte. Max Emanuel hatte Bayern durch seine aggressive, gegen Kaiser und Reich gerichtete Politik in größte wirtschaftliche Not geführt und bei seinen Nachbarn verhasst gemacht; es sei hier nur an die Eroberung der Freien Reichsstädte Ulm und Augsburg oder an den barbarischen Einfall in Tirol erinnert. Entgegen der heute weit verbreiteten, aber falschen Ansicht, Bayern sei 1704 unter österreichische, gar unter Habsburgische Hausmacht geraten, wurde damals keine österreichische Verwaltung eingerichtet, sondern eine kaiserliche; rechtlich konnte es auch nur eine kaiserliche Verwaltung sein, da Bayern kein erobertes Land war, sondern ein Teilstaat des Reiches.

Abb. 8: Votivbild in der Pfarrkirche St. Laurentius in Rottach-Egern mit einer synoptischen Darstellung der Ereignisse beim Versuch der Eroberung Münchens an Weihnachten 1705. Foto H. Schwarz.

Die kaiserliche Verwaltung tastete die bayerischen Verhältnisse auch gar nicht an, sondern arbeitete mit den vorhandenen Beamten weiter, nachdem diese den Treueeid auf den Kaiser geleistet hatten. Allerdings wurde Bayern auch wie jedes andere Reichsgebiet behandelt, d.h. ihm wurden die gleichen Kontributionen abverlangt, es musste Soldaten für die kaiserliche Armee stellen und für die Einquartierung verschiedener im Land stationierter Regimenter aufkommen. Diese Forderungen brachten die dadurch ausgelaugten bayerischen Untertanen in existentielle Bedrängnis; die von einer zügellosen Soldateska verübten Exzesse taten das Ihrige und gaben so dem subjektiven Empfinden breiten Raum, man sei zur Beute der Österreicher geworden und müsse für die Sünden des Landesherrn büßen. Es war nicht die Liebe zum Kurfürsten oder zum Vaterland, es war die blanke Not des Einzelnen, an der sich 1705 der Aufstand entzündete und der heute, die komplexen Vorgänge arg verkürzend, als ‚Sendlinger Mordweihnacht‘ im Gedächtnis der Bayern lebendig geblieben ist.5

Die Sendlinger Mordweihnacht

Der von bayerischen Beamten und Bürgern angezettelte Aufstand im bayerischen Oberland, zu dem sie die Bauern mit noch schlimmeren Methoden pressten als die kaiserlichen Kommissionen sie bei der Rekrutenaushebung anzuwenden pflegten, gipfelte am Weihnachtstag des Jahres 1705 vor den Toren Münchens bei dem Dorf Sendling in einem Massaker: Gut ausgebildete und schwer bewaffnete kaiserliche Reiterei und Infanterie schlachteten wehrlose, teilweise unbewaffnete Bauern aus dem Oberland ab, die sich längst ergeben und zum Gebet niedergekniet hatten. Ein Votivbild, das Überlebende nach St. Laurentius zu Egern gestiftet haben, fängt die Geschehnisse vom 25. Dezember 1705 ebenso anschaulich wie eindringlich ein (Abb. 8). Bis heute ist ungeklärt, ob dieses Abschlachten angeordnet worden war – von wem auch immer –, oder ob es sich, wofür manches spricht, um einen damals nicht unüblichen Gewaltexzess undisziplinierter Soldaten gehandelt hat.

Ein Fürsprecher der Bayern

Maximilian Karl von Löwenstein, der zivile Administrator Bavariae, hatte die Gefahr erkannt, die aus der sich zusammenbrauenden Krisensituation erwuchs, und eindringlich vor einer Überforderung der bayerischen Untertanen gewarnt und um Milderung gebeten. Am 10. November 1705 hatte er den Hofkriegsrat wissen lassen, dass „es in kurzem um dieses Land getan sein“ würde, „wenn man die bisherigen Excesse nicht abstellen u. den zaumlosen Soldaten zum gebührenden Gehorsam bringen will.“ 6 Hofkriegsrat in Wien war damals kein Geringerer als Prinz Eugen von SavoyenCarignan. Rücksichtslos und ohne jedes Gespür für die große Not beharrte er auf den festgeschriebenen Forderungen, um seine Kriegsführung in Italien nicht zu gefährden. Es geht wohl nicht zu weit, wenn man ihn als einen der Hauptverantwortlichen für den bayerischen Aufstand bezeichnet. Von den eigenen Beamten verraten, vom Hofkriegsrat gnadenlos bedrängt, fanden die bayerischen Untertanen ihren Fürsprecher, so paradox dies klingen man, in dem kaiserlichen Administrator. Maximilian Karl von Löwenstein setzte sich unermüdlich und letztlich mit Erfolg dafür ein, Land und Leuten das schwere Los zu erleichtern. In Wien geriet er wegen dieses Einsatzes sogar in die Kritik, zu saumselig gegenüber den Bayern zu sein, doch indem es ihm gelang, die Verhältnisse in Bayern zu stabilisieren und für eine gewisse Erholung zu sorgen, leistete er für die kaiserlichen Finanzen einen viel höheren Beitrag, als wenn er mit Gewalt alles aus dem Land herausgepresst hätte. Als Max Emanuel 1715 infolge der Friedensschlüsse von Rastatt und Baden wieder in seine Würden eingesetzt wurde und

aus dem französischen Exil zurück nach Bayern kam, waren sogar dessen Minister voll des Lobes für den Administrator Bavariae ob dessen „kluger, gerechten und schonenden Verwaltung“ und rühmten diese noch, als Maximilian Karl schon längst verstorben war.7

