SUMO #38

Page 26

© Copyright: adobe stick / aerogondo

Was das Virus mit dem freien Theater macht Das Budget ist klein, die Kultur groß – und der Vorhang bleibt immer öfters zu. Die freie Theaterszene bildet neben den großen Institutionen wie dem Burgtheater eine zweite SĂ€ule in der österreichischen Theaterlandschaft. Doch nicht nur die Covid-19-Pandemie, sondern auch mediale Angebote konkurrieren zunehmend um die Aufmerksamkeit von Kulturbegeisterten. Wie halten kleine und mittlere TheaterbĂŒhnen dem zweiseitigen Konkurrenzdruck stand und wie gehen sie mit den Herausforderungen der Covid-19-Pandemie um? SUMO sprach darĂŒber mit zwei Theaterleiter*innen und Schauspieler*innen: Ernst Kurt Weigel vom Off Theater Wien und Michaela Ehrenstein von der Freien BĂŒhne Wieden. November 2021. WĂ€hrend das Theater im Vormonat gerade erst wieder etwas Fahrt aufnehmen konnte, kam es im November vor dem nĂ€chsten bundesweiten Lockdown zu einem schlitternden Halt – wobei manche mehr rutschten und manche weniger. Je nach Beschaffenheit und GeschĂ€ftsmodell variierte die Zufriedenheit von TheaterhĂ€usern proportional zur Saalauslastung. Beides befand sich unterm Strich jedoch auf dem AbwĂ€rtstrend. FlĂ€chendeckend wurden TicketeinbrĂŒche verzeichnet, selbst Premieren im Burgtheater waren nicht voll besetzt. Weist das Burgtheater, das grĂ¶ĂŸte deutschsprachige Sprechtheater, eine durchschnittliche Gesamtauslastung von rund 66% auf, so stellt man sich die Frage: Wie geht es dann den freien Theatern? Und wie gehen diese damit um, wenn coronabedingt wieder einmal der Vorhang zubleibt?

Was ist „Freies Theater“? Alternativ, trashig* und voller „Nebenjobber*innen“ mit unerfĂŒllten TrĂ€umen von der großen BĂŒhne: Eigenschaften, die nicht selten mit der freien, auch Offoder Independent-Theaterszene in Verbindung gebracht werden. TheaterhĂ€user oder -ensembles, die Programm abseits des Mainstreams produzieren, hĂ€ufig kein festes Ensemble haben und zum großen Teil staatlich subventioniert sind. Ja und Nein. Was ist ein Vorurteil, was entspricht der Wahrheit?

26

Jenseits der großen Institutionen bilden freie Theater die zweite SĂ€ule in der professionellen Theaterlandschaft Österreichs. Die Szene vereint viele unterschiedliche Ästhetiken und Theatersparten. Gleichzeitig gibt es einige wesentliche Merkmale, die Akteur*innen der freien Szene gemeinsam haben. Off-Theater bieten einen Ort, an dem darstellende Kunst abseits von Ă€sthetischen und inhaltlichen Anforderungen und dem kommerziellen Druck des Mainstream-Theaters eine BĂŒhne finden kann. Unmittelbar im Zentrum steht zumeist die Auseinandersetzung mit der Kunst auf sĂ€mtlichen Ebenen, angetrieben von gesellschaftlichen Themen. Nicht selten werden Themen kollektiv im Ensemble erarbeitet, die Hierarchien sind flach und die Ausrichtung ist nicht kommerziell. Damit einhergehend wird auch ein Teil der freien Szene durch staatliche Mittel gefördert. Viele Kunst- und Theaterschaffende setzen den Schritt ins freie Theater bewusst. Die selbststĂ€ndigere Arbeitsweise bietet entsprechende Möglichkeiten, selbstbestimmter und autark zu arbeiten. Zumeist arbeiten sie als Teil eines Ensembles, das ĂŒber eigene RĂ€umlichkeiten verfĂŒgt oder ziehen als kĂŒnstlerische Nomaden von BĂŒhne zu BĂŒhne. Österreich weist eine große Vielfalt an Off-Theatern auf. Unterschiede in Stil, Programm und Inszenierung prĂ€gen diese Vielfalt – und doch mĂŒssen sich alle, zusammen mit der restlichen Kultur des Landes seit MĂ€rz

Was das Virus mit dem freien Theater macht

2020 ein und derselben Herausforderung stellen. Wie gelingt den kleinen BĂŒhnen die PandemiebekĂ€mpfung?

