Mediale GerĂŒchtekĂŒchen: Nutzen und Gefahren âEin Journalist ist einer, der nachher alles vorher gewusst hatâ, sagte einst Karl Kraus. Ist diese Polemik noch gĂŒltig in unseren Filterblasen? Wie sich die journalistische Arbeitsweise auf Grund von Social Media verĂ€ndert hat und welche Rolle dabei Fake News spielen, besprach SUMO mit Alexandra Halouska, Chefredakteurin der âKronen Zeitungâ Oberösterreich, und Isabella Nittner, Journalistin der Tageszeitung âHeuteâ. Recherche in Echtzeit, Push-Benachrichtigungen und Leser-Diskussionen auf jeglichen Plattformen: Soziale Netzwerke wirbeln die Welt der klassischen Medien durcheinander. Schreibmaschinen, Fax-GerĂ€te, Druckschluss und festgelegte Uhrzeiten, zu welchen Nachrichtensendungen laufen sind Schnee von gestern. Nachrichten tickern in Echtzeit auf sozialen KanĂ€len, sekĂŒndlich erscheint neuer Content, die Verbreitung funktioniert mit einem Klick. Mittlerweile kann jede/r Inhalte im Netz veröffentlichen oder verbreiten, dies stellt eine groĂe Bereicherung, aber auch eine enorme Herausforderung fĂŒr Rezipient*innen dar. Die Mediennutzung wird zu immer gröĂeren Teilen auf digitale Plattformen umgelegt. Diese Art der Informationsvermittlung sorgt nicht nur fĂŒr eine Konkurrenz auf Seite der klassischen Medien, sondern auch fĂŒr ein verĂ€ndertes Aufgabenspektrum und Rollenbild der Journalist*innen. Nie hatten Journalist*innen so viele Quellen zur VerfĂŒgung, ohne auch nur den Arbeitsplatz verlassen zu mĂŒssen, aber auch noch nie wurde ihnen so genau auf die Finger geschaut. Gleichzeitig gilt es, dass die Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt ĂŒberprĂŒft werden mĂŒssen â aber wer sagt was und warum etwas wahr ist?
Der journalistische Arbeitsprozess Die Recherche stellt den Kernaspekt des journalistischen Handelns dar. GrundsĂ€tzlich sollen innerhalb dieses Prozesses Informationen ĂŒber Geschehnisse detailliert und umfassend in Erfahrung gebracht werden, die Relevanz, GĂŒltigkeit und Verstehbarkeit der Informationen ermittelt und entsprechend publizistisch bewertet werden. Im Prinzip haben sich die journalistischen Verfahren seit Jahrzehnten nicht verĂ€ndert. UnabhĂ€ngig von welchen KanĂ€len Informationen bezogen werden, ist es notwendig, dieselbe Vorgehensweise zu wahren. Ohne Faktencheck und mögliche Verifizierungen gehe gar nichts, erklĂ€rt âKroneâ-Chef-
redakteurin Halouska. Heutzutage beginnt die aktive Suche nach Informationen in sozialen Netzwerken und via Suchmaschinen. Der Zugang zu Quellen und das Auffinden von Inhalten wird grundlegend vereinfacht und beschleunigt. Von besonderer Bedeutung sind in erster Linie Microblogging-Dienste (z.B. âTwitterâ), Podcasts, Social MediaPlattformen (âFacebookâ, âInstagramâ und Co.), Videoplattformen wie âYouTubeâ, Suchmaschinen (v.a. âGoogleâ) und Online-EnzyklopĂ€dien (âWikipediaâ). Hierbei werden soziale Netzwerke und Suchmaschinen unter dem Begriff âSuchhilfenâ, mittels welcher öffentlich zugĂ€ngliche Informationen gefunden werden können, zusammengefasst. Suchhilfen sind relevant, wenn Journalist*innen ĂŒber keinen direkten Zugang zu Quellen verfĂŒgen, um geeignete Quellen zu identifizieren oder auch, um Informant*innen zu kontaktieren, hĂ€lt Christian Nuernbergk fest (âJournalismus im Internetâ, 2018). âTwitterâ fungiert als wichtige Informationsquelle â nicht per se fĂŒr Leser*innen, umso mehr jedoch fĂŒr Recherchezwecke. Hier sei das journalistische Medienumfeld relevant, da man sich Inspiration von Kolleg*innen holen könne. FĂŒr Leserbeobachtungen, Meinungen und Stimmungsbilder sei âFacebookâ besonders wichtig. Halouska exkludiert dabei âInstagramâ weitgehend, da der Nachrichtenfokus keinen hohen Stellenwert habe wie bei anderen Plattformen. So vorteilhaft diese Aspekte auch sind, muss man sich bewusst sein, dass das Internet eine Umgebung darstellt, in der BeitrĂ€ge auch ungeprĂŒft verbreitet und von Falschinformationen oder Halbwahrheiten strategisch platziert sowie geteilt werden können. Da der Journalismus die Geschehnisse der Umwelt nicht immer nur auf primĂ€ren Quellen stĂŒtzten kann, ist es notwendig, Sekundarinformationen zu beziehen. Quellen verfolgen partikulare Interessen: Damit Fehlinformationen ausgeschlossen werden können, ist eine grĂŒndliche und kompetente PrĂŒfung der Inhalte unabdingbar, so Nuernbergk. Die âHeuteâ-Journalistin Isabella Nittner unterstreicht im SUMO-GesprĂ€ch, dass ihre
Vorgehensweise ganz nach dem Motto âCheck, Re-Check, Re-Re-Checkâ funktioniere, sprich, dass vermeintlich falsche Informationen zuerst verifiziert wĂŒrden. Im Anschluss werde versucht, mit zustĂ€ndigen Behörden, Expert*innen beziehungsweise Wissenschaftler*innen Kontakt aufzunehmen, um die Inhalte korrekt aufarbeiten zu können.
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Fake News
In der Alltagssprache wird der Begriff âFake Newsâ fĂŒr alles verwendet, was dubios oder falsch erscheint. Im wissenschaftlichen Kontext sind gezielt lancierte Falschmeldungen gemeint, also ein Handeln aus Vorsatz. Um die Assoziation zu vermeiden, spricht man besser von Desinformation. Keineswegs sind sie eine Erfindung der Neuzeit, bloĂ kann heute jeder Mensch mit Internetzugang wahre und falsche Inhalte verbreiten. Viele Rezipient*innen sehen daher die Aufgabe des Journalismus darin, Nachrichten zu verbreiten, die der Wahrheit entsprechen, konstatierte Tanjev Schultz (âFrankfurter Hefte., IdentitĂ€t vs. IdentitĂ€tspolitik, 2018â). Dennoch benötigen Rezipient*innen Hilfe beim Einordnen jener Informationsflut. Guter Journalismus mĂŒsse bei dieser Einordnung unterstĂŒtzen und Meinungen von unterschiedlichen Quellen sowie Expert*innen wiedergeben.
Mediale GerĂŒchtekĂŒchen: Nutzen und Gefahren
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