Schützer des Reichs

Maximilian Karl hat durch seine umsichtige Verwaltung Bayerns dem Kaiser nicht nur eine wichtige Ressource während des Spanischen Erbfolgekrieges gesichert, er hatte schon vor dem Ausbruch dieses Krieges durch seine Tätigkeit als kaiserlicher Gesandter beim Oberrheinischen und Fränkischen Kreis dafür gesorgt, dass diese wichtigen Reichskreise sich nicht neutral erklärten, oder schlimmer noch, die französische Partei ergriffen, sondern auf kaiserliche Seite traten.8 Dies war für den inneren Zusammenhalt des Reichs von entscheidender Bedeutung, denn bei dem Spanischen Erbfolgekrieg handelte es sich nicht um einen Reichskrieg, der die Kreise zur Unterstützung des Kaisers verpflichtet hätte, sondern um einen dynastischen Krieg zwischen Habsburgern und Bourbonen, der die Reichskreise zu nichts verpflichtete. Wäre das Werben des bayerischen Kurfürsten und seiner französischen Verbündeten bei den Reichkreisen erfolgreich gewesen, hätte sich nicht nur Ludwig XIV. ein Einfallstor ins Reich geboten, es hätte das Reich an den Rand des Zerfalls bringen können.9 Der Graf von Löwenstein, dessen Integrität bei den Verhandlungen sicher keine unbedeutende Rolle spielte, wehrte diese

4 Ebd., S. 212.

5 Zum bayerischen Aufstand 1705/1706 siehe: August Kühn, Der Bayerische Aufstand 1705. Die Sendlinger Mordweihnacht (München 1995); Sigmund von Riezler/Karl von Wallmenich (Hrsgg.), Akten zur Geschichte des bayerischen Bauernaufstands 1705/1706, in: Abhandlung königlich bayerischer Akademischer Wissenschaften, Philosophischphilologische Klasse, Bd. 26 (München 1912–1915).

6 Christian Strasser, Der Aufstand im bayerischen Oberland 1705 –Majestätsverbrechen oder Heldentat? (Münster 2005), S. 23.

7 Hutt (s. Anm. 3), S. 221.

8 Hutt (s. Anm. 3), S. 242; zur kaiserlichen Administration siehe: Alfred Fricek, Die Administration in Bayern von 1704–1714 (Wien 1954).

9 Zu Max Emanuel siehe: Ludwig Hüttl, Die Politik des Bayerischen Kurfürsten Max Emanuel im Lichte der französischen und österreichischen Quellen, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 39, 1976, S. 693–775.

Abb. 9: Kupferdruck von Johann Balthasar Wening auf die Erhebung des Reichsgrafen Maximilian Karl von Löwenstein in den Fürstenstand, 1711, British Museum, https://www.britishmuseum.org/collection/image/795559001 (CC BY-NC-SA 4.0) –

Vgl. Avers der Silbermedaille Philipp Heinrich Müllers auf Maximilian Karl von, 1709/10 (s. Abb. 1).

Gefahr durch seine Wachsamkeit und sein Geschick ab. Mit Fug und Recht konnte man ihn als Beschützer des Reichs porträtieren, als einen, der wie ein Löwe über den Lauf der Dinge wachte und ordnend eingriff. Müllers Medaillenbild lässt sich damit bestens erklären; seine Datierung und der eigentliche Zweck der Prägung bleiben aber noch weiter im Dunkel.

Erhebung in den Fürstenstand

Den entscheidenden Hinweis für die Einordnung der Medaille liefert ein von Johann Balthasar Wening nach einer Vorlage von Johann Degler geschaffener Kupferdruck aus dem Jahre 1711 (Abb. 9). In dessen

Mittelpunkt steht ein Medaillon mit dem Porträt Maximilian Karls auf einem hohen Postament. Rechts neben dem Postament sitzt Iustitia mit Schwert und Waage; Sympathie für Maximilian Karl kündend legt sie ihre Rechte auf dessen Medaillon. Links des Postaments steht Sapientia, die Weisheit und Besonnenheit, mit Buch und Sonnenzepter in der Linken; mit der Rechten bekränzt sie das Bild des Grafen mit einem Lorbeerkranz. Über der Szenerie, direkt über dem Porträt Maximilian Karls, blickt das Auge Gottes wohlgefällig auf die Zeremonie herab. Außer der Datierung und den Künstlersignaturen enthält das Blatt weder Namen noch andere schriftliche Botschaften, aber auch ohne diese ist völlig klar, dass sich dieses allegorische Bild auf die Rangerhöhung des Grafen von Löwenstein bezieht. Am 3. April 1711, kurz vor seinem frühen Tod, hatte Kaiser Josef I. (1678–1711) Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort mit der Anrede „Hochgeboren, Lieber Oheim“ 10 in den Reichsfürstenstand erhoben. Auf dem Postament, welches das Bildnis des Fürsten von Löwenstein trägt, prangt unübersehbar und unverkennbar das Medaillenbild mit dem Löwen vor dem Heiligtum, einschließlich der Devise VIGILANTIA CUSTOS. Damit wird angezeigt, was die Grundlage für Maximilian Karls Erhebung in den Fürstenstand bildete, nämlich seine in verschiedenen Quellen expressis verbis bezeugte Treue, sein Verstand, sein Geschick und seine Umsicht. Dies wiederum berechtigt zu der Schlussfolgerung, dass auch Philipp Heinrich Müllers Medaille einen unmittelbaren Bezug zur Rangerhöhung Maximilian Karls haben muss.