Schockstarre vs. Learning by Doing Reaktion statt Aktion, lautet hierbei die Devise fĂŒr viele, vor allem fĂŒr große HĂ€user. Mangelnde Planbarkeit macht deutlich zu schaffen. „Was ist ein Plan?“, fragte sich die Intendantin des Landestheaters Vorarlberg Stephanie GrĂ€ve in einem ORF-Interview sarkastisch. „Klar, wir haben PlĂ€ne und dann machen wir wieder PlĂ€ne und wieder PlĂ€ne. Aber was es natĂŒrlich braucht, ist grĂ¶ĂŸtmögliche FlexibilitĂ€t.“ Genau in dieser FlexibilitĂ€t liegt der große Vorteil der kleinen und mittleren** BĂŒhnen gegenĂŒber den großen. „Man traut sich halt mehr“, so Schauspieler und Leiter des Off Theater Wien, Ernst Kurt Weigel. „Auf ihrer großen Kohle sind sie gesessen, Schockstarre. Was sollen wir jetzt machen?“, kommentiert er weiter das Handeln großer BĂŒhnen wĂ€hrend des Lockdowns, oder das Fehlen dieses. Die FlexibilitĂ€t ermöglichte es auch vor allem dem Wiener Off Theater, schnell auf die Situation zu reagieren und Online-Lösungen zu entwickeln. Angesichts fehlender technischer KapazitĂ€ten und mangelnden KnowHows konnte zwar zunĂ€chst noch kein absolut reibungsloser Ablauf eines Livestreamings via Smartphone garantiert werden.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook

Articles inside

Journalismus: Ein Beruf, viele Legenden

8min
pages 76-77

Die Zukunft der Lokalmedien ist anspruchsvoller als ihre Vergangenheit.“

7min
pages 66-69

Mediale GerĂŒchtekĂŒchen Nutzen und Gefahren

9min
pages 73-75

Community Management: How to?

4min
pages 70-72

Trafikant*innen: Die analogen Influencer*innen unserer Zeit

7min
pages 63-65

TV-Nachrichten – das hĂ€rteste GeschĂ€ft?

5min
pages 58-59

Terrorismus – Gefahren fĂŒr Medienschaffende und Berichterstattung

5min
pages 56-57

Zwischen Handysucht und moderner Bildung (digitale) Medien im Unterricht

4min
pages 50-51

Filmlizenzen: Ein Handel zwischen traditioneller Bedeutung und neuer MarktkomplexitÀt

10min
pages 52-55

Behindertensport im medialen Rampenlicht

4min
pages 32-33

Gratiszeitungen – grenzen- und kostenlos in einer Wegwerfgesellschaft

6min
pages 30-31

20 Jahre Medienmanagement Alumni Success Stories

25min
pages 38-45

Medienskandale im Wandel der Zeit Geht QualitÀtsjournalismus verloren?

9min
pages 46-49

Das Lizenz-Roulette SportĂŒbertragungsrechte im Geldrausch

7min
pages 34-37

Cyber-)Mobbing – Schreie, die niemand hört

4min
pages 28-29

Was das Virus mit dem freien Theater macht

7min
pages 26-27

Danke fĂŒr Ihre Aufmerksamkeit Erfolgsgarant Klicks

4min
pages 24-25

Der Motor der Internet-Entwicklung ist X-rated

7min
pages 9-11

Geschichten die uns Bilder erzÀhlen Visualisierungen in den Medien

13min
pages 5-8

Ein Leben im #technologischen Wandel

7min
pages 12-14

Ach, du bist Schriftsteller*in?“ Einblicke in einen Beruf im Wandel

7min
pages 21-23

Kinderfernsehen – Noch am Puls der Zeit?

9min
pages 18-20

Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“

8min
pages 15-17
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.