Ein Graf stellt sich vor

10 Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv (AT-OeStA/AVA) Adel RAA 254.14.

Erhebungen in den Fürstenstand waren nicht nur an strenge Voraussetzungen gebunden, es war auch sehr schwer, sie zu erlangen. Der großen Anzahl an einer Rangerhöhung Interessierter stand der Unwille der bereits im Reichsfürstenrat vertretenen Fürsten gegenüber, die an einer Erhöhung der Stimmenzahl durch die Aufnahme neuer Mitglieder kein Interesse haben konnten. Zwar lag das Recht, einen Grafen zum Fürsten zu erheben, ausschließlich beim Kaiser, er konnte es aber nicht ohne Rücksicht auf die Reichsfürsten tun. Wer also eine Erhebung in den

https://www.britishmuseum.org/collection/image/795561001 (CC BY-NC-SA 4.0).

Abb. 10: Maximilian Karl von Löwenstein – Devisen und Embleme. Kupferdruck von Franz Joseph [Xaver] Spätt nach der Vorlage von Johann Andreas Wolff, 1710, British Museum,

Fürstenstand anstrebte, musste sich deren Gunst versichern, er musste auf sich aufmerksam machen und an seine dem Reich geleisteten Dienste erinnern. Maximilian Karl von Löwenstein hatte sein Gesuch auf Erhebung im Jahre 1709 dem Kaiser vorgelegt. Die Medaille, die an Maximilian Karls Verdienste um Kaiser und Reich erinnert, ist demnach keine Prägung auf seine Zeit als Administrator in Bayern, sondern ein dezenter Hinweis auf sein Gesuch um Standeserhöhung; sie kann daher frühestens 1709 entstanden sein.

Im Jahre 1710 schuf der Münchner Kupferstecher

Franz Xaver Joseph Spätt nach einer Zeichnung des bayerischen Hofmalers Johann Andreas Wolff ein Blatt mit dem Porträt Maximilian Karls von Löwenstein, umgeben von verschiedenen Emblemen und Devisen (Abb. 10). Das in einen doppelten ovalen Rahmen eingefügte Porträt zeigt den Grafen in leichter Dreiviertelansicht, den Blick direkt auf den Betrachter gerichtet. Das Porträt ist von großer künstlerischer Qualität und es zeigt jenseits der Äußerlichkeiten wie Perücke und Kürass eine auffallende Ähnlichkeit mit dem Profilbild der Medaille. Könnte man das Gesicht des Kupferdrucks ins Profil drehen, erhielte man als Ergebnis das Bild der Medaille. Bereits ein flüchtiger Blick auf diesen Kupferdruck zeigt, dass wir hier eine Charakterisierung des Grafen von Löwenstein vor uns haben, die seine Qualitäten in Krieg und Frieden beschreibt. Darauf weisen die Aufschriften auf den Bändern hin, die um die Palmwedel gewunden sind, die die Porträtmedaille einrahmen: BELLO im Krieg links, und PACE im Frieden rechts. Zwei Embleme greifen das Symbol des Löwen unmittelbar auf: Die Medaille zeigt auf der Kriegsseite einen aufrechtstehenden,

wachsamen Löwen (Abb. 11). Vor ihm kauert ohne jede Scheu ein Hase, hinter ihm steht frei von jeder Furcht ein Schaf, während im Hintergrund ein Rehbock sorglos um sich blickt. Dies ist die Umsetzung eines alten Sinnbildes aus den „Emblemas morales“: „Der tapfere und edle Löwe wacht Tag und Nacht, ohne je die Augen zu schließen, ein lebendiges Symbol und Abbild dessen, der in allerhöchster Herrschaft regiert. Der Hase, der ein ängstliches Tierchen ist, wacht indessen aus reiner Feigheit. Hase und Lamm können schlafen, wenn der Löwe wacht, um sie zu schützen.“ 11 Die umlaufende Inschrift CLEMENTER TIMERI SATIS EST – Es genügt, wenn man moderat gefürchtet wird, verweist auf die Clementia, die Milde, die der Löwen selbst im Krieg walten lässt.

Der Clementia des Löwen im Krieg steht auf der Friedensseite die Sapientia, die Weisheit, gegenüber. Wie die Inschrift der Medaille besagt, gesellt sich zu ihr noch der Glanz: SAPIENTER SPLENDORE REGIT Weise regiert er mit Glanz. Als Sinnbild dieses Glanzes ziert der springende, von zahlreichen Sternen umstrahlte Löwe des Tierkreises das Medaillenrund (Abb. 12). Regulus, ‚der kleine Fürst‘, der hellste und größte Stern des Sternbildes, den man mit bloßem Auge erkennen kann, prangt auf dem Medaillenbild unübersehbar auf dem Herzen des Löwen. Sein Licht aber bezieht der Stern von der Sonne, dem einzigartigen Planeten, der allem Glanz verleiht, was ihn umgibt. So wählte sich Ludwig XIV. die Sonne zum Leitbild, weil sie „nach den Regeln der Wappenkunst, den höchsten Adel aufweist.“12 Wie die rechte Fahne über dem Porträt Maximilian Karls zeigt, steigt man zur Sonne bzw. zum höchsten Adel jedoch nur mit der richtigen Gesinnung auf. Der Löwe auf Spätts Kupferdruck hat dies geschafft:

Abb. 11: Maximilian Karl von Löwenstein – Devisen und Embleme (Abb. 10), Ausschnitt CLEMENTER TIMERI SATIS EST.
Abb. 12: Maximilian Karl von Löwenstein – Devisen und Embleme (Abb. 10), Ausschnitt SAPIENTER SPLENDORE REGIT.

Auf dem Medaillenbild umkreist er als Leuchtstern die Sonne. Als Zeichen des Sieges gedeiht in dessen Vordergrund ein Lorbeerstrauch. Zwischen den beiden Medaillen steht Maximilian Karls vollständige Titulatur im Jahre 1710: Illusstrissimus & Excellentissimus Dominus Dominus MAXIMILIANVS CAROLVS S(acri) R(omani) Imp(erii) Comes in Löwenstein, Wertheim, Rochefort & Montaigu, Princeps absolutus in Chasse-Pierre, Dominus in Scharffenegg, Preyberg, Kerpen, Casselbourg, Herbimont, Neufchateau, Sacrae Caes(are)ae M(aiesta)tis Consiliarius Intimus, nec non pro tempore Superiore & Inferioris Bavariae Administrator. Höchst berühmter und vortrefflicher Herr, Herr Maximilian Carl, des Heiligen Römischen Reiches Graf in Löwenstein, Wertheim, Rochefort und Montaigu, Oberherr in Chassepierre, Herr in Scharfeneck, Breuberg, Kerpen, Casselburg, Herbemont, Neufchâteau, der heiligen kaiserlichen Majestät Geheimer Rat, zu dieser Zeit des Oberen und Niederen Bayerns Administrator. Im Gegensatz zu dieser Titulatur, die Maximilian Karl eindeutig als Graf ausweist, bekrönt ein Fürstenhut mit Hermelinbesatz, flankiert von je einer Grafenkrone das Arrangement aus Porträtmedaille und Fahnen. Dieser Fürstenhut in Kombination mit dem Entstehungsjahr des Druckes, 1710, belegt, dass dieses Blatt in direktem Zusammenhang mit Maximilian Karls Gesuch um die Erhebung in den Fürstenstand steht. Es ist ein perfekt durchdachtes Programm, in dem Maximilian Karl in unnachahmlich zurückhaltender Weise darlegt, warum gerade er des Fürstenstandes würdig ist. Philipp Heinrich Müllers Medaille, die durch die Attribute des Reichsadlers – Schwert und Palmwedel – ebenfalls auf Krieg und Frieden hinweist, und diesen Kupferdruck muss man daher als eine Einheit verstehen. Ganz gleich, ob sie zeitgleich oder etwas zueinander versetzt entstanden sind: Es sind die Medien, die Maximilian Karl bei seiner Werbung im Reichsfürstenrat einsetzte. Zu ihnen gehörte auch der Taler, den Maximilian Karl 1711 prägen ließ (Abb. 13).

Dessen Aversbild entspricht bis in die Details des Brustpanzers dem Design der Müllerschen Medaille; man darf hier sicher Philipp Heinrich Müller als Stempelschneider vermuten. Das Bild auf dem Revers zeigt, anders als auf Maximilian Karls Taler von 1697 (Abb. 14), nicht mehr dessen Wappen, sondern ein ‚sprechendes‘ Bild mit einer Devise. Ein aufrechtstehender Löwe legt seine rechte Pfote auf einen Stein; den Kopf kehrt er dem Betrachter zu, als würde

Abb. 13: Reichsgraf Maximilian Karl von Löwenstein, Taler, 1711 (Künker-Auktion 406, 20.3.2024, Los 4253, Schätzung: 5.000 Euro; Zuschlag: 7.000 Euro).

Abb. 14: Reichsgraf Maximilian Karl von Löwenstein, Taler, 1697 (Künker-Auktion 370, 21.6.2022, Los 1561, Schätzung: 6.000 Euro; Zuschlag: 6.750 Euro).

Abb. 15: Fürst Maximilian Karl von Löwenstein, Taler, 1712 (Künker-Auktion 406, 20.3.2024, Los 4254, Schätzung: 2.500 Euro; Zuschlag: 3.400 Euro).

11 Henkel/ Schöne (s. Anm. 2), Sp. 399 f., s.v. Pervigilant ambo.

12 Uwe Schultz, Der Herrscher von Versailles Ludwig XIV und seine Zeit (München 2006), S. 101.

er ihm die im oberen Halbrund angebrachte Devise zur Beruhigung – je nach Standpunkt –, vielleicht auch als Warnung zuraunen wollen: IN CASVS PERVIGIL OMNES Hinsichtlich aller Fälle [bin ich] vollkommen wachsam. Die Titulatur auf der Vorderseite bezeichnet Maximilian Karl noch als Grafen, mithin lag der Zeitpunkt der Prägung vor dem kaiserlichen Dekret vom 3. April, das Maximilian Karl in den Fürstenstand erhob.

Als Fürst hat er ein Jahr später, 1712, einen weiteren Taler prägen lassen (Abb. 15). Das Bild der Vorderseite zeigt die Büste Maximilian Karls mit Fürstenmantel und den ersten Teil der Legende D(ei) • G(ratia) • MAX(imilianus) • CAROL9(us) • S(acri) • R(omani) •

Abb. 16: Silbermedaille Philipp Heinrich Müllers auf den Fürsten Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort, 1716. Leipziger Münzhandlung und Auktion Heidrun Höhn (Auktion 102, Los 2511, Zuschlag: 1.620 Euro).

IMP(erii) • Von Gottes Gnaden Maximilian Karl, des Heiligen Römischen Reichs, die sich auf der Rückseite fortsetzt: PRINC • IN LOWENSTEIN • WERTH(eim)

• 17 12 Fürst in Löwenstein Wertheim, 1712. Der Fürstenmantel und der Fürstenhut als Rangkrone umschließen auf dem Revers das Löwensteinische Wappen.

Der Fürst

Während der letzten Jahre als Administrator in Bayern übte Maximilian Karl von Löwenstein zugleich auch das Amt des Prinzipalkommissars beim Immerwährenden Reichstag in Regensburg aus. Kaiser Karl VI. hatte ihn 1712 in dieses Amt eingesetzt; 1716 ernannte er den Fürsten von Löwenstein dann zum Gubernator von Mailand. Auf diese Ernennung ließ Maximilian Karl 1716 in Regensburg eine Medaille prägen (Abb. 16).13 Wie es seiner unaufgeregten Beständigkeit entsprach, griff er die Devise seiner ganzen Laufbahn auf: VIGILANTIA CVSTOS. Die Rückseite zeigt unverändert das von Philipp Heinrich Müller für die erste Prägung geschaffene Bild des Löwen vor dem Heiligtum. Die Büste auf dem Avers jedoch wurde den aktuellen Gegebenheiten angepasst: Der deutlich gealterte Maximilian Karl trägt um die Schultern den Fürstenmantel, die Aufschrift benennt ihn als D(ei) • G(ratia) • MAX(imilianus) • CAROL(us) • S(acri) • R(omani) • I(mperii) • PRINC(eps) • IN LOWENST • WERTH • Von Gottes Gnaden Maximilan Karl, des Heiligen Römischen Reichs Fürst in Löwenstein Wertheim. Auch dieser Stempel stammt von Philipp Heinrich Müllers Hand; ausgeprägt wurde diese Medaille in Gold und Silber. Sie ist von größter Seltenheit; soweit es mir bekannt ist, wurde bislang lediglich ein sehr abgegriffenes Exemplar im Münzhandel angeboten.

Verstand, Vernunft, Befähigung und Treue: Das sind im Schriftgut der Zeit die Begriffe, die einem im Hinblick auf Maximilian Karl von Löwenstein ständig begegnen. Gemessen an seinen Verdiensten und der hohen Wertschätzung, die er allseits genoss, nimmt sich seine hier vorgestellte ‚Präsentation‘ sehr zurückhaltend aus. Sogar der Hinweis auf seine Wittelsbacher Abstammung –wie jeder wusste, ging das Haus Löwenstein auf den Kurfürsten von der Pfalz, Friedrich den Siegreichen (1425–1476), zurück – ist nur dezent auf Spätts Stich angedeutet. Erst wenn man ganz genau hinsieht, erkennt man, dass die bayerischen Rauten den Hintergrund des Bildes ausfüllen. Was Maximilian Karl von Löwenstein von sich preisgab, deckte sich für jedermann überprüfbar mit der Wirklichkeit. Es handelt sich um eine Selbstdarstellung, der weder Künstliches noch Unwahres anhaftet. Maximilian Karl von Löwenstein bedurfte keiner Selbsterhöhung, er überzeugte durch seine Person, seinen Charakter und sein Einfühlungsvermögen, das tiefe Humanität ausstrahlte.

Verstand, Befähigung und Vernunft, die an Maximilian Karl so gelobt werden, sind allein aber nicht viel wert, wenn sich zu ihnen nicht die Standhaftigkeit gesellt. Einem intelligenten Menschen fällt es leicht zu erkennen, was die Vernunft gebietet, es erfordert aber Willenskraft und Standhaftigkeit, dem Gebot der Vernunft allen Anfechtungen zum Trotz auch Folge zu leisten. Die Standhaftigkeit des Fürsten von Löwenstein ist bereits in jungen Jahren auf eine harte Probe gestellt worden. Als mit Karl II. von der Pfalz 1685 die Simmersche Line der Pfalzgrafen bei Rhein ausstarb, machte ihm Ludwig XIV. ein mehr als verlockendes Angebot: Wenn er, Maximilian Karl, damals 29 Jahre alt, aufgrund seiner Abkunft Anspruch auf die Pfälzer Kurwürde erheben würde, stünde ihm die ganze französische Armee zu Verfügung. Für die Abtretung seiner Ansprüche soll ihm der französische König gar eine Million Gulden geboten haben.14 Überbracht hat ihm das Angebot sein Onkel Wilhelm Egon von Fürstenberg, ein Bruder seiner Mutter, der, obwohl Reichsfürst, sein ganzes Leben in den Dienst der französischen Krone gestellt und großes Leid über das Reich gebracht hatte. Wilhelm Egon von Fürstenberg war ein ausgezeichneter Diplomat; von ihm hat Maximilian Karl von Löwenstein sicher viel gelernt, er hat sich die Ansichten seines Onkels und dessen Politik aber nie zu eigen gemacht. Sein nüchterner Verstand sagte ihm, welch verheerende Folgen es hatte, sich als Reichsgraf für französische Interessen einspannen zu lassen. Er blieb standhaft und lehnte ab.

Abb. 17: Johann Andreas Wolff (?), Reichsfürst Maximilian Karl von Löwenstein-Wertheim-Rochefort in voller Prunkrüstung mit Fürstenmantel, -hut und Feldherrnstab, 1711. Kleinheubach, Privatbesitz. Foto H. Schwarz.

All die hier umrissenen Eigenschaften Maximilian Karls verdichten sich in seinen Gesichtszügen, die uns auf den Medaillen, den Drucken, vor allem aber in dem lebensgroßen, wohl von dem bayerischen Hofmaler Johann Andreas Wolff geschaffenen Bildnis überliefert sind (Abb. 7 und 17): „Eine ansehnliche Majestät des Leibs, freudige und mit sonderbarem Glanz befeuerte Sternenaugen, eine hohe erheiterte Stirn, und durchgehends eine männliche Schönheit des Angesichts, lebhaftes Gedächtnis, scharfe Geschwindigkeit eines weitaussehenden Verstandes, reifes Urteil, angeborene honigfließende Wohlredenheit“, jeder könne daher leicht erfahren, „dass die erste Grundregel seiner fürstlichen Natur … gewesen [sei], an Alter und Weisheit zuzunehmen.“ 15

13 StAWt R-Rep. 58 Nr. 28.

14 Johann David Köhler, Historische Münzbelustigung Fünfter Theil, Nürnberg 1733, 39. Stück, S. 305–312.

15 StAWt R-Lit. B 968: Aus der Trauerrede auf Maximilian Karl von Löwenstein, zitiert nach Hutt (s. Anm. 3), S. 55.

Werner Beck und Jürgen Morschek Münzen und Medaillen der Grafen von Wertheim und des Gesamthauses Löwenstein-Wertheim (1363–1806).

Herausgegeben vom Historischen Verein Wertheim in Verbindung mit dem Staatsarchiv Wertheim (Veröffentlichungen des historischen Vereins Wertheim, Band 11, Wertheim 2025, 564 Seiten.)

Maximilian Karl von Löwenstein hat als Graf von Wertheim auch ‚normale‘ Kursmünzen – Kreuzer, Batzen und Halbtaler – prägen lassen. Einen Überblick über seine gesamte Prägetätigkeit findet sich bei Werner Beck und Jürgen Morschek, Münzen und Medaillen der Grafen von Wertheim und des Gesamthauses LöwensteinWertheim (1363–1806) auf den Seiten 326–344.

Das am Zusammenfluss von Tauber und Main gelegene Wertheim war ein wichtiger Knotenpunkt des Mainhandels. Allein der Umschlag von Waren im Hafen und die darauf erhobenen Zölle und Gebühren verlangten eine stetige Monetarisierung mit einem ausreichenden Volumen von Scheidemünzen. Die Grafen von Wertheim und später die Grafen von LöwensteinWertheim, die sich 1611 in zwei Linien aufteilten, die sog. ältere evangelische Linie Löwenstein-WertheimVirneburg (Freudenberg) und die jüngere katholische Linie Löwenstein-Wertheim-Rochefort (Rosenberg) –entfalteten eine entsprechend rege Prägetätigkeit. Werner Beck und Jürgen Morscheck haben diese in akribischer Arbeit nicht nur im Hinblick auf die numismatisch notwendigen Daten umfassend dokumentiert, es ist ihnen auch gelungen, jede Prägung bildlich zu belegen. Für die numismatische Arbeit ist dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Da auch die Medaillen und Gedenkmünzen ihren angemessenen Platz in dem Werk finden, wird das neue Nachschlagewerk für die Wertheimer Prägungen zu einem visuellen Spaziergang durch die wirtschaftliche, politische und dynastische Geschichte der Stadt und Grafschaft Wertheim.

Manching: „kelten römer museum manching“

Vor dem spektakulären Raub von rund 500 keltischen Goldmünzen im November 2022 kannten nur Eingeweihte das oberbayerische Manching mit seinem Museum. Dort kann man einen großen Teil der Fundstücke bewundern, die bei den Ausgrabungen des keltischen Oppidums zutage gefördert wurden. Es gibt also auch nach dem tragischen Raub des keltischen Goldschatzes noch genug zu sehen im kelten römer museum manching.

Rekonstruktion des keltischen Stadttores mit einem Stück des bei Caesar beschriebenen Murus Gallicus. Foto: KW.

11.800 Festmeter Holz, zwei Tonnen Eisennägel, 6.900 Kubikmeter Kalksteine, nicht zu vergessen die 90.000 Kubikmeter Erde; so viel Baumaterial schätzen moderne Wissenschaftler, haben die Kelten einst gebraucht, um ihre 7,2 Kilometer lange Stadtmauer rund um das Oppidum Manching zu ziehen. Damit steht eines fest: Manching war in keltischer Zeit kein kleines, verschlafenes Dorf, sondern ein boomendes Wirtschaftszentrum, das es sich leisten konnte, seine Bewohner durch starke Mauern zu schützen.

Das Oppidum Manching

Gegründet wurde die Siedlung, deren antiken Namen wir leider nicht kennen, im 3. Jahrhundert v. Chr. Ihre Lage war verkehrstechnisch mehr als günstig: Hier kreuzten sich die Handelswege von Nord nach Süd und

von West nach Ost. Dazu verband ein kleiner Fluss den Hafen von Manching mit der Donau. Beste Voraussetzungen also, um zu einer boomenden Wirtschaftsmetropole heranzuwachsen. Das Oppidum von Manching dürfte das Zentrum des Stammes der Vindeliker gewesen sein, die noch zur Zeit des Augustus das Alpenvorland zwischen Bodensee und Inn besiedelten. Das wissen wir, weil ihr Stammesname auf dem römischen Siegesdenkmal von La Turbie erwähnt ist, das den siegreichen Alpenfeldzug des Jahres 15 v. Chr. feiert.

Mit bis zu 10.000 Bewohnern auf dem 380 Hektar umfassenden Stadtgebiet soll Manching Mitte des 2. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erlebt haben. Man spricht davon, dass Manching das größte keltische Oppidum nördlich der Alpen gewesen sei. Archäologische Funde weisen auf internationalen Handel, sowie ein umfangreiches Glas- und Schmiedegewerbe hin.

Vielleicht fragen Sie sich, warum Caesar in seiner Propagandaschrift De bello Gallico Manching keines Wortes würdigte. Dafür schrieb er zu spät, denn Manching erlebte bereits ab 100 v. Chr. seinen Niedergang. Deshalb wurde die Stadt nie von den Römern erobert.

Das Kastell von Oberstimm

Apropos Römer, die bauten unter Kaiser Claudius in dem rund eine Gehstunde weit entfernten Oberstimm ein Kastell. Es diente als Teil des obergermanischrätischen Limes und beherbergte eine mobile Truppe von rund 500 Reitern und Fußsoldaten. Auch eine kleine

Der geraubte Münzschatz von Manching. Foto: KW.

Tüpfelplatten zur Herstellung der Schrötlinge. Foto: KW.

Flotte muss in Oberstimm ihren Hafen gehabt haben, aber davon später mehr, denn auch die Funde aus Oberstimm haben ihren Weg ins kelten römer museum manching gefunden.

Um 120 n. Chr. büßte Oberstimm jedenfalls seine militärisch-strategische Funktion ein. Das Kastell wurde aufgegeben. Die Zivilsiedlung, die sich neben dem Kastell gebildet hatte, überlebte bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. kelten römer museum manching

Bereits 1831 wurde erstmals auf die Fundstelle Manching hingewiesen. Eine erste Ausgrabung erfolgte 1892/3. Doch erst der bedeutende bayerische Archäologe Paul Reinecke identifizierte den Ringwall von Manching als Überrest eines keltischen Oppidums. Seitdem haben

Werkzeuge zur Münzherstellung:

Ober- und Unterstempel sowie eine Punze zur Stempelherstellung. Foto: KW.

immer wieder Grabungen stattgefunden. Man kann wohl behaupten, dass Manching heute zu den am besten erforschten keltischen Oppida Mitteleuropas gehört. Deshalb war es schon lange ein Desiderat, die in der Archäologischen Staatssammlung München aufbewahrten Funde am Ort ihrer Entdeckung zu präsentieren.

So wurde für Manching ein eigenes Museum gebaut. Es öffnete am 2. Juni 2006 seine Pforten. Solche Zweigstellen der Archäologischen Staatssammlung gehören zum bayerischen Konzept: Man möchte nicht alle Funde in einem einzigen Museum in der Hauptstadt konzentrieren, sondern auch anderen Regionen museale Zentren bieten, in denen man sich mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzen kann. Acht Zweigstellen hat die Archäologische Staatssammlung in ganz Bayern gegründet. Jede einzelne präsentiert reiche Funde am Ort ihrer Entdeckung.

Was es für Münzsammler in Manching nicht mehr zu sehen gibt

Die wohl bedeutendste numismatische Sehenswürdigkeit des Museums werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr sehen. Sie bestand aus einem beeindruckenden Hortfund von keltischen Goldmünzen, der 1999 – und das ist die wirklich große Ausnahme(!) – während der offiziellen Grabungen auf

Hosentasche diese Goldklumpen entdeckt wurden, bei dem Einbruch dabei gewesen sei, behauptet jedenfalls der Verteidiger von Maximilian S.

dem Gelände von Manching gefunden wurde. Das bedeutet, dass wir ausnahmsweise den exakten Befund des Münzschatzes besitzen.

Interessant ist dieser Hort aber auch noch aus einem anderen Grund: Es handelt sich bei den 483 Münzen um Muschelstatere der Boier, also nicht um die hierzulande viel eher zu erwartenden Regenbogenschüsselchen mit dem Vogelkopf. Die Prägung dieser Muschelstatere wird heute nach Böhmen gelegt und der ganze Fund ans Ende des 2. oder ins frühe 1. Jahrhundert datiert. Wie also kamen die 483 böhmischen Goldmünzen nach Manching? Wir werden es nie wissen.

Übrigens enthielt der Hortfund nicht nur die Goldmünzen, sondern auch einen goldenen Gusskuchen im Gewicht von 217 g. Insgesamt beinhaltete der Fund damit 3,724 Kilogramm Gold, also Gold im Wert von –heute am 30. Juli 2025 – rund 300.000 Euro.

Das war genug, um eine Verbrecherbande anzulocken, die den Goldschatz in der Nacht des 22. November 2022 raubte. Auch wenn die erstinstanzlich verurteilten Täter gefasst sind, fehlt bis heute ein Großteil der Münzen. Lediglich 18 Goldklumpen wurden bei der Festnahme in der Hosentasche eines Verdächtigen sichergestellt. Ihre Materialzusammensetzung entspricht genau der von böhmischen Muschelstateren. Doch das sei „noch lange nicht“ der Beweis, dass der Mann, in dessen

Nun, die Polizei geht trotzdem davon aus, dass die 18 Goldklumpen aus jeweils vier keltischen Muschelstateren zusammengeschmolzen wurden. Damit dürfte der Verbleib von etwa 70 Münzen geklärt sein. Der Rest des Schatzfundes bleibt verschollen. Die Angeklagten, die am 29. Juli 2025 zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, verweigern jegliche Auskunft.

Das Tragische daran ist, dass es zum Zeitpunkt des Diebstahls keine detaillierte wissenschaftliche Aufarbeitung dieses einmaligen Hortfundes gab. Es existiert lediglich eine 14-seitige Zusammenfassung von Bernward Ziegaus im 18. Band der Reihe „Die Ausgrabungen in Manching“ aus dem Jahr 2013, in dem die Ergebnisse der Grabungskampagnen zwischen 1996-1999 vorgestellt werden. Durch den Raub des Goldschatzes ging also dem Museum nicht nur ein Highlight seiner Ausstellungsobjekte verloren. Die Wissenschaft verlor gleichzeitig die Chance, einen der größten keltischen Goldfunde der Geschichte, der zudem ausnahmsweise einen gesicherten Fundzusammenhang aufweist, nach modernsten Methoden auszuwerten und zu publizieren.

Was Münzbegeisterte trotzdem noch sehen können

Aber auch nachdem dieser berühmte Hortfund verschwunden ist, gibt es noch einiges, das sich für den Münzbegeisterten zu besichtigen lohnt. Denn der Goldschatz war in seinen numismatischen Zusammenhang eingebettet, und man entdeckt etliche weitere numismatische Objekte. So sind zum Beispiel die verschiedenen Typen der keltischen Fundmünzen

Übersicht der in Manching gefundenen Münzen. Foto: KW.
Materialhort eines römischen Goldschmieds. Foto: KW.

aus Manching ausgestellt. Noch beeindruckender sind etliche Prägewerkzeuge, die beweisen, dass in Manching nicht nur Waffen, Werkzeuge und Glasarmreifen entstanden, sondern auch Münzen.

Gleich mehrere Tüpfelplatten sind zu sehen, wie sie bei vielen anderen keltischen Ausgrabungen ebenfalls zu Tage kamen. Man geht heute davon aus, dass sie dazu dienten, die Schrötlinge herzustellen, die in einem zweiten Schritt beprägt wurden. Dafür wurden genau abgewogene Metallmengen in die einzelnen Mulden gefüllt und anschließend geschmolzen. So schafften es die Kelten, dass jede ihrer Münzen annähernd das gleiche Gewicht besaß.

Ferner sind zwei Oberstempel für die Münzprägung ausgestellt sowie ein großer Unterstempel, in den mehrere Münzbilder eingraviert waren. Zum Anbringen der Bilder diente wohl eine Punze, die ebenfalls gefunden wurde.

Last but not least sei eine kleine keltische Dose erwähnt, die der Aufbewahrung von Goldmünzen diente. Lassen Sie sich durch das Foto nicht täuschen: Das gute Stück misst gerade einmal 4 Zentimeter.

Ebenfalls zu sehen sind mehrere Materialhortfunde, also Barren, Metallbruchstücke oder Altmetall, das für eine weitere Verarbeitung vorgesehen war. Auch wenn dieses Material nicht als Geld verwendet wurde, hatte es zweifellos Geldwert.

Die beiden nicht-numismatischen Highlights des Museums

Enden wir mit den beiden nicht-numismatischen Highlights des Museums. Wohl das bemerkenswerteste Objekt ist das so genannte Kultbäumchen von Manching.

Welchen Zweck das bezaubernde kleine Bäumchen mit den goldenen Blättern gehabt haben könnte, wissen wir letztendlich nicht. Es wurde in einem hölzernen Kasten aufbewahrt, dessen Überreste ebenfalls bei der Grabung entdeckt wurden. Deko? Auch das klingt nicht wesentlich wahrscheinlicher. Also bleibt es vorerst beim Kultobjekt, von dem man spekuliert, dass es im Rahmen von Prozessionen mitgeführt worden sei. Eine Art keltischer Mini-Maibaum oder so ähnlich.

Der Zweck der beiden römischen Highlights ist dagegen unumstritten. Die 1986 entdeckten hölzernen Bootswracks waren Teil der Flotte von Oberstimm. Sie sind ein echter Jahrhundertfund, denn es handelt sich um die besterhaltenen römischen Militärschiffe nördlich der Alpen. Sie lieferten so viele Details, dass unter Leitung des Instituts für Alte Geschichte der Universität Hamburg ein Nachbau eines der beiden Boote angefertigt wurde. Er stammt aus der Zeit um 100 v. Chr., diente damals als Patrouillenboot und für Gefechte. Dass dieser Bootstyp seetüchtig war, wiesen die Studenten der Universität Hamburg nach, indem sie mit ihrem Nachbau namens „Victoria“ auf große Fahrt gingen.

Sie sehen, auch nach dem Raub des Münzhorts lohnt sich ein Besuch im kelten römer museum manching. Und vielleicht haben die Diebe ja doch noch ein Einsehen und verraten, wo sie die restlichen Statere aus dem Fund gelassen haben. Solange sie hofften, aus Mangel an Beweisen freigesprochen zu werden, gab es dafür ja keinen Grund.

Das so genannte Kultbäumchen von Manching. Foto: KW.

Die römischen Schiffe von Oberstimm. Foto: KW.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.